Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

Vielen Dank, Herr Dr. Pflüger! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Gaebler das Wort. – Bitte!

[Joachim Esser (Grüne): Immer müssen die Geschäftsführer die Drecksarbeit machen!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen über einen besonders ernsten Vorgang und auch darüber, was politische Klugheit ausmacht. Wir sollten in der Diskussion aber auch Ursache und Wirkung zusammen sehen. Ansonsten kommen wir zu keiner sachgerechten und zielführenden Bewertung. Am Ausgangspunkt standen schwerwiegende Vorwürfe von Abgeordneten gegen den Senat, insbesondere gegen die Senatsverwaltung für Finanzen und die ihr unterstellten Finanzbehörden. Es gab dazu Reaktionen im Petitionsausschuss und von anderen Mitgliedern des Abgeordnetenhauses, und zwar ausgehend davon, dass wir als Abgeordnete grundsätzlich darauf vertrauten, dass solche Vorwürfe nicht ohne Grundlage von anderen Abgeordneten erhoben werden. Das war bisher im Umgang untereinander guter Stil, und das sollte auch so bleiben.

In den Medien und der Öffentlichkeit gab es eine weitere Konkretisierung der Vorwürfe. Die „Morgenpost“ berichtete:

Drei Abgeordnete kümmerten sich um Mobbing. Dann gab es Sonderprüfungen.

Und weiter:

Alle drei erhielten Gegenbesuche vom Finanzamt.

Herr Brinsa sagte konkret: Es gab mehrere Sonderprüfungen, alle in der Zeit, in der er sich mit den Mobbingvorwürfen beschäftigt hat. – Aus dem zunächst geäußerten Verdacht wurde schnell die Tatsache, der Vorwurf der Einschüchterung von Abgeordneten. In der „Abendschau“ vom 16. August hieß es von Herrn Lehmann:

Plötzlich sind die Abgeordneten selbst Mobbingopfer, nämlich Ziel von Sonderprüfungen.

Herr Brinsa spricht von ganz gezielten Attacken, und Herr Hillenberg sagt:

Ich glaube nicht an Zufall, weil ausgerechnet nur die drei kontrolliert wurden.

Herr Lehmann toppt das noch mit der konkreten Aussage, das Finanzamt habe ihn wegen einer Unterschrift aus dem Urlaub geholt.

Das alles führte dazu, dass auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Michael Müller, forderte:

Der Verdacht der Nötigung von Abgeordneten muss ausgeräumt werden.

Das ist unser gemeinsames, zentrales Interesse.

Zum Verfahren im Ältestenrat: Das ist zunächst ein internes Verfahren des Parlaments. Es ist nicht geeignet, öffentliche Behauptungen öffentlich zu widerlegen. – Das müssen auch Sie zugeben, Herr Dr. Pflüger. – Es hat allein drei Wochen gedauert, bis die Herren Brinsa und Lehmann nach vielem Hin und Her eine beschränkte Befreiung vom Steuergeheimnis erteilten.

[Christoph Meyer (FDP): Das ist ihr gutes Recht!]

Das ist ihr gutes Recht. Dazu komme ich gleich, Herr Meyer.

Gleichzeitig ging die öffentliche Debatte, insbesondere unter der Beteiligung der Herren Brinsa und Lehmann, weiter. Besonders bemerkenswert war ein Bericht der „Abendschau“ vom 24. August. Der Redakteur Siegmund erläuterte:

Die betroffenen Volksvertreter werden nun schriftlich auf ihr Steuergeheimnis verzichten, damit – so Freidemokrat Lehmann – sich Sarrazin nicht hinter Datenschutz verstecken könne.

Was heißt denn das? Natürlich ist Datenschutz Ihr gutes Recht, aber Sie können nicht öffentlich sagen, Herr Sarrazin verstecke sich hinter dem Datenschutz, und dann fangen Sie an, sich dahinter zu verstecken. Oder wie soll ich das sonst verstehen?

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das muss doch irgendwie noch zusammenpassen.

[Dr. Frank Steffel (CDU): Was reden Sie denn da?]

Ich bin dem Datenschutzbeauftragten dafür dankbar, dass er hier klar dazu Stellung genommen hat. Er hat nämlich gesagt, das von Herrn Sarrazin gewählte Verfahren sei an sich rechtlich nicht zu beanstanden. Er habe nur Bedenken gegen das Ausmaß der Information. Das will er prüfen. Warten Sie diese Prüfung doch einmal ab!

Kommen wir zu einer Unterzeichnerin des Gruppenantrags, nämlich zu Frau Hämmerling: Ich schätze Sie und halte Sie für eine moralisch bewusste Person. Wenn Sie über Wochen mit solchen Vorwürfen konfrontiert würden, die ständig wiederholt und verstärkt würden, und bei Ihrer internen Untersuchung feststellten, dass nicht einmal die Grundvoraussetzungen für die Vorwürfe erfüllt wären, und sich zwei der drei Beteiligten der Aufklärung durch Einschränkung oder Verzögerung von Ausnahmen vom Steuergeheimnis verweigerten und Ihnen gleichzeitig vorwerfen würden, Sie versteckten sich hinter dem Datenschutz, würden Sie dann weitere Wochen und Monate ins Land gehen lassen, ohne nach Möglichkeiten der Gegenwehr zu suchen?

[Dr. Frank Steffel (CDU): Das ist ja unglaublich!]

Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen, aber das ist der eigentliche Punkt.

Das Vorgehen, das Herr Sarrazin gewählt hat, wurde vom Bundesfinanzministerium bestätigt.

Herr Abgeordneter! Ich habe zwei Bemerkungen zu machen. Die erste richtet sich an den Abgeordneten Braun. – Bitte kontrollieren Sie künftig Ihre Gestik!

[Zuruf von der CDU: Was hat er denn gemacht?]

Ich wiederhole das nicht. Die Geste war nicht parlamentarisch.

Zudem bittet der Abgeordnete Hoffmann, eine Zwischenfrage stellen zu dürfen. – Herr Gaebler, gestatten Sie das?

Herr Gaebler! Finden Sie es nicht verwunderlich, dass im Petitionsausschuss ein einstimmiges Votum erfolgte? Dort wurde die Sache bewusst nicht politisiert. Die Fragen sind völlig offen geblieben.

Dazu komme ich noch, Herr Hoffmann. – Aus den Ermittlungen geht hervor, dass es bei keinem der drei Abgeordneten Sonderprüfungen gab. Es gab keine Verbindung zu sonstigen Aktivitäten der Steuerbehörden und auch keine zu solchen des Petitionsausschusses. Bei Herrn

Brinsa gab es eine Nachforderung von Belegen aus dem Jahr 2002. Bei Herrn Lehmann gab es eine Steuereintreibung im Juli 2004, und bei Herrn Hillenberg gab es eine Fragebogenaktion zu Schwarzarbeit im Jahr 2005. Vorher gab es ganz normale Prüfungen. Der Petitionsausschuss hat sich erst im Dezember 2004 mit dem Thema beschäftigt.

Insbesondere im Fall Lehmann liegt ein ganz anderes Problem vor: Jeder Steuerbürger, der seine Steuern nicht zahlt, muss mit Maßnahmen wie Mahnverfahren und Eintreiben des Geldes rechnen. Das gilt auch für Abgeordnete, Herr Lehmann.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Deshalb sehe ich in diesem Fall – damit komme ich zum Petitionsausschuss – einen Vertrauensmissbrauch unter Abgeordneten und eine Schädigung des Ansehens des Petitionsausschusses, denn auch dort wurde das Vertrauen der anderen Ausschussmitglieder missbraucht. Diese dachten, ein solcher Vorwurf werde nicht ohne Grundlage und stichhaltige Beweise erhoben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Deshalb kann man über das Ausmaß der Veröffentlichung von Herrn Sarrazin sicherlich reden. Man muss auch darüber streiten, ob das Ausmaß nötig und politisch klug war – das wird der Datenschutzbeauftragte prüfen.

[Mario Czaja (CDU): Wo ist eigentlich Herr Hillenberg?]

Herr Abgeordneter! Ihre Redezeit ist – trotz Berücksichtigung der Zwischenfrage – beendet!

Ich komme zum Schluss. – Sie wollen hier nur über Missbilligung reden. Alles andere wird ausgeblendet. Damit kommen Sie nicht durch.

Herr Abgeordneter! Ihre Redezeit ist beendet!

Die Behauptung, der Finanzsenator hätte nicht aufgeklärt, ist falsch. Deswegen ist auch der Missbilligungsantrag falsch. Wir lehnen ihn ab.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gaebler! – Die Möglichkeit für eine Intervention hat jetzt der Abgeordnete Dr. Lindner. – Bitte!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Kollege Gaebler! Sie wurden am Dienstag mit der Bemerkung in der „Berliner Zeitung“ zitiert, Herr Sarrazin sei nicht so schlau, wie er immer tue. Nach Ihrem Beitrag habe ich den Eindruck, dass er damit nicht der einzige in der SPD ist.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]