Protokoll der Sitzung vom 23.03.2006

Ich weiß, dass Sie immer noch Herrn Klemann nachtrauern. Wir können aber mit Fug und Recht behaupten, dass unter Klaus Böger tatsächlich deutlich mehr und Besseres passiert, als es unter Ihrem letzten Schulsenator, Herrn Klemann, jemals der Fall war.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Man muss vielleicht noch einmal daran erinnern, wie es bei Ihnen so war.

Wir haben das Schulgesetz umgesetzt. Wir haben verschiedene Dinge auf den Weg gebracht. Bei der Frage des Ethikunterrichts haben wir es uns nicht so einfach gemacht wie Sie, die sagen, dass Sie eine bestimmte Klientel haben und es ein schönes Wahlkampfthema ist; es müsse nun alles so gemacht werden, alles Andere sei schlecht. Frau Senftleben spricht von „unmoralisch“ und „kirchenfeindlich“. Wir haben uns die Mühe gemacht, uns intensiv damit auseinander zu setzen. Klaus Böger hat auf dem Parteitag für eine Position gestritten und hat nachher den gemeinsamen Beschluss mitgetragen. Das ist bei uns in der SPD so üblich. Es wird diskutiert, und es gibt eine Entscheidung, die gemeinsam getragen und umgesetzt wird.

[Beifall bei der SPD]

Dass es bei Ihnen in der FDP anders ist, können wir bei jedem Parteitag sehen. Die Parteitage werden abgebrochen, Sie bekommen keine Statutenänderung hin, Sie bekommen nichts auf die Reihe.

[Beifall bei der SPD]

Sich hier aber dann hinzustellen und das große Wort zu führen, das ist wirklich das Letzte, Herr Dr. Lindner. Deshalb sind Sie auch der Letzte, der zum Thema Ethik und Moral irgendetwas sagen sollte. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Wir fahren fort. Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Herr Kollege Goetze. – Bitte schön!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Gaebler! Eine richtig schöne Parteitagsmotivationsrede muss auch mal sein, damit die Reihen geschlossen bleiben. Sie haben damit jedoch völlig vom Thema abgelenkt. Das ist eine alte Strategie. Wir arbeiten uns an irgendeiner Person aus dem Plenum ab. Die Truppe jubelt. Wir gehen voran. Wir brauchen uns auch keine Gedanken mehr über die Inhalte zu machen. Jeder wird siegestrunken die richtige Karte bei der namentlichen Abstimmung einwerfen, auch wenn er in der Sache völlig daneben liegt. – Das ist Ihre Strategie. Sie verkennen jedoch dabei das eigentliche Thema.

[Beifall bei der CDU]

Das eigentliche Thema ist, dass Senator Böger an dieser Stelle genauso „erfolgreich“ wie an fast allen anderen Stellen verloren hat, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD verloren hat, dass die SPD-Bundesebene, verschiedene Politiker bis hin zum damaligen Bundestagspräsidenten, verloren haben. Es gibt eben nicht Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach in Berlin, sondern etwas, worüber wir uns schon ein paar Mal ausgetauscht haben; ich will es nicht wiederholen.

Der entscheidende Punkt ist aber, dass es nicht um zwei verschiedene Konzepte eines zwangsweisen Unterrichtsfaches geht. Es geht in der Alternative um die Wahlmöglichkeit.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Es geht darum, Eltern und Schüler nicht zu bevormunden. Es geht darum, etwas durchzusetzen, was wir als Prinzip gerade hier mit großer Mehrheit beschlossen haben, das Wahlalter zur BVV auf 16 herabzusetzen. Es wird ein Wahlrecht eingeräumt. Dort sind Sie dafür, hier sind Sie dagegen. Sie wollen die Quoren unter der Überschrift „mehr Demokratie“ absenken. Dort sind Sie dafür, hier sind Sie dagegen. Warum? Worin besteht Ihre Angst? Warum wollen Sie die Leute nicht zwischen einem Ethik/Philosophieunterricht nach Ihrem Muster – das ist für alle, die nicht konfessionsgebunden sind, in Ordnung – und einem gleichberechtigten staatlichen Religionsunterricht auswählen lassen? Sie sollten das Angebot unterbreiten und die mündigen Bürger wählen lassen. Das stimmen Sie aber heute nieder. Das ist der eigentliche Skandal an dem, was hier heute passiert.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das Wort zu einer persön

lichen Bemerkung nach § 65 hat jetzt die Frau Kollegin Senftleben vor der Abstimmung. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Böger! Ich finde es erstaunlich und dreist, wenn Sie mich bewusst und gezielt missverstehen. Sie können die Rede nachlesen. Ich gebe sie Ihnen gleich. Es ist alles protokolliert worden. Das möchte ich zum Thema Glaubwürdigkeit vortragen. Ich finde es schlicht eine Frechheit und gebe es zurück: Das habe ich von Ihnen nicht erwartet!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Sie, SPD, die Linkspartei.PDS und die Grünen behaupten, dass die Lehrenden im Fach neutral sein sollen. Genau das bestreite ich, weil ich der Auffassung bin, dass es gerade in einem wertevermittelnden Fach, wenn es um Existenzfragen geht, schwierig sein kann, sich neutral zu verhalten. Hier geht es darum, Glaubwürdigkeit zu zeigen.

[Gaebler (SPD): Das ist keine persönliche Erklärung!]

Ich habe in diesem Zusammenhang nicht ein einziges Mal das Wort Lehrer in den Mund genommen. Ich finde es dreist von Ihnen, wie Sie mir das Wort im Mund umdrehen. Dagegen verwehre ich mich. Es geht hier um Wertevermittlung, um die Vermittlung von Haltung. Das kann nicht neutral, so larifari, laissez-faire, passieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön, Frau Kollegin Senftleben. – Jetzt liegen tatsächlich keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Zum Antrag der FDP Drucksache 15/1817 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die CDU und die FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Danke schön! Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Gab es Enthaltungen? – Keine! Dann ist das mehrheitlich abgelehnt.

Zum CDU-Antrag Drucksache 15/3689 empfiehlt der Ausschuss einstimmig die Erledigungserklärung. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Zum Antrag der Fraktion der Grünen Drucksache 15/4881 unter dem heutigen Tagesordnungspunkt 52 hatten Sie die Vorabüberweisung bereits bestätigt. Zu einer der nächsten Sitzungen des Abgeordnetenhauses erwarten wir eine Beschlussempfehlung.

Zum Antrag der CDU Drucksache 15/4695 empfehlen die Ausschüsse die Ablehnung, im Fachausschuss gegen CDU und FDP, im Hauptausschuss gegen die CDU allein. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CDU und der FDP. Danke schön! Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen. Gab es Enthaltungen? – Keine? Dann ist dies mit Mehrheit abgelehnt.

CDU und FDP sind leider in der Folge aus diesem gemeinsamen Diskussionsprozess ausgestiegen, weil sie die Notwendigkeit einer solchen Agenda nicht gesehen haben. Der Schritt ist sehr bedauerlich, dass Sie sich an dieser Diskussion um eine zukunftsfähige Lebens- und Wirtschaftsweise nicht beteiligen wollen. Aber auch die Koalition schafft es nicht, dieses Projekt zum Abschluss zu bringen.

Die Grünen haben neun Leitprojekte der „Lokalen Agenda“, die uns als Entwurf hier vorliegt, eingebracht

nicht an den Bürgeraktiven vorbei, Herr Buchholz, sondern in enger Absprache mit den Aktiven aus dem Agenda-Prozess –, um in diesen Diskussionsprozess etwas Dynamik zu bringen und endlich das Ziel, von dem wir glaubten, dass es auch die anderen Fraktionen hätten, nämlich eine Berliner Lokale Agenda zu verabschieden, wieder etwas näher zu bringen.

Zur Vorlage – zur Beschlussfassung – über das Erste Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes Drucksache 154698 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen CDU und FDP die Annahme unter Berücksichtigung der Änderung durch die Beschlussempfehlung mit der Drucksache 15/4902. Wer so beschließen möchte, der möge in der nun folgenden namentlichen Abstimmung mit der JaKarte stimmen. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Wir werden die Stimmabgabe mit Namensaufruf beginnen. Die Beisitzer bitte ich um Mithilfe. Frau Müller liest. – Bitte schön!

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten]

Hatte jede und jeder der Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, die Stimme abzugeben? – Das ist offenkundig der Fall. Ich bitte die Beisitzer um Auszählung.

[Auszählung]

Wir können aber weiter verhandeln. Wir brauchen die Sitzung nicht zu unterbrechen und machen in der Tagesordnung weiter. Ich bitte Sie, wieder Ihre Plätze einzunehmen, damit wir nicht durch das Auszählen eine zu lange Lücke haben. Bitte nehmen Sie die Plätze ein, damit das Hohe Haus wieder verhandlungsfähig wird.

Ich rufe als Priorität der Fraktion der Grünen auf unter

lfd. Nr. 5 d:

Zwischenbericht gemäß § 27 Abs. 4 GO Abghs des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz

Lokale Agenda Berlin umsetzen (I) bis (X)

Bericht StadtUm Drs 15/4858 Anträge der Grünen Drsn 15/3803 bis 15/3812

Das ist der Tagesordnungspunkt 12. – Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Grünen. Die Frau Kollegin Kubala hat das Wort und ein mucksmäuschenstilles Auditorium. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir heute etwas mehr Publikum gewünscht für das wichtige Thema „Lokale Agenda für eine zukunftsfähige Lebens- und Wirtschaftsweise“. Die Herren von der SPD sind nun auch da, dann wollen wir einmal beginnen. Ich möchte Sie gleich mit einem Zitat aus Ihrem Koalitionsvertrag konfrontieren:

Für Berlin soll die Erarbeitung einer Lokalen Agenda 21 in den nächsten zwei Jahren zügig zum Abschluss kommen. Die Bevölkerung wird in diesen Prozess aktiv eingebunden.

So weit der Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2002. Wie ist die Realität? – Vier Jahre später gibt es noch keine Lokale Agenda für Berlin. Dabei hatten alle Fraktionen dieses Hauses auf einer Agenda-Veranstaltung versprochen, eine solche Agenda zu verabschieden. Als sie im Rahmen einer kleinen Feierstunde eingebracht wurde, haben alle Fraktionen den Akteuren und Aktiven, die über viele Jah

re an dieser Agenda gearbeitet haben, versprochen, in einer kurzen Frist, d. h. spätestens bis zum Sommer 2005 eine Lokale Agenda zu verabschieden.

[Buchholz (SPD): An den Bürgeraktiven vorbei!]

[Beifall bei den Grünen]

Wir bedauern sehr, dass es bis heute keinen Beschluss gibt, weder zu den Anträgen noch zur Lokalen Agenda. Die Beratungen werden in den Ausschüssen verschleppt. Es gibt sogar Ausschüsse, die fühlen sich nicht zuständig für eine solche Diskussion. Wir bedauern es außerordentlich, dass dieser Prozess derart stockend vorangeht und in dieser Wahlperiode wahrscheinlich nicht mehr abgeschlossen werden kann. Es liegt der Verdacht nahe, dass die Koalition die Lokale Agenda in dieser Wahlperiode einfach nicht mehr verabschieden möchte. Offensichtlich sieht sie hier eine lästige Pflichtübung. Das ist sehr bedauerlich, denn es gibt kein zweites Instrument wie die Lokale Agenda, die nach einem gesellschaftlichen Diskussionsprozess Impulse aus der Gesellschaft aufnimmt und auch wieder Impulse in die Gesellschaft zurückgibt.