Protokoll der Sitzung vom 14.02.2008

Frau Demirbüken-Wegner! Ich habe Probleme mit dieser Betroffenheitsnummer: „Ich bin Mutter und habe Kinder.“

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich bin auch Mutter und habe auch ein Kind. Mein Kind geht auch in die Kita, und meine Kita kooperiert mit den

Grundschulen im Umfeld. Das machen auch sehr viele andere Kindergärten und Grundschulen. Ich finde es unmöglich, dass Sie diese Arbeit, die die Kindertageseinrichtungen und Schulen leisten, unter den Tisch fallen lassen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Genauso wissen Sie, dass das Bildungsprogramm, das wir hier in Berlin auf den Weg gebracht haben, bundesweit als erfolgreich anerkannt ist und dass sich viele andere Bundesländer an diesem Programm orientieren. Sie müssten auch wissen, dass wir im Vergleich zu anderen Bundesländern einen guten Erzieherschlüssel haben und dass unsere Arbeit hier qualitativ gut läuft. Sicherlich gibt es auch bestimmte Punkte, die man weiterentwickeln muss. Das bestreitet hier keiner. Aber diese Schwarz-WeißMalerei, die Sie hier immer an den Tag legen, zeigt mir, dass Sie die Realitäten hier in Berlin nicht richtig wahrnehmen. – Danke!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat Frau Jantzen.

[Dr. Friedbert Pflüger (CDU): Wenn es so schön wäre, gäbe es draußen keinen Aufstand!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche, dann mal, ein bisschen Grün in die Schwarz-WeißMalerei zu bringen.

[Zuruf von der CDU: Schwarz-Rot!]

Die CDU greift mit dem Thema ihres Antrags ein wichtiges Thema auf, das für den Bildungserfolg von Kindern entscheidend ist, nämlich die bessere Verzahnung von Kindertagesstätte und Schule. Wir brauchen diese in der Tat, wenn wir es mit dem Bildungsauftrag von Anfang an ernst nehmen. Wir von Bündnis 90/Die Grünen nehmen ihn sehr ernst. Trotz vieler Beispiele für eine gute Zusammenarbeit von Kitas und Grundschulen kann von einer flächendeckenden, umfassenden und verlässlich funktionierenden Verzahnung des Elementar- und Primarbereichs in Berlin absolut nicht die Rede sein.

Die Zusammenarbeit zwischen Kita und Schulen muss sowohl organisatorisch-strukturell als auch inhaltlich entscheidend verbessert werden. Ein Modellprojekt, liebe Frau Demirbüken-Wegner, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern, brauchen wir aber auch aus unserer Sicht nicht. Wir haben nämlich in diesem Bereich wie in vielen anderen Themenbereichen, die wir jeden zweiten Donnerstag hier besprechen, weder ein Erkenntnis- noch ein Konzeptproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.

[Beifall bei den Grünen]

Frau Scheeres hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir mit den Rahmenvorgaben im Kitabereich wie dem KitaFöG, also Kindertagesstättenförderungsgesetz, dem Berliner Bildungsprogramm und dem Sprachförderbuch auf der einen Seite und dem Schulgesetz, der Grundschulverordnung, der Konzeptionierung der Schulanfangsphase und der Verzahnung von ergänzender Betreuung und Schule andererseits gute Voraussetzungen für einen ganzheitlichen Bildungsansatz geschaffen haben, wo Kita und Schule gut zusammenarbeiten können. Es wird sogar definitiv vorgeschrieben, dass die beiden Bereiche miteinander arbeiten. Aber die Praxis sieht dann leider etwas anders aus.

[Beifall von Emine Demirbüken-Wegner (CDU) – Emine Demirbüken-Wegner (CDU): Richtig!]

Klare Kooperationen und Zusammenarbeit wie in der Idee der Bildungshäuser für Kinder dargestellt, können in der Tat einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die beiden Bereiche besser verzahnt sind. Aber auch ich sehe es so, dass Bildungshäuser von drei bis sechs Jahren in unsere Landschaft in Berlin nicht passen. Wir haben an den Grundschulen keinen Platz, um Kinder ab drei Jahren noch aufzunehmen, wir haben auch kein Geld, hierfür neue Schulen oder Kindertagesstätten zu finanzieren oder zu bauen.

Die Idee einer engen Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätte und Schule ist wichtig. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist aber, dass die Eltern vor Schuljahresbeginn wissen müssten, an welche Schule ihr Kind kommt.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)]

Wie sieht es jedes Jahr zu Beginn des Schuljahres aus? – Bis kurz vor Mitte der Sommerferien wissen einige Kinder noch immer nicht, auf welche Schule sie kommen. Das ist aber nur eine Hürde. Der nächste Punkt ist: Wissen denn die Schulen, wer Klassenleiterin der ersten Klasse wird? Und sind die auch verlässlich da? – Herr Zöllner! Sie versuchen Ihr Bestes, ich gestehe es Ihnen zu, Sie machen Arbeitsgruppen und neue Pläne, die Realität wird aber, fürchte ich, mal wieder ganz anders aussehen. Wie soll aber dann der Übergang für die einzelnen Kinder und die Eltern von der Kita zur Grundschule so gestaltet sein, dass das Kind seine Schule kennt, dass es schon mal hingeht, dass die Erzieherinnen sagen können, dieses Kind steht z. B. bei der Sprachförderung hier und muss so und so gefördert werden? – Ohne klare Sicherheiten vor Schuljahresbeginn für die Lehrer, für die Eltern und die Kinder wird das eine schwierige Aufgabe bleiben.

Es gibt ein sehr gutes Beispiel, Frau Scheeres hat TransKiGs erwähnt, dieses Tandemprojekt, bei dem Kita und Schule miteinander kooperieren. Das ist die evangelische Schule Lichtenberg, die mit der Kita „Das tapfere Schneiderlein“ zusammenarbeitet. Die arbeiten sehr gut zusammen, das Problem der Schule ist jedoch, – und das Problem haben viele Schulen – dass in ihrem Einzugsbereich 25 Kindertageseinrichtungen existieren, mit denen sie ko

operieren müsste. Wie sollen die Schulen das machen? – Ein kleiner Schlenker zur FDP: Wenn Sie alle Einschulungsbereiche aufheben wollen und die Kinder kreuz und quer durch die Stadt fahren sollen, wird die Kooperation zwischen Kitas und Schulen sicher nicht einfacher.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Es gibt viele Schulen und Kindertagesstätten in der Stadt, die sich bemühen und angefangen haben, die Arbeit miteinander zu verzahnen. Diese sollten wir unterstützen; es ist wichtig, dass Erzieherinnen und Lehrerinnen gemeinsame Fortbildungen besuchen, es ist auch wichtig, dass Kinder überhaupt in die Kitas kommen. Für eine solche Kooperation brauchen wir Besserungen in der Personalausstattung und der Arbeitszeit; dies ist nicht gegeben, das haben wir bereits bemängelt.

[Beifall bei den Grünen]

Wir unterstützen die Forderungen des Kitabündnisses nach einer Verbesserung der Personalausstattung, insbesondere was die Leitungsfreistellung angeht, und nach einem besseren Zugang für Kinder. Wir sind froh, dass sich die Eltern auf den Weg gemacht haben, mit dem Volksbegehren für bessere Bedingungen in der Kindertagesstätte zu sorgen. Ich hoffe, dass die Bemühungen von Herrn Zöllner, in der Schulanfangsphase die Bedingungen zu verbessern, mit Erfolg gekrönt sein werden, denn dann hätten wir bessere Voraussetzungen, dass Kita und Schule zum Wohle der Kinder und der Eltern in dieser Stadt gut zusammenarbeiten können. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat Frau Dr. Barth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bessere Verzahnung von Kindergarten und Grundschule ist offensichtlich ein Anliegen aller Fraktionen in diesem Hause. Mit unseren Reformen in Kita und Grundschule haben wir wichtige Voraussetzungen geschaffen, um den Übergang zwischen Kita und Grundschule neu und konsequent vom Kind aus zu denken. Diese Reformen waren gut und richtig, und wir stehen dazu. Jetzt kommt es darauf an, diese Reformen in hoher Qualität umzusetzen. Das ist kompliziert genug.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Gerade erleben wir eine Situation in den Grundschulen, in der wir überlegen müssen, wie wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen, um den Kindern gerecht zu werden bzw. besser gerecht zu werden, um sie dort abzuholen, wo sie stehen. Jede neue Veränderung in diesem sensiblen Bereich ist gründlich zu durchdenken. Nun kommen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, und haben wieder einmal etwas aufgeschnappt, was Sie auch für Berlin haben wollen. Es geht um das Konzept für ein Bildungs

haus, das in Baden-Württemberg gerade modellhaft eingeführt wird, wozu noch keinerlei Erfahrungen vorliegen. Ganz nebenbei sei bemerkt, Baden-Württemberg ist ein Flächenstaat, Berlin ein Stadtstaat. Sie verlangen nun von uns, dass wir in unserer Politik umlenken. Haben Sie das mit den Eltern diskutiert, haben Sie das mit Pädagogen diskutiert? – Das wäre doch sehr interessant.

[Zuruf von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)]

Sehen wir uns das Modell etwas genauer an. Für uns ist schon interessant, dass Sie mit Ihrem Antrag und Ihrem Engagement für Bildungshäuser einige strukturelle und inhaltliche Prinzipien, die wir in Berlin auf die Tagesordnung gesetzt haben, anerkennen. Bislang haben Sie sie immer abgelehnt.

Ich nenne dafür drei Beispiele: In dem Konzept Bildungshaus geht man davon aus, dass Kindergartenkinder als gemeinsame Gruppe in die Grundschule übergehen. Auch unser Berliner Bildungsprogramm hält das für optimal. Doch wie verträgt sich das mit Ihrer Forderung, die Einschulungsbereiche aufzulösen? Wie soll das funktionieren? – Ein zweiter Punkt: Im Konzept des Bildungshauses ist die Altersmischung grundlegendes Prinzip. Es wird im Konzept ausdrücklich als pädagogischer Mehrwert ausgewiesen. In Berlin lehnen Sie dies schon für die flexible Schuleingangsphase ab. Wie passt das zusammen? – Der dritte Punkt: Beim Bildungshaus entfallen Schulreifefeststellungen, so habe ich das Konzept zumindest verstanden. Es handelt sich um eine kindbezogene Einrichtung, die dem Kind gerecht werden soll und all seinen individuellen Voraussetzungen auch gerecht wird und nicht umgekehrt. Diesen Ansatz kann ich nur unterstützen. Bisher, meine Damen und Herren von der CDU, haben Sie das in den Strukturveränderungen abgelehnt. Was denn nun? – Hierzu müssten Sie sich sicherlich noch einmal verständigen.

Das theoretische Konzept des Bildungshauses beinhaltet auch aus meiner Sicht viel Für und Wider. Es ist zu prüfen, ob es in Berlin eingesetzt werden kann, schließlich handelt es sich um einen Ansatz, der sich am ländlichen Raum orientiert, um bei zurückgehenden Kinderzahlen eine Bildungseinrichtung vor Ort zu erhalten. Berlin ist alles andere als ein ländlicher Raum, und erfreulicherweise haben wir auch in Berlin eine Steigerung der Geburtenrate.

Ich habe ein Problem mit dem pädagogischen Konzept, das auf eine bruchlose Bildungsbiografie abzielt. Der Bruch zwischen Kita und Schule kann auch etwas produktives sein. Hierüber müssen wir uns genauer austauschen, denn selbst in unserem Kitabildungsprogramm heißt es:

Das Kindergartenkind erlebt die Statusveränderung als Schulkind vielleicht nur dann als gewinnbringend, wenn sich die Schule auch deutlich vom Kindergarten unterscheidet. Eine Grundschule, die die Kindergartenzeit nur verlängert, würde das Kind um seinen Gewinn bringen, es vielleicht langweilen. Sie würde ihm die anspornenden Her

ausforderungen vorenthalten, und der Beginn einer neu zusammengesetzten Gruppe ist nicht nur ein Verlust an Kontinuität, sondern auch eine Chance für Kinder, sich neu zu definieren und neue Fähigkeiten zu entwickeln. Die Kinder sind neugierig auf die neue Lehrerin oder den Lehrer, die neuen Räume, auf neue Methoden und Materialien.

Im Ausschuss werden wir über dieses Konzept konkreter diskutieren. Unsere Aufgaben sind fest umrissen, Senator Zöllner hat gestern und heute erneut wichtige Weichen gestellt, um die Rahmenbedingungen in unserer Schule zu verbessern. Darin sehen wir einen Schwerpunktauftrag. – Danke schön für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Dr. Barth! – Frau Demirbüken-Wegner hat den Wunsch nach einer Kurzintervention. – Bitte schön!

[Zuruf von der SPD]

Ja, ich bin selbstbewusst. Ich hoffe, Sie sind es auch. Es ist schön, wenn man Politiker und gleichzeitig Betroffene ist.

[Martina Michels (Linksfraktion): Mutter von zwei Kindern!]

Sie haben eine andere Biografie, die erlaubt es Ihnen nicht, so zu denken wie ich.

[Martina Michels (Linksfraktion): Aber zwei Kinder!]

Ihre Kinder, genau. In der Biografie, die Sie erfahren haben, und das war nicht die Westbiografie.

[Christian Gaebler (SPD): Sie kennen doch die Biografie von Frau Michels gar nicht!]

Die PDS weiß, was ich meine, Herr Geschwätzführer. Entschuldigung! Nicht Geschwätzführer, sondern Geschäftsführer.

Ich finde es interessant, dass Sie unseren Antrag als „Luxus“ oder „realitätsfern“ bezeichnen, unterschiedliche Begriffe sind heute gefallen. Sie – unter anderem Frau Scheeres – weisen auf ganz viele Projekte hin, die dieses Tandem in Berlin bereits erfolgreich umsetzen. Deshalb ist unser Antrag der richtige Ansatz, er weist in die richtige Richtung. Sie schütteln vermutlich den Kopf, weil dieser Antrag von der CDU kommt. Nach vier Jahren werden Sie dem Antrag zustimmen, denn Sie benötigen immer eine Weile, bis Sie zu den richtigen Erkenntnissen kommen.