Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

[Heiterkeit]

Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Ratzmann! Ich glaube, Sie wissen selbst, dass diese Frage in Karlsruhe schon aus prozesstaktischen Gründen nicht beantwortet werden konnte. Es wäre auch unklug gewesen, wenn wir sie hätten beantworten wollen.

[Ratzmann (Grüne): Aus wahltaktischen Gründen!]

Nein, nicht aus wahltaktischen Gründen! – Unsere These steht nach wie vor, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, dass wir nachgewiesen haben, was wir alles

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat angesichts der Verfassungsbestimmungen des Artikels 4 des Grundgesetzes und des Artikels 29 der Verfassung von Berlin Bestrebungen, Moscheebauten in einem Berliner Bezirk grundsätzlich zu verhindern?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kleineidam! Zu der von Ihnen angesprochenen, in Artikel 29 Absatz 1 Satz 2 der Verfassung von Berlin und in Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes verbürgten Religionsfreiheit gehört auch das Recht der jeweiligen Glaubensgemeinschaft, für ihre Religionsausübung die entsprechenden Räumlichkeiten oder Gebäude zu errichten, die dafür erforderlich sind. Insofern gehört es selbstverständlich auch zur verbürgten Religionsfreiheit, dass Religionsgemeinschaften – wenn sie islamisch sind – Moscheen in der Bundesrepublik Deutschland errichten können. Die Durchführung des konkreten Bauvorhabens richtet sich dann nach den konkreten Bauvorschriften. Das betrifft etwa die Frage, wie hoch eine solche Einrichtung werden darf oder ob Stellplätze zur Verfügung gestellt werden müssen o. Ä. Die Bauvorschriften sind aber nach der ständigen Rechtsprechung im Lichte der Religionsfreiheit auszulegen.

an Reformen und Umstrukturierungen gemacht haben. Dieser Prozess ist selbstverständlich nicht mit dem 17. September und dieser Legislaturperiode beendet. Vielmehr müssen viele Maßnahmen, die schon beschlossen sind, auch weiter umgesetzt werden. Wir sind noch nicht in der Situation, dass hier alles in Ordnung ist oder dass die Finanzen so weit in Ordnung sind. Selbst wenn die Prognose lautet, dass das Primärdefizit 2007 beseitigt sein wird, befinden wir uns noch nicht in einer günstigen Position. Selbst wenn man uns in vollem Umfang helfen würde, hätten wir immer noch einen hohen Schuldenstand. Auch dafür zahlen wir Zinsen. Es ist sinnvoller, nicht die Zinsen zu zahlen, sondern in Zukunftsaufgaben zu investieren. Da gibt es kein Vertun, dass hier jemand glaubt – selbst wenn uns Karlsruhe Recht gäbe, was abzuwarten bleibt –, dass wir in Saus und Braus leben könnten. Wir haben immer gesagt: Es dient dem Schuldenabbau. – Das ist genau der Punkt. Davon kommen wir allein nicht herunter.

Wenn wir in einer Situation sein sollten, dass wir voll Recht bekommen, dann läuft das Verfahren so ab, dass damit nicht sofort cash ein Zahlungsanspruch verbunden ist, sondern das Bundesverfassungsgericht würde nur bestätigen, dass sich das Land Berlin – wie im Jahr 2002 die Länder Bremen und Saarland, als sie Bundesergänzungszuweisungen bekommen haben – in einer extremen Haushaltsnotlage befindet und Anspruch auf Hilfe hat. Dann müsste man konkret mit der Bundesregierung verhandeln. Da wäre sicherlich zu erwarten, dass die Bundesregierung Bedingungen an eine Hilfe knüpft. Es ist auch noch unklar, ob die Bundesregierung allein zahlt oder ob das in Kooperation mit den Ländern erfolgt. Die Länder sagen selbstverständlich: Das soll die Bundesregierung allein bezahlen. – Auch das ist noch eine schwierige Situation. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Verhandlungsprozess hinzöge, da die Bundesregierung kein Interesse hat, per se schnell zu bezahlen, sondern die Sache erst einmal mit Verhandlungen schöbe. Wenn da Auflagen kämen, dann müssen wir uns dazu positionieren, ob sie aus Sicht der Berliner Bürgerinnen und Bürger im Verhandlungswege hinzunehmen sind oder ob wir sagen: Nein, das können wir nicht akzeptieren oder dazu gibt es Alternativen oder keine Alternativen! – Das müsste man abwarten. Ich bitte deshalb um Verständnis. Das hat nichts mit Wahlen zu tun, dass ich jetzt nicht einzelne Punkte nenne, wo wir unsere Schmerzgrenze sähen. Wir sagen klipp und klar: Wir haben den Bürgerinnen und Bürgern viel zugemutet. Wir haben den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes viel zugemutet. Wie in keinem anderen Land haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Form eines Solidarpakts, der in der Bundesrepublik Deutschland einmalig und vorbildlich ist, auf 8 bis 12 % ihres Gehalts – ohne Lohnsteigerungen bis 2009 – verzichtet. Wir haben Uniklinika zusammengelegt. Wir haben die Opernstiftung geschaffen, damit Kosten reduziert werden. Die Liste kennen Sie alle. Wir haben gute Gründe vorgetragen, warum sich Berlin selbst geholfen hat, es aber eine Grenze gibt, um von dem Schuldenberg herunterzukommen.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Wir kommen nun zur Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Kleineidam von der Fraktion der SPD über

Theorie und Praxis der Religionsfreiheit in Berlin

Bitte schön, Herr Kollege Kleineidam!

2. Wie würde der Senat reagieren, wenn ein Bezirksamt durch einen Bürgerentscheid verpflichtet würde, sich grundsätzlich gegen Moscheebauten auszusprechen?

Danke schön! – Es antwortet der Innensenator, Herr Dr. Körting.

Der Senat hält ein Bürgerbegehren, mit dem ein Bezirksamt verpflichtet würde, einen Moscheebau aus grundsätzlichen Erwägungen zu unterbinden, für unzulässig, weil verfassungswidrig. Auch eine amtliche Aufforderung eines Verwaltungsorgans wie der Bezirksverordnetenversammlung muss sich am Neutralitätsgebot der Verfassung orientieren. Deshalb ist auch eine generell gegen Moscheebauten gerichtete amtliche Verlautbarung mit unserer Verfassung nicht zu vereinbaren. Der Senat würde dem für die Entscheidung über das Bürgerbegehren zuständigen Bezirksamt nahe legen, ein solches Bürgerbegehren zurückzuweisen.

Ich will noch etwas anfügen: Dass sich Bürger kritisch zum Bau von Moscheen äußern, muss im Hinblick auf das

Ich habe auch mit dem Vorstand der MoscheeGemeinde gesprochen und mit ihm verabredet, dass es sinnvoll wäre, wenn die Mitglieder dieser MoscheeGemeinde versuchen, in Gesprächen mit kleineren Gruppen und nicht auf Großveranstaltungen den Bürgern vor Ort deutlich zu machen, was der Bau dieser Moschee bedeutet und dass er sich auf das Leben der nichtmuslimischen Bürger überhaupt nicht auswirkt. Das wird von dem Bezirk und der Moschee-Gemeinde unterstützt. Es wird auch vom Senat in Gesprächen oder bei Veranstaltungen entsprechend dargestellt. Das können und müssen wir tun.

den Bürgern in der Verfassung verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung hingenommen werden. Solche Äußerungen sind offensichtlich auf Ängste in der Bevölkerung zurückzuführen. Es ist Aufgabe des Staates – sowohl des Senats wie des Bezirksamts –, den Bürgern diese Ängste zu nehmen und für ein ungestörtes Miteinander verschiedener Religionen in Berlin zu sorgen.

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und den Grünen]

Der Senat wird daher allen Äußerungen entgegentreten, die bei den Muslimen in unserer Stadt den Eindruck erwecken könnten, dass Moscheen in Berlin oder in einem Bezirk der Stadt nicht erwünscht seien.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage des Kollegen Kleineidam, der hiermit das Wort erhält.

Vielen Dank für die klare Antwort, Herr Senator! – Ich möchte den letzten Punkt noch etwas vertiefen: Teilt der Senat meine Ansicht, dass es gerade vor dem Hintergrund rassistisch motivierter Gewalttaten gegen Migranten besonders wichtig ist, Gesicht zu zeigen und das Recht aller Berlinerinnen und Berliner auf ungestörte Religionsausübung aktiv zu verteidigen, statt die Forderung rechtsextremistischer Parteien gegen Muslime zu unterstützen?

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Kleineidam! Ich habe deutlich gemacht, dass wir der Auffassung sind, dass wir zwar Ängste von Bürgern wahrnehmen und auch meinen, dass man in diesem Fall mit den Bürgern reden muss, um ihnen diese Ängste zu nehmen, dass wir aber selbstverständlich nach außen Flagge zeigen müssen, eine wie auch immer geartete Aktion, die dazu führt, Hass gegen Muslime zu schüren, nicht hinnehmen zu können und zu wollen und alles dafür zu tun, dass Derartiges unterbleibt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Herr Senator! – Der Kollege Apelt hat sich noch gemeldet. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Danke schön, Herr Präsident! – Herr Senator! Akzeptiert der Senat die Bedenken und Ängste – Sie haben dies bereits erwähnt – der Bewohner, und was will der Senat tun, um gegen die Vorurteile und Ängste vorzugehen, die nicht vom Tisch gewischt, sondern angehört werden sollten?

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Apelt! Ich bin als Innensenator von etlichen Bürgern angeschrieben worden. Ich werde diesen Bürgern mit der Ruhe, die mir eigen ist, antworten und Ihnen darstellen, wie die Situation ist.

Ich akzeptiere es, dass die Bürger verunsichert sind, unwissend sind und nicht über die Religionsgruppe informiert sind, die dort die Moschee bauen will.

[Czaja (CDU): Unverschämt! Wir sind nicht dumm!]

Dann ist es aber unsere Aufgabe, diese Verunsicherung nicht auch noch zu schüren.

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Unsere Aufgabe muss es vielmehr sein, mit den Menschen zu reden und ihnen zu vermitteln, dass es ein selbstverständliches Gut der Religionsfreiheit ist, dort ein Religionsgebäude zu errichten, wo es nach den Planungen der Religionsgemeinschaft am Besten hinpasst und nach den allgemeinen baurechtlichen Vorschriften auch errichtet werden kann. Darum sollten wir uns gemeinsam bemühen.

Ich nehme keinem übel, auch keinem Politiker, wenn er die Ängste dieser Bevölkerung ernst nimmt und sich mit ihnen auseinander setzt.

[Wansner (CDU): Da sind wir Ihnen auch dankbar!]

Ich nehme es aber übel, wenn man die Ängste dieser Bevölkerung zusätzlich noch vergrößert. Das ist nach meinem Verständnis mit der Verfassung von Berlin und dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt ist der Kollege Henkel an der Reihe mit der Frage zu dem Thema

Bunte Buddy-Bärchen sind nicht rot genug für den Bebelplatz

Bitte schön, Herr Kollege Henkel!

[Unruhe – Ratzmann (Grüne): Wird Herr Pflüger jetzt überwacht?]

Es ist nicht erkennbar, dass aus der kritischen Debatte über die angemessene Gestaltung des öffentlichen Stadtraumes ein Schaden für das Ansehen Berlins entstünde, es sei denn, diese Debatte würde unterdrückt. So sehr wir uns über die Gestaltung des Stadtraumes streiten können, so sehr sollten wir uns bei der Zurückweisung geschichtsrevisionistischer Positionen alter Stasi-Kader einig sein. Dieses Haus hat dies beschlossen und das ist auch meine Position. – Ein Zusammenhang mit der Debatte um die Buddy-Bären besteht allerdings nicht.