Dann ist ein Bezug zur Philosophie besser. Da weiß man wenigstens, was man hat, was geboten wird. Aber selbst das stellen Sie in Frage. Erinnern wir uns an die Anhörung, bei der der GEW-Vertreter sowie der Ausländerbeauftragte immer wieder die so genannte Überbetonung der Philosophie in den Rahmenrichtlinien kritisiert hat: Die Philosophie müsse überwunden werden. – Wo kommen wir denn da hin? Wird nicht jetzt auch dem Letzten hier klar, dass nicht Kant, Nietzsche oder Lessing die Grundlagen der Richtlinien werden sollen, sondern die Möchtegern-Philosophen, die rot-grünen Straßen- und Alltagssoziologen, die heute hier im Parlament sitzen? Eine derartige Banalisierung und Ideologisierung unserer Lebenswelt wollen und müssen wir uns und unseren Kinder erspare
Drittes Argument: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es ein Wahlrecht für Schüler und Eltern beim Religionsunterricht geben muss. Wer teilnehmen will, der darf, wer nicht, der hat die Alternative Ethik. Es besteht kein Zwang. Es besteht die Wahlfreiheit. Durch die Teilnahmepflicht am Ethikunterricht ist dieses Freiheitsrecht nicht gegeben. Wir, die Liberalen, treten für Freiheitsrechte ein, und zwar konsequent.
Viertes Argument: Wir Liberalen stehen für mehr Leistung, und in diesem Fall heißt mehr Leistung konsequenterweise mehr Unterricht. Es geht um mehr Wissen, um mehr Bildung. Unter diesen Umständen ist es eine Katastrophe, wenn für das Einheitsfach Ethik Elementarbildungsfächer wie Erdkunde, Sozialkunde und Geschichte zusammengestrichen werden.
Genau diese Fächer setzen sich mit den Fragen unserer Gesellschaft auseinander, und im Unterschied zum Fach Ethik haben sie ein klares Profil und klare Konturen.
Einem Staat, der sich in derart sensible Bereiche einmischt, misstraue ich, auch, wenn es noch so gut gemeint ist.
Der Vorschlag der Koalition weckt negative Assoziationen. Es wäre nicht das erste Mal – das wissen Sie –, dass in der deutschen Geschichte der Versuch gemacht wird, am Wertegefüge herumzuwursteln. Sie sagen doch sonst auch immer: Wehret den Anfängen!
Wenn es gleich zur Abstimmung kommt, appelliere ich noch einmal an Ihr Gewissen: Es geht hier und heute nicht um die Privatisierung einer Wohnungsbaugesellschaft oder um die Einführung einer Tempo 30-Zone. Es geht hier und heute um mehr. Das wissen Sie. Ich wünsche Ihnen eine Entscheidung, die Sie vor sich und den anderen verantworten können. – Danke schön!
Schließlich haben Sie darauf hingewiesen, dass es katastrophal sei, wenn vor dem Hintergrund des Abiturs nach 12 Schuljahren – dafür waren Sie doch immer – durch das neue Fach Unterricht abgeschafft werde. Sie sollten einmal überlegen, wie Sie Ihren Vorschlag – die Einführung eines Wahlpflichtmodells – bei den gegebenen KMK-Vorschriften in der 7. Klasse umsetzen wollen. Ich bin schon gespannt auf Ihre Vorschläge.
Sie haben die Anhörung zitiert, an der ich leider nicht teilnehmen konnte, aber ich habe nachgelesen, dass Herr Mier, der Vorsitzende der Oberstufendirektoren zu der Frage, ob es Streichungen bei Endkunde und Geschichte geben werde, gesagt habe:
Bei dem Anderen, was Sie gesagt haben, bin ich sehr nah bei Ihnen. Ich finde, es ist sehr wichtig, in der Schule Standpunkte kennen zu lernen. Ich finde es auch wichtig, in der Schule Glaubensstandpunkte kennen zu lernen, d. h. von Mitgliedern von Glaubensgemeinschaften, die ein Bekenntnis haben. Das finde ich sehr wichtig und richtig. Exakt deshalb bleibt ja, wenn dieses Fach eingeführt wird, für die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sehr wohl die Möglichkeit, ihren Unterricht in den Räumen der Schule anzubieten. Wenn es wirklich wahr ist, was hier behauptet wird, dass es ab der Klasse 7 oder 8 nicht mehr möglich ist, dass Religionsgemeinschaften Schülerinnen und Schüler vielleicht auch um 14. Uhr zu einem Unterricht in ihrem Fach gewinnen, dann muss es um die Bekenntnismöglichkeiten in diesem Land sehr bescheiden aussehen. Denn das wollen wir doch festhalten: Es gibt sehr wohl Schülerinnen und Schüler, denen ist eine Arbeitsgemeinschaft, ein interessanter Unterricht, sehr wohl wert, auch um 14. Uhr unterrichtet zu werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abgeordnete Senftleben hat in ihrer Rede vier Punkte angeführt und darüber hinaus noch einige Vorwürfe formuliert, die meiner Ansicht nach einige Klarstellungen des Senats notwendig machen.
Vorweg, Frau Senftleben: Wer in dieser Debatte den Ausspruch „Wehret den Anfängen!“ heranzieht, hat die Debatte bereits verfehlt.
Es gibt in der deutschen Geschichte eine fatale Neigung, bestimmte Konsequenzen und Zusammenhänge, die nichts mit den Realitäten der Demokratie zu tun haben, zu verbinden. Wenn Sie dies beabsichtigt haben, haben Sie einen schweren Fehlgriff getan, Frau Kollegin. Das hätte ich von Ihnen nicht erwartet.
Zu Ihrem ersten Punkt: Sie sagen, mit diesem Fach werde etwas in die Schule eingeführt, wo Neutralität gegeben sei. Das könne nicht unterrichtet werden, weil die Personen – das sagten Sie wörtlich – „nicht glaubwürdig“ seien. Ich entgegne Ihnen in aller Klarheit: Wenn Sie allen Ernstes behaupten wollen, in der Berliner Schule und nach dem Berliner Bildungsgesetz könnten nur Lehrer oder Lehrerinnen glaubwürdig sein, die in einer Glaubensgemeinschaft sind, haben Sie einen gewaltigen Fehlgriff getan.
Ich sage Ihnen das als gläubiger Mensch und als Mitglied der Evangelischen Kirche. Ich weise das entschieden und in aller Schärfe zurück. Es gibt kein Monopol auf Glaubwürdigkeit von Mitgliedern der Kirche.
[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und den Grünen – Frau Senftleben (FDP): Das habe ich nicht gesagt!]
Zu Ihrem zweiten Punkt: Sie sagten, das Ganze sei eine Farce. Sie wollten nicht, dass in diesem Fach dazu aufgerufen werde, PDS oder etwas anderes zu wählen.
Lesen Sie auch dazu in Ihrer Rede nach! – Auch da liegen Sie komplett falsch, verehrte Kollegin. In keinem Fach in der Berliner Schule wird aufgerufen, jemanden zu wählen. Es wird aufgerufen, wählen zu gehen und froh darüber zu sein, dass wir in einer Demokratie wählen können – nicht mehr und nicht weniger!
Es ist also immer eine Frage des Blickwinkels. – So viel zum Wegstreichen von Geschichte und Sozialkunde. Lesen Sie bei Herrn Mier nach! Auch da liegen Sie leider falsch.
Im Übrigen hat der Senat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der erst ab der Klasse 7 gilt. Auch bis zur Klasse 7 ist in der Regel das Kind noch nicht religionsmündig, d. h. noch nicht 14 Jahre alt. Damit entscheiden die Eltern, an welchem Unterricht es in Religionsfragen teilnimmt oder nicht. Wir haben sehr bewusst für die Grundschule, die bei uns von Klasse 1 bis 6 geht, gesagt, wir lassen hier die Entscheidungskompetenz bei den Eltern. Das machen auch sehr viele Eltern. Mein Appell heute an die Eltern ist: Ja, nehmen Sie das wahr! Informieren Sie sich in den Grundschulen, entscheiden Sie, ob Ihr Kind am Unterricht einer Religions- oder einer Weltanschau
ungsgemeinschaft teilnimmt! – Das ist eine gute Chance, eine gute Möglichkeit. Daran wird nichts geändert.
Ich möchte noch einen Hinweis zu der Formulierung „sollen Kooperationen möglich sein“ geben. Das ist ziemlich einfach und logisch. Was heißt juristisch „sollen“? – Logischerweise nicht „können“, sonst hätte man es ja hingeschrieben. „Sollen“ heißt juristisch, dass es einen Imperativ, einen klaren gesetzgeberischen Auftrag gibt, diese Kooperation zu suchen. Sie können sicher sein, dass die Bildungspolitik des Senats darauf achtet, dass mit diesem Kooperationsgebot in den Berliner Schulen in der Verantwortung und Selbständigkeit von Schulen, für die Sie ja sonst immer sind, vernünftig umgegangen wird. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Senator Böger! – Die Wortmeldung des Senats eröffnet die Möglichkeit zu weiteren Wortmeldungen. Die FDP bittet um das Wort. Das Wort hat der Kollege Dr. Lindner. – Bitte sehr!
[Och! und Oi! von der SPD und der Linkspartei.PDS – Doering (Linkspartei.PDS): Der Schulexperte Lindner! Dr. Lindner (FDP): Da kann die SPD-Fraktion blö- ken wie eine Schafsherde, [Zurufe von der SPD und der Linkspartei.PDS]