Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Anja Schillhaneck (Grüne)]

Weil wir aber die Mobilität von Studierenden in Europa grundsätzlich für sinnvoll halten, nicht zuletzt, weil sie zu mehr Flexibilität bei der Gestaltung des Studiums führen kann, aber auch, weil wir damit die soziale Dimension eines zusammenwachsenden europäischen Hochschulraums stärken wollen, haben wir die Entscheidung in der letzten Legislaturperiode verantwortlich mitgetragen, dass Berlin als erstes Bundesland das Studienangebot vollständig auf die gestuften Abschlüsse Bachelor und Master umstellt. Dass ein solch komplexer Prozess, noch dazu unter der Kuratel des Sparzwangs, nicht unproblematisch ablaufen würde, musste jedem Beteiligten klar sein. Thomas Flierl hatte deshalb bereits 2005 als verantwortlicher Wissenschaftssenator Hochschulleitungen und Studierendenvertretungen an einen Runden Tisch geladen, um aufkommende Probleme zu besprechen. Eine Konsequenz dieses Runden Tisches war zum Beispiel, dass die FU im letzten Jahr eine Umfrage zur Qualität ihres Studienangebots durchführte und ihre Studienordnungen daraufhin auch überarbeitete. Wir haben im Ergebnis dieser Diskussion ein Berliner Modell für die neuen Studiengänge mit entwickelt, das auf die ursprünglichen Ziele des BolognaProzesses abhebt: Mobilität, wissenschaftliche Freiheit und sozial abgesicherte Selbstbestimmung im Studium. Im Koalitionsvertrag wurden weitere konkrete Zielsetzungen in diesem Sinn vereinbart.

Sie rennen mit Ihrer Kritik zum Teil bereits offene Türen bei uns ein, Frau Schillhaneck! Der Bachelorstudiengang ist nicht das Sieb, mit dem eine zukünftige Elite aussortiert wird. Er ist ein erster – allerdings berufsqualifizierender – Abschluss, der aber auch jedem Absolventen ein weitergehendes Studium im Masterstudiengang ermöglichen muss. Die Mobilität zwischen den Hochschulen muss dabei auch in der Praxis möglich werden. Wer an einer Fachhochschule seinen Bachelorabschluss macht, muss danach an einer Universität seinen Masterstudiengang belegen können. Studienleistungen müssen innerhalb Berlins und Brandenburgs ohne weitere Prüfungen anerkannt werden. Gerade gestern erhielten wir die Mail einer FU-Studentin, die berichtet, dass sie keine Leistungsnachweise von der HU einbringen könne, weil das – man höre – im Computersystem der FU nicht darstellbar sei. Eine Bagatelle, gewiss! Aber die Rede vom europäischen Hochschulraum führt sie ad absurdum.

Die Strukturierung der Studiengänge in Module muss endlich mehr Selbstbestimmung im Studium möglich machen. Die Studierenden beschweren sich massiv, im Moment sei das Gegenteil der Fall. Es kann auch nicht sein, dass es Studiengänge gibt, die keine einzige Wahlmöglichkeit mehr vorsehen. Das ist das Gegenteil von Bolog

na. Starre Studienordnungen behindern Auslandsaufenthalte, statt sie zu fördern, und repressive Studienordnungen hebeln auch die Möglichkeit eines Teilzeitstudiums aus und bestrafen diejenigen, die – wie zwei Drittel der Studierenden – ihr Studium über Erwerbsarbeit finanzieren müssen oder die gleichzeitig Kinder großziehen. Wir sagen auch in diesem Zusammenhang noch einmal sehr deutlich: Die Exzellenz einer Hochschule beweist sich nicht allein durch die sogenannte Spitzenforschung, sie beweist sich zunächst einmal und vor allem durch die Qualität ihrer Lehre in der Breite. Das ist die Aufgabe, die ihr die Gesellschaft stellt: die Menschen auszubilden, die wir für die Bewältigung der Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft brauchen – und dabei kommt es uns auf alle Köpfe an, nicht nur auf die der vermeintlichen Eliten.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir haben daher die umfangreichen Umfragen der Studierenden zur Studierbarkeit an der HU und der FU sehr wohl zur Kenntnis genommen. Wir werden die geschilderten Probleme mit den Beteiligten besprechen und Lösungen mit den Hochschulverträgen finden, aber auch mit der – da haben Sie völlig recht – endlich notwendigen Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Albers! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Czaja das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich ist die Initiative der Grünen zu begrüßen, einen Bericht über den Stand der Umsetzung der Bologna-Reform und deren Auswirkung einzufordern. Schließlich gehört die Neuordnung und Internationalisierung der Studiengänge zu den wichtigsten Entwicklungen im System der Hochschulbildung in den letzten 50 Jahren.

Die angestrebte und teilweise schon vollzogene Modernisierung ist richtig und unumkehrbar, denn in der Wissenschaft und Forschung ist die Globalisierung keine perspektivische Frage des Wie oder Wann, sondern greifbare Realität. Es hilft da wenig, zu lamentieren, ob dies gut oder schlecht ist – schließlich haben wir es mit Tatsachen zu tun, die man nicht einfach – ähnlich wie beim Wetter – mit einer Tasse Tee wegdiskutieren kann.

Andererseits müssen wir uns mit den derzeitigen Rahmenbedingungen der Bologna-Reform befassen. Was kann Politik leisten, damit Hochschulen bei der Umsetzung der internationalen Vorgaben erfolgreich sind? Unseren Blick ausschließlich auf das Berliner Hochschulgesetz zu richten reicht nicht. Schließlich wollen wir die Hochschulen nicht durch weitere Vorschriften knebeln und einengen, sondern mit mehr Flexibilität und Freiräumen ausstatten.

[Beifall bei der FDP]

Erfolgreiche Universitäten agieren wie Wissenschaftsunternehmen. Staatliche Lenkungsversuche und Eingriffe in innere Abläufe sind da eher unzuträglich.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Die Berliner Hochschulen haben ein Eigeninteresse daran, dass die neuen Studiengänge erfolgreich und damit für die Studierenden attraktiv ausgestattet werden. Die Zeiten der Studentenlandverschickung per ZVS scheinen – gottlob! – vorbei zu sein. Studierende sollen mit Bedacht ihre Hochschule selbst auswählen können. Und sie werden Geld mitbringen, per Gutschein, per subjektbezogene öffentliche Hochschulbezuschussung und/oder direkt über Studienentgelte. Deswegen werden die Hochschulen ihnen gute Bedingungen darüber hinaus bieten wollen.

Wir können daher davon ausgehen, dass die Hochschulen die eigenen Angebote objektiv evaluieren werden. Sie werden ganz kritisch darauf achten, wie ihr eigenes Angebot aussehen wird und wie sie im Vergleich zur Konkurrenz abschneiden. Denn auch das bringt ihnen Vorteile. Ein Bericht über den derzeitigen Ist-Stand, so glaube ich – und da sind wir ja nahe beieinander –, kann nicht schaden. Allerdings ist fraglich, wie die gewünschten Daten gewonnen werden sollen. Neben den harten Fakten sollen schwer messbare subjektive Einstellungen abgefragt werden. Dabei ist nach Möglichkeit auf hochschulinterne Studien zurückzugreifen. Oder sollen diese vom Senat herangezogen werden? Auch dies ist derzeit unklar. Ob eine Vergleichbarkeit noch gegeben sein dürfte, ist unsererseits eher fraglich.

Zum Schluss möchte ich die Frage stellen, wie die Grünen zu dieser Forderung kommen. Initialzünder war wohl die Umfrage „Studierbarkeit der Studiengänge an der Humboldt-Universität“. Mitwirkende und Herausgeber war die „Offene Linke“ und die „Liste unabhängiger Studierender“.

[Zuruf von Elisabeth Paus (Grüne)]

Diese haben sich erstmals in Sachen Datenerhebung und verarbeitung versucht. Es wurden vorwiegend Personen aus dem linksalternativen Milieu zum Ausfüllen der Fragebögen animiert. Daher, finde ich, ist diese Umfrage wenig repräsentativ.

Herr Czaja! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Schillhaneck?

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Das ist hier so üblich!]

Kein Wunder, dass die Ergebnisse, insbesondere die Fragen nach der Bewertung der Leistungsanforderungen ungünstig ausfielen und es sich somit um ein nicht wirklich

messbares Ergebnis handelt. Vielleicht kann der Antrag der Grünen dazu führen, dass die jeweiligen Hochschulen einen objektiven Bericht zur Situation in Auftrag geben und am Ende auch publizieren und sich die Studentenparlamente in der Konsequenz dessen etwas mehr Geld sparen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Czaja! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe auf die Priorität der Fraktion der FDP

lfd. Nr. 4 d:

Exzellente Bildung für Berlin (VII) – Investitionsstau angehen!

Antrag der FDP Drs 16/0569

Das ist der ehemalige Tagesordnungspunkt 25. – Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der FDP. – Frau Senftleben, bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Herren! Meine Damen! Bereits in der letzten Plenarsitzung beantragte meine Fraktion eine Aktuelle Stunde zum Thema „RotRot ruiniert Berlins Zukunft – eine Milliarde € Sanierungsstau an Berlins Schulen“. Ihr Desinteresse diesbezüglich war absehbar. Die Thematik wurde nicht diskutiert. Aber ich kündigte bereits an, einen Antrag einzubringen – voilà, hier ist er, heute als Priorität. Jetzt zeigt sich zum einen, dass das Thema für uns wichtig war und ist und bleibt. Zum anderen möchte ich gerne wissen, wie Sie sich zu unseren konkreten Vorschlägen stellen.

[Christian Gaebler (SPD): Ob wir Ihnen das sagen?]

Sie alle kennen den Jahresbericht des Landesrechnungshof vom 24. Juni 2007. Insbesondere ein Aspekt, Herr Gaebler, sollte selbst Sie zum Grübeln bringen. Der Rechnungshof weist nämlich nach, dass Ihre rot-rote Regierung für mangelnde Investitionen im Schulbereich verantwortlich ist. In der Zeit von 2004 bis 2007 ist der Sanierungsstau noch einmal um die gigantische Summe von 700 Millionen € gestiegen und hat sich damit fast verdoppelt. Wir sind also jetzt bei ca. 1,5 Milliarden €, eine stolze Summe, finde ich, aber Sie sollten sich dafür nicht auf die Schulter klopfen.

[Beifall bei der FDP]

Die Kernaussage des Berichts heißt: „In Berlin findet keine bedarfsgerechte Bauunterhaltung mehr statt.“ – Mit anderen Worten: Die Schulen gehen langsam vor die Hunde. Doch Sie, Rot-Rot, verschließen einmal wieder

die Augen und werden sich – Herr Nolte, Sie reden gleich – auf die Schulter klopfen und verkünden, man habe ja das Schul- uns Sportstättensanierungsprogramm am Leben gehalten.

[Zuruf von Karlheinz Nolte (SPD)]

Ich weiß, was Sie sagen wollen. – Nein, Herr Nolte, Sie haben diesem Programm die Luft genommen. Denn tatsächlich ist dieses Programm in der letzten Legislaturperiode um 10 Millionen € gekürzt worden. Als Begründung mussten wir immer hören, der Bedarf sei nicht da, die Mittel seien nicht abgeschöpft worden. Hier möchte ich an eine nette Diskussion erinnern, die der Kollege Schruoffeneger vielfach mit dem ehemaligen Senator Böger führte. Damals ging es um den Bezirk Kreuzberg.

[Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)]

Genau, er weiß, wovon ich rede. – Da gibt es eben Strukturen, Bewilligungsmechanismen, drei Verwaltungen, und da ist es schon schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen. Es bietet sich geradezu an, die Schuld auf andere abzuwälzen. Einmal ist es der Bezirk, einmal die drei Verwaltungen. Das sind die allerbesten Voraussetzungen, genau diese Maßnahmen nicht durchzuführen.

Ein weiterer Kritikpunkt des Rechnungshofs: Die Mittel zur Schulsanierung sind zweckentfremdet worden. – Wir haben das mehrfach festgestellt, denn sie sind in nicht unerheblichem Maß zur Kofinanzierung der IZBB-Mittel verwendet worden. Es wurden Kantinen gebaut, das Prestigeprojekt der damaligen Bundesregierung sollte erfüllt werden, ist auch nichts dagegen zu sagen, aber noch nicht einmal hier waren Sie in der Lage, die Kofinanzierung auf anderem Weg sicherzustellen. Ihre Politik ist und bleibt blamabel.

[Beifall bei der FDP]

Unsere Fraktion hat bereits in der letzten Legislaturperiode mehrfach die Aufstockung des Sanierungsprogramms gefordert. Wir haben auch seriöse Gegenfinanzierungsvorschläge unterbreitet. Sie wollten nicht. Für uns ist es entscheidend, dass dieses offensichtliche Problem endlich forciert angegangen wird. Deswegen fordern wir:

Erstens muss zunächst der Sanierungsbedarf an allen Berliner Schulen ermittelt sowie eine Katalogisierung nach Dringlichkeit durchgeführt werden. Das muss zügig gehen, möglichst noch vor den anstehenden Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2008/2009.

Zweitens müssen die Mittel gebündelt werden, die für die Investitionen im Schulbereich bereitgestellt werden. Ich nenne, auch wenn es strittig ist, das Projekt „Grün macht Schule“.

Drittens muss ein Verfahren entwickelt werden, das eine mittelfristige mehrjährige Sanierungsplanung und -durchführung ermöglicht.

Viertens müssen alle möglichen Sanierungsmodelle geprüft werden, Stichwort PPP. Auf der Bundesebene, in

anderen Bundesländern ist die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und den Privaten längst gang und gäbe. Was ist in Berlin? – Hier heißt es weiter: Ruhe sanft! Das kann es nicht sein. Auch hier müssen wir endlich vorangehen und ein diesbezügliches Konzept wenigstens prüfen.

[Beifall bei der FDP]