Öffentliche Vergabe mittelstandsfreundlich gestalten – Transparenz bei der öffentlichen Auftragsvergabe (Evaluierung und Vergabebericht)
Somit eröffne ich die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.
Ich rufe damit die Einleitung, die Überschrift und die Artikel I und II gemäß Drucksache 16/1055 auf. Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Herr Liebich steht schon bereit. – Bitte!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Unternehmer kippen das Vergabegesetz“ stand am Dienstag in der Zeitung. Wir werden gleich erleben, dass weder die Unternehmer noch FDP oder CDU uns daran hindern werden, heute zu beschließen, dass in allen Branchen öffentliche Aufträge künftig nur noch derjenige erhält, der Tariflöhne zahlt, mindestens aber 7,50 €.
Was wir heute beschließen, ist ein rot-roter Exportschlager. Das gibt es in dieser Form in keinem anderen Bundesland. DGB, Gewerkschaften und Handwerkskammer begrüßen das. Industrie- und Handelskammer und Unternehmervereinigung toben. Aber auch letztere werden einsehen, dass das, was in den meisten europäischen Ländern und den USA längst gesetzlich für alle existiert, für Auftragnehmer des Landes Berlin nicht schlecht sein kann. Besser wäre nur noch gewesen, wenn die große Koalition mit Merkel, Steinmeier und Scholz auf der Bundesebene der Bundesratsinitiative des Landes Berlin gefolgt wäre und gleich einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt hätte.
Mit „arm trotz Arbeit“ muss Schluss sein, und zwar gerade in Berlin als der Hauptstadt der „Aufstocker“. Gerade wir müssen da reagieren, denn von Arbeit muss man leben können. Deutschland braucht den Mindestlohn, und wir in Berlin tun dafür, was wir können.
Wir könnten nicht nur hier, sondern auch bei weiteren Kriterien Vorbild sein, wenn nicht die SPD auf den letzten Metern die Kraft verlassen hätte. Dabei ist sie so mutig gestartet. Der SPD-Landesparteitag vom 17. November des letzten Jahres forderte das Gleichstellungskriterium, die ILO-Kernarbeitsnormen, den Ausschluss von Kinderarbeit und den fairen Handel in das Vergabegesetz aufzunehmen, und Herr Jahnke von der SPD hat noch in der letzten Plenarsitzung unter Beifall seines Kollegen Buchholz darauf hingewiesen, dass 5 Milliarden € Auftragsvolumen ein beachtliches Nachfragepotenzial sind, das eingesetzt werden muss, um ökologische Ziele, fairen Handel und gleichstellungspolitische Ziele zu berücksichtigen.
und es ist schon einigermaßen überraschend, dass die SPD dann hinter Herrn Glos von der CSU zurückgefallen ist, der genau das in die bundesweite Gesetzgebung aufgenommen hat.
[Michael Müller (SPD): Das lag an der Vorlage des Wirtschaftssenators! Dann muss er ordentliche Arbeit machen!]
Nach der Anhörung im Ausschuss war auch klar, dass mehrere Anzuhörende – darunter auch der DGB – eine unabhängige Vergabekontrollinstitution gefordert haben. Der DGB ging sogar so weit, zu sagen, dass unser Gesetz ein zahnloser Tiger wird, wenn wir das nicht beschließen. So weit würde ich nicht gehen, aber wir hätten das Gesetz gern – und daraus haben wir kein Geheimnis gemacht – um soziale, ökologische und nachhaltige Ziele erweitert. Wir hätten gern eine von den Vergabestelle unabhängige Kontrollgruppe in das Gesetz geschrieben. Wir hätten gern darauf hingewiesen, dass Frauenförderverordnung und die Allgemeine Anweisung Umweltschutz beachtet werden und die Beschaffung mit den grundlegenden Zielen eines fairen und sozial gerechten Handels im Einklang steht. Die SPD wollte dies – Landesparteitagsbeschluss hin oder her; und ich sage einmal freundlich – noch nicht. Ich gehe davon aus, dass die Debatten sowohl in der SPDFraktion als auch im Senat weitergehen. Wir bleiben dran. Alle, die diesbezügliche Änderungen wollen, wissen, wer die richtige Adresse dafür ist.
Aber lassen Sie mich zum Schluss – und ich will das nicht kleinreden – klar festhalten: Dieses Gesetz, das wir heute beschließen, ist kein Bettvorleger und kein kleines Gesetz, sondern bundesweit einzigartig. Wir sind stolz, dass mit der heutigen Gesetzesänderung in Berlin Dumpinglohnzahler keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen, und deshalb werden wir diesem Vergabegesetz auch gern zustimmen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu Herrn Liebich sage ich: Die Novellierung des Berliner Vergabegesetzes ist der rot-roten Koalition gründlich misslungen. Viel angekündigt, wenig umgesetzt! Streit zwischen den Koalitionspartnern und Symbolpolitik statt echter Unterstützung für den Jobmotor Mittelstand! Das sind die Botschaften der Berliner Vergabepolitik unter Wowereit und Wolf.
Senator Wolf hat im Herbst letzten Jahres ein bemerkenswertes Diskussionspapier vorgestellt, das zehn konkrete Maßnahmen enthielt, die der mittelständischen Wirtschaft in der Region helfen sollten. Im Berliner Vergabegesetz wurde allerdings nur ein einziger von diesen zehn Punkten berücksichtigt – der Mindestlohn. Eins von zehn, Herr Wolf! Diese miserable Ausbeute lässt den Schluss zu, dass die mittelstandsfreundlichen Maßnahmen nur als Feigenblatt rot-roter Symbolpolitik dienen sollten.
Deshalb wendet sich die Union aus der Grundüberzeugung der sozialen Marktwirtschaft heraus auch gegen Dumpinglöhne.
Wenn Sie zuhören und dann vielleicht auch noch verstehen, werden Sie merken, wofür wir sind und wogegen wir sind. – Wir sind dafür, die richtigen Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung zu setzen, um die Lebensqualität für jeden Einzelnen zu erhöhen, Beschäftigung zu sichern und aufzubauen sowie durch wirtschaftlichen Erfolg für eine angemessene Entlohnung ehrlicher Arbeit zu sorgen.
Durch das Nachfragevolumen des Landes Berlin von jährlich 5 Milliarden € könnte richtig gemachte Vergabepolitik ein sinnvoller Ansatz für Wachstum und Beschäftigung sein.
In beiden Fällen hat Berlin Nachholbedarf. Eine Arbeitslosenquote von 15 Prozent und ein Wirtschaftswachstum von prognostizierten 1,3 Prozent stellen vielleicht rot-rote Politiker zufrieden, aber die Union sieht hier weiter dringenden Handlungsbedarf.
Anstatt zu handeln, ergötzt sich die Koalition an sozialistischen Träumereien wie dem öffentlichen Beschäftigungssektor. Und der Mindestlohn wurde im Berliner Vergabegesetz auf rechtlich derart wacklige Füße gestellt, dass wir eine Klageflut kleiner und mittelständischer Unternehmen befürchten müssen. Die Unternehmensverbände haben bereits eine Verfassungsklage angekündigt, und nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zum Postmindestlohn steht auch zur Diskussion, dass der Vergabemindestlohn ebenfalls rechtlich unzulässig ist.
[Stefan Liebich (Linksfraktion): Das hat damit nichts zu tun. Sie haben vorhin nicht zugehört! – Burgunde Grosse (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Unabhängig davon, wie jeder Einzelne von uns zum Mindestlohn steht, steht eines jedenfalls fest: Ihre Änderungen zum Berliner Vergabegesetz werden nicht zu mehr Wachstum und nicht zu mehr Beschäftigung führen. Sie haben wieder einmal die Chance verpasst, die Berliner Wirtschaft zu unterstützen.
[Burgunde Grosse (SPD): Darum geht es doch gar nicht! – Heiterkeit – Christoph Meyer (FDP): Das ist Ihr Problem, Frau Grosse!]
Einer Beschlussfassung über echte und wirkungsvolle Maßnahmen haben Sie sich verweigert. Herr Liebich hat soeben in seiner Rede den Dissens zwischen SPD und Linksfraktion deutlich gemacht. In der „Berliner Zeitung“ lässt er sich mit den Worten zitieren: