Protokoll der Sitzung vom 29.06.2006

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

[RBm Wowereit: Ja!]

Sie sagen auch noch Ja. Ich glaube das. Die Arroganz der Macht haben Sie. Sie haben geglaubt, Sie kommen damit durch. Das sind Sie aber nicht. Uns ist dies aufgefallen, unser Fraktionsvorsitzender hat dies in einem Brief an Sie öffentlich gemacht,

[Unruhe]

und er hat eine schnoddrige Antwort bekommen, wie man sich dies kaum vorstellen kann.

Herr Kollege Henkel! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Felgentreu?

Nein, wirklich nicht! Herr Felgentreu hat eben gerade deutlich gemacht, wo er steht und wie er die Sache sieht. Insofern würde dies mich und die Angelegenheit kein Stück weiter bringen.

[Beifall bei der CDU]

Es ist also aufgefallen. Auf uns hören Sie zwar nicht, aber auf Ihren sozialistischen Koalitionspartner. Dieser war ebenfalls nicht begeistert. Jedenfalls in dem Augenblick, wo Herr Liebich, der ebenfalls am Senatstisch saß, wieder wach geworden ist, war er nicht begeistert. Als dann auch noch das Gerücht aufkam, der Chef der Senatskanzlei solle die Zuständigkeit für den Bereich Kultur erhalten, da war alles aus. Schließlich ist Herr Flierl ja noch im Amt, wenn auch nur auf Abruf, und am 17. September wird damit sowieso Schluss sein. Zu Herrn Sarrazin hat der Kollege Schruoffeneger bereits das Nötige gesagt.

Aber, Herr Wowereit, auch wenn Artikel III der Senatsvorlage und damit die Besoldungserhöhung heute nicht beschlossen wird – der Rechtsausschuss empfiehlt dessen ersatzlose Streichung –, der Versuch wird in Erinnerung bleiben. In Berlin fehlt an allen Ecken und Enden Geld. Schulen und Polizeiabschnitte müssen geschlossen werden, öffentliche Gebäude verkommen aus Geldmangel.

[Pewestorff (Linkspartei.PDS): Die Reiterstaffel!]

Nun gab es einen weiteren Punkt – Artikel III – in dieser Vorlage des Senats. Dieser Punkt ging davon aus, dass mit der größeren Bedeutung des Regierenden Bürgermeisters auch eine größere Bedeutung auf den Chef der Senatskanzlei zukommen würde und dass man das – wie im Bundesgebiet üblich – mit einer anderen Eingruppierung bzw. einer anderen Besoldung deutlich machen müsste. Ich und auch meine Fraktion fanden es falsch, dass das Bestandteil dieser Senatsvorlage ist, und zwar aus mehreren Gründen:

Erstens passt es nicht in die Zeit. Zweitens ist es überhaupt nicht angesagt, sich angesichts der vielen Fragen um Senatorenbesoldung und Senatorenruhegehälter – Wollen wir die Staatssekretär verbeamten? Warum müssen sie auf Lebenszeit verbeamtet werden, und warum wird dann die Ruheversorgung geregelt? – einen einzelnen Punkt herauszugreifen und keine Paketlösung anzustreben.

Da kommt Vetternwirtschaft nicht gut an. Immerhin: Dass das Unterfangen Ihrer kleinen Gefälligkeit für den CdS so schnell wieder aufgegeben wurde, lässt wenigstens auf ein schlechtes Gewissen ihrerseits schließen, ausreichend ist es allerdings nicht.

Ich will es dabei belassen. Wirklich überraschend ist dieser Vorgang nicht. Sie predigen den Berlinern das Sparen, bis es quietscht, nur sich selbst und Ihr engstes politisches Umfeld nehmen Sie aus. Lieber Herr Wowereit, das ist Bigotterie in erschreckendem Umfang. Böse Zungen würden sogar vom Filz sprechen. Die ewige Phrase vom vermeintlichen Mentalitätswechsel in Berlin, wie Sie ihn immer seit Ihrer Regierungsübernahme behaupten, sollten Sie jedenfalls nicht mehr dreschen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Es gibt eine Kurzintervention des Kollegen Felgentreu.

[Dr. Lindner (FDP): Mensch, ihr seid doch wohl verrückt! – Weitere Zurufe]

Lieber Kollege Henkel! Sie haben meine dicken Backen kritisiert. Ich habe Ihre Backen nicht wahrgenommen. Sie waren auch im Innenausschuss, obwohl Sie innenpolitischer Sprecher sind, nicht anwesend. Insofern habe ich auch Ihre Argumente nicht gehört. Mich interessiert auf Grund Ihrer Ausführungen, ob Sie nun für oder gegen die Senatsvorlage stimmen. Ihre Fraktion im Innenausschuss hat für sie gestimmt.

Herr Henkel wünscht keine Replik. Dann fahren wir fort. Die Linkspartei.PDS hat das Wort, der Herr Kollege Zillich. – Bitte schön!

[Unruhe]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist interessant, dass angesichts etwas, das nicht zur Abstimmung steht, so dicke Backen gemacht werden: Wahlkampf unter weitgehendem Ausschluss der medialen Öffentlichkeit. Da müssen sich augenscheinlich einige richtig warm laufen.

Ich habe hierauf keine Lust und will kurz darüber reden, was hier tatsächlich zur Abstimmung steht. Hier steht eine Vorlage des Senats in einer geänderten Form zur Abstimmung, die von einer einstimmig beschlossene Verfassungsänderung herrührt. Hierbei sind drei Punkte geändert worden. Erstens wurden die Möglichkeiten für direkte Demokratie verbessert, die Quoren für Volksentscheide wurden gesenkt. Zweitens wurden die Akteneinsichtsrechte für Abgeordnete verbessert. Drittens wurde eine Regelung eingeführt, dass in Berlin die Senatoren nicht mehr direkt vom Parlament gewählt werden, sondern der Regierende Bürgermeister die Senatorinnen und Senatoren ernennt. Das machte zwingend erforderlich, dass das Senatorengesetz, nämlich die Art und Weise, wie sie gewählt werden, und das Sicherheitsüberprüfungsgesetz geändert werden. Insofern liegt hier eine Vorlage – zur Be

schlussfassung – vor, die zumindest in der Form der Beschlussempfehlung des Fachausschusses einstimmig beschlossen worden ist.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Aber erst einmal habt ihr es geschluckt!]

Deswegen haben wir gesagt – was als parlamentarischer Vorgang völlig normal ist –, dass wir diesen Punkt nicht mitbeschließen werden. Das haben wir getan.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Und das ist normal?]

Der Fachausschuss hat das einstimmig so zur Abstimmung empfohlen. Zur Abstimmung liegt hier eine Beschlussempfehlung vor, die einstimmig durch den Ausschuss gegangen ist. Diesen Vorgang kann man in aller Ruhe so beschließen, und zwar wahrscheinlich auch einstimmig.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Lindner. – Bitte!

[Zurufe]

Für die dritte Rede habe ich mir das Gläschen Wasser verdient, Herr Schruoffeneger – auch wenn wir in einem Haushaltsnotlageland sind.

[Pewestorff (Linkspartei.PDS): Erst arbeiten, dann trinken!]

Verehrte Damen! Meine Herren! Richtig ist der Ansatz, dass wir in einem Haushaltsnotlageland bei all dem, was wir unternehmen, die Wirkung auf das Verfahren in Karlsruhe bedenken müssen. Ob es in dieser Hinsicht zielführend ist, wenn wir diskutieren, ob der Staatssekretär bei Herrn Wowereit von B 7 auf B 11 kommt, bezweifele auch ich sehr stark. Das gilt vor allem für die Argumentation, die gewählt wurde.

[Eßer (Grüne): Aber Leistung muss sich lohnen!]

Herr Lindner! Ich bin für Grundsatzdiskussionen gern zu haben. Aber teilen Sie meine Auffassung, dass es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst – unabhängig davon, wie viele es sind – nur noch als Zynismus und demotivierend ’rüberkommen muss, wenn ein Finanzsenator in dieser Situation das gesamte Vorgehen damit begründet, dass der, der zu viel hat, abgeben muss, und der, der zu wenig hat, kriegen muss? Das gilt jetzt für die Mitarbeiter, die gerade abgeben mussten.

Demnach soll der Zuwachs an Kompetenz – nämlich die Richtlinienkompetenz – ein anderes Salär rechtfertigen. Ich habe mal nachgesehen, was auf der Bundesebene Praxis ist. Der Bundeskanzler hatte schon immer die Richtlinienkompetenz, und dort verdient der Staatssekretär genauso viel wie die Staatssekretäre in den anderen Ministerien. Das ist also keine zielführende Argumentation.

Aber wir müssen aufpassen – und da bin ich nicht bei Ihnen, Herr Schruoffeneger –, dass wir in diesem Land trotz Haushaltsnotlage konkurrenzfähige Bezüge bezahlen. Da kann man nicht eine populistische Debatte führen – unter Ihrem Motto: Alle oder möglichst viele bleiben im öffentlichen Dienst, und die werden gleichmäßig schlecht bezahlt! – Wir sind in einer Konkurrenzsituation, und zwar auch gegenüber dem Bund als Auftraggeber im Land Berlin. Das sagen mir auch Leiter einzelner Ämter. Die beklagen, dass ihnen ihre Spitzenkräfte zum besser zahlenden Bund abwandern. Wir müssen also aufpassen, dass wir konkurrenzfähig sind.

Das gilt genauso für die Landesbetriebe. Sicher kann man jedes Mal ein populistisches Fass aufmachen und rufen: Schweinerei, der verdient ja doppelt so viel wie der Regierende Bürgermeister! – Da stehen wir in der Konkurrenz mit Unternehmen der Privatwirtschaft, wenn wir nicht überall eher mittelmäßige, mediokre Figuren haben wollen. Das ist die Diskussion, die ernsthaft zu führen ist. In dem Kontext ist zu überlegen und zu erwägen, ob wir die Staatssekretäre in Berlin angemessen bezahlen oder nicht. Wenn wir feststellen, dass in allen anderen Ländern anders bezahlt wird, wir aber gleichmäßig anständige Qualität in diesen Ämtern haben wollen, dann muss diese Diskussion redlicherweise geführt werden. Vielleicht muss das nicht jetzt sein, und vielleicht auch nicht vor der Entscheidung in Karlsruhe, aber es eine Diskussion, die nicht unanständig ist. Blödsinnig ist nur, wenn man einen herausgreift, denn es ist wiederum unüblich, dass einer in demselben Amt drei Stufen aufsteigt. Ich weiß gar nicht, wie sich das besoldungsrechtlich verhält und ob das überhaupt möglich ist. Man hat üblicherweise bei einem Grad zwei Stufen, aber ein Aufstieg von B 7 auf B 10 ist möglicherweise auch unter diesem Aspekt schwierig. Dass diese Diskussion seriös geführt wird, daran kann doch gar kein Zweifel bestehen.

Das gilt übrigens für alle Besoldungsebenen. Mir ist es lieber, wenn wir mit weniger Bediensteten auskommen und die auf allen Ebenen gut bezahlen. Das ist wesentlich vernünftiger. Man reduziert die staatlichen Aufgaben und die Posten und hat am Ende nicht lauter Menschen, die unzufrieden sind, weil sie zu wenig verdienen im Verhältnis zu dem, was sie tun, und im Verhältnis zu ihren Kollegen bei anderen Arbeitgebern. Lieber habe ich weniger Mitarbeiter, die motiviert sind und denen wir bald wieder ein Urlaubsgeld bezahlen – allen – und ein Auskommen garantieren, dass es ihnen Freude macht, für das Land Berlin tätig zu sein. Das gilt für alle Ebenen und nicht nur für den Staatssekretär, und das ist eine andere Herangehensweise als das, was Sie propagiert haben –

nämlich möglichst viele im öffentlichen Dienst behalten und alle sollen mit Hungerleider- oder schlechten Besoldungen auskommen. Herr Schruoffeneger! Das wird nicht dazu führen, dass wir Qualität und auf allen Ebenen gute Leute im öffentlichen Dienst haben.

[Abg. Schruoffeneger (Grüne) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Dr. Lindner, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schruoffeneger?

Selbstverständlich! Gerne!

Bitte, Herr Schruoffeneger!

Diese Auffassung teile ich.

Es geht mir um eine grundsätzliche Betrachtung. Ich sehe es auch nicht als zielführend an, wenn man in wesentlich niedrigeren Besoldungsstufen knapst und einspart – als Dauerprinzip –, aber den Personalumfang im öffentlichen Dienst beibehält. Ich würde anders herangehen. Ich würde eher den Personalumfang reduzieren und besser bezahlen. So macht es auch jedes Unternehmen in der Krise. Insolvente Unternehmen machen das so. Die trennen sich lieber von einem erheblichen Teil des Bestandes, bezahlen aber diejenigen, die sie dann haben, teilweise sogar wesentlich besser als Konkurrenzunternehmen, weil sie darauf angewiesen sind, dass sie gerade in einer solch schwierigen Situation Spitzenleistungen erbringen. Das ist eine andere Herangehensweise. Hier wählt man eher das Motto: Viele, viele! – Aber das ist nicht meine Personalpolitik. Deshalb teile ich Ihre Kritik insoweit, als hier eine isolierte Betrachtung vorgenommen wird. Ich wünschte mir eher, sie würde generell gewählt. Für gute Leistung muss auch gutes Geld bezahlt werden. Das gilt für den Staatssekretär genauso wie für Pförtner und andere. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Die Ausschüsse empfehlen einstimmig die Annahme des Gesetzes mit der Änderung, dass Artikel III gestrichen wird. Wer so auf der Basis der Drucksache 15/5170 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung Drucksache 15/5353 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Danke! Zur Sicherheit die Gegenprobe! – Keine Gegenstimmen. – Enthaltungen? – Keine. Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Bevor wir zur lfd. Nr. 10 K kommen, gibt es einen Nachtrag zur Aktuellen Stunde. Ausweislich des Protokolls hat Kollege Gregor Hoffmann dem Kollegen Liebich die Worte „Bonze!“ und „Stasi-Freund Liebich!“ zugerufen.

[Dr. Lindner (FDP): Das ist unglaublich! – Zuruf von der Linkspartei.PDS: Pfui!]