Protokoll der Sitzung vom 22.11.2007

Der Akademische Senat der FU vertritt die Überzeugung, dass die Weiterentwicklung der breiten wissenschaftlichen Kooperation zwischen den Berliner Universitäten und Forschungseinrichtungen der richtige Weg ist. Fördermaßnahmen sollten jedoch nicht in der Schaffung neuer kostspieliger Institutionen bestehen, sondern auf den Ausbau flexibler wissenschaftlicher Netzwerke mit Planungspotenzial und Zukunftsperspektiven.

Das ist der Kern des Unterschiedes, aber es ist ein großer Unterschied. Es ist schade, dass wir diesen Aufbruch, den wir in der Wissenschaftslandschaft in Berlin hätten haben können, den Aufbruch durch die Ertl-Auszeichnung, den Aufbruch, den wir durch die Auszeichnung der Freien Universität und auch von einzelnen Clustern in der Humboldt-Universität gehabt haben, nicht nutzen und gemeinsam nach vorne gehen, sondern dass Sie im Moment dieser Erfolge die gesamte Wissenschaftspolitik Berlins wieder mit einer neuen Institutionendebatte belasten, die zu Kontroversen innerhalb der Universitäten und Hochschulen führt und die genau diese Aufbruchstimmung leider wieder untergräbt. Ich sage Ihnen voraus, Herr Prof. Zöllner – ich streite überhaupt nicht mit Ihnen über Ihre gute Intention –, Sie werden ohne die Mitarbeit der Präsidenten der Hochschulen, vor allen Dingen des Präsidenten, der gerade das Exzellenzzertifikat bekommen hat, diese Institution nicht hinbekommen, und das ist auch gut so, denn wir brauchen keine neuen Institutionen, sondern wir brauchen die Förderung von Exzellenz und Eliten an unseren Hochschulen, damit es in Berlin auch wirtschaftlich wieder aufwärts geht. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Pflüger! – Für die Linksfraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Albers das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Pflüger! Sie entwickeln sich zu einem Generalisten. Wenn jetzt auch noch Quantität in Qualität umschlägt, dann können wir vielleicht davon noch Profit schöpfen. Im Wissenschaftsausschuss habe ich Sie noch nie gesehen.

Bereits im ersten Koalitionsvertrag dieser rot-roten Koalition 2002 hatten SPD und Linke zur Wissenschaftspolitik formuliert:

Die Forschungslandschaft in Berlin lebt von ihrer Exzellenz und Vielfältigkeit und einer effektiven Verzahnung zwischen anwendungs- und grundlagenorientierter Forschung in Technik, Naturwis

senschaften, Medizin sowie Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Zur Steigerung der Innovationskraft von Wissenschaft sollen zukunftsfähige Forschungsthemen gebündelt und Spitzenforschung auch im internationalen Vergleich durch günstige Rahmenbedingungen und die Zusammenarbeit von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Unternehmen und gesellschaftlichen Einrichtungen in diesem wichtigen Handlungsgebiet vorangebracht werden.

Um ein konkretes Beispiel dafür zu nennen, dass diese Politik auch Früchte trägt, zitiere ich noch einmal aus dem Koalitionsvertrag von 2002:

Die Grundsatzentscheidung über den Linearbeschleuniger BESSY II wird noch in dieser Legislaturperiode vorbereitet.

Am Montag nun konnte Senator Zöllner mitteilen: BESSY wird zum Jahresanfang 2009 Helmholtz-Zentrum. – Das ist ein weiterer großer Erfolg unserer Forschungspolitik in dieser Stadt.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir stehen also mit der aktuellen Debatte in einer durch Rot-Rot begründeten erfolgreichen Kontinuität vorausschauender Wissenschafts- und Hochschulpolitik, in die sich auch das Ergebnis des Exzellenzwettbewerbs einordnet. Durch den Erfolg der Berliner Universitäten fließt zusätzliches Geld für Wissenschaft und Forschung in diese Stadt. Natürlich hat dieser Senat bereits seinen Anteil an der Finanzierung gesichert. Insofern betreibt die CDU mit ihrem Antrag 16/0968 „Die Landesfinanzierung jetzt zusagen“ mal wieder ihre Lieblingssportart: Wir rennen offene Türen ein, und das mit Vehemenz.

Nach den Feiern sollte nun schnell wieder nüchterner wissenschaftspolitischer Alltag einkehren. Es gibt ja einiges zu tun, und es gibt keinen Anlass für niemanden, als quasi Gestalt gewordene Exzellenz aufs hohe Ross zu steigen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Erfolg braucht, bitte schön, auch immer Bodenhaftung, und niemand möge nun abheben.

Zur nun so oft strapazierten Exzellenz gehört allerdings auch die Fähigkeit zu einer realistischen Einschätzung des selbst Geleisteten und des eigenen Verdienstes und dessen, was von anderen geleistet wurde und von außen geleistet werden musste, um dieses auch zur Geltung zu bringen. Da möge man auch auf die Zwischentöne zur Exzellenzentscheidung achten, die Senator Zöllner zum Beispiel im Hauptausschuss hat anklingen lassen und die so deutlich waren, dass man sie eigentlich auch im Dahlemer Ortsteil Elysium hätte hören können: Die zunächst nur attestierte Exzellenz ist erst einmal ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft mit viel großer Erwartung. Es gilt, diese Exzellenz, über die man an den ehrwürdigen Universitäten, die ihm als Beispiel dienen, gar nicht so viel spricht, sondern die man dort gewachsen – nicht dekretiert – einfach hat, im wissenschafts- und hochschulpoli

tischen Alltag auch zu leben und erlebbar zu machen. Ein Schild „Eliteuniversität“ reicht da nicht.

Über die Ergebnisse in der Exzellenzinitiative hinaus brauchen wir eine bessere Koordinierung der Universitäten und der außeruniversitären Einrichtungen am Wissenschafts- und Forschungsstandort Berlin. Berlin muss seine Forschung- und Wissenschaftsressourcen bündeln, und dazu brauchen wir entsprechende Strukturen. Wenn Wissenschaft in der Tat der einzige Rohstoff ist, über den diese Stadt neben märkischem Sand verfügt, dann ist die Bearbeitung dieses Rohstoffs für die Entwicklung der Zukunft dieser Stadt von ganz entscheidender Bedeutung.

Dazu haben wir mit der Konzentration von Universitäten und hochrangigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf engstem Raum die besten Voraussetzungen. Wir müssen diese Voraussetzungen allerdings effektiver nutzen, und hier setzt das Zöllnersche Konzept an, das ich nicht als Superuni bezeichnen würde, denn diese Bezeichnung lässt sich in der öffentlichen Diskussion zwar leicht zerlegen, wird aber diesem Vorschlag, wie ich ihn verstanden habe, nicht gerecht. Es geht um die strukturelle Verstetigung von dringend notwendiger Kooperation und eben auch darum, die finanzielle Absicherung von Spitzenforschung über das Jahr 2012 hinaus zu garantieren, wenn die Förderung ausläuft. Über den Weg kann man streiten, auch über die Bezeichnung, aber ich bin der festen Überzeugung, dass es dazu dringend einer politischen Initiative bedarf, wie sie Senator Zöllner ergriffen hat.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Jenseits aller Exzellenzdiskussionen muss allerdings Berliner Forschungs- und Wissenschaftspolitik gewährleisten, dass weiterhin die Förderung von Forschung in der ganzen Breite erhalten bleibt. Der Wettbewerb an der und um die Spitze darf nicht zu einer Schwächung der übrigen Bereiche und Institutionen führen, weil er die Starken noch stärker macht und den anderen die ohnehin geringen Mittel weiter entzieht.

Was ist eigentlich Spitzenforschung, und wer definiert sie? – In dem Moment, in dem Sie forschen, können Sie gar nicht definieren, ob das Spitzenforschung ist oder möglicherweise einmal wird. Beide aktuellen Nobelpreisträger haben nicht von vorneherein erkennbar in Bereichen der sogenannten Spitzenforschung gearbeitet. Will heißen: Wir brauchen weiterhin eine breit angelegte und in der Fläche geförderte Wissenschaftslandschaft. Die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen müssen in der Breite der Hochschullandschaft, in der Verbindung von Forschung und Lehre, in der Verknüpfung von universitärer und außeruniversitärer Forschung, in der Verknüpfung von Grundlagen- und angewandter Forschung, in der Erfassung aller Wissenschaftsbereiche – Geistes-, Gesellschafts-, Natur-, Medizin- und Ingenieurwissenschaften – gesichert, verbessert und strukturell neu ausgerichtet werden.

Man achte auf das Wort „excellentia“: Es kommt aus dem Lateinischen – ich habe immerhin noch das Große Latinum – und steht sowohl für herausragende Leistung oder Qualität als auch für herausgehobene, höhere Stellung. Es besteht die Gefahr – und diese Ängste sind ja nicht unbegründet –, hier würden Universitäten erster und zweiter Klasse geschaffen. Der Prorektor der Universität Heidelberg, Tröger, hat das in der Heidelberger Studentenzeitung „ruprecht“ im Juli 2006 plastisch gemacht: Eine Universität wie München macht Top-Forschung, eine Universität wie Oldenburg macht fachbezogene Hochschulausbildung von Leuten, die auch gebraucht werden. Das ist nicht unser Weg für die Berliner Hochschulen, und deshalb werden wir hier in Berlin dafür sorgen, dass die entscheidenden Voraussetzungen für Spitzenforschung, nämlich die hohe Qualität von Lehre, von Studium und von Forschung in der Breite erhalten bleiben und weiterentwickelt werden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Sehen Sie die aktuelle Diskussion auch einmal unter diesem Aspekt: Berlin hat weit mehr Wissenschafts- und Forschungsressourcen, als von Exzellenzwettbewerben abgedeckt werden können. Es gilt, sie alle für diese Stadt nutzbar zu machen. Wir sind auf dem Weg. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Albers! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Schillhaneck das Wort! – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Berliner Hochschulen haben bekanntermaßen bei der Exzellenzinitiative sehr gut abgeschnitten. In der Tat: Was läge näher, als endlich darüber zu reden, wie wir diesen positiven Schwung für die Stadt nutzen können? Vor 14 Tagen fanden Sie das ganze Anliegen offensichtlich noch relativ absurd.

[Carola Bluhm (Linksfraktion): Unsachlich!]

Umso schöner ist es, dass Sie jetzt der Ansicht sind, dass Ihre Pläne für die Wissenschaftslandschaft – der Masterplan Ausbildung und Forschung, wie das dann heißt – tatsächlich der parlamentarischen Beratung hier würdig sind. Wir werden das am kommenden Mittwoch auf fachpolitischer Ebene im Wissenschaftsausschuss fortsetzen. Darauf ist schon hingewiesen worden.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass es – uns jedenfalls – nicht ausreicht, nur die Universitätspräsidenten und die Leiter der großen Forschungseinrichtungen dazu anzuhören. Auch Studierende, akademischer Mittelbau, also die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, auch Repräsentanten der Institute, die Sie nicht in Ihr Konzept einbezogen haben, müssen dazu gehört werden. Denn sie

alle werden von den Auswirkungen der ExzellenzInitiative, der Superuni und des sogenannten Masterplans betroffen sein. Deswegen müssen wir sie beteiligen.

[Beifall bei den Grünen]

Sie wollen den Schwung der Exzellenzinitiative nutzen – wir auch. Die Anstrengungen, möglichst herausragende Cluster zu formieren, die Überlegungen, die in die Formulierungen zu Projekten zu Graduiertenschulen und Ähnlichem eingegangen sind, haben in viele Bereichen tatsächlich einen neuen Schwung in unsere Wissenschaftslandschaft gebracht, haben bislang zarte Pflänzchen der Kooperation gestärkt und sie da, wo sie ohnehin schon Usus war, endlich für alle, auch die Nichteingeweihten, sichtbar gemacht. Das bringt Berlin als Wissenschaftsstandort etwas, und es bringt auch den Institutionen und den dort tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern etwas, weswegen wir das sehr begrüßen.

Zum anderen ist aber gerade universitätsintern auch mit einem gewissen Schwung gerne einmal über die Beteiligungsprozesse und die Interessen derer, die als eher randständig und irrelevant empfunden wurden, hinweggebügelt worden. Schnelle Entscheidungen durch starke Männer sind, so muss man befürchten, das Leitmotiv, und Sie, Frau Dr. Fugmann-Heesing, haben mich mit Ihrem Verweis auf effiziente Entscheidungsstrukturen vorhin in der Begründung keineswegs in dieser Angelegenheit beruhigt, im Gegenteil.

Deshalb sage ich ganz klar: Herr Senator! Liebe Koalition! Das ist ein Weg, den Sie besser nicht weiter verfolgen sollten.

[Beifall bei den Grünen]

Wenn man sich das Konzept und die von Ihnen geplanten Aufgaben der Tochterinstitution – wie auch immer sie jetzt heißen mag –, die Herr Zöllner so schwungvoll plant, genauer ansieht, versteht man die Skepsis und Ablehnung der Universitäten. Dass Sie, Herr Senator, dieses Modell schick finden, erscheint jedoch nachvollziehbar. Sie wollen eine Institution gründen, die unter anderem zentrale Forschungslenkung betreiben soll. Für Sie ist es dann einfacher, Sie brauchen nicht mehr mit vier Universitätspräsidenten und lauter Fachhochschulrektoren und -präsidenten zu reden, sondern nur noch mit einem Präsidenten. Wir finden aber, dass dies nicht mehr viel mit Freiheit von Wissenschaft und Forschung zu tun hat.

[Beifall bei den Grünen]

Das Ganze folgt einem Prinzip. Wenn man sich den Haushaltsentwurf 2008/2009 ansieht, stößt man dort auf einen interessanten Titel. Aus diesem sollen unter anderem kostspielige Berufungen von internationalen Koryphäen finanziert werden. Die Hochschulen haben nicht mehr das Geld, um solche Leute selber angemessen auszustatten damit es für diese überhaupt attraktiv wird, nach Berlin zu kommen. Wer entscheidet über das Geld? – Offensichtlich legt der Senator fest, welche Berufungen an Berliner Hochschulen er für zukunftsträchtig hält. Auch die Programmlinien der Masterpläne für Lehre und For

schung unterliegen einer Senatorenentscheidung. Mich irritiert daran, dass die Koalition bei allem Gerede über Hochschulautonomie ihn einfach schalten und walten lässt. Wir finden solch eine Politik – um es dezent auszudrücken – absurd und rückwärtsgewandt.

[Beifall bei den Grünen]

Es ist schön, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie auf ihrem Parteitag am Wochenende beschlossen haben, dass ganz Berlin ein Hotspot werden soll und wir flächendeckendes WLAN benötigen. Was aber ist mit denjenigen, die im Gegensatz zu uns Abgeordneten keinen Laptop haben, sich auch keinen leisten können?

[Beifall bei den Grünen]

In den Bezirken werden die Stadtteilbibliotheken geschlossen, die Internetzugang für alle bieten, stattdessen bekommt ganz Berlin WLAN. Das ist nicht sozial, sondern eine Variante von Elitenpolitik.

[Beifall bei den Grünen]

Es passt aber und ist konsequent, wenn man sich Ihre Politik anschaut. Erst bauen Sie in schöner Tradition Studienplätze ab, dann tut ihnen das alles ganz furchtbar leid – zumindest der Landesparteitag der SPD hätte auch gern wieder 100 000 Studienplätze –, anschließend lassen Sie sich jedoch von Ihrem Senator einlullen. Wenn der über Studienplätze redet, spricht er nicht über solche, wie wir sie im Jahr 2000 noch hatten, sondern nur noch über Bachelor-Studienplätze. Das jedoch reicht nicht aus. Sie beteiligen sich an einer deutlichen Niveauabsenkung der wissenschaftlichen Bildung und Ausbildung in der Stadt. Das ist indiskutabel!

[Beifall bei den Grünen]

Wenn Sie vom Schwung der Exzellenzinitiative und deren Nutzung sprechen, dann sind Lehre, Qualität des Studiums und Nachwuchsförderung dabei eher ein Nebenthema, vielleicht so eine Art Nebenwiderspruch Ihrer Wissenschaftspolitik. Denn Ihnen geht es um Großes: Berlin als Hauptstadt der Innovation. „Innovation“ ist zunächst ein tolles Schlagwort. Das benutzt man jetzt, wenn man zukunftsgerichtete Politik macht. Was jedoch ist Innovation und wie kommt sie zustande? „Innovation“ ist etwas anderes als „Invention“ – also Erfindung. Deshalb lehnen wir einen Innovationsbegriff ab, der sich ausschließlich auf Innovation im Sinne technologischer Veränderung bezieht und nur von neuen Produkten und Produktionsprozessen spricht. Diese Reihung, die Sie vorhin genannt haben, Frau Dr. Fugmann-Heesing, Wissen schafft Innovation, und die wiederum schafft Geld, ist viel zu kurz gegriffen. Das ist längst nicht alles, was wir an Innovation benötigen.