Protokoll der Sitzung vom 21.06.2007

Ihre Konsequenz ist, lauter zu schreien und unflätiger und noch inhaltsleerer zu argumentieren.

[Mieke Senftleben (FDP): Sie wollen uns nicht verstehen!]

Wenn Sie das ernst nehmen würden, dass man im Parlament keine anderen Mehrheiten suchen darf als die mit FDP, Grünen und den beiden großen Parteien SPD und CDU, würde das auf lange Sicht –

Herr Gaebler, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen – bitte!

auch die große Koalition zementieren. Herr Dr. Lindner! Aber genau das wollten Sie doch eigentlich nicht. Insofern verstehe ich Ihr Anliegen überhaupt nicht, es sei denn, es geht um Beschimpfung eines politischen Konkurrenten, mit dem man sich inhaltlich nicht auseinandersetzen kann oder will.

Herr Gaebler! Ich hatte Sie gebeten, zum Schluss zu kommen.

Ich empfehle Letzteres. Dann kommen wir hier auch weiter. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Henkel. – Bitte schön!

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Der PDS-Experte!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Gaebler! Ihre Rede zeigt sehr deutlich, wie sehr mittlerweile die Maßstäbe der einstmals so großen und stolzen Volkspartei SPD verrückt sind. Ihr Koordinatensystem stimmt einfach nicht mehr, und ich frage mich: Was ist aus der SPD geworden, die im Freiheitskampf für das bedrohte freie Berlin gegen jede Form von Extremismus gestanden hat?

[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Filbingers CDU! Die Extremisten in Baden-Württemberg!]

Wir reden heute über das Phänomen einer neuen linken Partei. Um es vorwegzuschicken: In den letzten Tagen wurde ein großangelegter Etikettenschwindel betrieben. Es ist immer von einer neuen Linken die Rede. Das ist blanker Unsinn. Es gibt keine neue Linke. Es ist mir und meiner Fraktion völlig egal, wie Sie sich nennen – ob SED, PDS oder Linkspartei. Es sind Personen und Inhalte, die eine Partei ausmachen, und das bedeutet: Im Kern bleiben Sie die alte Kommunistentruppe.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der Ursprung der PDS, den Sie selbst gern im Aufbruch des Herbstes 1989 sehen – was eine ziemlich dreiste Legendenbildung ist –,

[Marion Seelig (Linksfraktion): Wo waren Sie da eigentlich?]

liegt im Jahr 1946. Ihr Ursprung liegt – und das wäscht kein Regen ab – in der Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED als der staatstragenden Diktaturpartei der ehemaligen DDR.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wo liegen die Wurzeln Ihrer Partei?]

Alles, was Sie sich jetzt neu in das Boot geholt haben, ist ein gefährlicher Populist und Hetzredner wie Lafontaine, der am äußeren linken und am äußeren rechten Rand gleichermaßen fischt, sowie ein paar frustrierte Gewerkschafter und massenhaft übergetretene Ex-Jusos. Ansonsten hat sich überhaupt nichts geändert.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Meine Damen und Herren von der sogenannten Linkspartei! Sie können Ihre Wurzeln und Ihre wahre Geisteshaltung nicht verleugnen, und Sie wollen es auch nicht. Genau das ist das Fatale. Dabei rede ich nicht von einem Herrn Lederer und auch nicht von Ihrer völlig unscheinbaren Senatorenriege, von Ihren Westimporten und Ihrer DKP-Connection, sondern ich rede von Ihrem ideologi

schen und personellen Fundament. Ich rede von den Biskys, Modrows und Gysis und der Riege der Ewiggestrigen und Mittäter, die aus der Vergangenheit nichts gelernt haben. Von einer Frau Wagenknecht oder ihrer „Kommunistischen Plattform“ will ich gar nicht reden.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sagen Sie etwas zu Filbinger!]

Aber ich sage es in aller Deutlichkeit: Ich halte Sie in weiten Teilen nach wie vor für eine Gefährdung unserer Demokratie.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der Linksfraktion: Wir Sie auch!]

Damit meine ich nicht, dass Sie mit FDJ-Hemden und Che-Guevara-T-Shirts auf Parteitagen herumlaufen und Kuba-Flaggen schwenken. Zähneknirschend könnte man sagen: Geschenkt! – Man könnte das als gruselige Nostalgie abtun. Aber was Sie in den letzten 18 Jahren bis heute an Geschichtsklitterung abgeliefert haben, das ist eine Frechheit, das ist dreist, und das hat vor allem System. Jeder Demokrat muss aufgerüttelt sein, wenn er die Reden von Ihrem Fusionsparteitag hört und Ihre inhaltlichen Positionen liest.

[Ah! von der Linksfraktion]

Es ist unerträglich, dass nicht einmal 18 Jahre nach dem Scheitern des deutschen Sozialismus Bisky und Lafontaine wieder diese überholte Ideologie predigen und ausdrücklich die Systemfrage stellen. Die Radikalität Ihrer politischen Ziele wurde mehrfach betont und gipfelte in der Diktion, man wolle den Systemwechsel und nicht nur einen politischen Richtungswechsel. Dann stimmt es eben, Herr Gaebler: Kaum noch verdeckt werden im Gründungspapier bereits Enteignungen propagiert. Da kann man dann so schön lesen, was die Menschen erwartet und dass sie sich auf recht dramatische Veränderungen infolge der „Veränderungen der Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse“ einstellen müssten.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie verändern sie doch gerade!]

Insgesamt ist diese Entwicklung nicht nur ein Problem Ihrer Bundespartei, sondern das gilt in gleichem Maße auch für Berlin. Ich will gar nicht lange auf die unsägliche Causa Flierl eingehen, der als Senator keine Probleme damit hatte, wenn ehemalige Stasi-Offiziere eine Veranstaltung sprengen. Das feige Wegducken von Flierl ist in diesem Haus lang und breit debattiert worden.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Von Steffel kenne ich ganz andere Fotos!]

Selbstverständlich muss man an der Stelle auch Frau Kenzler nennen, die für Haftverschonung, Amnestie und Haftentschädigung für die Täter der SED-Diktatur stand. Und man muss Frau Nehring-Venus nennen, die bewiesen hat, dass man auch im 21. Jahrhundert noch eine glühende Stalin-Verehrerin sein kann. Meine Damen und Herren von der Linkspartei! Da war Nikita Chruschtschow in den 60er Jahren weiter als Sie heute.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Am schlimmsten aber ist – und das ist der eigentliche Sprengsatz –, dass Sie permanent die verfassungsmäßigen Institutionen und die Exekutivorgane unserer freiheitlichen Grundordnung infrage stellen.

[Zurufe von der Linksfraktion und den Grünen]

Sie höhlen diese Strukturen verbal aus, wo immer Sie nur können, und das ist Ihre Strategie. Das fängt bei Lafontaine an, der deutsche Soldaten – immerhin Angehörige einer Parlamentsarmee – als Terroristen bezeichnet, und geht damit weiter, dass Sie sich auf Ihren Parteitagen ständig mit angeblicher bundesdeutscher Polizeigewalt beschäftigen, aber kein Wort über die Unrechtsregime und Polizeistaaten dieser Welt verlieren.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Stimmt nicht! – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Da hat Ihre Partei eine besondere Tradition – bei Franco angefangen!]

Schlimmer noch: Dass weitere Menschenrechtsverletzungen in autoritären Systemen und die Aushöhlung der Demokratie Ihre Genossen nicht weiter berühren, zeigt sich an den Huldigungen für Hugo Chavez, für Evo Morales und für Fidel Castro. Das ist Ihr wahres Gesicht.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Kollege Albers, regen Sie sich nicht so auf! Ihr Kollege kommt noch zu Wort. – In diesem Zusammenhang kommt einem unweigerlich ein Interview mit Hans Modrow, dem Superstar dieses Fusionsparteitages, vom April 2006 in Erinnerung. Im Magazin „Cicero“ erklärte der PDS-Ehrenvorsitzende:

Die Verantwortung für die Toten tragen die Verantwortlichen auf beiden Seiten.

Gemeint war die Bundesrepublik Deutschland und die DDR. Und weiter sagt er:

Beide Staaten hätten sich bewegen können. Das ist nicht passiert. Daher gebe ich der BRD eine Mitschuld an der innerdeutschen Grenze.

Das ist ekelhaft, das ist unerträglich, und das ist eine Verhöhnung der Opfer und deren Hinterbliebenen, die wir als Christdemokraten nicht hinnehmen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Oder nehmen wir Herrn Bisky! Ihr neuer Bundesvorsitzender hat vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm allen Ernstes erklärt, man solle sich ein Beispiel an dem friedlichen Verlauf der Demonstrationen in der DDR nehmen – seine Partei stehe für gewaltfreie Proteste. Das ist übelste Geschichtsklitterung, wohin man auch schaut.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Bisky hat sich hier einen Orden an das Revers geheftet, an dem in Wirklichkeit Blut klebt. Die SED steht für die blutige Niederschlagung des Volksaufstandes am 17. Juni 1953.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Sie steht für eine Diktatur, in der vermeintliche Dissidenten weggesperrt und gefoltert wurden. Sie steht für ein System, in dem es zwar staatlich instrumentalisierte MaiParaden, aber keine Presse-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gab. Das ist Ihre Vergangenheit, die Sie nicht wegleugnen können, und Ihre Führungskader demonstrieren eindrucksvoll, dass diese Tradition noch heute fortbesteht.