Protokoll der Sitzung vom 14.02.2008

[Beifall bei der FDP]

Wer Wirtschaft und Ansiedlungspolitik fördern will, sollte auch Wettbewerb fördern. Hierzu drei Reizpunkte, ohne sie noch groß erklären zu wollen: Es wurde heute bereits dargestellt, dass die Monopolisierung und Monopolverlängerung der BVG bis 2020 genau der marktwirtschaftsfeindliche Weg ist. Die BSR wird in Watte gepackt. Es gibt keinen Wettbewerb. Wohnungsbaugesellschaften, die sowieso defizitär sind, bleiben weiter beim Land, anstatt sie endlich, wenn es möglich ist, zu privatisieren.

[Beifall bei der FDP]

Wir brauchen insgesamt eine Politik, die sich aus Wirtschaftsprozessen zurücknimmt – ich habe vorhin versucht, das beim Vergabegesetz zu verdeutlichen – und nicht noch mehr eingreift. Wir brauchen eine rahmensetzende Politik und keine Politik, die ohne jegliche Verantwortung versucht, auf Kosten Dritter irgendwo einmal Wirtschaftsboss zu spielen. Das ist der falsche Weg, und da müssen wir vorsichtig sein.

[Beifall bei der FDP]

Letzter Punkt – es wurde bereits angesprochen –: Es gab dieses auch für mich überraschend positive Industrieforum im letzten Herbst. Ich fand es gut, wie viele Menschen daran interessiert waren. Das Programm war sehr interessant und lohnend zu hören. Ich habe eine Menge Eindrücke bekommen. Ich war am meisten erstaunt, dass ich auf diesem Industrieforum eine wirtschaftspolitische Rede hörte, die vom Regierenden Bürgermeister vorgetragen wurde. Ich war schwer nachdenklich geworden und hatte für einen Moment die Hoffnung gehegt, dass der Regierende Bürgermeister nun vielleicht doch die Kurve bekommen und erkannt hat: So ganz ohne Wirtschaft läuft die Chose nicht. – Leider ist bis heute außer dieser einen durchaus hörenswerten Rede in puncto Wirtschaft vom Regierenden Bürgermeister nichts mehr zu hören. Das ist eines der größten Mankos, die wir haben.

Frau Kollegin Paus hat darauf hingewiesen: Wir hatten am Montag eine Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen. Der Vertreter der Gewerkschaft hat dort ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir in Berlin eine Verankerung und eine Fürsorge für Ansiedlungspolitik an höchster politischer Stelle brauchen. Sie kann

nicht irgendwo sein, sondern sie muss ganz oben sein, nämlich beim Regierenden Bürgermeister. – Bei allem Respekt vor Ihren Aktivitäten, Herr Wolf: Sie sind eben immer noch der Bürgermeister und nicht der Regierende. Ich erwarte, dass der Regierende endlich anfängt, Schulter an Schulter mit Ihnen Werbung für den Wirtschaftsstandort Berlin zu betreiben. Er muss ja nicht alles selbst ausformulieren – das ist vielleicht auch besser so –, aber er muss zumindest präsent sein. Also: Ein Standortmarketing haben wir nicht, und das brauchen wir.

Wir haben in Berlin Standortvorteile, die uns von allen anderen Standorten unterscheiden. Die Frage ist, was wir daraus machen. Es ist so banal, aber trotzdem so schwer umzusetzen. Berlin ist Hauptstadt. Was folgt daraus? – Berlin ist – das schreibt man uns zu – eine der tolerantesten Städte Deutschlands. 180 Nationen leben hier friedlich miteinander. Was folgt daraus? – Berlin hatte vor einiger Zeit – die, die etwas länger hier sind, wissen das – den Anspruch, einen Mentalitätswechsel durchzuführen. Ich würde mir im Hinblick auf die Verwaltung wünschen, dass Berlin sich mal das Ziel setzt, die wirtschaftsfreundlichste Verwaltung in der Republik zu haben. Das wäre etwas, was wir gern mit unterstützen würden.

Noch einmal, Herr Regierender Bürgermeister – auch wenn Sie jetzt nicht hier sein können, aber vielleicht wird Ihnen das überbracht: Nehmen Sie Ihre Aufgabe wahr! Sie sind der erste Standortwerber auch für den Wirtschaftsstandort Berlin. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wieder mehr industrielle Arbeitsplätze in Berlin eingerichtet werden! – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 11:

a) Beschlussempfehlung

Schnelle Hilfe für Berlin (I) – Notruf 112: Notrufannahme optimieren

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/1017 Antrag der FDP Drs 16/0795

b) Beschlussempfehlung

Schnelle Hilfe für Berlin (II) – Feuerwehr muss Schutzziele einhalten können!

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/1018 Antrag der FDP Drs 16/0877

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP.

Der Abgeordnete Jotzo steht schon bereit. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Senator Körting! Ihnen wird oftmals nachgesagt – auch seitens der Presse, und es stimmt wahrscheinlich auch –, Sie seien einer der großen Pluspunkte dieser Regierung,

[Beifall von Thomas Kleineidam (SPD)]

und zwar insbesondere, was den Bereich der inneren Sicherheit angeht.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Man muss sagen, dass Sie sich durchaus Ihre Meriten verdient haben, was den Bereich der Polizeistrategie angeht. 1. Mai und Polizei – das haben Sie gut hinbekommen. Herr Körting! Da, wo viel Licht ist, ist leider auch viel Schatten. Wenn das Licht bei der Polizei ist – jedenfalls am 1. Mai –, dann ist der Schatten leider bei der Feuerwehr zu suchen. Deswegen ist es gut und wichtig, dass wir uns heute diesem Bereich zuwenden, der hier im Parlament bisher leider wenig Beachtung gefunden hat.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben zwei wichtige Anträge eingebracht, die nicht am grünen Tisch entstanden sind, sondern dadurch, dass sich Bürger bei uns gemeldet und uns mitgeteilt haben, dass sie vier Minuten in der Warteschleife des Notrufs 112 gehangen haben, bis man ihnen helfen konnte. Ich habe dazu gesagt, dass ich mir so etwas nicht vorstellen kann. Deshalb haben wir eine schriftliche Anfrage eingebracht, um die betreffenden Durchschnittswerte, die Medianwerte und die Höchstwerte zu erfahren. Dabei kam erstaunlicherweise heraus, dass in jedem Monat – egal, wo man gefragt hat – Personen bis zu fünf Minuten in der Warteschleife des Notrufs 112 gehangen haben, ohne dass ihnen geholfen wurde. Teilweise hat man sogar bis zu 11 oder bis zu 15 Minuten gewartet, bis jemand bei der Notrufstelle abgenommen hat. Herr Körting! Das sind im Zweifel 14 Minuten zu viel.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Uwe Goetze (CDU)]

Deshalb ist es folgerichtig, dass wir den Antrag „Notrufannahme optimieren“ eingebracht haben. Herr Körting! Ich nehme an, Sie werden sich angesichts dieser Zahlen schon geeignete Gedanken gemacht haben, wie Sie diesem Ansinnen nachkommen können.

Noch gravierender ist das Problem, das sich anschließend ergibt: Wenn man dann endlich zur Notrufstelle durchgedrungen ist, stellt sich die Frage, wie lange es dauert, bis die Feuerwehr zum Ort des Geschehens gekommen ist. Hierbei sind noch erstaunlichere Zahlen zutage getreten. Während wir in unseren Schutzzieldefinitionen den Grundsatz festgeschrieben haben, dass beispielsweise im Bereich der Schutzklasse A – Innenstadt – die Brandbekämpfung in 90 Prozent der Fälle in 15 Minuten und der Rettungsdienst sogar innerhalb von acht Minuten mit der

ausreichender Stärke vor Ort sein soll, ist es faktisch so – wenn man das Ganze postleitzahlscharf betrachtet –, dass diese Schutzziele fast überall verfehlt werden. Herr Körting! Das ist ein skandalöser Zustand, den man so auf keinen Fall fortdauern lassen kann.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wenn man sich anschaut, wie lange es dauert, bis die Feuerwehr kommt – ich sage mal: bei den oberen 50 Prozent dieser Einsätze: Wie lange muss man also mit halber Wahrscheinlichkeit auf die Feuerwehr in Berlin warten –, dann zeigt sich, dass es in 50 Prozent aller Einsätze über 31 Minuten dauert, bis die Feuerwehr – egal, ob Brandbekämpfung oder technische Hilfeleistung – am Ort des Geschehens eintrifft.

Herr Körting! Auch das ist ein Versäumnis, das wir an dieser Stelle anprangern und das wir zum Gegenstand unseres zweiten Antrags gemacht haben. Dieser Antrag fordert, dafür zu sorgen, dass der Schutz der Bevölkerung in der Fläche endlich verbessert und jeder Postleitzahlbereich durch die Feuerwehr vernünftig abgedeckt wird. Es muss überall ein gleiches Ausmaß an Schutz herrschen, und zwar ein Ausmaß, bei dem man den Bürgerinnen und Bürgern mit gutem Gewissen sagen kann, dass unsere Feuerwehr das leisten kann, was sie eigentlich leisten soll. Das ist der Antrag „Schnelle Hilfe für Berlin II“. Auch diesem Antrag sollten Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, zustimmen.

[Beifall bei der FDP]

Aber die Beratungen im Ausschuss haben schon gezeigt, dass Sie das heute nicht tun werden. Stattdessen werden Sie diese Anträge ablehnen, und das ist nicht nur bedauerlich, sondern auch klein. Es ist klein von Ihnen, dass Sie nicht bereit sind, das Richtige zu tun, weil es Ihnen Ihre vermeintliche Koalitionsdisziplin so gebietet. Es ist auch deshalb kleinlich, weil ich mir sicher bin, dass Sie angesichts der Zahlen, die die FDP-Fraktion offengelegt hat, sicherlich den Handlungsbedarf erkennen und auch handeln werden. Ich bin jedenfalls optimistisch, dass Sie das tun werden, und wir werden das kontrollieren. Aber es ist bedauerlich, dass Sie zu klein sind, um wenigstens diesen Anträgen Ihre Zustimmung zu erteilen – so, wie wir das tun werden. Es bleibt ein bedauerliches Resümee: Ein Innensenator mit Licht, aber leider auch mit viel Schatten, und das gerade bei der Feuerwehr und den Rettungsdiensten. Das sollte in einer Stadt wie Berlin nicht die Regel sein.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Kleineidam das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Jotzo! Ich würde gern großherzig sein und Ihrem Antrag zustimmen – einfach aus psychologischen Gründen –,

[Heiterkeit bei den Grünen]

denn wenn das schon ein sehr wichtiger Antrag der FDPFraktion ist, wollen wir über die anderen lieber gar nicht mehr reden.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP]

Bei diesem Thema skandalisieren Sie ohne Ende Vorgänge, die keine Substanz haben. Vielleicht leuchtet das Licht so hell, dass Sie geblendet sind und deshalb die Tatsachen nicht mehr sehen können.

Ich möchte auf die Details eingehen: Die Schutzziele sind ein Bemessungssystem, um zu prüfen, ob wir die Bürger und Bürgerinnen, die Hilfe brauchen, möglichst schnell erreichen. Das gibt es in fast keinem Bundesland. Das Land Berlin geht hierbei vorbildlich voran und schafft Kriterien, anhand derer man bemessen und prüfen kann, wohin die Entwicklung geht.

[Christoph Meyer (FDP): In den Keller!]

Nun kann man selbstverständlich immer sagen: Ein Feuerwehrwagen mehr und ein Brandfahrzeug mehr bringen mehr Sicherheit. – Aber Sie wissen alle, vor welchem Hintergrund wir in diesem Haus solche Fragen diskutieren. Wir müssen mit den vorhandenen Mitteln sorgsam umgehen. Das ist unsere Aufgabe. Es ist als Opposition einfach, dann zu sagen: Mehr schafft mehr Sicherheit! – In der Sache hilft das leider überhaupt nicht weiter.

[Christoph Meyer (FDP): Wir reden über Menschen!]

Das wird erst recht deutlich, wenn man sich dann die Details Ihrer Vorschläge ansieht. Es wird die Optimierung des Einsatzkonzeptes EK 06 gefordert. Dieses System läuft seit dem 1. Februar 2008. Schauen wir uns doch erst einmal an, wie das läuft! Wir haben im Innenausschuss am Montag verabredet, uns in zwei Monaten vorstellen zu lassen, ob das, was theoretisch bereits optimiert wurde, in der Praxis funktioniert. Es wird sicher Punkte geben, wo man noch einmal Korrekturen vornimmt, aber die Forderung, ein System, das noch nicht einmal in Betrieb gegangen ist – Ihr Antrag stammt aus dem Oktober letzten Jahres –, schon zu optimieren, ist völlig unverständlich.

Grotesk finde ich Ihre Vorschläge zur Rufnummer 112. Die Zahlen in der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage stammen aus dem Jahr 2006. Wir haben pro Jahr eine halbe Million Anrufe abgearbeitet, und in einem Einzelfall ist es einmal zu einer Wartezeit von 15 Minuten gekommen. Das muss man doch in Beziehung zueinander setzen. Das wird gar nicht getan.