Protokoll der Sitzung vom 22.11.2007

Für die Besprechung beziehungsweise Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann. Es beginnt für die Fraktion der SPD die Kollegin Koch-Unterseher. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! – Herr Dr. Pflüger! Die Kollegin Fugmann-Heesing hat Sie vorhin schon angesprochen und auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass Sie einmal mit dem Wissenschaftspolitiker Ihrer Fraktion, Herrn Zimmer, über die Wissenschafts- und Forschungspolitik unserer Regierung sprechen.

[Uwe Goetze (CDU): Was für ein Gag! Ha, ha!]

Ich habe gestern gelesen, dass bei Ihnen der Endruck entstünde, die Regierung des Landes Berlin habe kein Projekt, kein Leitbild in dieser Wahlperiode, deren erstes Jahr gerade hinter uns liegt.

Ich würde mich gern noch einmal direkt an Sie wenden, weil wir mit Herrn Zimmer ohnehin regelmäßig diskutieren. Mir ist unverständlich, wie Sie zu Ihrer Einschätzung kommen. Ich kann mir das nur so erklären, dass Sie und Ihre Fraktion in weit gehende oppositionelle Ratlosigkeit verfallen sind.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Frank Steffel (CDU): Das wird Ihnen auch bald so gehen!]

Nicht hinsehen, was hier für eine zukunftsgewandte Politik gemacht wird! Wegschauen und Ratlosigkeit hilft Ihnen nicht! Mich erinnert diese Haltung ein wenig an ein Kind, das sich die Augen zuhält, in der Hoffnung, dann verschwinde die Politik.

[Uwe Goetze (CDU): Haben Sie auch inhaltlich etwas zu sagen?]

Ja, ich komme noch dazu!

[Uwe Goetze (CDU): Schön, wann denn?]

Diese Hoffnung wird trügen. Deshalb prüfen Sie noch einmal, wovor Sie die Augen verschließen! Sie verschließen sich, meine ich, der Einsicht, dass dieser Senat Innovation, Wissenschaft und Forschung zum zentralen Projekt seiner Amtszeit bestimmt hat. Sie verschließen die Augen davor, dass diese Entscheidung für Berlin zwingend ist, weil wir auf diese Weise die Stadt stärken, die Menschen dieser Stadt zu Recht selbstbewusster machen.

Die Strukturen von Innovation, Wissenschaft und Forschung zu pflegen, auszubauen und zu vernetzen, ist lebensnotwendig und alternativlos für Berlin. Dies zu unterlassen oder die darin liegenden Chancen kleinzureden, ist politisch töricht und tut der Stadt einen Bärendienst. Zehntausende Menschen leben hier, weitere ziehen her, weil hier die entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten bestehen und ausgebaut werden. Das Quirlige, Lebendige, Offene dieser Stadt zieht Kreative und Familien – das ist übrigens kein Gegensatz – an, es zieht Teamworker und für sich Arbeitende, Berühmte und solche, die es noch werden wollen, Wissensdurstige und Tatendurstige an.

Deshalb teilen interessierte Beobachter keinesfalls den von Ihnen skizzierten Eindruck, Herr Pflüger, sondern sehen Bewegung und fühlen sich eingeladen mitzumachen. So hat jüngst der renommierte Soziologe Wolf Lepenies dies in den spanischen Begriff „la movida“, das heißt Bewegung, gefasst. Das enthält auch einen netten Hinweis auf das Berliner Temperament, mit dem hier Neues angepackt wird.

Was tut sich also genau? – Berlins Klasse und Berlins Exzellenz haben gerade eine aktuelle Würdigung erfahren, die kaum eindrucksvoller hätte ausfallen können: Den Nobelpreis für Prof. Ertl haben wir gerade gewürdigt. Nun sehen wir, dass in der Exzellenzinitiativentscheidung für Berlin knapp 211 Millionen € für Anträge von Berliner Universitäten und Forschungseinrichtungen bewilligt worden sind. Ein Viertel dieser Summe von 211 Millionen € steuert das Land Berlin bei. Dies gilt für die Jahre

2007 bis 2012. Die Anträge umfassen – dies noch mal zur Erinnerung – sieben Graduiertenschulen, die insgesamt 39 Millionen € erhalten, vier Exzellenzcluster, die insgesamt 136 Millionen € erhalten und ein Zukunftskonzept, das 21,4 Millionen € bekommt!

Dabei wird ein weites Fächerspektrum abgedeckt. Es reicht von der Erforschung neurologischer Störungen, geht über die interdisziplinären Ausdrucksformen von Gefühlen bis hin zur Diversität in muslimischen gesellschaftlichen Kulturen. Dies alles hat die wissenschaftliche Güte der jeweiligen Fachbereiche in der Freien Universität, Humboldt-Universität und Technischen Universität demonstriert. Der Befund ist also ganz eindeutig: Exzellenz und Klasse haben die anspruchsvollen Gutachter glanzvoll überzeugt. Darüber freuen wir uns, und das wollen wir hier noch einmal ausdrücklich würdigen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Dabei ist es aber auch wichtig, gerade für Berlin eine bedeutsame Lehre aus dieser guten Erfahrung mit dem Exzellenzwettbewerb zu ziehen. Die Lehre lautet: Intensive und fruchtbare Kooperation vieler beteiligter Institutionen und der Menschen, die darin arbeiten, lohnt sich. Kooperation lohnt sich, zahlt sich aus. Kooperation dient auch dazu, Qualität zu steigern, vielleicht eine neue Qualität zu schaffen. Diese Grundidee erkennen wir auch in der von der SPD breit unterstützen Idee des Wissenschaftssenators, in Berlin ein Exzellenznetzwerk zu schaffen.

Die Diskussion darüber hat bereits im Sommer begonnen, als der Regierende Bürgermeister und der Wissenschaftssenator gemeinsam den Masterplan „ Wissen schafft Berlins Zukunft“ vorstellten. Nach der Exzellenzentscheidung von Wissenschaftsrat und Deutscher Forschungsgemeinschaft am 19. Oktober 2007 hat der Senator seinen Vorschlag noch einmal formuliert. Bewusst hat er dies als Vorschlag entworfen und hat kein bereits unverrückbares fertiges Konzept vorgelegt.

Es finden gerade intensive Gespräche in einer Arbeitsgruppe und auf weiteren Ebenen statt, wie ein vernünftiges, ein tragfähiges, ein strahlendes Konzept zur Forschungsförderung, zur Vernetzung exzellenter Forschung universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen aussehen könnte. Über einen Zwischenstand dieser Diskussionen werden wir in einer Anhörung im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung am kommenden Mittwoch ausführlich beraten. Wir werden uns dafür eine Stunde mehr Zeit nehmen als die sonstige Sitzungsdauer. Dort sind die Präsidenten der Freien Universität, der Humboldt-Universität, der Technischen Universität eingeladen wie auch die Repräsentanten der vier großen außeruniversitären Forschungseinrichtungen – Helmholtz-Gemeinschaft, Wissenschaftsgemeinschaft Leibniz, Fraunhofer-Gesellschaft und Max-Planckesellschaft. G Wir finden es politisch klug und fachlich überzeugend, anhand dieses Vorschlags einen lebendigen, intensiven Meinungsbildungsprozess voranzubringen, den Jürgen Zöllner gerade vorantreibt. Wir finden die vorgeschlagene

Idee, deutsche und internationale Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher in diesem vielleicht „IFAS“ zu nennenden Netzwerk zusammenzuführen, sehr attraktiv. Zur Erinnerung: „IFAS“ steht für „International Forum of Advanced Studies“. Wir glauben – ich erinnere an das oben Gesagte –, dass hier eine konkrete Möglichkeit geschaffen werden wird, eine neue Qualität von Spitzenforschung zu schaffen und sichtbar zu machen. Dieses Netzwerk soll – ich möchte es hier noch einmal ausdrücklich betonen – keine vorhandenen Institutionen beschädigen, sondern aus ihnen heraus und mit ihnen etwas Neues schaffen: eine Innovationstiefe und -breite erzeugen, die internationale Ansprechbarkeit der Forschungs- und Wissenschaftslandschaft verbessern, Interessierte nach Berlin locken, sowohl Spitzenleute als auch solche, die es noch werden wollen.

Nun habe ich mit wenigen Worten über die Anerkennung und Unterstützung gesprochen, die Berlins exzellente Forscherinnen und Forscher gerade finden. Viel mehr wäre noch zu sagen, über die Ernsthaftigkeit, mit der in Berlin Forschungspolitik betrieben wird – ich erinnere daran, dass die Forschungsoffensive des Masterplans mit insgesamt 150 Millionen € ausgestattet ist. Es gibt viele Signale der Unterstützung dieser Forschungspolitik, auch aus der Bundespolitik.

Über die Erfolge von Berliner Forschungsinstitutionen könnten wir hier noch lange sprechen – ich erinnere an die Aufnahme von BESSY und dem Hahn-MeitnerInstitut in die Helmholtz-Gemeinschaft und die jüngst entschiedene Aufnahme des Naturkundemuseums und die damit verbundene Würdigung in die Leibniz-Gesellschaft. Dies enthält Anerkennung und bringt Bundesgeld nach Berlin. Es wäre noch viel darüber zu sprechen, wie hervorragend und erfolgreich Politik umgesetzt wird.

Über Berlins Klasse können wir allerdings nur reden, wenn wir auch über junge Menschen – ich darf „junge Menschen“ sagen, weil ich selber schon mittelalt bin –, über Förderung der Ausbildung und Studienbedingungen reden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir wissen alle, die Spitze wächst nur aus der Breite. Die Bedingungen für exzellente Forschung sehen wir in Berlin dann verbreitert in der gezielten Förderung der Studien- und Ausbildungsbedingungen. Dies ist weder Lyrik noch Prosa, sondern hier hat der Masterplan mit seiner Ausbildungsoffensive Fakten geschaffen. Das Volumen ist im bundesweiten Vergleich unerreicht. Ich erinnere an die Summe, 35 Millionen €, in den Jahren 2008 bis 2011. Dieses Volumen ist im bundesweiten Vergleich unerreicht, und es dokumentiert die politische Selbstverpflichtung der Koalition, mit einer umfassenden Verbesserung der Studienbedingungen in Berlin ernst zu machen.

Frau Dr. Koch-Unterseher! Ihre Redezeit ist bereits beendet. Sie müssen zum Schluss kommen.

Gut! Dann bitte ich mir noch drei Sätze zu genehmigen. Ich hatte das Zeitfenster falsch geplant.

[Volker Ratzmann (Grüne): Wie der Senat, der plant auch manchmal falsch!]

Wir haben drei Ziele, die wir mit der Ausbildungsoffensive verbinden, nämlich den quantitativen Ausbau der Studienchancen, die Verbesserung der Qualität und die Erhöhung der Chancengleichheit für Wissenschaftlerinnen, über die wir hier das letzte Mal gesprochen haben. Vor diesem Hintergrund wollen wir weiter daran arbeiten, konzentriert und konkret Ausbildungs- und Forschungsoffensive innovativ weiterzubringen. Wir bitten deshalb, der Empfehlung des Wissenschaftsausschusses zu folgen und den Antrag der CDU abzulehnen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Koch-Unterseher! – Für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Pflüger das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer von uns kennt Wolfgang Ketterle, Günter Blobel, Horst Störmer? – Die Wenigsten werden sie kennen, aber es sind deutsche Nobelpreisträger der letzten Jahre. Ist es nicht richtig, wenn der Chefredakteur von „Cicero“, Wolfram Weimer,

[Zurufe von der Linksfraktion]

Es gab dereinst in Deutschland eine Heldenkultur um Techniker und Naturwissenschaftler, woraufhin Kinder dann Forscher, Ingenieure, Piloten, Lokführer, Ärzte werden wollten. Vorbei – heute träumen die meisten von Model-, Fußballer- oder Showmasterkarrieren.

Das ist eine – man kann sagen – konservative Kulturkritik, aber es ist etwas daran, dass bei uns zumindest die Gefahr droht, dass Naturwissenschaftler, Ingenieure, Techniker wenig Beachtung finden, dass das Gekonnte und Geleistete zurücktritt und das Inszenierte und zur Schau Gestellte in den Vordergrund rückt. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, wieder Technik und Naturwissenschaften, Exzellenz und Elite zu betonen, und deshalb bin ich und ist meine ganze Fraktion dankbar dafür, dass die Bundesregierung mit ihrer Exzellenzinitiative und der Hightech-Initiative endlich wieder Wissenschaft und Technik und Forschung in den Mittelpunkt stellt und dass endlich wieder in Deutschland über Eliten gesprochen werden kann. Sie brauchen wir in unserem Land.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Durch die Exzellenzinitiative des Bundes kommen 210 Millionen € zusätzlich an unsere Universitäten. Mit der Hightech-Initiative der Bundesregierung werden bis 2009 15 Milliarden € für Spitzentechnologien und Spitzenforschung zur Verfügung gestellt. Das sind wichtige Weichenstellungen.

Und wichtige Weichenstellungen, Frau Kollegin, Sie haben es erwähnt, sind die Auszeichnungen des Wissenschaftlers Gerhard Ertl mit dem Nobelpreis und die Tatsache, dass die Freie Universität eine der besten Universitäten Deutschlands geworden ist, und darauf sind wir alle stolz. Herzliche Gratulation an die FU, an Prof. Lenzen im besonderen, herzliche Gratulation an Prof. Ertl. Sie haben Großartiges für diese Stadt und dieses Land geleistet.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Auch an den anderen drei Universitäten, der TU, der Humboldt-Universität, der Universität der Künste, wird Großartiges geleistet. Das müssen wir zielgerichtet ausbauen und weiterentwickeln, und das ist eine zentrale Schlüsselaufgabe für den Standort Berlin, dass wir in der Wissenschaft weiterkommen, aber wir fügen hinzu: Wichtig ist auch, dass dann die hervorragend ausgebildeten Leute auch in Berlin Arbeit finden, und dazu muss in Berlin investiert werden. Das ist wichtig, dass wir nicht die Leute ausbilden und sie dann in München, Hamburg, Frankfurt oder in den USA ihre Arbeitsstellen suchen. Bis das der Fall ist, muss sich in der Berliner Politik noch viel ändern.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich will das hier ganz offen sagen: Vieles von dem, was Herr Zöllner in dieser Richtung und auch jetzt mit seinen neuen Vorschlägen gemacht hat, geht in eine richtige Richtung.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir wollen Exzellenz fördern. Wir wollen – eine alte Forderung der Union – auch Eliten fördern. Wir wollen die Vernetzung zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungsbereichen intensivieren und daraus Synergien entwickeln. Und bei dieser Zielrichtung haben Sie uns an Ihrer Seite, Herr Zöllner.

Wir glauben aber, dass es ein Fehler gewesen ist, dass Sie nicht nur die Vernetzung und bessere Kooperationen betreiben, sondern dass Sie über den Berliner Universitäten eine künstliche Superuni errichten wollen, eine neue Institution mit eigener Adresse, mit eigenem Promotionsrecht, mit eigenem Magisterrecht. Das ist ein Fehler, weil hier ein neues bürokratisches Monstrum entsteht, das Forschung nicht fördert, sondern letztlich abtötet. Wir glauben: das Ziel richtig gedacht, aber eine falsche Antwort auf eine richtig gestellte Frage, Herr Zöllner.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Damit stehen wir nun wahrlich nicht allein, sondern der TU-Präsident hat sich skeptisch bis ablehnend geäußert. Der HU-Präsident hat sich skeptisch geäußert. Herr

Prof. Lenzen ist entschieden gegen diese Idee, und der Akademische Senat der Freien Universität Berlin hat – wohlgemerkt – einstimmig Folgendes gesagt:

Der Akademische Senat der FU vertritt die Überzeugung, dass die Weiterentwicklung der breiten wissenschaftlichen Kooperation zwischen den Berliner Universitäten und Forschungseinrichtungen der richtige Weg ist. Fördermaßnahmen sollten jedoch nicht in der Schaffung neuer kostspieliger Institutionen bestehen, sondern auf den Ausbau flexibler wissenschaftlicher Netzwerke mit Planungspotenzial und Zukunftsperspektiven.