Protokoll der Sitzung vom 22.11.2007

[Beifall bei den Grünen]

Herr Pflüger! Sie haben mich mit Ihren Ausführungen zu dem, was diese Stadt braucht, in einem Punkt wirklich schockiert. Sie haben sich auf eine Tradition von Heldenkultur in der Natur- und Ingenieurwissenschaft bezogen. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass genau diese Heldenkultur in den Technik-, Ingenieur- und Naturwis

senschaften das ist, was den Chemiker Fritz Haber dazu gebracht hat, das deutsche Militär zu beknieen, Giftgas einzusetzen. Ich weiß nicht, ob das die Heldenkultur ist, die Sie meinen. Ich hoffe, das ist sie nicht.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ein positiver Innovationsbegriff, der dieser Stadt und ihren Menschen etwas zu geben hätte, und der einen gesellschaftlichen Auftrag an Berlins Wissenschaft beinhaltet, ist für uns weiter gefasst. Innovation ist das, was in neuer – oder zumindest für uns in Berlin – Art und Weise die Probleme aufgreift und Herausforderungen angeht, vor denen Berlin steht. Dazu gehören sicher die wirtschaftliche Lage und die Schaffung von guten Arbeitsplätzen, dazu gehört aber auch die Frage, wie wir mit den Herausforderungen des demografischen Wandels umgehen. Das ist nicht nur eine Frage von Türbreiten und abgesenkten Bordsteinen, sondern auch eine des Zusammenlebens. Was ist mit dem Klimaschutz? Das ist für uns – wenn überhaupt – nur auch eine technologische Frage. Sie können nämlich so viele CO2-Abscheider in Kraftwerke einbauen, wie Sie wollen, Sie können so viele 2-LiterConcept-Cars aus Berlin auf die nächste Automobilmesse stellen, wie Sie wollen, wenn sich unser Konsum- und Verkehrsverhalten nicht ändern und die Einsicht kommt, dass Klimawandel uns alle angeht, dann ist das ein Tropfen auf dem heißen Stein.

[Beifall bei den Grünen]

Was ist mit den Herausforderungen, vor die uns die soziale Segregation in Teilen dieser Stadt stellt? Gestern ist die entsprechende Studie dazu von Ihnen im Senat mit vorgestellt worden. Wer soll diese Probleme lösen? Ich glaube nicht, dass wir irgendwelche Gesellschaftsingenieure haben, die uns dieses Problem lösen. Wir gehen wir mit den Herausforderungen der Globalisierung um? Nicht so, dass wir ein paar renommierte internationale Wissenschaftler mit einer Zweitmitgliedschaft in ein Forum for Advanced Studies ködern. Innovation aus und für Berlin muss für uns Synonym werden für Nachhaltigkeit, Zukunftsorientierung, soziale Integration, Stärkung der Bürgergesellschaft und Teilhabe aller an den Prozessen dieser Stadt. Das ist unser Innovationsbegriff.

[Beifall bei den Grünen]

Wie kommen wir zu solchen Innovationen? Das Schwierige selbst an technologischen Innovationen – darauf hat Herr Albers gerade hingewiesen – ist, dass man vorher nicht weiß, ob es ein Erfolg wird. Deshalb benötigt eine Innovationshauptstadt nicht nur ein Exzellenz-Irgendetwas, sondern eine solide, verlässliche und breite Basis. Die Exzellenzinitiative selbst hat damit nur sehr wenig zu tun. Wenn Sie Schwung aus dieser Initiative nehmen und übertragen wollen, dann übertragen sie die positiven Aspekte, zum Beispiel des Modells der interdisziplinären Forschungscluster bei der Nachwuchsförderung – und zwar in die Breite.

[Beifall bei den Grünen]

Sorgen Sie für eine ausreichende Anzahl von Studienplätzen und zwar bis zum Master, sorgen Sie für die nötige Freiheit gerade des wissenschaftlichen Nachwuchses. Stärken Sie Grund- und Anwendungsforschung in allen Hochschulen, unterstützen Sie den Transfer von Wissenschaft in Wirtschaft und Gesellschaft und zwar nicht nur dort, wo es um IuK-Technologien oder die sogenannten Lebenswissenschaften geht, sondern zum Beispiel auch in der Kreativbranche, unterstützen Sie auch die beim Gründen. Wenn Sie Berlin als Hauptstadt der Innovation stärken wollen, wenn das Ihr Leitbild für Berlin ist – wir finden dieses Leitbild gut–, dann trennen Sie sich von dem Gedanken, Exzellenzinitiative und Superuni wären dafür die entscheidenden Eckpfeiler. Berlin hat viel mehr zu bieten. Sie wollen den Schwung nutzen, wir geben Ihnen dafür gern den Anstoß. – Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schillhaneek! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Czaja das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Exakt einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidungen im Rahmen der Exzellenzinitiative reicht Rot-Rot heute einen Antrag für die Aktuelle Stunde zu diesem Thema ein. Meine Fraktion hat als einzige direkt im Nachgang dieser Entscheidung dem Parlament einen Entschließungsantrag vorgelegt, der die hervorragende Arbeit der Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen würdigt.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben uns nicht nur für die Fortführung der Exzellenzinitiative ausgesprochen, sondern insbesondere auf den kreativen Schub hingewiesen, der von ihr allgemein auf die Wissenschafts- und Forschungslandschaft in Berlin ausgeht. Wir haben das Abgeordnetenhaus aufgefordert, sich für Rahmenbedingungen einzusetzen und Exzellenz zu fördern und sich dafür einzusetzen, dass das Berliner Hochschulgesetz so ausgestaltet wird, dass die Hochschulen den Raum erhalten, den sie benötigen, um ihre jeweiligen Profile und Zukunftsstrategien entwickeln zu können. Sie, werte Frau Koch-Unterseher, haben nichts anders gemacht, als die Erfolge der Hochschulen zusammenzufassen, die die Hochschulen trotz der widrigen Umstände in Berlin erreicht haben. Es sind die Erfolge der Universitäten und nicht die der Koalition.

[Beifall bei den Grünen]

Ihr Senator hat im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung angekündigt, dass er mit der Verkündung der Ergebnisse der Exzellenzinitiative das Eisen schmieden wolle, solange es heiß sei.

In der Tat, das hat er getan. Es ist nur die Frage – das ist wohl auch Thema dieser Aktuellen Stunde –: Mit welchem Ergebnis?

Ich komme auf die Anfangsbemerkung meiner Rede zurück: Die Diskussion, die mit der „Zöllner-School“ – wie ich sie nenne, um den Begriff Superuni, der schädlich war, zu vermeiden – durch den rein technokratischen, administrativen Zugang zum Thema Excellenz in Gang gekommen ist, hat den Schwung, den Sie jetzt vorgeben, nutzen zu wollen, erheblich geschwächt. Ich kann nur hoffen, dass er nicht vollständig weg ist. Rufen wir uns die Freude, die Euphorie, aber auch den Stolz wieder in Erinnerung, die die Excellenzinitiative bei den Beteiligten ausgelöst hat. Sorgen wir dafür, dass das in Erinnerung kommt, was in der Öffentlichkeit hervorgerufen wurde! Was kann der Wissenschaft Besseres passieren, als die Tatsache, dass der Blick der Bevölkerung und der Politik auf sie gelenkt wird?

Der Exzellenzwettbewerb hat in den Universitäten und Forschungseinrichtungen in den vergangenen Jahren einerseits zwar viel Kraft gebunden, aber er hat andererseits auch einen enormen return of investment gebracht. Kooperationen zwischen Wissenschaftlern und Forschern, die bisher nichts voreinander wussten, wurden möglich. Davon geht eine ungeheure Katalysatorwirkung aus, deren Ausmaß sich erst in den kommenden Jahren richtig zeigen wird.

So, wie die Exzellenzinitiative das Selbstbewusstsein der Universitäten, Graduiertenschulen und Exzellenzcluster gestärkt hat, hätte ich mir die allgemeine, öffentliche und politische Auseinandersetzung mit Abschluss des Exzellenzwettbewerbs gewünscht.

[Beifall bei der FDP]

Das politische Bemühen hätte sich darauf konzentrieren müssen, einen gesellschaftlichen Mentalitätswechsel herbeizuführen, und zwar dahin gehend, dass die Elitebildung eine Daueraufgabe der Wissenschaft ist, die es zu unterstützen gilt. – Herr Senator Zöllner! Sie werden jetzt sicher einwenden, Sie hätten genau das getan. – Ich schließe mich hierzu ausdrücklich den Präsidenten der Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen an: Ich begrüße und unterstütze ihr Ziel, die Förderung der Spitzenforschung in Berlin zu verbessern und zu verstetigen.

Auf dem Weg, den Sie eingeschlagen haben, Herr Senator Zöllner, konnten Sie die Mehrheit der Betroffenen – einschließlich der FDP-Fraktion – nicht mitnehmen. Dafür haben Sie in den letzten Wochen die Quittung bekommen. Wir begrüßen den Wettbewerb zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen ausdrücklich. Der Exzellenzwettbewerb ist ein lebendiges Beispiel dafür, dass Wettbewerb Exzellenz hervorbringen kann.

[Beifall bei der FDP]

Andererseits bin ich für Kooperationen und die Abstimmung gleicher Aufgaben. Die kooperativen Strukturen

haben im Rahmen des Exzellenzwettbewerbs auch zum Erfolg geführt. Deshalb ist mir unverständlich, warum Sie die Präsidenten nicht von Anfang an mit ins Boot geholt, Herr Senator Zöllner? Warum sind Sie nicht ergebnisoffen in einen Dialog mit den Betroffenen eingetreten und haben so den Schwung der Exzellenzinitiative für Wissenschaft und Forschung genutzt, und zwar dafür, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den bestehenden Exzellenz- und Forschungsstandort zu lenken und dafür zu sensibilisieren, dass Berlin hier eine große Aufgabe hat? Das ist Ihnen nicht gelungen. Hier besteht dringender Nachholbedarf.

[Beifall bei der FDP]

Stattdessen diskutiert die Stadt über das Für und Wider eines mit der heißen Nadel gestrickten Konzepts. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen. Sie bauen sich hier Ihr eigenes Denkmal mit dem Namen „ZöllnerSchool“. Sie nennen es vielleicht International Free Humboldt-Forum.

Hier ist eine Anekdote angebracht: Auf einer der Veranstaltungen, die ich nach dem Exzellenzwettbewerb zahlreich besuchte, sagte einer, der sich aktiv am Exzellenzwettbewerb beteiligt hat, ihm sei ein völlig unausgereiftes Modell Ihrer Verwaltung vorgelegt worden, das allein schon aufgrund seines Namens an „Free Willy“ erinnert habe. Dieser Vergleich spricht Bände. Sie mussten den Vergleich auf der erwähnten Veranstaltung ebenfalls zur Kenntnis nehmen.

Am Rand des Landesparteitags sprachen Sie sich, Herr Zöllner, nunmehr für ein Exzellenznetzwerk aus. Ich hoffe sehr, dass dies bereits ein Ergebnis der Gespräche ist, die hoffentlich zwischen dem Senat und den Hochschulpräsidenten stattgefunden haben, und kein Alleingang von Ihnen. Autonomie und eine auskömmliche Finanzierung von Wissenschaft und Forschung sind Hauptvoraussetzungen zum Erbringen von Spitzenleistungen.

Lassen Sie mich eine Verbindung zwischen den Erfordernissen herstellen, die sich aus meiner Sicht sowohl als Folge der Exzellenzinitiative als auch der Charakterisierung Berlins als Hochschul- und Technologiestandort – Sie sagen „Hauptstadt der Innovation“ – ergeben: Anders als Sie sehe ich nicht, dass die Politik die vor Ort engagierten Forscher und ihre Auftraggeber aus der Wirtschaft erst einmal zusammenbringen muss. Das geschieht von ganz allein. Das ist schon passiert, bevor Sie Berliner Senator wurden, denn sie haben schließlich auch Interesse daran, finanzielle Mittel einzuwerben. Sie brauchen beide Seiten an einem Tisch, aber beide Seiten brauchen vor allem Freiheit, und zwar die Freiheit, sich in Autonomie organisieren zu können und von bürokratischen Vorschriften befreit zu sein.

Wenn Sie sich mit der „Zöllner-School“ schon Ihr Denkmal in Berlin bauen müssen, werter Herr Senator, dann bauen Sie es auf einem soliden Fundament, nämlich auf der Freiheit der Universitäten. Vielleicht wird dann etwas

aus Ihrem Vorhaben bzw. aus den Brocken, die davon übrig sind.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter! – Für den Senat hat jetzt Herr Prof. Dr. Zöllner das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung der Bund-Länder-Kommission am vergangenen Montag, zusätzliche Berliner Forschungsinstitute in die gemeinsame Forschungsfinanzierung von Bund und Länder aufzunehmen, bedeutet de facto bis zum Jahr 2011 zusätzliche 66 Millionen € für die Berliner Wissenschaftslandschaft. Der schon erwähnte überragende Erfolg der Berliner Universitäten – mit der Freien Universität an der Spitze – bedeutet, dass der Berliner Wissenschaft bis zum Jahr 2011 210 Millionen € zur Verfügung stehen.

Schon vergessen, liebe anwesende Kolleginnen und Kollegen, ist die Tatsache, dass der Hochschulpakt eine Größenordnung von 120 Millionen € bis zum Jahr 2011 für die Berliner Wissenschaft bringen wird. Der bereits erwähnte Masterplan umfasst 105 Millionen € bis zum Jahr 2010. Das ist – damit man einmal die Gesamtzahl erkennt – zusätzlich mindestens eine halbe Milliarde € bis zum Jahr 2011 für die Berliner Wissenschaft.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Darin sind aber noch nicht die Zuwächse enthalten, die auf die gemeinsame Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über eine dreiprozentige Steigerung der entsprechenden Forschungsforderungsorganisationen, die Anpassung der Hochschulverträge u. Ä. zurückgehen. – All das ist eine neue Dimension für die Berliner Wissenschaft.

Ich erwähne diese Punkte, um zu zeigen, dass etwas beim Ausbau der Wissenschaft in Berlin passiert. Der Weg wird bereitet, Berlin zu einer Hauptstadt der Innovation zu machen. Der Berliner Senat hat im Sommer im Rahmen der Haushaltsverhandlungen deutlich gemacht: Bildung und Wissenschaft sind ein zentraler Schwerpunkt unserer Politik, weil sie für Zukunftsfähigkeit, für Innovation der Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind. Es ist richtig, dass wir schon jetzt mehr als jedes andere Land in die Hochschulen investieren. Trotzdem erhöhen wir in diesem Bereich den Haushalt um über 5 Prozent. Durch eine Ausbildungsoffensive werden wir mit rund 58 Millionen € die Studienchancen an den Berliner Universitäten um 10 Prozent erhöhen. – Ich finde es unerhört, dass Sie mir unterstellen, dass für mich Studienplätze nur Bachelorstudienplätze sind.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Man kann politische Diskussionen auch durch persönliche Diffamierungen führen. Wenn das häufig passiert – die

Unterstellung, dass jemand eine neue Idee nur aus persönlicher Eitelkeit realisiert, scheint Berliner Stil zu sein;

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

ich meine z. B. die Verknüpfung dieser Initiative mit meinem Namen –, finde ich es nicht zielführend, um die Probleme unserer Stadt zu lösen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie kommen sich wohl auch noch sehr geschickt dabei vor.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]