Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

Wurst und Senf in Bahn und Bus bringen oftmals viel Verdruss.

Die Kolleginnen und Kollegen aus dem ehemaligen Ostteil dieser Stadt mögen entschuldigen, aber das ist ein Aufkleber gewesen, der in den U-Bahnen und manchmal auch in den Bussen oben am Fenster hing. Die meisten von Ihnen müssten sich eigentlich noch daran erinnern. Leider Gottes waren Wurst und Senf damals noch ein Problem der BVG und der Bahn, um das man sich kümmern wollte und musste, und sie waren Veranlassung, solche Aufkleber anzubringen. Das ist heute nicht mehr das Problem. Heute hängen dort andere Schilder an den Fenstern: Bis zu 600 € Belohnung für jeden sachdienlichen Hinweis. – Das macht bereits deutlich, dass sich der ÖPNV in Berlin – aber nicht nur hier – heute mit ganz anderen Problemen befassen muss.

Fangen wir noch einmal von vorn an. – Der ÖPNV muss, wenn er attraktiv werden soll, wenn er mehr Fahrgäste locken will, zum einen ein ausreichendes Schienen- und Liniennetz haben, zum anderen muss die Preisgestaltung – wie es immer so schön heißt – sozial verträglich sein, aber sie muss gleichfalls realisierbar sein. Eine fahrgastfreundliche Ausstattung wäre auch ganz schön. Dann gibt es einen vierten Punkt, der entspricht der Überschrift des diskutierten Antrags: die Sicherheit. Meine Vorrednerin hat richtig darauf hingewiesen, dass es um das Gefühl von Sicherheit geht, die gefühlte Sicherheit. Jeder Fahrgast möchte sicher sein, wenn er in Bahn oder Bus einsteigt, auch wohlbehalten am Ziel – und möglichst zu Hause – anzukommen. Nun tut die BVG bereits einiges zur Erhöhung der Sicherheit, anders als es Herr Ueckert eben dargestellt hat. Es gibt im präventiven Bereich das Konflikt

lotsenprogramm, es gibt die Teilnahme am Gesprächskreis mit der SPI, die sich um jugendliche Randgruppen an Bahnhöfen kümmert, und es gibt sogar – das wird die CDU freuen, denn sie ist vor allem bei der Bestrafung immer ganz groß – im repressiven Bereich die Teilnahme der S-Bahn und der BVG am sogenannten Schadenswiedergutmachungsprogramm – ein typisch deutscher Begriff – vom Trialog e.V. All dies ist gut, denn für die Sicherheit in Bahn und Bus, Herr Ueckert, sind nicht alle zuständig, sondern die Verkehrsunternehmen. Sie sind primär und hauptverantwortlich. Diese Sicherheit – ich wiederhole es – ist vor allem die wahrnehmbare Sicherheit der Fahrgäste, die den ÖPNV benutzen.

Die BVG hat in ihren eigenen Veröffentlichungen zum Thema innere Sicherheit unter anderem ihre Bemühungen erwähnt als da wären: regelmäßige Wartung der Fahrzeuge und Gleisanlagen, eine grundlegende Ausbildung und Schulung der Fahrer. Ich war etwas erstaunt, dann aber auch folgende Aussage zu finden: Unseren Fahrgästen ist ihr eigenes Sicherheitsempfinden oft viel wichtiger. – Ja, liebe BVG, genauso ist es. Der Fahrgast selbst will das Gefühl haben, wahrnehmbar sicher zu sein.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Dieses Sicherheitsbedürfnis wird nicht allein durch Videokameras erfüllt. Eine Videokamera ist richtig und wichtig, aber im Notfall kommt die Videokamera nicht zu Hilfe. Auch eine Notrufsäule kommt nicht zu Hilfe. Gegebenenfalls kann es bis zu 15 Minuten dauern, bis ein Mitarbeiter erscheint. Mit dieser Situation müssen wir umgehen und sie möglichst verbessern. Der bis Ende des Jahres abzuschließende Verkehrsvertrag, in dem festgeschrieben wird, wie künftig die Sicherheitssituation aussehen wird, wird darauf Rücksicht nehmen.

Unser Antrag zielt darauf ab, einige Maßnahmen zu prüfen, wie zum Beispiel eine deutlich intensivere Wahrnehmung des Hausrechts der Verkehrsunternehmen oder auch die Frage einer ausreichenden Zahl von Servicemitarbeitern. Dies alles dient nicht nur der Sicherheit der Fahrgäste, sondern auch der des Personals selbst.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Abgeordnete Benedikt Lux. – Bitte schön, Herr Lux!

[Lars Oberg (SPD): Der verkehrspolitische Sprecher!]

Ich wüsste nicht, dass Frau Hertel Ihre verkehrspolitische Sprecherin ist.

Werter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt schwer, etwas gegen diesen Antrag zu sagen. Das werde ich auch nicht tun. Als Fraktion der umweltgerechten Mobilität, als Fraktion der Autolosen,

[Christian Gaebler (SPD): Autolose? Und was ist mit Ratzmann?]

als Fraktion der Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer, als Fraktion der Fußgänger begrüßen wir diesen Antrag.

[Zurufe]

Herr Präsident! Könnten Sie vielleicht ein wenig für parlamentarische Ordnung sorgen?

[Heiterkeit – Beifall bei den Grünen und der SPD]

Ich glaube, es ist nicht erforderlich, für Ordnung zu sorgen. Aber ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, zuzuhören!

Es kommen noch einige spannende Punkte. – Wenn man sich das Thema Kriminalität im ÖPNV, bei der BVG, ansieht, dann stellt man fest, dass es um Zweidrittel Diebstahl- und Sachbeschädigungsdelikte geht, weniger um Körperverletzungen und gröbere Delikte. Es geht um die alltägliche Kriminalität, so nach dem Motto: Eine gute Gelegenheit, ich nehme dir etwas weg. – Dies müssen wir klar und effektiv bekämpfen, dafür zu sorgen, ist Aufgabe dieses Hauses. Deshalb ist es richtig, solch einen Auftrag zu erteilen.

Frau Matuschek, ich verstehe Sie nicht. Ihr Antrag fordert, bestimmte Dinge zu eruieren, die wir bereits vor einem Jahr in Auftrag gegeben haben. Wir haben bereits ein Sicherheitskonzept bei der BVG angefordert. Anfang des Jahres stellte sich jedoch die BVG hin und sagte: Wir machen das nicht, es war zwar mit dem Parlament vereinbart, aber wir halten uns nicht daran. Die Videoüberwachung machen wir aber trotzdem. Was sagen Innensenator und Stadtentwicklungssenatorin dazu? – Das ist deren Hausrecht, die können Auskünfte herausgeben, die können 24 Stunden flächendeckend speichern. – Sie hingegen stellen sich hin und behaupten, Sie fühlten sich unsicher bei der Videoüberwachung. Was hat das mit der Realität zu tun?

[Beifall bei den Grünen]

Ich glaube, die alte Gewissheit, mehr Personal auf den Bahnhöfen, in den Zügen, in den Bussen ist richtig und gut, darf nicht durch mehr Videoüberwachung verdrängt werden. Der FDP-Kollege und ich haben das im Datenschutzausschuss angemahnt. Das ist jedoch ignoriert worden. Das belegt, was Sie für ein komisches Spiel treiben. Sie sagen A, aber nicht B. Wir müssen uns jetzt über einen Sicherheitsbericht unterhalten, der längst hätte vorliegen können. Ich verstehe Ihre Haltung nicht.

Bei der Kriminalität in Bussen und Bahnen gibt es einige neue Erscheinungen, die auch durch Videoaufzeichnungen nicht bekämpft werden können. – Hierin sind wir uns offenbar einig. Ich hoffe, dass wir dann künftig gemeinsam und effektiver agieren können. – Es ist so, dass kleine Taschendiebstähle, aber auch Graffiti nicht durch Videoaufzeichnungen bekämpft werden können – dies ist vor allem für die CDU interessant. Wenn ich ein Graffiti anbringen will, muss ich als Krimineller dafür nicht besonders intellektuell sein. Man zieht eine Sturmmaske über und keine Videokamera erkennt einen. Wenn man eine Tasche wegnehmen will, passiert dies häufig unbeobachtet von Videokameras. Dieses Mittel ist nicht effektiv, dieses Mittel ist ein Placebo. Bitte benennen Sie es dann aber auch so. Ich sage Ihnen eines: Anfang nächsten Jahres werden Sie sich eine Klage nach der anderen einhandeln, weil Menschen zu Unrecht aufgezeichnet werden. Frau Hertel, ich verstehe nicht, wie Sie sich hier hinstellen können und sagen: Wir werden irgendwie eine Voraussetzung dafür schaffen. Es ist ganz klar, dass das von der BVG angekündigte Verhalten rechtswidrig ist. Das wird sich feststellen lassen.

[Beifall bei den Grünen – Anja Hertel (SPD): Quatsch!]

Ein letzter Aspekt: Wenn Busse und Bahnen von außen mit großflächigen Werbebannern verhüllt werden, man also nicht mehr hineinsehen kann, dann sinkt das von Ihnen angesprochene subjektive Sicherheitsgefühl. Man kann nicht mehr hineinsehen, drinnen können potentielle Täter mit den Fahrgästen machen, was sie wollen. Ich glaube, an dieser Stelle sollten wir auf die BVG einwirken, dass sie mehr Sensibilität entwickelt.

[Beifall bei den Grünen]

Mein Fazit: Lesenswert ist der Antrag, weil er kurz ist. Das Gewünschte hätte aber alles bereits vorliegen können. Vielleicht bekommen wir in der nächsten Sitzung eine bessere Priorität von Ihnen. Ich freue mich darauf.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete von Lüdeke. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist es beim Lesen des Antrags so ähnlich wie dem Kollegen Lux ergangen. Es stehen Dinge darin, die wir alle gut finden. Wir wissen auch, dass manches dringend behoben werden müss. Aber irgendwie haben wir den Eindruck, es handelt sich um eine Antragsserie zur Erhöhung der Attraktivität im ÖPNV – so nennen Sie das –, so auch kürzlich bei Ihrem Antrag, den Sie uns vor vier Wochen mit der Überschrift „Fahrpreise im Nahverkehr weiterhin sozial gerecht entwickeln“ präsentierten. Allein die Wort

wahl „weiterhin sozial gerecht“! Wir haben im Ausschuss besprochen, was unter Ihrem „weiterhin“ zu verstehen ist.

Da sah man schon an der Wortwahl, dass es reiner Populismus war. So ähnlich ist es heute mit Ihrem Antrag Sicherheit im ÖPNV. Beim Lesen dachte ich zunächst, er käme von dem Kollegen Henkel von der CDU als Folge der Beantwortung seiner kürzlich erfolgten Kleinen Anfrage zur Sicherheit im Berliner U-Bahnnetz. Der Senat hatte ziemlich deutlich und klar gezeigt, dass er nichts im Griff hat, was das subjektive Sicherheitsbedürfnis der Fahrgäste betrifft. Es lohnt sich für jeden, der bislang die Antwort nicht gelesen hat, dieses nachzuholen. Es geht im Prinzip um die Frage des Drogenhandels. Der Senat präsentiert dabei die erschreckende Bilanz, dass es inzwischen in Berlin keinen U-Bahnhof mehr gibt, in dem kein Drogenhandel stattfindet. Das ist skandalös. Insofern ist der heute von Ihnen präsentierte Antrag ein Schaufensterantrag.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Der heutige Antrag stammt nicht von Herrn Henkel, sondern von den Verkehrspolitikern von SPD und Linkspartei. Die Grundlagen für den Antrag sind offenbar schon in den Koalitionsverhandlungen gelegt worden. Kollegen haben bereits darauf hingewiesen. Außerdem – so war dem „Tagesspiegel“ und anderen Zeitungen zu entnehmen – gab es kürzlich eine Veranstaltung der Linkspartei zum Thema Sicherheit im Nahverkehr. Das, was Frau Matuschek hier präsentiert hat, kann man teilweise nachlesen. Es geht um die nicht überraschende Feststellung laut „Tagesspiegel“ vom 3. März 2007, zumindest das subjektive Sicherheitsgefühl auf Bahnhöfen, in Bussen und Bahnen habe laut Umfragen abgenommen. Das ist eine tolle Feststellung. Das wussten wir auch ohne Umfragen.

Es gibt eine weitere Feststellung, dass der Abzug von Personal auf den Bahnsteigen beigetragen wesentlich dazu hat. Vor Jahren hatte er bereits bei der BVG stattgefunden. Jetzt ist es bei der S-Bahn soweit. Wen überrascht diese Feststellung nun wirklich? – Die Feststellung wird niemanden überraschen. Wir können alle nachvollziehen, was dort passiert. Laut „Tagesspiegel“ wird auch Polizeipräsident Glietsch zitiert, wonach Personal „ganz wichtig“ sei. Er hat völlig recht. Das finden wir auch.

[Jutta Matuschek (Linksfraktion) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Ich möchte jetzt keine Zwischenfrage beantworten. – Wo ist das Personal eigentlich geblieben? Ist es in den Verwaltungseinheiten von S- und U-Bahn irgendwo verloren gegangen? Wo sind sie jetzt, sie waren doch da? Die BVG betont, dass sie diese Mitarbeiter nicht reaktivieren kann. Man kann nicht einfach Mitarbeiter aus der Verwaltung herausnehmen und mit derartigen Aufgaben betrauen. Die Stellungnahme der BVG ist schon ein wenig merkwürdig. Sie können kein Personal liefern.

Die Polizei hat sicherlich wichtigere Aufgaben, als Kräfte für – Herr Glietsch wird zitiert – „bewaffnete Fahrschein

kontrolle“ einzusetzen. So kennen wir das auch aus der Vergangenheit. Die Koalition will Beschäftigte aus dem öffentlichen Beschäftigungssektor. Es wurde über 200 zu schaffende Stellen gesprochen. Angesiedelt werden soll das Ganze beim Verkehrsverbund. Über eine Finanzierung, was das kostet und wer das zahlt, wurde bislang nichts gesagt. Weiter wird gewünscht, dass die Verkehrsunternehmen das Hausrecht stärker wahrnehmen. Das ist sicherlich auch eine gute Forderung. Bislang war das bisher Präsentierte nur ein stumpfes Schwert. Es kann nur, Herr Henkel, andere motivieren, bei der BVG nachzufragen, wie es mit dem Hausrecht aussieht. Es werden Betretungsverbote für Bahnhöfe ausgesprochen. Das hat aber nichts mit Beförderungsverboten zu tun. Es ist interessant, wie weit das Hausrecht bei der BVG reicht. Hier kann man vielleicht noch einmal nachfragen.

Die Probleme sind insgesamt alle bekannt. Eine Lösung der Probleme wünschen wir uns alle. Es sind Binsenweisheiten, dass die Attraktivität des ÖPNV von Preisen, Schnelligkeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit und Sicherheit der Fahrgäste abhängig ist.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, ich komme zum Schluss. – Das Thema gehört – das ist ganz klar – in den Verkehrsvertrag, den Sie, mit wem auch immer, schließen werden. Dort müssen wir das diskutieren. – Ich habe eine abschließende Frage an SPD und Linkspartei: Warum stellen Sie den Antrag, wenn nicht aus populistischen Gründen? Sie stellen immer noch die Regierung. Handeln Sie doch auch. Sie haben es in der Hand. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr federführend und mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. – Zu den Überweisungen sehe ich keinen Widerspruch.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 4 d:

Antrag

Umweltzone darf nicht scheitern

Antrag der Grünen Drs 16/0488

Diesen Antrag hatte ich bereits vorab an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz überwiesen. – Die nachträgliche Zustimmung hierzu stelle ich fest. – Für die Beratung steht den Fraktionen wiederum eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der Grünen. Das Wort hat Frau Kubala!

Würden Sie bitte einen Vertreter der Senatsverwaltung hierher bitten?