Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

Kommen wir nicht ganz schnell an die Grenze der Diskussion, die wir hier bereits vor vierzehn Tagen zur Teilprivatisierung der DB geführt haben? Wie ist dies mit der Daseinsvorsorgepflicht des Landes Berlin? Klagen wir nicht heute schon über die Ausdünnung der Fahrverkehre am Stadtrand? Können wir Rosinenpickerei zulassen, lukrative Strecken verscherbeln und privatisieren und auf dem Rest sitzen bleiben? Wer bekommt zum Beispiel die Nachtlinien? Fragen über Fragen!

Ich stelle deshalb fest, dass es hierzu noch eine Menge Informations- und Abstimmungsbedarf gibt, bis hin zur Änderung des Betriebegesetzes. Auch haben Ihre Anträge eher einen wirtschaftlichen Hintergrund, und deshalb beantragen wir die zusätzliche Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen. Dort sollte man vielleicht eine Anhörung zu diesem Thema durchführen und sich fachlich beraten lassen. Wenn die Beschlüsse gefasst sind, lassen Sie uns abschließend noch einmal im Plenum darüber reden. Wir stehen nämlich überhaupt nicht unter Zeitdruck. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Ueckert! – Das Wort für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Matuschek.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Ueckert! Sie haben nicht recht, wenn Sie sagen, wir hätten keinen Zeitdruck. Natürlich haben wir Zeitdruck. Der Unternehmensvertrag mit der BVG endet nämlich am 31. Dezember dieses Jahres. Das heißt, wir brauchen ab dann eine andere Grundlage, auf der die BVG weiterhin ihre hervorragende Arbeit leisten kann, und das soll der Verkehrsvertrag sein.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Den Zerschlagungsplan!]

Den Zerschlagungsplan, Herr Kollege Lindner, haben Sie in Ihrem Antrag formuliert, und er ist eben nicht neu. Sie haben sowieso kein gutes Verhältnis zu einem guten Nahverkehr und schon gar nicht zu einem landeseigenen Unternehmen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Das ist doch das Problem, dass Sie uns jedes Mal wieder vortragen, dass Sie eigentlich gar nicht über Nahverkehr reden wollen, sondern über die Zerschlagung eines kommunalen Unternehmens. Da hört auf Ihrer Seite offensichtlich wirtschaftliche Vernunft auf. Denn es ist nun einmal erwiesen – das können Sie nachlesen –, dass die finanziellen Leistungen der öffentlichen Hand für den erbrachten Nahverkehr, der anerkanntermaßen in Europa in sehr hoher Qualität und einmaliger Quantität geleistet wird, in den letzten Jahren drastisch gesunken sind, das Angebot aber nicht.

Was sagt uns das? – Das kann uns nur sagen, dass das Angebot noch besser geworden ist, weil es für die öffentliche Hand günstiger erbracht wurde. Dass wir auf diesem Weg weiterschreiten wollen, liegt auf der Hand, und dies wird mit der Untersetzung des Verkehrsvertrages durch die entsprechende Leistungsvereinbarung getan. Für die öffentliche Hand ist dies also der kostengünstigere Weg. Das, was Sie vorhaben, nämlich die Zerschlagung eines öffentlichen Unternehmens, die Aufteilung in viele kleine Unternehmen, das Produzieren von unglaublich viel Bürokratie, Koordinationsaufwand und Abstimmungserfordernissen, ist nicht zielführend für einen guten Nahverkehr, der nur als System funktionieren kann, und schon gar nicht für eine wirtschaftliche Darstellung des Nahverkehrs.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Dann dürfen wir nicht vergessen: Wir haben nicht die Stunde Null, wir haben ein hervorragendes kommunales Verkehrsunternehmen. Wenn wir es nicht hätten, hätten wir wahrscheinlich einen großen Mangel zu verwalten. Wir müssen natürlich daran denken, dass unser kommunales Verkehrsunternehmen auch ein wirtschaftliches Gut in den Händen der öffentlichen Hand

in den Händen der öffentlichen Hand ist. Das zerschlägt man nicht, das verscherbelt man nicht, auch im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung der Kommune an sich.

Aber nun setzen Sie noch eines obendrauf, nämlich die Missachtung eines geltenden Tarifvertrages. Da hört bei mir die restliche Bereitschaft, Ihre Gedanken nachvollziehen zu wollen, auf. Ein Tarifvertrag wird zwischen Tarifparteien abgeschlossen, und das ist auch gut so. Sie kommen nun her und sagen: Tarifvertrag ist uns doch egal! Es ist Ihnen im Übrigen auch völlig egal, dass es der einzige Tarifvertrag im Verkehrsgewerbe ist, bei dem die Beschäftigten erhebliche Einbußen für den Erhalt des Nahverkehrsunternehmens, für die Kostenersparnis des Landes Berlin in einer Haushaltsnotlage hingenommen haben. Kein anderes Verkehrsunternehmen hat in den letzten Jahren Verdiensteinbußen in diesem Maße, wie es die BVG-Beschäftigten hingenommen haben, hinnehmen müssen. Das ist Anerkennung wert und kein Nachkarten, wie Sie es hier praktizieren.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Damit komme ich zum letzten Satz: Sie stellen es in Ihrer lässigen Art so dar, als wisse niemand, was da verhandelt wird. Wir wissen es ganz genau, und Sie wissen es auch, und Sie können es nachlesen. Es steht im Eckwertepapier des Nahverkehrsplans, das wir hier im Parlament beschlossen haben. Es steht auch im Nahverkehrsplan selbst, im Angebot der BVG, das man täglich in den Fahrplänen nachlesen kann, und in den Geschäftsberichten. Das wird verhandelt, und zwar so, dass beide Seiten – der kommunale Auftraggeber als auch das Unternehmen – davon einen Nutzen haben. Deswegen werden wir – Herr Gaebler hat es schon angekündigt – Ihre Anträge ablehnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Wort für die Grünen hat Frau Hämmerling. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind auch für den Wettbewerb im ÖPNV, und zwar aus ordnungs- und aus verkehrspolitischen Gründen. Allerdings sind wir das nicht bedingungslos, denn Wettbewerb ist nur dann sinnvoll, wenn die Infrastruktur – Schienen und Fahrzeuge – in staatlichen Händen bleibt.

Dass der Wettbewerb sinnvoll ist, sieht man an meinem Lieblingsbeispiel: Nachdem die Strecke München-Passau ausgeschrieben wurde, hat DB Regio den Zuschlag bekommen und fährt dort jetzt für einen Zuschuss von 75 Cent pro Streckenkilometer. Vorher hat auch DB Regio – allerdings ohne Ausschreibung – diese Strecke befahren und erhielt einen Zuschuss von 8,5 € pro Kilometer. Daran sieht man sehr deutlich, wie sich Wettbewerb auswirkt. Der Differenzbetrag kommt jetzt den

Fahrgästen zugute. Man kann damit zusätzliche Verkehrsleistungen bestellen.

[Beifall bei den Grünen]

Aber auch im Wettbewerb muss nach meiner Überzeugung ein Grundsatz gelten: Ein staatliches Monopol darf nicht durch ein privates ersetzt werden. Das wäre kontraproduktiv. Es funktioniert nur, wenn verschiedene leistungsfähige Unternehmen verschiedene Angebote unterbreiten und sich nach Ablauf einer bestimmten Zeit wieder neu bewerben müssen. Ein solcher Wettbewerb führt zu vielfältigen, preiswerten Verkehrsangeboten. Das muss das Ziel sein. Wir wollen, dass die Leute mit dem Bus und der Bahn fahren und auf das Auto verzichten. Dazu benötigen wir solche Angebote.

Schade, dass Herr Sarrazin nicht anwesend ist, sonst könnte er erklären, warum er einerseits den Wettbewerb und die Trennung von Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn unterstützt, aber diesen Wettbewerb bei der BVG auf Biegen und Brechen unterbinden will. Dabei sollte gerade in Berlin angesichts der knappen Kassen ein besonderes Interesse an einem effizienten und leistungsfähigen ÖPNV bestehen. Die Empfehlung an den Senat lautet demnach: Schaffen Sie die Kostentransparenz bei der BVG, indem Sie zumindest erst einmal Netz und Betrieb bilanztechnisch trennen! Machen Sie das bei der BVG, was Sie für die DB AG wollen!

Herr von Lüdeke! Ihre Anträge sind gut gemeint, aber nicht wirklich gut. Sie wissen genau, dass der Wettbewerb bei der BVG derzeit nicht durchsetzbar ist. Der Regierende Bürgermeister hat vor der Bundestagswahl ein großes Wahlgeschenk gemacht, und zwar eine Bestandsgarantie bis zum Jahr 2020. In diesem Zeitraum ist nichts machbar.

Der zweite Antrag – Wettbewerb im Nahverkehr ermöglichen – schlägt vor, für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im nächsten Jahr einen günstigeren Tarifvertrag auszuhandeln. Dagegen kann man nichts haben, aber Ihre Erwartungen hinsichtlich der Vergabemodalitäten – abweichend von dem bereits Vereinbarten – sind völlig unrealistisch.

Lieber Herr von Lüdeke! Mit diesen Anträgen lösen Sie derzeit die wirtschaftlichen Probleme der BVG nicht einmal ansatzweise. Vielleicht kann man sich nach dem Jahr 2020 wieder darüber unterhalten.

Ich sage Ihnen, wie man die Situation der BVG schnell verbessern kann. Die vorhandene Situation ist abstrus. Frau Matuschek zeichnet das Bild eines leistungsfähigen Verkehrsunternehmens. Es wäre toll, wenn das zuträfe. Es kann sein, dass die BVG leistungsfähig ist, aber de facto ist die Verkehrsleistung in Berlin rückläufig. Wir haben zehn Prozent weniger U- und Straßenbahnverkehr, als der Senat damals bestellt hat. Vor diesem Hintergrund können Sie nicht behaupten, wir seien auf einem Erfolgtrip. Die Energiepreise steigen. Die BVG wird ihren Personalüberhang nicht los, und sie kann ihn auch nicht so einsetzen,

wie es sinnvoll wäre, nämlich als Servicepersonal auf den Bahnsteigen. Dazu kommt erschwerend – das werfe ich der Koalition vor –, dass Sie die BVG ständig benachteiligen, indem Sie die Straßenbahnbeschleunigung durch Ampelschaltungen verhindern und die Straßenbahn im Stau steht und indem Sie auf Busspuren das Parken erlauben. Wenn Sie an diesen Schrauben drehen, haben Sie schnell eine Situation, in der die BVG weniger Fahrzeuge und Fahrer braucht, die Umläufe besser sind und das Angebot sich verbessert. Dann kann man auch über Preissenkungen nachdenken. Wenn aber sinkende Fahrgastzahlen auch künftig nur mit steigenden Fahrpreisen beantwortet werden, dann geht es mit dem ÖPNV bergab.

[Beifall bei den Grünen]

Wir fordern Sie auf: Schaffen Sie ein durchgängiges Parkverbot auf Busspuren! Beschleunigen Sie die Straßenbahn! Verlängern Sie Straßenbahnlinien auf eigenem Gleis in Gebiete mit dichter Bevölkerung! So können Sie den Nahverkehr fördern und das Klima schützen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Zu beiden Anträgen empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr, und inzwischen hat die CDUFraktion die Mitberatung im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen erbeten. Ich höre dazu keinen Widerspruch, sodass das so beschlossen ist.

Die lfd. Nr. 4 e wurde bereits unter dem Tagesordnungspunkt 4 b als Priorität der SPD aufgerufen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 5:

II. Lesung

Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Berlin

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/0855 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/0778

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der acht Paragrafen miteinander zu verbinden und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also die Überschrift, die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 8 gemäß der Drucksache 16/0778 auf. Eine Beratung ist nicht vorgesehen, und wir können abstimmen. Der Ältestenrat empfiehlt einstimmig die Annahme. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich ums Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist das einstimmig beschlossen und das Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Berlin angenommen.

Ich komme zur

lfd. Nr. 6:

a) II. Lesung

Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens zur Abdeckung der Garantieverpflichtungen aus dem Gesetz zur Ermächtigung für die Übernahme einer Garantie für Risiken aus dem Immobiliendienstleistungsgeschäft der Bankgesellschaft Berlin AG und deren Tochtergesellschaften (Sondervermögen-Risikoübernahmegesetz – SvRG)

Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/0870 Antrag der CDU Drs 16/0734

b) II. Lesung

Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan von Berlin für die Haushaltsjahre 2006/2007 (Nachtragshaushaltsgesetz 2006/2007 – NHG 06/07)

Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/0871 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/0740

in Verbindung mit

Dringliche Beschlussempfehlung