Protokoll der Sitzung vom 12.01.2006

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Mai 2002 hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Industrie- und Handelskammer eine Arbeit mit dem Titel „Kultur als Wirtschaftsfaktor in Berlin“ vorgelegt. Diese Studie wurde von Björn Frank, Kurt Geppert und Dieter Vesper angefertigt. Darin ist bereits alles dargelegt, was die Politik benötigt, um die Kulturwirtschaft anzukurbeln. Dort ist bereits aufgezeigt – wovon die Londoner und die Wiener mehr Gebrauch gemacht haben –, dass die Schnittstellen Kultur, Kunst und Wirtschaft heißen. Wo die Verbindung zwischen Kunst und Kultur auf der einen Seite und Kultur und Wirtschaft auf der anderen Seite unterschiedliche Schwerpunkte setzen muss, unterscheiden sich die beiden Bereiche Wirtschaftsinteresse und Kulturinteresse. Deshalb liegt die Federführung auch bei Wirtschaft. Es war sehr erfrischend, wie der Vertreter der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen im Kulturausschuss bekannt hat, dass für ihn die Arbeit an diesem Kulturbericht ein Lernprozess gewesen sei und alle von ihm erkannten Mängel dadurch zu erklären seien, dass sie auf Unwissen und Unerfahrenheit beruhten.

Wir können uns glücklich schätzen, dass es den Kulturbericht gibt. Der Senator hat ihn uns mit blumigen Worten übergeben. Gleichzeitig müssen wir aber zur Kenntnis nehmen, dass sich die Zahl der Kulturwirtschaftsberichte geradezu inflationär entwickelt und dass dies parallel mit einem Absinken der Kulturhaushalte geschieht. Die immer wieder zu Grunde gelegten Vorbilder London und Wien haben unterschiedliche Modelle entwickelt – wobei vermutlich das Londoner das erfolgreichere ist, weil es auf lange Sicht angelegt worden ist –, aber an beiden Modellen erkennt man, dass es sehr teuer ist, diesen Bereich anzukurbeln. Interessant ist zudem, dass die Zunahme der Arbeitsplätze sowohl in London als auch in Wien gleich groß ist und ungefähr bei 5 % liegt. Daraus schließe ich, dass die dort angewandten Modelle den richtigen Weg vorgeben. Wir können die Modelle in Berlin nicht kopieren, weil wir andere Bedingungen haben, aber wir müssen erkennen, dass wir Investitionen und Subventionen benötigen, um diesen Bereich voranzubringen. Es nützt nichts, allein den Bericht zu haben. Allerdings hat der Bericht zumindest eine Debatte ausgelöst, wenn auch vier Jahre später. In drei Jahren wird es einen neuen Bericht geben und man wird sich dann erneut überlegen, welche Schlüsse daraus gezogen werden sollen. Der in dem Bericht aufgezeigte Weg ist richtig. Die politische Handlungsfähigkeit ist vorhanden, es fehlt jedoch am notwendigen politischen Willen, diesen Bereich in Berlin zu entwickeln. Ich hoffe, dass wir so weit kommen, dass Kunst und Kultur so weit vorangebracht werden, dass wir von einem Innovationsschub sprechen können. – Ich danke Ihnen!

[Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS und den Grünen]

Danke schön, Herr Jungnickel!

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachennummer 15/4612 an den Kulturausschuss federführend und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf als Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

lfd. Nr. 4 c:

Dringlicher Antrag

Kurfürstendamm-Theater nicht nur mit Lippenbekenntnissen unterstützen!

Antrag der Grünen Drs 15/4623

in Verbindung mit

lfd. Nr. 58:

Antrag

Letzter Vorhang für die Theater am Kurfürstendamm?

Antrag der CDU Drs 15/4609

Ich stelle fest, dass der Dringlichkeit nicht widersprochen wird.

Damit eröffne ich die Beratung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Ströver, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es konkret um Kulturwirtschaft. Das Überleben der Theater am Kurfürstendamm – ich hoffe, wir sind uns an dieser Stelle einig, wenn es konkret wird – muss und soll unser aller Angelegenheit sein.

[Beifall bei den Grünen]

Ich begrüße ausdrücklich, dass der Regierende Bürgermeister uns heute in der Fragestunde erklärt hat, dass er sich für den Erhalt des Theaters und der Komödie am Kurfürstendamm sehr einsetzen wird. Sein Besuch dort ist ein erster, wenn auch symbolischer Schritt um Solidarität zu bekunden mit den Woelffer-Bühnen am Kurfürstendamm. Wir haben eine gewisse, aber nicht sehr viel Zeit. Ich hoffe, dass es danach mit praktischer Solidarität mit diesen beiden Häusern durch den Berliner Senat weitergeht. Die Haltung des Kultursenators am vergangenen Montag, als ich im Ausschuss die Frage nach der konkreten Unterstützung für die beiden Bühnen gestellt habe,

Hoffentlich reicht meine Redezeit noch aus, um dazu Ausführungen zu machen. Es geht darum, Herr Liebich, dass sich die Gesamtentwick

lung des Boulevards Kurfürstendamm nicht in einer Shoppingmeile erschöpfen kann. Deswegen wäre es vernünftig, dass sich der Senat im Zuge der weiteren Entwicklung des Ku’damm-Karrees, gegen dessen Umbau sich keiner wendet, zeigt und eine Untersuchung über die ökonomischen Wechselwirkungen zwischen einem Kulturstandort und seinem kommerziellen Umfeld vorlegt. Wir wollen aber auch, dass sich der Senat im Fall von Verhandlungen mit Herrn Ackermann und der Deutschen Bank einschaltet. Man kann nicht nur um Industriearbeitsplätze bei Samsung kämpfen, sondern man muss auch um die 80 Arbeitsplätze im Kulturbereich kämpfen.

Ich habe noch eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Lindner. Aber Ihre Redezeit ist abgelaufen, Frau Ströver. Ich gebe Ihnen noch 30 Sekunden, um die Frage zu beantworten.

Herr Dr. Stölzl und ich sind schon länger im Patenverein der Woelffer-Bühnen. Die Sache ist klar: Schließen Sie sich alle an! Nehmen Sie an kreativen Aktionen teil, um Druck zu erzeugen! Gehen Sie mit Ihren Fraktionen solidarisch ins Theater! Ich hoffe, dass die hoch subventionierten anderen Bühnen Solidaritätsvorstellungen für die Woelffer-Bühnen machen. Gegebenenfalls muss man auch Wirtschaftshilfen in Form von Förderungen geben, um die Woelffer-Bühnen bei einem langwierigen juristischen Kampf gegen die Deutsche Bank zu unterstützen. Bei David gegen Goliath sollten wir gemeinsam an der Seite der Woelffer-Bühnen stehen. Hier ist eine ganz große Koalition sinnvoll und nützlich. Ich hoffe, wir ziehen dabei alle an einem Strang.

ließ kein besonderes Engagement für die Bühnen in der alten City-West erkennen. Ich verstehe, warum – das muss hier nicht näher ausgeführt werden – es dem Kultursenator keine Herzensangelegenheit ist. Aber es muss klar sein, dass auch nicht öffentlich geförderte Kulturinstitutionen in den Zuständigkeitsbereich der Kulturpolitik gehören. Gerade der nicht öffentlich geförderte Bereich muss gestützt, unterstützt und ihm muss im Konfliktfall geholfen werden.

[Beifall bei den Grünen]

Es wird nicht einfach sein, gegen einen Riesen wie die Deutsche Bank und ihren zudem noch kränkelnden Immobilienfonds, für den sie dringend renditebringende Erfolgsmeldungen braucht, anzugehen. Wir wissen aber auch, dass die Macht des Kapitals nicht nur gegenüber einem kleinen Theaterbetreiber, sondern auch gegenüber der Politik größer ist. Hier brauchen wir unbedingt die Unterstützung der Politik für die Woelffer-Bühnen, sonst haben sie überhaupt keine Chance.

[Beifall bei den Grünen]

Die Unterstützung durch die Politik reicht aber nicht, sondern wir brauchen – und ich bin froh, dass das in den letzten 14 Tagen schon angelaufen ist – eine öffentliche Solidarität, eine Unterstützung des Publikums und der medialen Öffentlichkeit. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt – und der Kulturwirtschaftsbericht hat es eben belegt –, dass die Kulturwirtschaft nicht den Erfolgspfad geht, wenn wir das nicht zu unserem Thema machen. Wir haben in der Vergangenheit oft genug die Unterstützung des Senats vermisst, beispielsweise bei Konflikten mit Falk Walter um die Arena oder bei Auseinandersetzungen um den Tränenpalast. Es ist an der Zeit, dass sich der Senat klar dazu bekennt, bei Interessenkonflikten zwischen Bau- und Immobilienvertretern, möglichen Investoren und der Kultur auf der Seite der Kultur zu stehen. Insbesondere im vorliegenden Fall, in dem eine Kultureinrichtung über Jahrzehnte ökonomisch tragfähig existiert hat, ist das erforderlich.

[Beifall bei den Grünen]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Brauer bzw. Herrn Liebich?

Da die Zeit nicht angerechnet wird, ja!

Bitte, Herr Liebich!

Liebe Frau Ströver! Nachdem sowohl der Regierende Bürgermeister als auch der Kultursenator das von Ihnen eingeforderte Bekenntnis abgelegt haben, interessiert mich, was Sie von den beiden in dieser Angelegenheit noch erwarten.

[Dr. Lindner (FDP): Eine gute Frage!]

[Beifall bei den Grünen]

Deshalb muss man konkret verhandeln.

[Beifall bei den Grünen]

Liebe Frau Ströver! Ich hoffe, Sie rechnen uns hoch an, dass Sie weit über Ihr Zeitlimit reden durften. – Wir haben nun eine Kurzintervention von Herrn Dr. Lindner. – Bitte sehr!

Liebe Frau Ströver! Ich fand die Frage des Kollegen Liebich berechtigt. Hier im Haus findet es kein Mensch gut oder nützlich, dass das hervorragende Engagement der Familie Woelffer gefährdet ist. Jeder – auch meine Fraktion – wünscht sich, dass es weitergeht. Wenn man aber im politischen Raum Anträge stellt, dann muss man eine Vorstellung davon haben, was konkret über das Zugesagte hinaus machbar ist.

[Beifall bei der FDP, der SPD und der Linkspartei.PDS]

Wir haben nun einmal einen Vertrag zwischen zwei Privaten. Da kann man appellieren. Man kann sich auf die Straße stellen und seine Solidarität bekunden. Man kann das Theater auch aufsuchen, aber irgendwann kommt es zu einem Ende. Das kann weder politisch noch von der Exekutive gemacht werden.

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Lange das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bestes Berliner Boulevardtheater hat mit der Bank zu tun. Wir alle kennen Curth Flatow, fast alle kennen seinen Kassenschlager „Das Geld liegt auf der Bank“. Würde Curth Flatow solch ein Stück heute schreiben, dann hätte es folgenden Titel: „Das Geld hat die Bank“.

Da sind wir schon beim Thema. Das Geld regiert nicht nur die Welt, es regiert auch den Ku’damm, und wir stehen sprachlos da und sollen zusehen, wie zwei unserer besten Boulevardtheater nach Maria-Stuart-Manier geköpft werden sollen. Der Henker hat das Fallbeil zur Exekution bereits hergerichtet. – Ich mache es besonders drastisch, weil es ja auch eine drastische Angelegenheit ist. – Hindern wir ihn daran, auf den letzten Knopf zu drücken!

Man kann Verhandlungshilfe leisten. Ich habe das damals beim „Tresor“ getan. Ich habe versucht, die beiden Beteiligten, den Investor und den Pächter, an einen Tisch zu bekommen. Das habe ich getan, ohne eine Gebühr zu nehmen oder eine Nebentätigkeit daraus zu machen. Das funktionierte. Das war ein kleiner Beitrag, der immerhin dazu geführt hat, dass es anderthalb Jahre weiterging. Aber es geht nicht darum, einen Antrag zu stellen und zu fordern, staatlicherseits tätig zu werden. Man kann lediglich sein Engagement aufbieten. Wenn Sie über die nützlichen Dinge, die schon geschehen sind, hinaus Vorstellungen haben, müssen Sie das klar benennen. Nicht mehr und nicht weniger hat der Kollege Liebich gefordert. Die Antwort sind Sie leider schuldig geblieben.

[Beifall bei der FDP, der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön! – Frau Ströver kann jetzt beantworten. – Bitte!

Frau Präsidentin! Herr Lindner! Nur, weil Sie heute Abend das erste Mal merken, dass die Zukunft der Woelffer-Bühnen in Gefahr ist, das ein stadtpolitisches Thema von großer Tragweite ist und Ihnen bis auf diese Kurzintervention zu diesem Thema nichts eingefallen ist, können Sie sich nicht hinstellen und sagen: Sagen Sie mal, was zu tun ist! – Ich habe klipp und klar gesagt: Die Aufgabe des Regierenden Bürgermeisters ist es, konkret zu verhandeln.