Protokoll der Sitzung vom 13.03.2008

Im Wirtschaftsausschuss haben die Koalitionsfraktionen die Besprechung von vier CDU-Anträgen zur mittelstandsgerechten Auftragsvergabe verhindert. Sie wollten schlichtweg darüber nicht sprechen. Wir hingegen sagen: Regionale Unternehmensförderung muss stärker zum Zug kommen. Wir stehen dafür, dass der Mittelstand in Berlin – immerhin 99 Prozent aller Berliner Unternehmen – besser gefördert wird. Deswegen haben wir beantragt, die Vergabe in Fach- und Teillose aufzuteilen, die sich an den Kapazitäten von kleinen und mittelständischen Unternehmen orientieren. SPD und Linksfraktion haben hierzu keine abgestimmte Meinung, verweigern die Diskussion und verhindern die Beschlussfassung.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Nicht auf Kosten von Dumpinglöhnen!]

Gleiches gilt für Entbürokratisierung, einheitliche Eintragung in Bieterlisten, Heraufsetzung der Wertgrenzen, Änderung der LHO, Transparenz bei der Auftragsvergabe, Evaluation und unabhängige Kontrollinstanzen. SPD und Linksfraktion haben hierzu keine abgestimmte Meinung, verweigern die Diskussion und verhindern die Beschlussfassung.

Herr Melzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Buchholz?

Nein, danke!

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Bringt auch nichts!]

Alle Anträge, alle Initiativen, alle Vorschläge haben Sie noch nicht einmal diskutieren wollen. Sie haben sie von der Tagesordnung genommen. Letztlich streitet sich RotRot um den richtigen Weg. Insofern bleibt das Vergabegesetz ein rot-roter Zankapfel.

Das Ganze geht auch an den Bedürfnissen der Berliner Wirtschaft vorbei. IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder sagte am 10. März:

Mittelständische Interessen spiegeln sich im Gesetzentwurf nicht wider.

In der parlamentarischen Beratung haben SPD und Linkspartei Beschlüsse für Beschäftigung und Wirtschaftswachstum verweigert. Das wahrscheinlich wirkungsvollste Schwert der Berliner Arbeits- und Wirtschaftspolitik bleibt stumpf, weil Rot-Rot lieber wirkungslose Symbolpolitik betreibt, als den Jobgaranten Mittelstand zu unterstützen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Das Wort hat nun der Herr Abgeordnete Jahnke. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für die Zukunft der öffentlichen Auftragsvergabe in der Berlin.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es ist ein guter Tag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, weil sie zumindest bei den Aufträgen, die das Land Berlin, seine Bezirke oder seine Unternehmen, an denen es mehrheitlich beteiligt ist, vergeben, einen angemessenen Lohn erhalten, von dem man leben kann. Das ist insbesondere für Arbeitnehmerinnen ein Punkt, denn gerade sie sind vom Niedriglohnbereich betroffen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es ist auch ein guter Tag für die Berliner Handwerksunternehmen, die in ihrer ganz überwiegenden Zahl, wie eine Umfrage der Handwerkskammer ergab, das neue Berliner Vergabegesetz befürworten, denn sie wissen, dass sie durch dieses Gesetz vor unlauterem Wettbewerb durch Dumpinglöhne besser geschützt werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Bei der Anhörung im Wirtschaftsausschuss zu diesem Gesetz kam vom UVB und der FDP der Vorwurf, wir wollten eigentlich flächendeckend einen Mindestlohn von 7,50 € einführen. Ja, da haben Sie recht, das wollen wir von der SPD auch.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Auf Bundesebene – das ist bekannt – ist dies mit der CDU derzeit nicht durchsetzbar. Aber für unsere eigenen Aufträge können wir durchsetzen, dass die Beschäftigten nach Tarif, aber mindestens mit 7,50 € bezahlt werden. Dies dürfen wir auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, zu dem nun schon geltenden Berliner Vergabegesetz im Bereich der Bauwirtschaft. Weder ist die Koalitionsfreiheit nach Grundgesetz Artikel 3 berührt noch die Berufsfreiheit nach dem Grundgesetz Artikel 12. Das Bundesverfassungsgericht hat das alte Vergabegesetz als vollkommen rechtskonform eingestuft. Die Ausweitung auf alle Branchen wird dies nicht verändern.

Auch das jüngste Urteil der vergangenen Woche zur Allgemeinverbindlichkeit der Posttarife hat mit unserem Fall eigentlich wenig zu tun. Wir können selbstverständlich festlegen, dass beispielsweise die Behördenpost des Landes Berlin künftig nicht mehr zu Dumpinglöhnen ausgetragen werden soll. Dies bedarf einer gesetzlichen Regelung, wie wir gesehen haben. Diese schaffen wir nun.

Ich komme zu den weiteren Vergabekriterien, die auch schon erwähnt wurden. Es gibt bereits im Gesetz weitere Kriterien. Ausbildende Betriebe werden nach § 2 des Gesetzes bevorzugt. Auch das Landesgleichstellungsgesetz ist ein Gesetz, das nach wie vor bei der Vergabe berück

sichtigt wird, auch wenn dies in dem Gesetz nicht Erwähnung findet. Das Gesetz gilt trotzdem. Es gibt ökologische, soziale Kriterien und faires Handeln. Wir wollen, dass auch sie künftig eine Rolle bei der öffentlichen Auftragsvergabe spielen und keine „vergabefremden Kriterien“ mehr sind, wie die Gegner gern dazu sagen. Dies bedarf einer juristisch wasserdichten Regelung.

[Elisabeth Paus (Grüne): Die vorlag!]

In der Tat, Herr Liebich, Sie haben recht, es geht um ein Auftragsvolumen in der Größenordnung von 4 bis 5 Milliarden € jährlich. Dies kann man nicht aus der Hand regeln, sondern es muss rechtssicher geschehen, sonst begeben wir uns auf gefährliches Glatteis.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Dies hat offenbar, Herr Liebich, unser Senator Wolf, der bekanntlich nicht der SPD angehört, so erkannt und daher im November ein sehr schmales, schlankes Vergabegesetz vorgelegt, das diese Kriterien zunächst ausspart und einer weiteren Regelung in einem Maßnahmepaket überlässt. Dies wird er dem Senat noch vorlegen. Ansonsten hätte er es ohne Zweifel in den Gesetzentwurf bereits hineingeschrieben!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Auf Bundesebene geht die Entwicklung in diese Richtung; das ist wahr. Dort können zusätzliche Anforderungen demnächst dem Auftragnehmer auferlegt werden: Soziale, umweltbezogene, innovative Aspekte, genau wie wir es wollen, sind gemeint. Auch in Berlin wird die Entwicklung in dieser Richtung weitergehen und von uns voran getrieben werden. Aber zumindest sind wir heute erst einmal mit Tariftreue und Mindestlohn ein Vorreiter und mögen mit diesem Beispiel auf andere Bundesländer und andere Wirtschaftsbereiche ausstrahlen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jahnke! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Paus das Wort. – Bitte sehr!

Herr Jahnke, das war wieder Ihr klassischer Bettvorleger! Ich bin einmal gespannt, wie viele in dieser Legislaturperiode noch folgen werden. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesem Jahr finden die Olympischen Spiele in Peking statt. Sie werfen bereits jetzt ihre Schatten voraus. So wird gerade jetzt der Platz des himmlischen Friedens aufgehübscht und die dort lebenden Obdachlosen werden vertrieben, wie wir den Medien entnehmen mussten. Sportliche Großereignisse wie Olympische Spiele – gerade wir Berliner erinnern uns – transportieren immer mehr als nur die Zahl der Gold-, Silber- und Bronzemedaillen und ihrer Träger. Sie produzieren Bilder und Eindrücke der ausrichtenden Stadt und damit ein

Image. Gerade das macht es für Städte und Länder attraktiv, sich darum zu bewerben. Natürlich ist es auch das Ziel Pekings, sein internationales Images aufzupolieren.

Dass dies nicht auf Kosten der Menschenrechte geschieht, dafür bereiten sich lokal, national und international tausende von NGOs vor. So wird es zu den Olympischen Spielen, organisiert von den Evangelischen Kirchen, von INKOTA und anderen die Kampagne saubere Kleidung geben, um daran zu erinnern, wie viel ausbeuterische Kinderarbeit in der Sportbekleidung und in der Textilproduktion insgesamt steckt. Auch Berlin ist hier in der Verantwortung als Partnerstadt von Peking. Gerade vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte stünde es Berlin nicht nur gut an, sondern muss der Stadt Verpflichtung sein, sich auch und gerade während der Olympischen Spiele für die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen.

Stellen Sie sich vor, der Regierende Bürgermeister würde nach Peking reisen, im Gepäck „Be Berlin“ und ein geltendes Vergabegesetz, das bei öffentlichen Aufträgen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit und die Verletzung der ILO-Kernarbeitsnorm ausschließt.

[Beifall bei den Grünen]

Das wäre ein entscheidender Beitrag zur internationalen Ächtung von ausbeuterischer Kinderarbeit. Über 80 Kommunen in Deutschland, der bayerische Landtag sogar einstimmig, haben inzwischen in ihren Beschaffungsrichtlinien ausbeuterische Kinderarbeit ausgeschlossen. Sie hätten dabei nicht nur mitmachen, sondern eine Vorreiterrolle spielen können, weil gerade bei diesen Kriterien ausbeuterische Kinderarbeit die gesetzliche Verankerung entscheidend ist, um sie tatsächlich auch umsetzen zu können. Genau diese Chance haben Sie von Rot-Rot nicht genutzt. Ein Hoch auf die internationale Solidarität von Rot-Rot!

Frau Paus, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Vergabe ist leider ein großes, komplexes Thema und ich habe hier nur eine kurze Redezeit. Deswegen werde ich mich gleich wieder der Sozialdemokratie zuwenden. Ihr Geschäftsführer, Herr Gaebler, hat im „Neuen Deutschland“ gesagt – er wurde zumindest so zitiert, dass sei eben kein inhaltliches Problem, sondern die Verwaltung hätte das Ganze schlecht vorbereitet. Das ist wieder ein typischer Gaebler, weil – soweit ich das überblicken kann – Sie zwar nicht gelogen, aber auch nicht die Wahrheit gesagt haben. Natürlich haben Sie nicht die Wahrheit gesagt, weil zur Wahrheit gehört, nicht das, was auch gewesen ist, zu verschweigen, und es hat – weil wir uns schon Ähnliches gedacht haben – einen entsprechenden Grünen-Änderungsantrag zur Verankerung von ILOKernarbeitsnormen, Ökokriterien und Frauenförderung gegeben. Dieser ist juristisch geprüft worden. Wir hatten

eine umfangreiche Anhörung mit juristischen Experten. Wir haben das auch noch entsprechend angepasst und die notwendigen Formulierungen juristisch geprüft. Sie haben vorgelegen. Sie sind Teil der Beratung gewesen. Die Einzigen, die nicht vorbereitet waren, das war die SPD. So gehen Sie mit Ihren eigenen Landtagsparteibeschlüssen um. Sie sollten sich was schämen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass die SPD doch hasenfüßig gegenüber dem UVB und der IHK geworden ist, obwohl die Handwerkskammer auch auf Ihrer Seite steht, und auch wir sie in der politischen Verankerung von Mindestlohn im Berliner Vergabegesetz unterstützen. Auch dazu hätte es Argumentationshilfe gegeben. Sowohl von uns – in unserem Änderungsantrag haben wir uns bemüht, Beiträge zur Entbürokratisierung der Berliner Vergabe zu leisten –, haben aber auch die CDU-Anträge einen Beitrag geleistet, die wirklich größtenteils das umgesetzt haben, was bereits von der Wirtschaftsverwaltung zur mittelstandsfreundlichen Vergabe vorbereitet worden ist. Auch das haben Sie nicht genutzt. Auch das haben Sie verschlafen. Auch dafür schämen Sie sich!

[Beifall bei den Grünen]

Zu allem Überfluss ist es aber auch so, dass sich in Ihrem Kernbereich herausstellt, dass das, was Wowereit anfangs als Revolution verkauft hat, tatsächlich nur ein Papiertiger ist. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat zu Recht kritisiert, dass Ihr Gesetz in puncto Kontrolle viel zu wenig vorsieht. Heute noch hat Transparency International aufgezeigt, welches Problem wir gerade bei den Vergabestellen in den Bezirken des Landes Berlin haben. Vier Bezirke weisen schwerste Mängel auf, was die Korruptionsbekämpfung angeht, von einer Kontrolle der Auftragsvergabe selbst gar nicht zu reden. Trotzdem schlagen Sie hier vor und wollen heute mit Ihrem Gesetz verabschieden, dass genau diese Vergabestellen, die die Vergabe vornehmen, auch gleichzeitig die Kontrolle des Gesetzes übernehmen. Das reicht bei weitem nicht aus, im Gegenteil. Das Ganze ist keine Revolution, sondern ein Papiertiger. Deswegen sagen wir zu diesem typischen rot-roten „Jein“ zur ökologisch-sozialen Beschaffung auch ein klares grünes „Jein“ –

Frau Paus! Ihre Redezeit ist beendet!

und werden uns bei Ihrem Antrag enthalten, es sei denn, Sie finden noch die Kraft und stimmen unserem Änderungsantrag zu.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Liebich für eine Kurzintervention. – Bitte!

Das hätten wir auch kürzer haben können, aber Sie wollten mich nicht fragen lassen. Sie haben ganz subtil auf die Differenz zwischen Linkspartei und SPD hingewiesen. Das hatte ich vorsichtshalber vorher selbst getan. Aber wenn Sie hier mit harten Worten agieren, dass wir uns schämen sollten, will ich natürlich – das wird Sie nicht überraschen – an Ihr grünes schlechtes Gewissen appellieren. Das, was Herr Glos von der CSU jetzt auf Bundesebene geschafft hat, haben die Grünen in der Bundesregierung nicht geschafft.

[Beifall bei der Linksfraktion]