Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

Wir haben die Missstände zum Anlass genommen, Frau Pop, um über das Vergabegesetz, das, nachdem es im Rat der Bürgermeister war, dem Parlament zugeleitet wird, dafür zu sorgen, dass die Tariftreue auf alle Branchen ausgeweitet wird. Nach der gegenwärtig gültigen Rechtslage wird diese Tariftreueverpflichtung nur für Vergaben im Baubereich und bei mit Immobilien verbundenen Dienstleistungen verlangt. Zudem wollen wir eine Mindestlohnregelung einführen.

Da wahrscheinlich gleich die Nachfrage zu der Vergabe von Wachschutzleistungen im Bereich der Polizei seitens der BIM kommt – es ging durch die Presse, dass ein Stundenlohn von 5,25 € gezahlt wird –, stelle ich fest: Das ist der Tariflohn, der im Land Berlin allgemein verbindlich ist. Insofern hat sich die BIM an die geltende Rechtslage gehalten, nämlich an die Tarifbindung bei mit Immobilien verbundenen Dienstleistungen.

Allerdings ist der Senat der Auffassung – wir haben das in der letzten Senatssitzung erörtert –, dass Tariflöhne, die unter der Mindestlohngrenze von 7,50 € liegen, nicht existenzsichernd sind und wir derartige Beschäftigungsverhältnisse im Land Berlin nicht wollen. Deshalb haben wir die Grenze von 7,50 € beschlossen. Bis das novellierte Gesetz in Kraft tritt, wollen wir, dass zwischenzeitliche Vergaben auf der Grundlage dieser Mindestlohnregelung erfolgen. Ich werde in die nächste Senatssitzung eine entsprechende Beschlussvorlage einbringen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Senator! – Frau Pop, bitte, Sie haben eine Nachfrage!

Herr Senator! Da Sie offensichtlich nicht ausschließen können, dass das Land Berlin zurzeit Armutslöhne zahlt, frage ich Sie: Werden Sie bis zur Verabschiedung des Gesetzes alle Vergabeentscheidungen aufschieben? Werden Sie im Sinn der Beschäftigten Altverträge des Landes überprüfen, oder kommen nur diejenigen in den Genuss der Mindestlohnregelung, die später ihren Vertrag abgeschlossen haben?

Bitte, Herr Senator Wolf!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Pop! Ich freue mich, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dieses wichtige Thema entdeckt hat, nachdem der Senat einen Gesetzentwurf beschlossen hat.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Ich hätte eigentlich erwartet, dass eine Oppositionsfraktion, der das ein wichtiges Anliegen ist, den Senat frühzeitig drängt, einen Gesetzentwurf zur Beseitigung der Missstände einzubringen.

[Zurufe von den Grünen: Frage beantworten!]

Liebe Abgeordnete der Fraktion der Grünen! Liebe Frau Pop! Ich bin frei in meiner Beantwortung Ihrer Fragen. Sie werden am Ende sehen, dass ich auf alle Ihre Fragen erschöpfend antworte. – Zudem war das nur die Einleitung.

Ich habe in meiner ersten Antwortrunde bereits darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, am Dienstag einen formellen Beschluss zu fassen. In der Interimszeit bis zur Verabschiedung des Gesetzes wird die Mindestlohnregelung bei Ausschreibungen angewandt bzw. wird in Fällen, in denen es möglich ist, bis zur Verabschiedung gewartet. Ansonsten geht es nach meiner Auffassung darum, die bestehenden Vergaben zu überprüfen. Rechtskräftig abgeschlossene Verträge müssen eingehalten werden. Man muss sehen, ob bei diesen Verträgen vorfristige Kündigungsmöglichkeiten bestehen oder ob damit Optionen verbunden sind. Man wird Kündigungsmöglichkeiten nutzen, um neu auszuschreiben oder die Bedingungen entsprechend dem Gesetz zu ändern. Das sind aber Einzelfallprüfungen, die davon abhängen, welche Regelungen die Verträge beinhalten. Der Senat hat die Absicht, alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten zu nutzen, um existenzsichernde Mindeststandards bei öffentlichen Aufträgen durchzusetzen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Senator! – Es geht mit einer Frage des Kollegen Jotzo weiter. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senator: Werden Sie bei Ihrer Vergabepraxis berücksichtigen, dass bei den Wettbewerbern sehr verschiedene Voraussetzungen gegeben sind? Beispielsweise sind manche Wettbewerber verpflichtet, Mehrwertsteuer abzuführen, während beispielsweise die Deutsche Post AG, der Sie einen maßgeblichen Anteil an Ihrer Beantwortung

geblichen Anteil an Ihrer Beantwortung gewidmet haben, dazu nicht verpflichtet ist. Gilt der neue Mindestlohn auch für die Feuerwehrleute im Dienst des Landes Berlin, die Überstunden teilweise für knapp über 2 € leisten müssen? Auch hierzu bedarf es einer Klarstellung.

Bitte schön, Herr Senator Wolf!

Herr Abgeordneter! Ich glaube, ich habe in meiner Antwort keinen einzigen Satz über die Deutsche Post verloren. Ich habe vielmehr über die PIN AG gesprochen.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich habe meiner Freude darüber Ausdruck verliehen, dass sie sich letztlich an die vereinbarten Mindestlöhne hält. Das halte ich für eine gute Entwicklung.

Noch einmal: Die Tatsache, dass Unternehmen unterschiedliche Bedingungen haben, ist völlig normal. Unternehmen zahlen beispielsweise unterschiedliche Grundstückskosten und Mieten. Das darf aber nicht dazu führen, dass Unternehmen keine existenzsichernden Löhne zahlen.

[Beifall von Burgunde Grosse (SPD)]

Insofern wollen wir unabhängig von allen Unterschieden einen Mindeststandard. Es handelt sich – wie der Name schon sagt – nur um ein Minimum, das für alle verbindlich sein soll. Differenzierungen können nur oberhalb des Mindestlohns stattfinden.

Danke schön, Herr Senator! – Bevor ich zur nächsten Frage komme, habe ich die Freude, Auszubildende für den Beruf des Bürokaufmanns vom Bezirksamt Spandau auf der Tribüne zu begrüßen. – Herzlich willkommen! Wir freuen uns über Ihr Interesse an der politischen Arbeit.

[Allgemeiner Beifall]

Nun ist der Kollege Kleineidam von der Fraktion der SPD an der Reihe, und zwar mit einer Frage zu dem Thema

Schließung einzelner Berliner Polizeiabschnitte

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welches Konzept liegt der Schließung einzelner Polizeiabschnitte in Berlin zugrunde?

2. Wie viele Mitarbeiter, die derzeit durch Führungs- und Verwaltungsaufgaben gebunden sind, sollen in Zukunft pro Abschnittsfusion zusätzlich Dienst auf der Straße verrichten?

Bitte, Herr Senator Dr. Körting!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kleineidam! Die Konzeption für die örtliche Polizeiarbeit ist vor ungefähr zehn Jahren erstellt worden und sieht das sog. Berliner Modell vor. Das sieht vor, dass die Mitarbeiter der Polizei belastungsorientiert unterschiedlich eingesetzt werden. Wir haben mit durchgehenden 12-StundenSchichten Schluss gemacht und Belastungsschichten eingeführt, die 8 bis 9,5 Stunden betragen können – je nachdem, wie die Mitarbeiter vor Ort gebraucht werden. Das Ziel des Berliner Modells – das von meinen Vorgängern mitentwickelt wurde, das ich aber für richtig halte und fortführe – ist es, Polizei bürgernah, effektiv und belastungsorientiert einzusetzen. Da wir als Staat Steuergelder verwalten, sind wir verpflichtet, immer wieder zu überprüfen, ob das, was wir als Verwaltung – auch bei der Polizei – tun, effektiv ist.

Deshalb wurden die Polizeidirektionen schon vor längerer Zeit gebeten, ihre Organisation zu überprüfen. Dazu kommt, dass wir beim Berliner Modell die Mitarbeiter pro Abschnitt mit vier bis fünf Dienstgruppen einsetzen wollen, das heißt, die Polizeimitarbeiter werden in Dienstgruppen von ca. 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgeteilt, die dann jeweils zu unterschiedlichen Zeiten Dienst versehen. Zum Beginn des Berliner Modells war das teilweise nicht auf allen Abschnitten möglich, weil nur drei Dienstgruppen da waren. Wenn Sie nur drei Dienstgruppen in 8-Stunden-Schichten haben, muss wegen der notwendigen Wahrnehmung von Diensten regelmäßig eine Dienstgruppe sowohl die Nachtschicht als auch die nachfolgende Tagesschicht besetzen. Diesen Einsatz von Mitarbeitern haben wir nicht für sinnvoll gehalten. Wenn Sie 16 Stunden ununterbrochen im Polizeieinsatz sind – und das ist nicht nur eine Bereitschaft, sondern die Kolleginnen und Kollegen sind wirklich vor Ort tätig –, tritt eine Belastung ein, die nicht dazu führt, dass Sie Ihre Aufgaben optimal erledigen können. Deshalb wurde schon seinerzeit beim Berliner Modell angestrebt, die Abschnitte so zu fassen, dass vier bis fünf Dienstgruppen gebildet werden können.

Außerdem haben wir ein Interesse daran, orientiert an bestimmten Problemkiezen – sage ich jetzt einmal auf Berlinisch – auch die Dienstgruppenstärke zu modifizieren und dementsprechend dort mehr Personal hinzugeben, wo mehr Anzeigen aufzunehmen sind und mehr Prävention zu leisten ist als an Stellen, wo man sozusagen Blümchen gießen kann, wo es zwar auch notwendig ist, dass die Po

lizei erreichbar ist, wo aber keine konkreten Aufgaben anfallen.

Durch das, was wir jetzt machen, auch durch die Veränderung der Polizeiabschnitte, wollen wir gezielte polizeiliche Präsenzmaßnahmen – „mehr Grün auf der Straße“ – und Präventionsarbeit gerade an den besonderen Brennpunkten verstärken. Das bedeutet für uns im Ergebnis, dass wir Abschnitte nicht im technischen Sinne schließen und ersatzlos wegfallen lassen, sondern dass wir die bisherigen Abschnitte in Einzelbereichen zusammenlegen, um auf diese Art und Weise einen optimalen Einsatz mit demselben Personal zu ermöglichen.

Zu Ihrer zweiten Frage, Herr Kleineidam: Zurzeit arbeiten 6 380 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Abschnitten operativ draußen, in Funkwagen o. ä. – Übrigens wird sich die Anzahl der eingesetzten Funkwagen durch die Abschnittszusammenlegung nicht verändern; wir werden – jetzt wie auch in der Zukunft – zwischen 99 und 172 Funkwagen einsetzen. – Wir haben zurzeit 6 380 Polizeivollzugsbeamte im operativen Einsatz und werden Ende 2001 – fast identisch – 6 381 Polizeimitarbeiter im operativen Einsatz haben, sodass der Eindruck – der von allen, die die Abschnittszusammenlegung problematisch finden, propagandistisch verstärkt wird –, wir reduzierten das Personal auf der Straße, falsch ist. Das Personal der Berliner Polizei auf der Straße wird durch die Abschnittszusammenlegung nicht reduziert, sondern es bleiben genauso viele Mitarbeiter auf der Straße wie vorher.

Was wir reduzieren, ist die Anzahl der Mitarbeiter in den Innendienstfunktionen, denn durch die Zusammenlegung von Abschnitten können verschiedene Innendienstfunktionen entfallen. Dadurch können wir bis zu 20 Mitarbeiter gewinnen, die wir aber in der Gesamtkonzeption der Berliner Polizei auffangen. Ich erinnere daran, dass wir uns auf eine Stärke von 16 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern festgelegt haben. Das ist doppelt so viel, wie die einzig vergleichbare Stadt in Deutschland, Hamburg, hat, plus Hauptstadtmitarbeiter. Das heißt, wir haben deutlich mehr als doppelt so viele Mitarbeiter bei der Berliner Polizei als Hamburg. Das muss man bei einem Land, das wirtschaftliche Schwierigkeiten gehabt hat, immer wieder betonen.

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Gehabt hat?]

Ich habe den Haushalt des Kollegen Sarrazin so verstanden, dass wir nur noch die Kleinigkeit von 60 Milliarden € Schulden zu beseitigen haben. Ansonsten geht es uns gut.

[Gelächter bei den Grünen]

Aber es geht uns noch nicht so gut, dass wir ohne Rücksicht auf Ressourcen, ohne Rücksicht auf Haushalt, einfach sagen können: Wir machen das..., wir machen das..., wir machen das... Wir müssen wirklich sehr effektiv arbeiten.

Zum Schluss mache ich noch eine Bemerkung. Ich verstehe die Menschen, die sagen: Ich hatte in meiner Nähe

einen Polizeiabschnitt, eigentlich finde ich es nicht gut, dass er geschlossen wurde. – Jede Veränderung führt subjektiv zu Ängsten. Das ist kein Spezifikum bei Polizeiabschnitten. Die gleiche Problematik hatten wir, als wir die Bezirke zusammengelegt und die Rathäuser anders verteilt haben. Die gleiche Problematik haben Sie, wenn Sie Schulen aufgeben, weil Sie sie anderswo konzentrieren wollen. Und die gleiche Problematik haben Sie, wenn Sie Feuerwachen stilllegen, weil zusammengelegte Feuerwachen leistungsfähiger sein können als viele kleine dezentrale Feuerwachen. Die Ängste der Menschen muss man sehen. Ich kann nur dafür werben und sagen: Die Effektivität der Berliner Polizei wird genauso vorhanden sein wie vorher.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Eine Nachfrage des Kollegen Kleineidam! – Bitte schön, Herr Kleineidam!

Danke sehr, Herr Präsident! – Danke für die Beantwortung der Fragen, Herr Innensenator! Haben die bisher gemachten Erfahrungen mit bereits durchgeführten Abschnittsfusionen die Ziele bestätigen können, die Sie gerade in Ihrem Konzept beschrieben haben?

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Kleineidam! Wir haben seit September 2002 aus vielerlei Gründen eine ganze Reihe von Abschnittszusammenlegungen durchgeführt, manchmal auch aus dem Grunde, weil die Mieten der Objekte sehr hoch waren. Wir haben sie lieber in einer gemeinsamen landeseigenen Einrichtung zusammengelegt, um Mietkosten in Höhe von teilweise 400 000 oder 390 000 € für den Landeshaushalt zu sparen. Wir haben sechs Abschnittsstandorte durch Neustrukturierung aufgegeben. Da gab es Proteste. In Reinickendorf gab es einen Aufruhr in der Bezirksverordnetenversammlung. Aber in keinem der ehemaligen Abschnitte können wir belegbar feststellen, dass ihre Aufgabe zu einer Zunahme von tatsächlicher Unsicherheit geführt hat. Es gibt emotionale Gründe, die sagen lassen: Es ist schade, wenn die Dienststelle oder die Post oder was auch immer weg ist!, aber de facto wurden die Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger nirgendwo beeinträchtigt.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Trapp! – Bitte schön, Herr Trapp! Sie haben das Wort!