Protokoll der Sitzung vom 01.09.2005

Herr Kollege Ratzmann! Wir müssen unterscheiden, ob wir der Auffassung sind, dass solche rechtsradikalen Organisationen nach unserer Auffassung politisch nichts in Berlin zu suchen haben – da sind wir im Konsens. Ansonsten haben auch diejenigen, die wir nicht mögen, die Rechte aus dem Grundgesetz. Ich bin auch nicht bereit, derartigen Organisationen ihre grundrechtlichen Rechte nicht zu gewähren. Ich bin gerne bereit, Ihnen den Anfangs- und Endplatz der Demonstration mitzuteilen.

Danke schön, Herr Senator!

Danke schön, Frau KnakeWerner!

Jetzt geht es weiter mit einer Frage des Kollegen von Lüdeke von der Fraktion der FDP.

Vielen Dank! – Ich frage die Senatorin Junge-Reyer: Wie ist der Stand in Sachen Palastabriss? Hat der Senat inzwischen den genehmigungsrechtlichen Antrag auf Abriss des Palastes der Republik gestellt, bzw. wann ist mit dem Antrag zu rechnen?

Jetzt erhält der Kollege Ratzmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an Herrn Dr. Körting: Ist es zutreffend, dass eine für den 3. September von neonazistischen Kameradschaften – zunächst für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg – angemeldete Demonstration nunmehr nach Beauflagung in Lichtenberg stattfinden wird? Welches ist die genau Route, die diese Demonstration in Lichtenberg nehmen wird?

Frau Senatorin Junge-Reyer hat das Wort zur Beantwortung!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von Lüdeke! Sie können davon ausgehen, dass wir uns hinsichtlich des Vorhabens des Abrisses des Palastes der Republik im Zeitplan befinden. Die entsprechenden Anträge sind oder werden gestellt, und die Vorbereitungen für die Ausschreibungen sind ebenfalls abgeschlossen. Wir rechnen mit einer Entscheidung zur Vergabe für den Abriss im November und – wenn sich alle weiteren Angelegenheiten ohne Zeitverzögerung durchführen lassen – mit einem Beginn noch in diesem Jahr.

Herr Senator Dr. Körting – bitte schön!

Herr Kollege Ratzmann! Wir haben für den 3. September nicht nur eine beantragte Demonstration von rechtsradikalen Kameradschaften, sondern inzwischen auch eine beantragte Demonstration der NPD von 10 bis 18 Uhr, die sich in dem Bereich Alexanderplatz/Frankfurter Allee bewegen will. Wir haben darüber hinaus vier angemeldete Gegendemonstrationen und zusätzliche Veranstaltungen, die ebenfalls angemeldet wurden. Ich kann daher das Gefragte bestätigen. Ich habe im Moment keine abschließenden Informationen vorliegen, wie die beabsichtigte Route von der Versammlungsbehörde festgelegt wurde. Es ist aber richtig, dass die Demonstrationen sich auch im Bezirk Lichtenberg abspielen werden.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen von Lüdeke – bitte schön!

Frau Senatorin! Was hat man denn unter der Formulierung „sind oder werden“ zu verstehen? Wenn der Antrag gestellt ist – wann rechnet der Senat mit der Genehmigung und dem Abrissbeginn? Wenn er nicht gestellt ist, so frage ich, warum der Senat – trotz seiner Zuständigkeit – diesen Abrissantrag noch nicht gestellt hat? In welchem Zeitraum wird er das tun?

Eine Nachfrage des Kollegen Ratzmann. – Bitte sehr!

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von Lüdeke! Wie Sie sich vorstellen können, ist ein solcher Antrag in enger Abstimmung mit einem zuständigen Bezirksamt und einer Hauptverwaltung vorzunehmen. Ja, es ist sogar möglich, dass eine Hauptverwaltung sich selbst dieser Angelegenheit annimmt. Dies tun wir.

Eine Nachfrage des Kollegen Zimmer – bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Dann frage ich mal anders: Wir kennen den Grundsatz im Jugendstrafrecht „erziehen statt Strafe“. Sind Sie nicht der Auffassung, dass bei einem jugendlichen Intensivgewalttäter, wie wir ihn hier offensichtlich vor uns haben, der Erziehungsgedanke zurücktreten muss hinter den Gedanken der Individual- und Generalprävention zum Schutze der Allgemeinheit und auch zum Schutz eines jungen Mannes, der sich offensichtlich selbst nicht unter Kontrolle hat?

Danke schön, Frau Senatorin! – Die erste Runde nach der Stärke der Fraktion ist damit beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen im freien Zugriff berücksichtigen. Ich eröffne diese Runde wie immer mit einem Gongzeichen. Schon mit dem Ertönen des Gongs haben Sie die Möglichkeit, sich durch Ihre Ruftaste anzumelden. Alle vorher eingegangenen Meldungen sind schon gelöscht.

Frau Senatorin Schubert – bitte!

(D

Nach dem Strafvollzugsgesetz sind beide Gedanken gleichwertig, so dass nicht der eine hinter den anderen zurückzutreten hat. Es ist zwar mehrfach durch Bundesratsinitiativen versucht worden, den Sanktionengesichtspunkt im Strafrecht nach vorne zu ziehen und den Erziehungsgedanken bei bestimmten Strafen im Jugendstrafrecht nachrangig erscheinen zu lassen. Das hat aber keine Mehrheit im Bundesrat gefunden – auch nicht, weil CDU-regierte Länder dem nicht zugestimmt haben. Darüber bin ich sehr froh, weil das Jugendstrafrecht gerade auf dem Erziehungsgedanken aufbaut – und zwar zu Recht aufbaut – und man bei jedem jugendlichen Täter – unabhängig von der Schwere seiner Tat und seiner Schuld – nicht von vorneherein davon ausgehen darf, dass hier Erziehung keine Möglichkeiten der Resozialisierung bietet. Deswegen sollte der Resozialisierungsgedanke immer im Vordergrund bleiben. Richtig ist aber – und hier pflichte ich Ihnen bei –, dass es Taten und Täterentwicklungen gibt, bei denen die Gesellschaft ein Recht darauf hat, dass man sie davor schützt. Deswegen hatte ich vorhin ausgeführt, dass wir eine Vielzahl an Haftvermeidungsmaßnahmen haben, wenn dies denn ausreicht, um die Gesellschaft zu schützen.

[Gongzeichen]

Das Rennen hat Herr Zimmer gemacht, ihm folgen Herr Dr. Lindner und Frau Matuschek, wenn wir noch genügend Zeit haben werden. – Herr Kollege Zimmer, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich frage die Justizsenatorin Frau Dr. Schubert: Sind Sie mit mir nicht auch der Auffassung, dass ein Jugendlicher, der wegen gefährlicher Körperverletzung mehrfach verurteilt wurde und zuletzt im Juni 2005 einen 20-jährigen Bundeswehrsoldaten lebensgefährlich zusammengeschlagen hat, nicht nur für sich, sondern für die Allgemeinheit eine Gefahr darstellt?

[Doering (Linkspartei.PDS): Das hatten wir doch schon auf der Tagesordnung!]

Wenn Sie an der Stelle des Richters gewesen wären, dessen Entscheidung Sie nicht kommentieren wollen, wie hätten nach der Aktenlage Sie entschieden, die auch dem Richter bekannt war? Hätten Sie den Vollzug des Haftbefehls ausgesetzt, oder hätten Sie es nicht getan?

[Klemm (Linkspartei.PDS): Was ist denn das für eine Frage? – Liebich (Linkspartei.PDS): Ist diese Frage zulässig?]

Wir haben aber auch die Untersuchungshaft in der Jugendstrafanstalt, und heute Morgen habe ich mir noch einmal die Zahlen der inhaftierten Jugendlichen angesehen, die in Untersuchungshaft in der Jugendanstalt sitzen. Es ist ein erschreckend hoher Anstieg in den letzten drei bis vier Jahren festzustellen, der natürlich auch darauf schließen lässt, dass die Praxis der Verurteilung und die Praxis der Erlasse eines Haftbefehls auch bei Jugendlichen bis in ganz junges Alter hinein – wir haben auch Untersuchungshäftlinge einsitzen, die zwischen 14 und 16 Jahren alt sind – zunimmt. Hier wird es schon schwierig zu beurteilen, ob nicht doch der Resozialisierungsgedanke im Vordergrund zu stehen hätte, dergestalt, dass eine Heimunterbringung die bessere Möglichkeit ist.

Frau Senatorin Schubert – bitte schön!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Zimmer! Als Erstes: Den Doktortitel hätte ich gerne erworben, mir fehlte allerdings die Zeit. Zu Ihrer Frage: Ich bin seit elf Jahren keine Richterin mehr, deswegen stand ich Gott sei Dank nicht vor der Entscheidung, einen Haftbefehl erlassen zu müssen oder nicht erlassen zu müssen bzw. eine Strafe zu erlassen oder nicht erlassen zu müssen. Wenn ich antworten würde, wie ich entschieden hätte an der Stelle dieses Richters, dann wäre das der Richterschelte gleichzustellen oder auch nicht, und das möchte ich vermeiden.

Es ist aber nun einmal so, dass viele Jugendliche zu spät in die Möglichkeit einer geordneten, Grenzen setzenden Erziehung gelangen, so dass die Möglichkeiten der

Frau Bm Schubert

Es gibt nur Nachfragen. Einflussnahme sehr begrenzt sind und es längere Zeit braucht, solche Leute wieder auf den rechten Weg zu bringen. Wenn man sie zu spät erwischt – was in manchen Fällen leider auch der Fall ist –, hat man manchmal gar keine Möglichkeiten mehr. Das sollte uns auffordern, relativ früh auf kriminelle Energie schon im Kindesalter aufmerksam zu werden. Auch Kindergärten, Schulen, Nachbarn, Familien, Freunde, alle sind aufgerufen festzustellen, wenn jemand in die Kriminalität abgleitet, so dass man dann die notwendigen Mittel ergreift, und zwar rechtzeitig, nicht erst, wenn sie strafmündig geworden sind und als ganz junge Jugendliche bereits in Untersuchungshaft kommen.

Aber sicher, nachdem er seine kleinkarierte Polemik abgelassen hat, komme ich noch einmal darauf zurück. – Sie haben gesagt, Sie möchten fortsetzen und radikalisieren. Ich frage Sie als Regierenden Bürgermeister dieses rot-roten Senats: Was werden Sie denn ergreifen? – Oder war das die übliche Wowereit’sche Spruchbeutelei vor der IHK?

Herr Regierender Bürgermeister, bitte schön!

Herr Präsident! Herr Lindner! Ich kann verstehen, dass es Sie ärgert, dass bei der IHK ein Regierender Bürgermeister gut ankommt und Sie da keine Chancen haben. Das kann ich irgendwo nachvollziehen. Aber ich kann Ihnen zu Hartz IV sagen, es ist völlig klar, dass bei der Kompetenzfrage der Arbeitsgemeinschaften vieles noch zu tun ist. Denn sie haben zurzeit sehr schwammige Kompetenzen durch das Vermittlungsergebnis, das die CDU/CSU mit Beteiligung der FDP im Bundesrat leider in der Nacht durchgesetzt hat. Sie haben nämlich klare Kompetenzen verhindert. Das muss korrigiert werden, und dafür setzen wir uns ein.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön!

Jetzt ist der Kollege Dr. Lindner mit einer Frage dran. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!

Ich frage den Regierenden Bürgermeister. – In der „FAZ“ vom 30. August wird berichtet, dass nach Ihrer Auffassung die Hartz-IV-Reformen „halbherzig angefasst wurden“ und dass nun „die nächste Bundesregierung die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 fortsetzen und radikalisieren muss“ und dass Sie im Übrigen persönlich der Auffassung des Juristen Paul Kirchhof seien, dass die 418 Ausnahmentatbestände aus dem Steuerrecht gestrichen werden müssen. Also, was macht denn jetzt der aus Linkspartei und SPD bestehende Senat an Gesetzen und Bundesratsinitiativen, um die Agenda 2010 fortzusetzen, zu radikalisieren, und welche steuerpolitischen Initiativen à la Kirchhof werden Sie ergreifen?

[Dr. Lindner (FDP): Das nennen Sie Radikalisierung?]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Durch Zeitablauf hat die Spontane Fragestunde damit ihr Ende gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

[Beifall bei der CDU] Aktuelle Stunde

Herr Regierender Bürgermeister, bitte! Integrationskonzept für Berlin – Betroffene zu Beteiligten machen

Antrag der SPD und der Linkspartei.PDS

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Lindner! Erstens ist es richtig, dass Sie sagen, die rot-grüne Regierung will die Arbeit fortsetzen. Das ist da zum Ausdruck gebracht worden. Ich freue mich, dass Sie auch davon ausgehen, dass das der Fall sein wird und Sie keine Chance haben werden, in der Bundesregierung zu sein.