Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

Und damit das vor europäischem Recht Bestand hat, damit wir damit auf europäischer Ebene durchkommen, müssen wir heute Schritte gehen, um Direktbeauftragungen durch das Land Berlin zu ermöglichen. Zudem muss

es dann einen Vertrag zwischen dem Land und dem Unternehmen geben. Die Vertragsverhandlungen laufen und werden hoffentlich in Kürze zu einem guten Abschluss geführt werden, und diesen Abschluss hätte das Parlament – das sei hier kurz angemerkt – natürlich gerne zur Kenntnis.

Zum Zweiten – Berliner Wasserbetriebe. Im Zuge der Beratung über ein neues Tarifsystem bei den Berliner Wasserbetrieben wurde in der Koalition verabredet, dass die Gerechtigkeit für die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler dadurch erhöht werden soll, dass durch einen Anschluss- und Benutzungszwang ein Einstieg in die langfristige Ausweitung des Solidarsystems Wasser gefunden werden soll. Nun ist klar, dass alles, was mit Zwang zu tun hat, sofort Reflexe bei der FDP auslöst, da erwarte ich das auch gar nicht anders, und Herr Thiel von der FDP hat in seiner Presseerklärung prophezeit, dass wir nunmehr endgültig in der sozialistischen Planwirtschaft angekommen wären. Damit dürften wir noch vor Erreichen unseres rot-roten Fünf-Jahres-Plans das Ziel erreicht haben und eine der letzten Inseln des Kapitalismus vom kommunistischen Meer nun überschwemmen lassen.

[Lars Oberg (SPD): Bravo!]

Auf eines will ich Sie hinweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Bisher haben nur Berlin und Hamburg keine Ermächtigungsgrundlage über einen Anschluss- und Benutzungszwang, ansonsten ist dies in allen Gemeindeordnungen in der Bundesrepublik so ermöglicht worden.

Im vorliegenden Text werden die wesentlichen Bestandteile des Anschluss- und Benutzungszwangs auf gesetzlicher Ebene geregelt. Wir wollen aber auch, dass Einzelheiten künftig in einer Rechtsverordnung durch den Senat geklärt werden können. Wir haben auf einen Interessenausgleich geachtet. Für diejenigen, die bereits in Anlagen investiert haben, gibt es einen langfristigen Planungshorizont. Kleinmengen unter 150 Kubikmeter, zum Beispiel in Kleingärten, sind vom Anschluss- und Benutzungszwang ausgeschlossen, und der Senat wird in seiner Rechtsverordnung darauf achten, dass die gesetzliche Regelung nicht die Anforderungen des städtischen Allgemeinwohls in wirtschaftlicher und wasserwirtschaftlicher Hinsicht konterkariert.

Lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf im zuständigen Fachausschuss beraten! – Ich danke Ihnen recht herzlich für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Liebich! – Für die Fraktion der CDU hat nunmehr der Kollege Melzer das Wort. – Bitte schön, Herr Melzer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Berliner Betriebe-Gesetz – Herr Liebich hat es so schön eingeleitet –, Anschluss- und Nutzerzwang und BVG. Zunächst zum Anschluss- und Nutzerzwang und zu den Wasserpreisen zuerst: Seit dem Jahr 2003 ist der Wassertarif in Berlin um mehr als 20 Prozent gestiegen. Die Aufsichtsratsvertreter des Senats, allen voran Herr Wolf, haben die Erhöhungen übrigens jahrelang abgenickt.

[Stefan Liebich (Linksfraktion) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Ein Kubikmeter Wasser kostet in Berlin mehr als 5 €, und die nächste Preiserhöhung um 2 Prozent wurde bereits angekündigt. Aus unserer Sicht ist das ein verheerendes politisches Signal, dass Wasser in Berlin auch weiterhin Luxusware bleibt und Berlin teuerster Wasserstandort der Republik ist.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Liebich?

Danke, nein! Ich habe ihn jetzt schon erwähnt, das muss reichen.

[Beifall von Elisabeth Paus (Grüne)]

Wasser bleibt in Berlin Luxusware, und der vorläufige Höhepunkt ist, dass Rot-Rot über das Betriebe-Gesetz alle Berliner in diese Kostenspirale zwingen will, frei nach dem Motto: mit gefangen, mit gehangen! – Offensichtlich hat die Koalition immer noch nicht begriffen, worauf es bei einer wirtschafts- und verbraucherfreundlichen Wasserpreispolitik ankommt. Was wir dringend benötigen, sind nicht immer neue Kostentreibereien, sondern spürbar niedrige Verbrauchspreise, nicht Gängelung, sondern Wettbewerbsfähigkeit. Es geht um Anreizsysteme statt um Zwänge. 47 Prozent der Betriebe halten Wasser- und Energiepreise für einen relevanten Standortfaktor. Das ergab eine Studie im Juli 2007. Deshalb gibt es auch einen Zusammenhang. Wenn OECD, Bertelsmann-Stiftung und die Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ Berlin ökonomisch schwächer sehen als alle anderen städtischen Regionen in Deutschland, liegt das nicht nur an der Wasserpolitik und Anschlusszwängen. Das ist nicht der alleinige Grund. Wer würde das bestreiten? Die Anschlusszwänge aber sind ein deutliches Indiz dafür, wie Ihre Geisteshaltung ist, und das ist das Problem. Mit Ihrer Politik gefährden Sie auch bei den Wasserpreisen und den Anschlusszwängen die verbliebenen wasserintensiv produzierenden Unternehmen der Stadt. Ich kann nur hoffen, dass das nicht die neu entdeckte Industriepolitik à la Wowereit ist, die sich hier abbildet.

Es sind aber nicht nur die Unternehmen, denen SPD und Linke das Wasser abgraben. Nein, die Zeche zahlt am Ende jede Berlinerin und jeder Berliner. Ich möchte es

noch einmal sagen: Mit Preiserhöhungen und Zwangsmaßnahmen lösen Sie kein einziges Problem in dieser Stadt.

Demgegenüber haben wir Entlastung vorgeschlagen. Das Grundwasserentnahmeentgelt sollte um 30 Millionen € abgesenkt werden. Ich fordere Sie auf: Reduzieren Sie mit uns das Grundwasserentnahmeentgelt, und lassen Sie den Unsinn mit Anschluss- und Benutzerzwang sein! Verabschieden Sie sich von diesem Projekt!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Zum Thema BVG: Hier ist zunächst festzustellen, zwischen Senatsbeschluss im Januar und Vorlage des Gesetzes im November liegt fast ein Jahr. Sie haben sich viel Zeit gelassen. Jetzt wollen Sie die Änderungen in wenigen Wochen durchpeitschen und selbst ohne den zuständigen Senator heute beraten. – Wir hatten das zu Beginn der Tagesordnung. – Meine Damen und Herren von der Koalition! Seriöse Beratungen sehen anders aus.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Zum Zweiten: Ihre Vorlage ist auch handwerklich schlecht. Sie widersprechen sich zum Beispiel beim Tätigkeitsspektrum der BVG. Formal werden die Aufgaben regional begrenzt. Mit Verweis auf die sehr allgemein gehaltene Satzung der BVG öffnen Sie der Ausweitung aber wieder Tür und Tor. Was wollen Sie eigentlich wirklich? Es müssen zumindest die Fragen erlaubt sein, warum die BVG ein Reisebüro betreiben muss, obwohl das vielleicht auch ein Mittelständler ganz gut könnte, warum die BVG Stadtrundfahrten anbieten muss, weil das angeblich auch zur Daseinsvorsorge gehört, oder warum touristische Fahrten nach Dresden, ins Umland oder nach Venedig durchgeführt werden müssen. Die Konzentration der BVG auf ihre Kernaufgaben haben Sie jedenfalls damit nicht sichergestellt.

Wichtig wäre es, dafür zu sorgen, dass qualitativ hochwertige Leistung erbracht werden kann. Die Kernaufgabe ist der öffentliche Personennahverkehr anstatt das Weitertanzen auf einer Unmenge unterschiedlicher Hochzeiten. Deswegen ist es wichtig und richtig, dass wir in den Ausschüssen über die BVG und die Berliner Wasserbetriebe, über den Verkehrsvertrag, über Anschluss- und Benutzerzwänge reden. Darüber wird dann in den Ausschüssen im Einzelnen zu reden sein.

Lassen Sie mich jedoch heute schon abschließend zumindest eines festhalten: Wir reden weder einer bedingungslosen Marktöffnung noch einer Auftragsvergabe mit Scheuklappen das Wort. Wir wollen keine Zerschlagung oder Auflösung der BVG oder was auch immer Sie konstruieren wollen. Wir wollen auch keine Megamonopolisten. Wir wollen einen leistungsfähigen Verkehrsbetrieb, der sich mit Privatunternehmen vergleichen und im Wettbewerb behaupten kann.

[Beifall bei der CDU]

Wir wollen eine BVG, die von politischen Lasten befreit ist. Das sind wir letztlich auch den BVG-Kunden, vor al

lem aber sind wir es den Mitarbeitern der BVG schuldig, die in den letzten Jahren tiefe Einschnitte hinnehmen mussten.

Deswegen lohnt es sich auch, darüber zu streiten und zu diskutieren, nicht nur im Plenum, sondern auch in den Fachausschüssen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Melzer! – Zu einer Kurzintervention hat nunmehr der Kollege Liebich das Wort. – Bitte schön, Herr Liebich!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Melzer! Strafe muss sein. Weil Sie mich nicht drannehmen wollten, melde ich mich einfach so noch einmal. Ich muss auf einen Punkt zu sprechen kommen: Es geht um die Preissteigerung bei den Berliner Wasserbetrieben. Es ist schon ein ziemlicher Witz, dass wir uns diesen Vorwurf immer wieder von Vertretern der CDU anhören müssen. Es war doch die große Koalition aus CDU und SPD, aber nicht zuletzt die CDU, die die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe und damit garantierte Gewinne für die privaten Unternehmer und auch für das Land Berlin festgeschrieben hat. Woher soll es denn kommen, wenn der Wasserverbrauch sinkt und die Gewinne festgeschrieben werden? Soll es aus den Taschen der Gebührenzahler kommen? Sie haben sich damals nur herausgeredet, dass Sie drei Jahre lang ein Moratorium festgelegt haben. Nachdem die drei Jahre um waren, waren Sie aus der Regierung und tun nun so, als wenn andere an diesen Erhöhungen schuld sind. Das ist ein absurder Vorwurf. Wir lassen uns nicht bieten, dass Sie immer wieder damit ankommen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Dann komme ich zu den Krokodilstränen, die Sie hier über die Preiserhöhungen weinen. Sie haben das von uns vorgeschlagene System offenbar nicht verstanden. Wir wollen nicht die Preise für die Gebührenzahler erhöhen, sondern die Preissteigerung dadurch bremsen, dass es großen Gebührenzahler nicht so leicht gemacht wird – wie es jetzt der Fall ist –, sich aus diesem Solidarkreislauf zu verabschieden, was den Preis für die anderen noch stärker erhöhen würde. Das kann man sinnvoll oder auch nicht finden, aber man muss erst einmal sagen, ob man es verstanden hat. Das System ist genau das. Wir lassen Leute nicht mehr aus dem Solidarkreislauf heraus, deshalb steigen die Preise nicht so schnell wie in dem anderen Fall. Das ist genau die Idee, die hinter dem Gesetzentwurf steht.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich komme nun zur BVG. Die Äußerungen der CDU zur BVG finde ich interessant. Sie pendeln immer hin und her

zwischen dem Modell Pflüger-Hannover – wir privatisieren jetzt richtig und haben Erlöse, mit denen wir lauter Wohltaten finanzieren, das war zu Beginn der Haushaltsberatungen – und dem Modell, die gute alte CDU aus der Zeit von Landowsky zu sein, die sich an die Seite der Kollegen mit Blaumann stellen und alles vom Himmel herunter versprechen. Sie haben heute wieder solch eine einerseits-andererseits Rede gehalten. Wollen Sie nun die Direktvergabe an die BVG oder wollen Sie sie nicht? Sie sagten, die BVG solle keine Busunternehmen mehr haben, aber ansonsten solle alles beim Alten bleiben. Dann müssen Sie sich aber auch für die Direktvergabe einsetzen. Dann sagen Sie es auch so. Das wäre aber eine Abkehr von den Versprechungen, die Sie zu Beginn der Haushaltsberatungen gemacht haben. Auf das mehrfach von Ihnen angekündigte Privatisierungspaket warten wir immer noch. Wir warten natürlich nicht darauf, weil wir es nicht beschließen würden. Es wäre zur Konsistenz Ihrer Haushaltsvorschläge notwendig. Sie sollten sich entscheiden und nicht immer beide Seiten vertreten.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Liebich! – Herr Kollege Melzer! Möchten Sie replizieren? Dann haben Sie das Wort. Bitte schön!

Herr Liebich! Ich habe zu beiden Themen unsere Meinung gesagt. Zunächst komme ich noch einmal zum Anschluss- und Benutzerzwang. Dieser steht in einem direkten Zusammenhang mit dem, was Sie mit den Wasserpreisen in diesem Jahr veranstaltet haben. Der Anschluss- und Benutzerzwang wurde in den Fraktionen von SPD und Linksfraktion diskutiert, als zum 1. Juli 2007 ein Wasserpreismodell eingeführt worden ist. Er wurde diskutiert, als die Verbrauchspreise nicht hinreichend genug abgesenkt worden sind.

Der Anschluss- und Benutzerzwang, den Sie jetzt über das Betriebegesetz einbringen und verabschiedet wissen wollen, ist genau dieses. Es ist ein letzter Zwang, ein weiterer Zwang in dieser Kette von Maßregelungen und Zwängen, der keinem einzigen hilft, weder den einzelnen Verbrauchern noch der Berliner Wirtschaft. Wir haben eben über die Umweltzone gesprochen. Beim Wasser ist es ähnlich. Diejenigen, die in Berlin Arbeitsplätze in hohem Maß zur Verfügung stellen, gängeln Sie überall, diejenigen zwingen Sie mittels Zwangsmaßnahmen und verschlechtern damit den Standort Berlin. 47 Prozent der Betriebe sagen das sehr deutlich laut Umfrage. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

[Beifall bei der CDU]

Wir wollen das Grundwasserentnahmeentgelt um 30 Millionen € senken. Das haben wir in den Haushaltsberatungen, in den Fachausschüssen und im Hauptausschuss, be

sprochen. Das kommt jedem zugute: dem Unternehmen, auch dem Unternehmer, aber auch jedem einzelnen Berliner. Es kommt jedem zugute und wirkt sich direkt auf die Wasserpreise aus. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass dieser Vorschlag seriös gegenfinanziert ist. Wir machen damit keine neuen Schulden und entziehen den Wasserbetrieben auch kein Kapital, so wie Sie es tun, um offene Rechnungen zu begleichen. Das ist ein großer Unterschied.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Bezüglich der BVG möchte ich noch eines anmerken: Wenn Sie, Herr Liebich, im Duktus Ihrer Rede vorgeben, an der Seite von BVG-Mitarbeitern zu stehen, und mich beschimpfen, dass ich darauf hinweise, dass diese Mitarbeiter in den vergangenen Jahren tiefe Einschnitte hinnehmen mussten, und das nicht für richtig halten, ist es Ihre Position. Ich bleibe guten Gewissens dabei. Wir stehen an der Seite der Mitarbeiter. Diese haben in den vergangenen Jahren genug Einschnitte erleiden müssen. Deswegen müssen wir hier eine Lösung finden, die für die BVG, aber auch für die Mitarbeiter und damit für Berlin gut ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Melzer! – Jetzt geht es weiter mit dem Kollegen Jahnke von der Fraktion der SPD. – Bitte schön, Herr Jahnke, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie schon gesagt, geht es bei der Novelle des BetriebeGesetzes um zwei Themen: Es geht um die Direktvergabe der öffentlichen Verkehrsleistungen an die BVG und die Regelung des Anschluss- und Benutzungszwangs bei den Wasserbetrieben.

Zunächst komme ich zum Thema BVG. Wenn man es so sieht wie die Oppositionsparteien – zumindest die Grünen und die FDP, die CDU hat die von Herrn Liebich gerade angeführte Sowohl-als-auch-Haltung –, soll der öffentliche Nahverkehr in Berlin zerhackt und auf zahlreiche im Wettbewerb miteinander stehende Unternehmen verteilt werden. Dann brauchten wir in der Tat diese Gesetzesänderung nicht. Die Stadt hat es aber besser verdient. Wir wollen die BVG als starken ÖPNV-Dienstleister für die Berliner Bevölkerung erhalten und profilieren.