Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

[Zurufe von den Grünen]

Es ist ein Fortschritt, dass die CDU das inzwischen auch begriffen hat.

Und drittens: Es gibt noch so etwas wie eine Bundesgesetzgebung. Der Beschluss zu den Plaketten und den Ausnahmegenehmigungen und vor allem zu der Festlegung, welche Katalysatorfahrzeuge dazugehören, wurde erst vor wenigen Tagen im Bundesrat gefasst. Wollen Sie uns erzählen, Sie hätten das alles schon vorher gewusst? Selbst die Städte, die die Umweltzone früher einführen wollten – Stuttgart und andere Städte in Baden-Württemberg – mussten den Termin verschieben, weil es aus praktischen Gründen nicht ging. Und Sie streuen den Bürgerinnen und Bürgern noch mehr Feinstaub nicht bloß in die Lunge, sondern auch in die Augen, Frau Kubala, und behaupten, wir hätten die Umweltzone schon früher umsetzen können!

[Beifall bei den Grünen]

Genauso ist es mit den Ausnahmen. Sie wissen ganz genau, dass dieses Thema sehr intensiv diskutiert wurde und Berlin einen wirklich anspruchsvollen Ausnahmenkatalog hat, der nicht jedem erlaubt, in die Innenstadt zu fahren. Das erfordert eine Diskussion auch mit Gewerbetreibenden, das ist unstrittig. Aber da sind wir genau in der Mitte. Die FDP sagt, wir schlössen alle aus und brächten den Wirtschaftsverkehr zum Erliegen. Sie sagen, wir gäben allen eine Ausnahme. Beides ist nicht richtig. Wir haben den vernünftigen, anspruchsvollen Mittelweg gewählt. Dass die Öffentlichkeitsarbeit noch ausgeweitet werden kann und muss, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern, ist eine Selbstverständlichkeit in dem Moment, wo alle Regelungen sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesseite in Sack und Tüten sind. Dann kann man den Bürgerinnen und Bürgern auch Verbindliches mitteilen. Vorher geht das schlecht. Man kann nicht sagen: Liebe Bürgerinnen und Bürger! Der Bund wird demnächst irgendwas beschließen. Wie es genau wird, wissen wir nicht, aber bereitet Euch schon mal vor! – Das schlägt die Grünenfraktion vor. Das ist traurig.

Und dann fordern Sie auch noch ein Sonderprogramm Finanzierung. Wir haben dafür einen eigenen Antrag eingebracht. Sie wissen: Jeder, der nachrüsten will, kann 330 €

vom Bund als Förderung bekommen. Das lassen Sie unerwähnt, ich frage mich, warum.

Schließlich: In dem Begründungsteil Ihres Antrags findet sich der Satz:

Das Vorgehen des Senats führt unweigerlich ins Chaos.

Das ist nicht so, Frau Kubala! Ihre Äußerungen und der viele Treibstoff, den Sie hier produzieren, die führen leider ins Chaos. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Wilke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zur Beratung stehende Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ist in zwei Forderungen mit unserem Antrag zur Umweltzone identisch und in zwei anderen Forderungen nicht uninteressant. In einer weiteren Forderung wird er von uns gänzlich anders gesehen.

Wo besteht Einigkeit? – Auch wir treten für die unbürokratische Anwendung der Ausnahmen von Fahrverboten ein. Wir treten auch dafür ein, dass endlich eine intensive Öffentlichkeitsarbeit zu allen Fragen der Umweltzone beginnen muss. Dabei ist es so, dass der Senat über die allgemeinen Bestimmungen zur Umweltzone hinaus gar nichts veröffentlichen kann, weil über die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen noch immer weitestgehend Unklarheit besteht.

Es gibt keinen verbindlichen Ausnahmekatalog seitens des Senats, es gibt nur ein paar kaleidoskopartige Vorstellungen dazu, obwohl wir nur noch sieben Monate bis zur Einführung der Umweltzone in Berlin haben. Der Senat plant nunmehr zwei Jahre an der Einführung einer Umweltzone, einer Verordnung, und hat bis heute noch kein verbindliches Regelwerk für die in Aussicht gestellten Ausnahmeregelungen vorgelegt. Aber viele Bürger und gerade viele kleine und mittelständische Unternehmen müssen rechtzeitig darüber informiert sein, sie benötigen in ihrer Planung für ihren Fahrzeugbestand eine ausreichende Vorlaufzeit. Deswegen fordern wir Sie auf: Bringen Sie im Senat die Verordnungen in allen inhaltlichen Punkten endlich zu einem sauberen Abschluss! Wenn Sie das erreicht haben, räumen Sie ab diesem Zeitpunkt all denen, die auf eine Ausnahmegenehmigung angewiesen sind, genau die gleichen Vorlaufszeiten ein, die Sie sich selbst in Ihren mtsstuben genehmigt haben! A Was ist an Ihrem Antrag interessant? – Begrüßenswert und notwendig finden wir Ihre Forderung, dass der Senat umgehend mit den zuständigen Bezirken ein abgestimmtes Verfahren festlegt und dass die Kontrolle und Über

wachung der Umweltzone einheitlich und konsequent erfolgt. Für den fließenden Verkehr wird das durch die Polizei geschehen und dadurch höchstwahrscheinlich gewährleistet gleichgewichtet. Für den ruhenden Verkehr werden diese Aufgaben nach jetzigem Stand die Ordnungsämter übernehmen. Da wäre es wünschenswert, weil gerecht, dass die Intensität der Kontrollen durch die Ordnungsämter in den Innenstadtbezirken ähnlich quantifiziert ist.

Was wir aber keinesfalls gebrauchen können, ist eine restriktive, also noch stringentere Regelung für die Erteilung von Ausnahmeregelungen. Was dort seitens des Senats geplant ist, muss nicht noch übertroffen werden. Wir sind uns darüber bewusst, dass eine konsequente Umweltpolitik ohne eine Einschränkungen, ohne Einschnitte in ganz individuelle Bereiche nicht funktioniert. Doch durch die Einführung der Umweltzone werden Menschen in ihrem eigenen Pkw die Innenstadt nicht mehr erreichen, werden Fahrzeuge kleiner und mittlerer Unternehmen nicht mehr in die Innenstadt gelangen. Wie es geplant ist, ist zum Teil unausgewogen und unsozial.

Gerade bei der Umweltpolitik bedarf es großer Sensibilität, welche dieser Senat vermissen lässt. Möchte man Menschen für die ehrgeizigen und hochgesteckten Ziele der Umweltpolitik gewinnen und begeistern – und darum muss es schließlich auch gehen in diesem Haus –, ist es ratsam, nicht nur über das stringente Verbot zu gehen, sondern auch Anreizsysteme zu schaffen. Es ist nicht hinzunehmen, dass gängige Fahrzeugabschreibzeiten keine Berücksichtigung bei den Plänen des Senats finden sollen. Es ist nicht hinzunehmen, dass die Anreizsysteme neben den Verboten und Sanktionen nicht vorhanden sind wie die Schaffung von P+R-Parkplätzen unmittelbar vor der entsprechenden Umweltzone, wie freies Parken in der Innenstadt für Fahrzeuge mit besonders umweltfreundlicher Antriebstechnologie – diesen Antrag haben wir bereits eingebracht.

Wer Umweltpolitik macht, muss die Menschen mitnehmen. Das versäumt der Senat auch an dieser Stelle. Da nützt auch ein SPD-Linksfraktion-Antrag nichts, ein bisschen zu prüfen, ob IBB-Kredite für die Neuanschaffung von Fahrzeugen für kleine und mittlere Unternehmen ausgereicht werden können. Sie wissen, wie eingeschränkt die Kreditwürdigkeit vieler Unternehmer in dieser Stadt ist. Nach fünf Jahren Ihrer katastrophalen rotroten Wirtschaftspolitik ist es ein Hohn, diesen Unternehmen auch noch zu sagen: Ihr könnt euch neue Fahrzeuge beschaffen, denn wir haben einen Antrag eingebracht, der prüft, ob für euch günstige IBB-Kredite ausgereicht werden können. – Lassen Sie den Quatsch mit der IBB! Gewähren Sie für Fahrzeuge der kleinen und mittleren Unternehmen, die nicht den bei der Einführung der Umweltzone geltenden Normen entsprechen, eine höhere Restlaufzeit zum Befahren der Innenstadt, wenn sich das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Anschaffung auf einem umwelttechnisch aktuellen Stand befand oder noch nicht abgeschrieben ist! Das ist einfach, messbar, nachvollziehbar

und auch fair gegenüber den Unternehmen in unserer Stadt.

[Christian Gaebler (SPD): Aber leider nicht machbar!]

Ich bin mir ganz sicher, dass wir im Ausschuss die Debatte darüber fortsetzen werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Wilke! – Für die Linksfraktion hat Frau Platta das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man Kinder befragt, was sie sich unter einer Umweltzone vorstellen, erhält man nicht selten die Antwort: Das ist ein abgesperrter Bereich, wo es inzwischen selten gewordenen Tieren und Pflanzen besonders gut geht und wir sie dann auch in ihrer Umwelt beobachten können.

[Henner Schmidt (FDP): Das heißt Zoo!]

Was bringt uns nun die Berliner Umweltzone? – Hier wollen wir – und müssen es nach EU-Recht auch – einen Bereich schaffen, wo endlich wieder Bedingungen hergestellt werden, die das erhöhte gesundheitliche Risiko auf ein normales Maß zurückführt.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Das ist eigentlich nichts Besonderes, könnte man meinen. Damit müssten doch alle einverstanden sein und sich dementsprechend dafür einsetzen. Dem ist aber nicht so. Frau Kubala hat uns schon von den entsprechenden Vereinen berichtet. Wenn immer wieder angesprochen wird, dass das Bestreben nach Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub die Einführung der Luftreinhaltezone zum Schaden von sozial Schwachen ist und kleine Unternehmen in den Ruin getrieben werden,

[Dr. Martin Lindner (FDP): Ja!]

frage ich: Brauchen sie keine saubere, nicht krank machende Luft, besonders die immer wieder angesprochenen Schwächsten, die keine Ausweichmöglichkeiten in andere Gebiete haben? Sind Unternehmer nicht auch Menschen, die letztendlich von der Politik Maßnahmen zur Luftreinhaltung für den Schutz der eigenen Gesundheit fordern können und als Unternehmer eine Verantwortung für ihr Tun gegenüber der gesundheitlichen Unversehrtheit der Bürger haben?

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wichtig ist, dass denen Hilfen angeboten werden, die sie auch brauchen. Dafür machen wir uns stark. Und im Gegensatz zu Ihnen, Herr Wilke von der FDP,

[Mieke Senftleben (FDP): Herr Wilke ist von der CDU! – Vereinzelter Beifall von der FDP]

halten wir es eben doch für vernünftig, wenn über Finanzierungshilfestellungen nachgedacht wird und entsprechende Umweltkreditprogramme aufgelegt werden, damit sich gerade diese Firmen umweltfreundliche Lkws anschaffen können und nicht mit ihren alten Krücken in den Umweltgebieten weiterfahren müssen.

[Carsten Wilke (CDU): Es sind nur noch sieben Monate!]

Der Senat hat Übergangsfristen erarbeitet, die im Eckpunktepapier zu Ausnahmegenehmigungen für Fahrten in die Umweltzone enthalten sind. Daneben die zur Maximierung ihrer Gewinne ihre Fahrzeugflotte auf Verschleiß fahren, brauchen aber eher den Hinweis – den deutlichen –, dass sie gegenüber ihren Mitmenschen Verpflichtungen haben.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das glaube ich nicht!]

Die Ausnahmen müssen auf ein Minimum beschränkt bleiben und entsprechend überprüft werden, um das vorgesehene Ziel – und das ist das Wesentliche an dem Verfahren – der Senkung der Feinstaubbelastung auf das Maß der einzuhaltenden Grenzwerte der Gesundheitsvorsorge erreichen zu können. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz hat für das verstärkte Informationsbedürfnis der Nutzer des Luftreinhaltegebiets bereits Informationsmaterial zusammengestellt, wird es weiterhin tun und ist auch auf dem im Juni stattfindenden Umweltfestival mit Flyern vertreten. Sie wird sicher verstärkt ihrer Informationspflicht nachkommen.

Schnellstmöglich muss nun noch der Anwendungsleitfaden für die einheitliche Handhabung der Erteilung der Ausnahmegenehmigung für die jeweiligen Straßenverkehrsbehörden in den Bezirken erarbeitet werden. Da ist Zeitdruck vorhanden, das sehen wir auch so, weil sonst der Andrang von Antragstellern im letzten Quartal in den Verwaltungen zu groß wird. Den bestehenden Beratungsbedarf dazu werden wir heute hier nicht decken können. Das haben wir schon gemerkt. Wir werden es in den nächsten Ausschussberatungen tun.

Klar ist, die Luftreinhaltezone wird nicht an der Linksfraktion scheitern. Im Übrigen ist das ein Antrag zur Umweltzone, die nach Meinung der Kinder keine ist und allein mit den Maßnahmen zur Luftreinhaltung auch nicht wird. Zu einer Umweltzone, die diesen Namen verdient, gehört eigentlich mehr. Das wissen auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Zur Einführung einer solchen Umweltzone würde Gewässerschutz, Naturschutz, Landschaftspflege, Lärmschutz, Bodenschutz und

[Dr. Martin Lindner (FDP): Schutz der Kollegen vor langweiligen Reden!]

dann auch die Luftreinhaltung gehören. Da treffen wir uns wieder mit den Vorstellungen der Kinder. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Der Kollege Wilke gehört übrigens der CDU-Fraktion an, nicht der Fraktion der FDP. Die hat nun das Wort mit Herrn Kollegen Schmidt!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Wer schützt uns vor solchen Reden? – Uwe Doering (Linksfraktion): Der jetzt kommt?]

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Umweltzone darf nicht scheitern, sagt der Antrag.

[Zuruf von der SPD: Bravo!]

Warum eigentlich nicht? Ich habe bis jetzt von den Kollegen zwar gehört – und das ist eine Sache, die ich sehr gut nachvollziehen kann –, dass sie die Feinstaubbelastung für die Bevölkerung senke.

Das ist ja nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, der der Senat folgen muss, das ist EU-Recht, das ist auch ein Anspruch der Innenstadtbewohner, dass die Feinstaubbelastung gesenkt wird. Ich selbst als Innenstadtbewohner habe diesen Anspruch auch. Aber die Umweltzone wird dazu herzlich wenig beitragen. Sie bringt wenig bei der Feinstaubbelastung,

[Beifall bei der FDP]