Protokoll der Sitzung vom 02.06.2005

Planloser Start in das neue Schuljahr – Ein-Euro-Jobber im Unterricht?

Bitte schön, Frau Schultze-Berndt!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

Ich stelle hier fest, dass von einem „horrenden Unterrichtsausfall“ in Berlin nicht die Rede sein kann. Jeder Unterrichtsausfall ist nicht schön und wir müssen ihm

entgegentreten. Aber dramatisieren sollten wir die Situation in der Berliner Schule nicht. Gleichwohl ist es unsere Verpflichtung, alles zu tun – auch durch bessere Organisationsbedingungen und durch den Vertretungseinsatz – den Unterrichtsausfall zu minimieren. Wir führen darüber eine jährliche Statistik.

In der von Ihnen angeführten Steglitzer Grundschule hat auf Grund einer plötzlich eingetretenen Erkrankung einer Lehrkraft in einer Unterrichtsstunde eine andere Lehrkraft gleichzeitig zwei Lerngruppen unterrichtet, und die an der Schule vorhandene Ein-Euro-Kraft ist in dieser Unterrichtsstunde zur Beaufsichtigung der durch die Lehrerin vergebenen Stillarbeiten zugezogen worden. Ich sage deutlich, dass es sich hierbei um eine Ausnahme handelt, die ich selbst nicht gut finde,

um das ganz klar zu sagen. Ich betone ausdrücklich, dass wir jedem Einzelfall nachgehen werden, wenn es auch nur den Verdacht gibt. Ein-Euro-Kräfte werden und dürfen keinen Pflichtunterricht an der Berliner Schule abdecken. Das ist eindeutig so geregelt.

In der Regel liegen die Organisationsrichtlinien drei Wochen vor Schuljahresende vor. Das ist in diesem Jahr aber nicht der Fall. Deshalb frage ich Sie: Halten Sie die 300 Einstellungen, Umsetzungen oder wie auch immer für bedarfsgerecht, und haben Sie dabei berücksichtigt, dass weitaus weniger Lehrkräfte in den Ruhestand gehen als bislang, dass ältere Lehrkräfte sehr viel häufiger dauerkrank werden, dadurch mehr Fehlzeiten entstehen und die Ein-Euro-Kräfte letztlich nur der letzte Ausweg sind – wenn es auch nur im Wege der Aufsicht ist, sie haben ein schönes Hilfskonstrukt beschrieben –, um die Unterrichtsgarantie umzusetzen? Was halten Sie von der Zahl der 650 Bedarfsstellen, die immer wieder genannt werden?

1. Wann werden die Schulen erfahren, wie viele Lehrer und mit welcher Eignung ihnen zum Schuljahresbeginn zur Verfügung stehen?

2. Ist für die Organisation des neuen Schuljahres eine größere Vertretungsreserve als im laufenden Schuljahr beabsichtigt, damit der horrende Unterrichtsausfall gestoppt und der Einsatz von Ein-Euro-Kräften im Unterricht, wie kürzlich in einer Steglitzer Grundschule, verhindert werden kann?

Der Herr Staatssekretär Härtel antwortet für den abwesenden Senator Böger. – Bitte schön, Herr Härtel!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Schultze-Berndt! Von einem planlosen Start in das neue Schuljahr kann überhaupt gar keine Rede sein. Die Berliner Schule wird für das kommende Schuljahr mit Einstellungen in einem Umfang von 300 Vollzeitlehrereinheiten verstärkt. Davon sind 60 Stellen für Stundenaufstockungen von Lehrkräften vorgesehen, die für das laufende Schuljahr zunächst mit einer Zweidrittelstelle eingestellt worden sind. Sämtliche Auswahlentscheidungen für die Einstellungen werden von den Schulleiterinnen und Schulleitern getroffen. Damit sind ihnen die Lehrerinnen und Lehrer bereits bekannt.

Für eine gleiche personelle Ausstattung der Berliner Schule wurden rund 190 überregionale Umsetzungen zentral durch unsere Verwaltung festgelegt. Die Auswahl der betroffenen Lehrkräfte obliegt den Dienststellenleiterinnen und -leitern der Außenstellen unserer Verwaltung, immer in enger Kooperation mit den Schulen. Diese Umsetzungen sollen bis Ende Juni 2005 abgeschlossen und die Lehrkräfte den aufnehmenden Schulen bekannt sein. Darüber hinaus werden in den Regionen weitere Umsetzungen durchgeführt, in einem Umfang von etwa 600 Stellen. Dies geschieht vorrangig zur Absicherung des Bedarfs in den Grundschulen auf Grund der vorgezogenen Schulpflicht zum kommenden Schuljahr. Auch hier gehe ich davon aus, dass diese Umsetzungen bis Ende Juni 2005 abgeschlossen sind und die Schulen damit entsprechende Planungssicherheit haben.

Zu Ihrer 2. Frage: Die Ausstattung der Berliner Schule erfolgt auch im kommenden Schuljahr nach den Vorgaben des Abgeordnetenhauses von Berlin. Diese fließen immer ein in die Organisationsrichtlinien für das neue Schuljahr. Dabei werden weiterhin 5 % des Gesamtstellenvolumens, welches ca. 1 200 Stellen entspricht, für nicht verfügbare Lehrkräfte sowie für Unterrichtsvertretungen vorgehalten, um die Erteilung des Pflichtunterrichts sicherzustellen.

[Beifall der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Staatssekretär! – Frau Schultze-Berndt hat das Wort zu einer Nachfrage – bitte schön!

Herr Staatssekretär Härtel – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Schultze-Berndt! Noch einmal: Ein-Euro-Kräfte werden nicht eingesetzt. Das ist die erste Aussage.

Die zweite Aussage lautet: Wir können 300 Vollzeitstellen für konkreten Bedarf in der Berliner Schule nutzten, um die Lehrerversorgung zum neuen Schuljahr sicherzustellen, obwohl wir insgesamt in Berlin auf Grund der Schüler-Lehrer-Relation und der entsprechenden Organisationsrichtlinien genug Lehrerinnen und Lehrer an Bord haben, die insgesamt den Unterricht sicherstellen können. Wir haben aber spezifischen Fachbedarf, für den

StS Härtel

1. Welche Folgen für Berlin werden sich aus der von der Brandenburger Landesregierung geplanten Auflösung der gemeinsamen Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion Berlin-Brandenburg ergeben, und welche Konsequenzen wird der Senat daraus ziehen?

Danke schön, Frau Michels! – Der Senator für Wirtschaft antwortet. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Michels! Um keine Missverständnisse auf Grund der Fragestellung entstehen zu lassen, weise ich darauf hin, dass Brandenburg darüber diskutiert und beabsichtigt, aus der gemeinsamen Arbeitsmarktregion im fördertechnischen Sinn auszusteigen. Aus der gemeinsamen Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion im eigentlichen Sinn beabsichtigt Brandenburg weder auszusteigen noch ist es möglich. Wir sind eine gemeinsame Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion. Die Tatsache, dass im Land Brandenburg zurzeit eine Diskussion darüber stattfindet, wie man die Förderstrukturen ändert und sie unter anderem stärker auf die Wachstumskern und damit auf das Berliner Umland konzentriert, ist ein Eingeständnis der Tatsache, dass wir eine gemeinsame Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion sind und dass wichtige Wachstumsimpulse aus der Hauptstadtregion für das Land Brandenburg und damit für Ostdeutschland insgesamt entstehen. Worum es geht bei der Diskussion, ist also, wie gesagt, die Aufgabe der seit vielen Jahren bestehenden gemeinsamen Arbeitsmarktregion im fördertechnischen Sinn, das heißt eine bestimmte Einstufung von Berlin und dem Umland von Berlin im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe, also der Förderstruktur der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Diese Aufgabe der gemeinsamen Arbeitsmarktregion in diesem Sinn würde bedeuten, dass wir unterschiedliche Höchstfördersätze in Berlin und dem Umland hätten. Brandenburg hätte dann die Möglichkeit, mit Höchstfördersätzen bis zu 50 % zu fördern, Berlin mit maximal 38 %. Wir hätten damit innerhalb der Wirtschaftsregion ein Fördergefälle zu Ungunsten Berlins. Ich sehe damit die Gefahr, dass Investoren, die sich für eine Ansiedlung in der Region Berlin-Brandenburg interessieren, nicht allein von Erwägungen des Standorts, von betriebswirtschaftlichen Kriterien, leiten lassen, sondern auch von der Höhe der Fördersätze. Das halte ich für eine nicht wünschenswerte Verzerrung, weil damit Standortentscheidungen subventionsgetrieben wären, was grundsätzlich keine gesunde Entwicklung ist.

wir unbedingt einstellen müssen. Ich bin der Finanzverwaltung außerordentlich dankbar, dass sie dies gestattet hat.

Bezogen auf den vorgezogenen Schulanfang habe ich deutlich gesagt, wenn in der Sekundarstufe 1 weniger Lehrkräfte benötigt werden, weil es dort weniger Schüler gibt, ist es selbstverständlich, dass das vorhandene Personal an anderer Stelle in der Berliner Schule eingesetzt werden muss. Sie wissen, dass die Lehrkräfte in der Regel eine Ausbildung für die Klassenstufen 1 bis 10 haben. Man muss dann die entsprechenden Umsetzungen vornehmen. Mittels dieser Umsetzungen ist die Organisation des neuen Schuljahres sichergestellt nach den entsprechenden Organisationsrichtlinien zur Erfüllung der Berliner Stundentafel.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Goetze – bitte schön!

Herr Staatssekretär! Zum planlosen Start in das neue Schuljahr frage ich, ob es zutrifft, dass die Organisationsrichtlinien für das neue Schuljahr noch nicht an die Schulen gegangen sind und noch nicht einmal die Beteiligung des Landesschulbeirates stattgefunden hat, was die Gründe dafür sind und wann die Schulen mit den Organisationsrichtlinien rechnen können.

Herr Staatssekretär Härtel – bitte!

Die Schulen haben bereits jetzt die Organisationsrichtlinien erhalten.

[Mutlu (Grüne): Wann denn?]

In diesen Tagen! Auch der Landesschulbeirat hat sie zugestellt bekommen, um auf dieser Grundlage entsprechend beraten zu können. Das ist in der Tat, das gebe ich zu, im Vergleich zu den vergangenen Jahren recht spät. Wir haben aber versucht – das habe ich eben deutlich gemacht –, verbindlich zu regeln, dass der Unterricht mit den zusätzlichen 300 Vollzeitlehrerstellen angemessen abgedeckt werden kann. Dafür bedurfte es entsprechender Abstimmungen, die wir vorgenommen haben. Der Landesschulbeirat wird die Organisationsrichtlinien meines Wissens in der nächsten Woche beraten.

Danke schön, Herr Staatssekretär!

Es geht weiter mit einer Anfrage der Frau Abgeordneten Michels von der Fraktion der PDS zu dem Thema

Gemeinsame Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion Berlin-Brandenburg

Bitte schön, Frau Michels!

Danke schön! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

2. Welche Auswirkungen ergeben sich nach Auffassung des Senats auf die Kooperation der beiden Länder auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung?

Es ist auch nicht auszuschließen, dass über die Fördersätze auch Anreize geschaffen werden für die Abwanderung von Unternehmen aus Berlin. Ich sage an dieser Stelle allerdings, zurzeit haben wir mit Brandenburg die Ver

Herr Senator! Hier geht es um die Zukunft. Aber es gibt sicherlich auch aktuelle Probleme, z. B. bei der Bosch Siemens Hausgeräte. Gestern waren viele Beschäftigte in München und haben dort demonstriert, damit die 600 Arbeitsplätze in Spandau nicht wegfallen und sich in Nauen konzentrieren. Ist das ein aktueller Fall, wo man das illustrieren kann? Wird es dazu kommen, dass in Berlin gefördert worden ist, 600 Arbeitsplätze aber trotzdem wegfallen und es in Nauen einen Zusatzaufbau wiederum mit Wirtschaftsfördermitteln aus der Region Berlin-Brandenburg, diesmal von der brandenburgischen Staatsregierung, geben wird, damit in Nauen ein Rest der Arbeitsplätze wieder aufgebaut wird?

Finden Sie das sinnvoll? Reden Sie darüber mit Herrn Junghanns?

Frau Paus! Nach meinen Gesprächen mit den Unternehmen und Bosch Siemens Hausgeräte ist nicht geplant, einen Beschäftigungsaufbau in Nauen vorzunehmen, sondern die Beschäftigung in Nauen soll konstant bleiben. In diesem Fall handelt es sich bedauerlicherweise um den vollständigen Wegfall der Fertigungsarbeitsplätze in Berlin, und zwar ersatzlos innerhalb der Region. Es dreht sich lediglich um 40 Arbeitsplätze in der Logistik, die nach der gegenwärtigen Planung des Unternehmens nach Nauen verlagert werden, weil das der einzige Fertigungsstandort ist. Wenn hier von Seiten Brandenburgs gefördert werden sollte, ist das sicherlich ein Thema, über das man sprechen soll. Aber mein Hauptanliegen ist nach wie vor, gemeinsam mit den Belegschaftsvertretern, den Gewerkschaften und dem Unternehmen Gespräche darüber zu führen, wie wir am Standort Berlin bei Bosch Siemens Hausgeräte nicht nur Forschung und Entwicklung aufrecht erhalten können, sondern hier Möglichkeiten zu suchen, dass auch noch Fertigung stattfinden kann, z. B. durch Zuliefererfunktionen an Drittwerke. Sie wissen, dass zurzeit eine Untersuchung bei Bosch Siemens Hausgeräte von einem Unternehmensberater stattfindet, der im Einvernehmen mit der Geschäftsleitung durch den Betriebsrat und die Gewerkschaft eingesetzt worden ist. Ich erhoffe mir, wenn Ergebnisse vorliegen, dass wir Ansatzpunkte für weitere Gespräche haben, um industrielle Arbeitsplätze am Standort Berlin zu erhalten. Ich nehme den Hinweis auf das Förderthema mit Brandenburg auf und werde das in die Gespräche mit Herrn Junghanns einführen.

einbarung, dass dieses nicht förderfähig ist. Eine solche Vereinbarung muss auch weiterhin bestehen. Ich glaube, dass eine solche Entwicklung – die Aufgabe der gemeinsamen Arbeitsmarktregion – auch regionalpolitisch nicht sinnvoll wäre. Die Beihilfen sollen nach dem Willen der Europäischen Kommission zum Nachteilsausgleich strukturschwacher Regionen dienen und nicht zu einem Ansiedlungswettlauf zwischen gleich starken Regionen über unterschiedliche Fördersätze oder gar zwischen Regionen mit unterschiedlichen Entwicklungsfortschritten. Das ist einer der Gründe dafür, weshalb im Planungsausschuss der GA im Jahr 2000 die Höchstfördersätze nicht nur in Berlin, sondern auch z. B. in Leipzig, Dresden und Halle als den Gebieten, die in Ostdeutschland bisher die besten Entwicklungsfortschritte gezeigt hatten, abgesenkt wurden. Mittlerweile sind die B-Fördergebiete, das ist der fördertechnische Ausdruck dafür, in Ostdeutschland weiter ausgeweitet worden und umfassen im GARahmenplan sogar ländliche Gebiete. Wir werden uns deshalb in den maßgeblichen Bund-Länder-Gremien auch dafür einsetzen, dass die gemeinsame Arbeitsmarktregion weiter erhalten bleibt. Es ist bislang nicht erkennbar, dass es eine Unterstützung des Brandenburger Anliegens durch andere Bundesländer gibt.

Ich habe gestern Abend mit dem Kollegen Junghanns noch einmal über das Thema gesprochen, und wir haben verabredet, dass wir eine einvernehmliche Lösung zwischen den beiden Ländern anstreben und jetzt in einen konkreten Arbeitsprozess gehen. Ich glaube – das zum zweiten Punkt Ihrer Frage –, dass das essentiell ist dafür, dass wir klare gemeinsame Verabredungen haben, dass wir die Fortschritte, die wir in den letzten Jahren in der Abstimmung der Wirtschaftsförderung erzielt haben, in der Tatsache, dass wir nicht mehr einen Ansiedlungswettbewerb gegeneinander gemacht haben, sondern dass wir gemeinsame Standortangebote für Investoren in der Region gemacht haben und dass wir mittlerweile, was nicht immer der Fall war, eine gute Kooperation der Wirtschaftsförderinstitutionen beider Länder haben, dass dieses nicht gefährdet wird. Das ist das gemeinsame Anliegen von mir und Minister Junghanns. Wir haben dabei allerdings noch einige Probleme zu lösen.

Eine Nachfrage von Frau Paus!

Herr Senator Wolf, bitte!