Protokoll der Sitzung vom 27.09.2007

Dass das nicht selbstverständlich ist, zeigt sich zum Beispiel im Modebereich. Die Bread and Butter war von heute auf morgen wieder weg. Das ist die Kehrseite Ihrer Standortpolitik. Sie binden die Unternehmen nicht ein.

Die Überschrift des Antrags lautet „2007: Jahr der medienpolitischen Reformen“. Von Reformen ist allerdings nicht viel erkennbar. Es ist aber richtig, dass das Jahr 2007 ein Jahr der entscheidenden Veränderungen ist und die Politik vor großen Herausforderungen steht. Antworten auf die anstehenden Fragen sind in dem Spannungsfeld von Politik und technischem Fortschritt nicht einfach zu geben. Das zeigte auch die Antwort des Regierenden Bürgermeisters.

[Beifall von Alice Ströver (Grüne)]

Dennoch lohnt sich die heutige Diskussion. Sie macht aber auch deutlich, dass darüber weiter gesprochen werden muss, denn der Regierende Bürgermeister hat keine inhaltlichen Akzente gesetzt. Eigentlich hätte er als Regierender Bürgermeister aus einer Medienstadt einen Heimvorteil, den er nutzen könnte und müsste, um die medienpolitische Diskussion in Deutschland zu dominieren. Stattdessen überlassen Sie, Herr Wowereit, diese Diskussion Ihren Ministerpräsidentenkollegen Oettinger, Stoiber und Beck. Mit Oettinger reden Sie bekanntlich nicht, an Stoiber kommen Sie scheinbar nicht heran, aber mit Kurt Beck könnten Sie es doch wenigstens aufneh

men. Mediale Präsenz ist eben noch lange keine Medienpolitik, Herr Regierender Bürgermeister.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der FDP]

Zur EU-Fernsehrichtlinie möchte ich sagen, dass wir das nicht in jedem Punkt für einen Erfolg im Sinne der deutschen Interessen halten. Aber das, was dort zum Kinderschutz, zur Sperrverfügung für Abrufdienste, zur Sicherung kultureller und sprachlicher Vielfalt und zur Produktplatzierung geregelt ist, ist ein Erfolg, zu dem wir auch Staatsminister Bernd Neumann gratulieren, der im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft diesen Erfolg mitgestaltet hat.

Wir haben darüber hinaus in Bezug auf das Rundfunkgebührenurteil festzustellen, dass damit die Grenzen politischen Gestaltens wieder einmal aufgezeigt wurden. Wir teilen ausdrücklich die Auffassung der CDU/CSUBundestagsfraktion, dass es damit jetzt bei dem Prinzip der bisherigen Rundfunkgebühr bleiben sollte – d. h. auch eine entsprechende Zweitgerätebefreiung, die dann auch für Handys und Computer gelten sollte. Allerdings sehen auch wir es als problematisch an, dass in vielen Bereichen, die öffentlich finanziert werden, die haushalterischen Grenzen erreicht sind. Im Rundfunkbereich kann es auch nicht zwangsläufig immer einen Automatismus der Erhöhungen geben.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Aufgrund der Veränderungen zum EU-Beihilfeverfahren müssen nun die rundfunkstaatsvertraglichen Regelungen verändert werden. Ziel ist es, näher zu bestimmen, was im Einzelnen der öffentliche Auftrag von ARD und ZDF ist und welche Dienste nicht dazu gezählt werden können. Gleichzeitig verpflichten sich die Sender, zu strengerer und transparenter Kontrolle.

Sonderlich präzise Ausführungen dazu, wie sich das aus Berliner Sicht darstellt, und zu Ihren politischen Vorstellungen haben wir auch nicht gehört, Herr Regierender Bürgermeister! Einzig der Punkt „Reform der Medienaufsicht“ wurde von Ihnen mit mehr Inhalt unterfüttert, aber auch Frau Kollegin Dr. Hiller hat schon darauf hingewiesen: Bei all diesen Punkten vermissen wir eine entsprechende Parlamentsbeteiligung. – Das ist eine unserer Forderungen, die wir erheben: Kommen Sie in den Medienausschuss! Beteiligen Sie das Parlament an diesen inhaltlichen Diskussionen!

Herr Zimmermann hat von Großbaustellen gesprochen. Die finden wir nicht nur deutschlandweit in der Medienpolitik, sondern auch in Berlin, wenn wir uns den Medienstandort Berlin ansehen. Auch hier ist von der links und rechts zu meiner Seite aufgebahrten Regierungsmannschaft nicht viel an konkreten Handlungen zu erkennen.

[Heiterkeit – Carl Wechselberg (Linksfraktion): „Aufgebahrt“ ist zu viel des Guten! – Weitere Zurufe]

Ich möchte Ihnen einige Beispiel nennen, die Ihnen sicherlich noch mehr Erheiterung und Freude bringen. Nehmen wir z. B. die Gestaltung neuer Medien. Der Regierende Bürgermeister hat darauf hingewiesen, dass man in Berlin jedem, der in der Medienbranche etwas machen wolle, ein Angebot unterbreite. Wir haben hier führende Vertreter der deutschen Internetwirtschaft, die sich mit der neuen Top-Level-Domain „.berlin“ in dieser Stadt präsentieren wollen. Alles, was sie vom Senat dazu erfahren, ist Behinderung und Ablehnung. Hier werden eigenartige wirtschaftliche Interessen verquickt.

Zunächst einmal verwechselt man bei Ihnen fachlich „Domain“ mit „Portal“, aber unabhängig davon müssen wir feststellen, dass die Internetseite „Berlin.de“ ein Zuschussgeschäft ist. In anderen Städten werden solche Stadtportale mit Gewinn für die Stadt betrieben, und zwar nicht nur mit einem Imagegewinn, sondern auch mit materiellem Gewinn. Diesen Punkt müssten wir uns sicherlich noch einmal näher anschauen.

Ein weiteres aktuelles Beispiel Ihrer Standortpolitik im Medienbereich möchte ich noch nennen, und zwar die Internationale Funkausstellung. Wer einen Rundgang zu den verschiedenen Unternehmen gemacht hat, die sich dort auch aus dem internationalen Bereich präsentieren, der hat sicherlich festgestellt: Erstens sagen alle, die IFA sei die Nr. 2 nach Las Vegas in der Welt. Und zweitens heißt es, die Jährlichkeit der IFA werde sich erst im nächsten Jahr bewähren. – Letztes Jahr hat man sie mit günstigen Standmieten gelockt, dieses Jahr war sowieso IFA-Jahr, und ob die IFA im nächsten Jahr ein Erfolg ist, das ist die große Frage.

Erstaunlich ist aber auch, dass angesichts dieses Risikos, das für die IFA im nächsten Jahr besteht, Vertreter des Senats sich dort gar nicht zu Gesprächen mit den Unternehmen haben blicken lassen. Insbesondere die Unternehmen, die keine eigene Berlinrepräsentanz haben, werden offensichtlich von Ihnen überhaupt nicht angesprochen. Ich möchte dazu ein Beispiel nennen: Mir hat ein Kommunikationschef eines großen japanischen Elektronikkonzerns gesagt, er mache schon seit Jahren die IFA, aber meine Wenigkeit sei der erste Politiker an seinem Stand gewesen.

[Michael Müller (SPD): Ein schwerer Schlag! – Klaus Wowereit (SPD): Welches Unternehmen war das? – Stefan Liebich (Linksfraktion): Was ist denn das für ein Unternehmen?]

So viel zur Wirtschaftsförderung im Bereich Medien. Ich finde es schon erstaunlich, dass niemand von Ihnen zu diesen Firmen geht und Hilfe-, Service- und Unterstützungsleistungen anbringt. Da muss der Klangmeister – also der Chef –, der für den Sound von Kenwood verant

wortlich ist, selber anderthalb Stunden für Karten an der Philharmonie anstehen.

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): Sollen wir denen die Karten kaufen, oder wie stellen Sie sich das vor? – Weitere Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Keiner vom Senat ist dort und hilft, solche Dinge im Vorfeld abzufragen und zu koordinieren. Dabei weiß doch gerade der Regierende Bürgermeister von seinen vielen Reisen, dass Vergnügen und Unterhaltung nicht zu kurz kommen sollten.

[Stefan Zackenfels (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Dem japanischen Unternehmenschef ist es nicht egal. Selbstverständlich muss die IFA für ihn ein wirtschaftlicher Erfolg sein, aber wenn ihm die Stadt gefallen hat, kommt er doch noch viel lieber wieder.

Entschuldigung, Herr Goiny! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zackenfels?

Ich habe noch so viele interessante Sachen für Sie, Herr Zackenfels! Vielleicht hören Sie erst noch einmal einen Moment zu. – Nein, danke!

So viel Zeit haben Sie gar nicht mehr. Sie haben noch 33 Sekunden.

[Heiterkeit]

Wenn Sie noch länger reden, sind es noch weniger.

[Heiterkeit]

Warum gönnen Sie diesen Berlinbesuchern nicht auch einmal die Möglichkeit, diese Hilfestellung in einer fremden Stadt in Anspruch zu nehmen, wie sie unser Regierender Bürgermeister doch auch in anderen Städten in Anspruch nimmt, wenn ihm z. B. Thomas Gottschalk den Besuch bei Schwarzenegger organisiert? – Nein, Sie lassen die Firmenchefs wieder abreisen, Sie reden nicht mit ihnen, Sie werben nicht für diesen Standort, und Sie kümmern sich nicht um sie.

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): Und wir kaufen ihnen keine Karten!]

Jedem, der in dieser Stadt arbeitsuchend ist, muss vor diesem Hintergrund eine Signierstunde des Regierenden Bürgermeisters wie eine Resignierstunde vorkommen.

[Klaus Wowereit (SPD): Wissen Sie überhaupt, wovon Sie reden? – Weitere Zurufe]

Herr Regierender Bürgermeister! Ich glaube, Sie haben den Hinweis von Ole von Beust falsch verstanden, wenn er Ihnen Zusammenarbeit mit Hamburg anbot. Er meinte bestimmt nicht, dass Sie zu einer Signierstunde dorthin fahren.

[Zurufe]

Herr Abgeordneter Goiny! Meine Unterbrechung wurde einbezogen. Ihre Redezeit ist beendet.

[Beifall bei der SPD]

Ich möchte nur noch einen Satz zum Abschluss sagen: Wir werden uns auch der Situation der Journalisten in dieser Stadt noch einmal annehmen. Darüber ist gar nichts gesagt worden. Das ist eine schwierige Berufsgruppe, und über die wollen wir auch im Medienausschuss eine Anhörung machen. Ich darf mich korrigieren: Das ist keine schwierige Berufsgruppe, sondern eine Berufsgruppe, die in einer schwierigen Situation ist.

[Heiterkeit]

Deren Aufgaben und beruflichen Perspektiven möchten wir uns annehmen. Die Frage der Nutzung der Nalepastraße als Medienstandort werden wir auch im Medienausschuss ansprechen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Zimmermann das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Goiny! Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass Sie Schwierigkeiten mit Journalisten haben. Wir haben keine solchen Berührungsängste. Wir können nicht unbedingt sagen, dass wir das schwierig finden.

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): Keine Probleme!]

Ich finde auch, dass Sie ein wenig daneben liegen, wenn Sie meinen, im Medienausschuss würden Sie nichts mitbekommen, weil der Senat mauert oder weil alles im Senat verhandelt wird.

[Alice Ströver (Grüne): Weil nichts stattfindet!]

Sie haben die Gelegenheit, alle Themen, die Sie wollen, auf die Tagesordnung des Medienausschusses zu setzen. Aber das, was im Medienausschuss verhandelt wird, kommt in der Regel von uns.

[Alice Ströver (Grüne): Was?]

Wir haben die Fernsehrichtlinie auf die Tagesordnung gesetzt, wir haben die Befreiung der Rundfunkveranstalter aus der Dienstleistungsrichtlinie auf die Tagesordnung gesetzt. Diese Große Anfrage kommt von uns. Von Ihnen sehe ich hingegen herzlich wenig. Insofern geht Ihr Vorwurf ins Leere.