Das ist der Tagesordnungspunkt 25. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Das Wort für die Fraktion hat Frau Demirbüken-Wegner. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Diskussion um die angemessene Bildung und Erziehung von Kindern unter sechs Jahren ist nicht neu. Bereits Comenius, Jean Paul, Pestalozzi und Fröbel haben die Bedeutung frühkindlicher Bildung hervorgehoben. Im zwanzigsten Jahrhundert hat vor allem Maria Montessori nachhaltig auf die Bedeutung frühen Lernens und die Stärkung kindlicher Kompetenzen hingewiesen. Die Bildungsreform der siebziger Jahre hob die Bedeutung der frühen Kindheit, insbesondere der Altersstufen drei bis sechs Jahre als Teil des Bildungswesens hervor und forderte eine stärkere Betonung des Bildungsauftrages des Kindergartens. Mitte der neunziger Jahre begann in Deutschland endlich die Diskussion um frühkindliche Bildungsprozesse erneut. Auf die Potenziale frühkindlicher Bildung als einen Bildungsprozess vor der Einschulung, die Entwicklung von Sprachkompetenzen und Lernfenster gerade im Alter zwischen drei, zwei und vier Jahren haben Sozialwissenschaftler, Pädagogen und Hirnforscher in den letzten Jahren immer wieder aufmerksam gemacht.
Heute bestreitet niemand mehr die Bedeutung von guter frühkindlicher Bildung und die Notwendigkeit, diese auch zum integralen Bestandteil des Bildungssystems zu machen. Weltweit ist das Thema frühkindliche Bildung auf die politische Agenda gesetzt worden und – wie aus den IGLU- und PISA-Studien abzuleiten – auch schon erfolgreich erprobt. Die Entwicklung von Bildungsplänen und deren Implementierung ist in Berlin zwar sichtbar fortgeschritten, allerdings fehlt bei den Regierungsfraktionen von SPD und Linke ein übergreifendes, ganzheitliches Konzept zur Verzahnung der Frühpädagogik mit der Grundschulpädagogik. Die Erfahrungen aus dem beantragten Modellprojekt sollen deshalb für die Entwicklung eines gemeinsamen Bildungsplans genutzt werden.
Investition in frühkindliche Bildung sowie die Erprobung geeigneter Maßnahmen über die Vernetzung der Frühpädagogik und der Grundschulpädagogik mit entsprechender wissenschaftlicher Begleitung erscheinen uns derzeit sinnvoll und effektiver als die Einrichtung ideologischer Pilotprojekte mit Sonderausstattungs- und Zusatzförderung.
Die Prüfung der erforderlichen Voraussetzungen und Schaffung der Rahmenbedingungen für die im Modellprojekt zu erprobende pädagogische Verzahnung von Kindergarten und Grundschule ähnlich dem Bildungshaus in Baden-Württemberg muss deshalb schnell eingeleitet und rechtzeitig zum Schuljahr 2009/010 vorbereitet werden. Die freiwillige Teilnahme setzt eine gemeinsame Antragstellung der Kooperationspartner und die Zustimmung der Gremien voraus.
Für die erforderliche wissenschaftliche Begleitung müssen für das in den Gruppen tätige Personal auch zusätzliche Anrechnungsstunden vorgesehen und gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt werden. Um gerade Kindergärten und Grundschulen in sozial schwierigen Stadträumen zu erreichen, sollten zusätzliche Anreize für die Teilnehmer aus diesen Quartieren geschaffen werden.
Angesichts der unterschiedlichen Erfahrungswelten und des kulturellen Umfelds des Kindes stellen sich in Berlin weitergehende Fragestellungen für die frühkindliche Entwicklung. Diese reichen von der verbesserten Ausbildung der Erzieherinnen über die Verbesserung der Bildungs- und Entwicklungspotenziale von Kindern vor dem Hintergrund ungleicher sozialer und kultureller Startbedingungen bis hin zu einer Kindergartenpflicht. Die historisch unterschiedliche Entwicklung der Schule und der Tageseinrichtungen für Kinder unter sechs Jahren hat zur Etablierung divergenter Bildungsphilosophien geführt, die man verkürzt als die spielorientierte versus lernorientierte Philosophie bezeichnen könnte. Hierin begründet sich bislang die Eigenständigkeit der beiden Bildungsbereiche untereinander und gegenüber der Familie. Die historisch entwickelten Bildungsinstitutionen tragen trotz aller Bemühungen von Kitabildungsprogramm bis Sprachlerntagebuch die Last ihrer Entstehungsgeschichte. Krippe,
Kindergarten, Schule und auch immer noch Hort sind im Wesentlichen separate Welten, die keine Perspektive für eine Modernisierung und Weiterentwicklung des Bildungssystems im 21. Jahrhundert bieten.
Wir wollen deshalb nicht warten, bis sich die Regierungsfraktionen nach einer kostspieligen Ausschussreise ins Ausland verwundert die Augen reiben und dann mit großen Tönen von den Bildungswundern in Finnland und Großbritannien schwärmen und dann doch bei der Anwendung unter Berliner Bedingungen kläglich versagen.
Es empfiehlt sich deshalb, dem Beispiel anderer Länder zu folgen und integrative Bildungsinstitutionen zu entwickeln, in denen Angebote für Kinder, für Eltern und für die breitere Professionalisierung der Fachkräfte in derselben Einrichtung bereit gestellt werden. Die EarlyExcellence-Center in London und Umgebung oder auch die Bildungshäuser in Baden-Württemberg bieten solch eine Perspektive. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Organisationsbefunden und eine Weiterentwicklung dieses Konzepts in einem Berliner Modellprojekt wäre eine lohnende Aufgabe. Aber bei den innovativen Schritten tun sich Sie sich bekanntermaßen schwer, wie zum Beispiel bei dem Gesetz zur vorschulischen Sprachförderung, das Sie gestern kurzerhand im Hauptausschuss von der Tagesordnung genommen haben.
Aber für Ihr Lieblingsprojekt Einheitsschule scheuen Sie keine Haushaltsmittel, Sie finden sie auch und erfüllen jeden Ihrer diesbezüglichen Sonderwünsche!
Vielen Dank, Frau Demirbüken-Wegner! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt Frau Abgeordnete Scheeres das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den Übergang von der Kita in die Grundschule für Kinder erfolgreich zu gestalten ist der Koalition ein großes Anliegen. Wir sprechen heute von Übergängen von Kindern in eine neue Lebenssituation. Wie alle Übergänge hat auch der von der Kita in die Grundschule zwei Seiten. Für die Kinder bedeutet er auf der einen Seite Freude und große Aufregung und die Chance und Herausforderung, sich weiterzuentwickeln und zum anderen Kompetenzen erweitern zu können. Auf der anderen Seite sind damit für die Kinder Ängste verbunden,
es kann passieren, dass sie bestimmten Anforderungen nicht gewachsen sind, ihre Entwicklung gehemmt wird oder sie in ihrer Entwicklung zurückgeworfen werden. Dies gilt es zu verhindern.
Um diesen Übergang gut gestalten zu können, haben wir in Berlin entscheidende Grundlagen geschaffen. Wir haben das Berliner Bildungsprogramm in der Kita auf den Weg gebracht,
um den Kindern den Schuleintritt zu erleichtern. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Programms ist der Übergang von der Kita in die Grundschule. Wir haben das Sprachlerntagebuch eingeführt, um die Sprachentwicklung der einzelnen Kinder von der Kita bis zur Grundschule transparent zu machen.
In der flexiblen Schuleingangsphase wird die altersübergreifende Arbeit umgesetzt. In den neuen Rahmenplänen für die Grundschule wird auf entscheidende Gemeinsamkeiten und Vorstellungen vom Kind und seinen Bildungsprozessen verwiesen. Im Schulgesetz und in der Grundschulordnung ist die Kooperation zwischen Kita und Grundschule verbindlich verankert. Auch im Sprachfördergesetz, das wir auf den Weg bringen werden, wird verstärkt der Kooperationsgedanke im Vordergrund stehen. Alle diese Instrumente bauen aufeinander auf. Wir sind der Auffassung, dass dies der richtige Weg ist, und wir werden diesen Weg weitergehen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU! Vor diesem Hintergrund bin ich ein wenig verwundert, dass sich nichts von diesen Dingen in Ihrem Antrag wiederfindet. Statt sich mit der Wirklichkeit in unserer Stadt auseinanderzusetzen, schauen Sie sich in anderen Bundesländern um und wollen Modellprojekte auf den Weg bringen. Wir sollen ein Projekt aus Baden-Württemberg, ein Bildungshaus, hier auf den Weg bringen. Sie wollen es erproben. Ich habe mir dieses Modellprojekt einmal genauer angeschaut. Wenn man dies tut, wird man feststellen, dass dieses Konzept in keiner Weise auf die örtlichen Gegebenheiten und Strukturen hier in Berlin passt. Wir haben den Hort an die Schule gebracht. Wir haben die gebundene und offene Ganztagsschule und die flexible Schuleingangsphase. Dieses Konzept ist absolut nicht auf diesen Bereich zu übertragen. Statt in die Ferne zu schauen, sollten Sie einfach einmal um die Ecke sehen.
Ich bleibe an dieser Stelle mit meinen Gedanken in Berlin und schaue um die Ecke. Wir haben zwei hervorragende Modellprojekte in diesem Bereich, die Ihnen eigentlich bekannt sein müssten. Sie sind Praxis und nicht erst bloße Forderung.
Ich meine hier das Projekt TransKiGs, das sind Tandemprojekte im Bereich der Kita und der Grundschule, die mit Erzieherinnen und Erziehern und Lehrern und Lehrerinnen gemeinsame Konzepte zur Verbesserung des Übergangs von der Kita in die Grundschule entwickeln. Sie
legen z. B. Schwerpunkte in der Sprachförderung oder in der Förderung der naturwissenschaftlichen Grunderfahrungen. Dann gibt es noch das Projekt Ponte, das einen ähnlichen Ansatz hat und sich mit der gemeinsamen pädagogischen Arbeit in altersübergreifenden Gruppen beschäftigt. Die Projekte werden gemeinsam vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet. Man verständigt sich mit den Lehrkräften und den Erzieherinnen und Erziehern über gemeinsame pädagogische Haltungen und ein gemeinsames Bildungsverständnis. Diese Projekte werden bereits wissenschaftlich begleitet. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Schauen Sie sich diese Projekte näher an! Sie werden merken, dass wir das Bildungshaus auf keinen Fall in dieser Form, wie Sie sich das vorstellen, benötigen.
Ich verstehe ja, dass Sie sich meinen Gedanken nicht anschließen können. Aber vielleicht glauben Sie dem Bildungsnetz Berlin, das sich in unterschiedlichen Dokumentationen und Expertengesprächen genau mit dieser Thematik des Übergangs von der Kita in die Grundschule befasst und die Probleme, die es vor Ort gibt, diskutiert hat. In der Dokumentation wird deutlich, wo wir hier in Berlin in diesem Themenfeld zurzeit stehen.
Frau Jantzen und ich haben an einem Expertenhearing teilgenommen und uns in die Diskussion eingebracht. Ich kann nur sagen, dass ich viele Anregungen mitgenommen habe. Es war eine konstruktive Diskussion mit konstruktiven Vorschlägen, denn eines ist klar: Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir haben dieses Ziel noch nicht in dem Umfang erreicht, wie wir uns das wünschen.
Meine Vision eines guten Übergangs wäre, dass die Kinder gar nicht merken, wie sie von der Bildung in der Kita in den Alltag der Schule wechseln. Dies erfordert weitere Anstrengungen, –
Ja, ich bin gleich fertig. – was die praktische Umsetzung der Bildungsansätze in der Kita und in der Grundschule angeht. Es erfordert auch einen weiteren Ausbau der Kooperation von Kita und Schule und sehr viel persönliches Engagement der Fachleute.
Die Modellprojekte zeigen uns bereits jetzt, dass vieles noch möglich ist. Bevor wir jetzt wieder Gelder für neue
Modellprojekte auf den Weg geben, sollten wir uns erst einmal die Ergebnisse anschauen, denn wir sind der Auffassung, dass man das Geld, das Sie ausgeben wollen, für andere Bereiche viel besser ausgeben könnte. – Danke!
Verehrte Kollegin! Sie haben mir Realitätsfremdheit vorgeworfen und gesagt, ich solle einmal gucken, wie die Wirklichkeit ist. Als Mutter von zwei Kindern stehe ich mit beiden Beinen fest auf dem Boden und bin jeden Tag mit dieser Realität konfrontiert. Deshalb halte ich es für eine unglaubliche Unterstellung diesbezüglich. Ich spreche jeden Tag mit den Erzieherinnen vor Ort, mit der Kitaleitung usw.
Ja, jeden Tag in zwei unterschiedlichen Kitas. – Ich gebe die Kinder jeden Tag dort ab und setze mich mit diesen Themen auseinander, während viele von Ihnen von Ausschuss zu Ausschuss, von Arbeitskreis zu Arbeitskreis laufen und diese Thematik besprechen oder behandeln. Ich erlebe es am eigenen Leib.
Das Berliner Bildungsprogramm, liebe Frau Scheeres, kann nur klappen, wenn Sie unseren Forderungen nachgekommen wären, das Kitaleitungspersonal aufzustocken, die Vor- und Nachbereitungszeit für die Kitaerzieherinnen und -erzieher aufzustocken und dafür gesorgt hätten, dass wir diesbezüglich eine Qualifizierung hätten umsetzen können. Fragen Sie sich doch bitte einmal selbst, warum es jetzt ein Volksbegehren des Landeselternausschusses geben soll! Fragen Sie sich bitte selbst, warum jetzt das Kitabündnis eine Unterschriftenaktion macht! An dieser Realität dürften Sie doch nicht vorbeileben, Frau Scheeres!
Frau Demirbüken-Wegner! Ich habe Probleme mit dieser Betroffenheitsnummer: „Ich bin Mutter und habe Kinder.“