Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst gebe ich Ihnen ein paar grundsätzliche Dinge auf den Weg. Erstens: Es ist festzustellen, dass Ihr ursprünglicher Gruppenantrag gescheitert ist. Er ist gescheitert, weil er weder im Ausschuss noch in Ihrer Fraktion noch hier eine Mehrheit gefunden hat oder hätte.
Zweitens: Der Antrag, ein staatlich angeordnetes Fahrverbot zu erlassen, ist nach der StVO rechtlich nicht zulässig.
Das hat Frau Junge-Reyer bereits im Ausschuss klargestellt. Herr Buchholz hat es auch begriffen, Herr Ziller noch nicht. Darum haben Sie einen Rückzieher gemacht.
Drittens: Wir bleiben bei unserer seit Jahren vertretenen Meinung, dass ein autofreier Tag lediglich einen symbolischen Charakter besitzt, aber keinen messbaren Nutzen für die Umwelt bringen kann. Deshalb wäre die Verhältnismäßigkeit einer solchen Entscheidung zu beachten, wenn sie – wie gesagt – überhaupt rechtlich zulässig wäre.
So weit das Grundsätzliche. Weil wir aber das Grundsätzliche beachten und dann noch den Umweltgedanken fördern wollen, haben wir einen eigenen Änderungsantrag eingebracht.
Das Abgeordnetenhaus begrüßt den Aufruf an alle Berlinerinnen und Berliner sowie Touristen, am 1. Juni 2008 freiwillig auf die Nutzung des Autos zu verzichten.
Was ist unsere Kernaussage? – Oberstes Gebot für uns ist die Freiwilligkeit. Das muss in einem Antrag auch deutlich zum Ausdruck kommen. Freiwilligkeit geht vor staatlicher Zwangsverordnung, denn staatliche Zwangsverordnung ist immer auch Gewalt. Und Gewalt in der Erziehung lehnen Sie doch alle ab! – Sie doch auch, Herr Ziller, oder?
Aus unserer Sicht kann ein autofreier Tag nicht mehr, aber auch nicht weniger sein als Anstoß und Erziehung zum Umdenken. Ein wirklich messbarer Beitrag zur Verbesserung der Umwelt ist durch einen solchen Tag nicht zu erreichen. Im Gegenteil, Sie stören damit eingespielte Abläufe von Wirtschaft und Dienstleistern oder stellen Besucher, die mit dem Auto in unsere Stadt kommen und zum Beispiel das ISTAF besuchen wollen, vor nicht kalkulierbare Schwierigkeiten. Auf freiwilliger Basis, ja sogar als Appell, können wir uns gut vorstellen, dass an diesem Tag einmal darüber nachzudenken ist, ob jede Fahrt mit dem Auto wirklich notwendig ist, ob man vielleicht auch einmal freiwillig auf sein Auto verzichten und zu Fuß gehen oder den ÖPNV benutzen könnte. An einem Tag, an dem eine Fahrradsternfahrt in der Stadt stattfindet, der zum Weltkindertag ausgerufen wurde und an dem das eine oder andere Straßenfest durchgeführt wird, ist ein solcher Denkanstoß angebracht. – Das konnte man am Montag aus Ihrem Antrag, Herr Buchholz, mit etwas gutem Willen – und den hatten wir Ausschussmitglieder – durchaus herauslesen.
Wir hätten diesem Antrag auch zugestimmt, wenn er damit geendet hätte. Das hat er aber nicht und tut er immer noch nicht. In Ihrem letzten Punkt beschäftigen Sie sich nämlich mit Kosten und Kostenfreiheit. Dies ist der Punkt, den wir überhaupt nicht mittragen können und wollen. Kostenfreiheit für die Nutzer des ÖPNV am 1. Juni bedeutet nämlich nicht, dass die Busse an diesem Tag umweltschonend, ohne Treibstoffe, fahren und die Gehälter an diesem Tag nicht bezahlt zu werden brauchen, sondern dass die Kosten dafür ersatzweise auf andere, also auf Dritte, abgewälzt werden. Notfalls können die Dritten auch die Betreiber des ÖPNV, also die BVG oder die S-Bahn selbst, sein. Wenn man dann deshalb die Fahrpreise erhöhen muss, zahlen wieder diejenigen die Zeche, die ohnehin 365 Tage im Jahr die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, und nicht der Autofahrer, der lediglich am 1. Juni sein Auto hat stehen lassen. Das finden wir ungerecht.
Sie machen voller Zuversicht den Vorschlag, dass diese Kosten gesponsert werden sollen. Vertragsfest ist noch gar nichts. Ein guter Gedanke! Lassen Sie sich nicht davon abhalten, die Sponsorengelder einzuwerben, aber bitte mit dem Ziel, dass an diesem Tag nur zum reduzierten, nicht zum freien Fahren aufgerufen werden kann! Wir könnten uns vorstellen, den halben Fahrpreis zu nehmen. Ich sage das, weil jeder, der freiwillig auf sein Auto verzichtet, ebenso wie der ÖPNV-Nutzer, der ohnehin mit dem öffentlichen Verkehrsmittel fahren würde, daran er
innert werden sollte, dass U- und S-Bahnfahren auch Geld kostet. Und hier – und nur hier – setzt der Erziehungs- und Lernprozess ein. – ÖPNV-Fahren ist nicht nur Spaß und ein Event, Herr Ziller, das ich heute einmal benutze, weil es umsonst ist, sondern ich lerne, dass es sogar billiger sein kann, als mein Auto zu benutzen. Es kann eine Alternative sein. Und das ist der Aha-Effekt. Aber ich muss selbst zu dieser Einsicht kommen und mich selbst entscheiden. Eine solche Einsicht erzielen Sie garantiert nicht mit staatlich verordneten Fahrverboten – also mit Gewalt – oder mit zulasten von Dritten staatlich verordneten Freifahrten. Nein, Sie müssen es – wortwörtlich – selbst erfahren.
Ich bitte Sie deshalb: Prüfen Sie unseren Änderungsantrag einmal fraktionsübergreifend, jede Abgeordnete und jeder Abgeordneter für sich, welcher Erziehungsmethode Sie den Vorzug geben! Stehen Sie für Zwang und Gewalt, oder stehen Sie für die freie, zwanglose, selbstständige Entscheidung? Wenn Sie das für sich entschieden haben, einmal losgelöst vom üblichen Zwang, alle Anträge der Opposition abzulehnen, können Sie unserem Änderungsantrag eigentlich nur zustimmen. Darum bitte ich Sie.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Fraktion Die Grünen! Ich muss mich sehr wundern, dass Sie offensichtlich etwas anderes lesen, als schwarz auf weiß auf Papier niedergeschrieben steht.
Meine Unterschrift steht wie die von 60 anderen Abgeordneten unter einem Text, in dem nicht mit einem einzigen Wort von Zwang die Rede ist.
Meine Unterschrift steht unter einem Antrag, der ausdrücklich betont, die Intention des Jugendforums, einen autofreien Tag durchzuführen, zu unterstützen. Meine Unterschrift steht unter einem Text, der weiterhin davon spricht, welche Straßen und Straßenabschnitte – nicht alle! – für Kiezfeste und Ähnliches zur Verfügung zu stellen sind. Und dann gibt es noch den Aspekt der möglichst kostenfreien Nutzung von BVG und S-Bahn. Das sind die Elemente dieses Gruppenantrags, dem sich in der Gesamtheit 61 Abgeordnete angeschlossen haben. Wie gesagt: Kein Wort von Zwang, kein Wort von Anordnung und kein Wort davon, dass ein freiwilliger Verzicht auf Autonutzung kein Verzicht auf Autonutzung wäre. Sie haben aber seit Tagen offensichtlich immer wieder in der Presse betont, dass der Gruppenantrag, der nun plötzlich ein Antrag der Grünen geworden ist, nur so zu verstehen sei, dass es eine zwangsweise Anordnung von Autover
zicht geben sollte. Das ist eine unzulässige Interpretation eines Textes, den 61 Abgeordnete unterschrieben haben. Wäre er anders formuliert, ständen nicht 61 Unterschriften darunter.
Das war der Grund, weswegen die Koalition sich den Text vorgenommen hat und – die Intention unterstützend – einen eigenen Antrag in den Verkehrsausschuss eingebracht hat, der genau diese Elemente enthält: Unterstützung der Idee eines autofreien Tages, bewusst und freiwillig. Übrigens ist ein freiwilliger und bewusster Verzicht gegenüber einem angeordneten immer vorzuziehen. Denn Anordnungen haben auch eine Gegenreaktion zur Folge: Was angeordnet wird, wird nicht akzeptiert.
Es geht aber darum zu werben, dass es sehr lustvoll sein kann, sich autofrei in der Stadt zu bewegen. Das erreicht man nicht durch Zwang, das erreicht man durch Überzeugungskraft,
wenn man etwa Kiezfeste, Straßenfeste, einfache Initiativen fördert und die Straßennutzung an diesem Tag möglichst unbürokratisch für Spaziergänge, Kiezfeste oder Rollerrennen genehmigt. In den Quartieren können sich Familien zusammentun und zum Beispiel ein Rollerrennen anmelden. Warum denn nicht? Auch das ist eine Form eines autofreien Tages für eine ganz konkrete Straße. Das sind Initiativen, die würden wir gern unterstützen, die wollen wir initiieren. Wir haben der Verwaltung den Auftrag mitgegeben, solche Initiativen möglichst unbürokratisch und kostenfrei zu behandeln.
Vielen Dank, Frau Kollegin! – Wie erklären Sie sich den Widerspruch, dass Sie einerseits sagen, der Gruppenantrag sei schon immer mit der Intention Freiwilligkeit verbunden gewesen, und der Kollege Buchholz, der zu den Initiatoren dieses Gruppenantrags gehört, andererseits seinen Stimmungswechsel darauf zurückführt, dass es eine für ihn neue rechtliche Grundlage gebe?
Herr Abgeordneter Scholz! Lesen bildet. Lesen Sie den Antrag! Da steht nichts von Zwang. Der Kollege Buchholz hat gesagt, er könnte sich etwas anderes vorstellen, wenn es eine rechtliche Grundlage dafür gäbe. Es gibt keine rechtliche Grundlage für ein flächendeckendes Autoverbot. Auch wenn man es sich wünscht, hätte man damit mehr Probleme geschaffen für Nottransporte, den Weg zur Arbeit oder für Menschen, die durch den Nahverkehr nicht direkt angebunden sind. Der Kollege Buchholz ist kein Umfaller, ebenso wenig wie die anderen, die den Antrag unterschrieben haben.
Nein, ich habe den Kollegen Buchholz nicht „Umfaller“ genannt, das haben Sie getan. Es gibt kein Umfallen. Die 61 Personen, die dort unterschrieben haben, haben wissend und lesend den Text ohne Zwangsmaßnahmen unterschrieben. Dabei soll es bleiben. Wir würden es gern sehen, dass die Verhandlungen, die der Senat mit den Verkehrsunternehmen führen wird, erfolgreich sind, sodass Menschen, die nicht zu den Stammkunden gehören, ein finanzielles Bonbon erhalten, um die Nahverkehrsmittel auszuprobieren und zu sehen, wie spannend es dort sein kann, nicht allein im Auto mit Radio, Kaffeemaschine, sondern im gemeinsamen Erleben einer anderen Bewegungsform. Wir möchten gern, dass es Hunderte verschiedene Initiativen gibt, im Kiez, in der Wohnstraße, die sich für diesen Tag tolle Dinge ausdenken als Ergänzung zur großen Fahrradsternfahrt, zu der wir wieder mehr als 100 000 Fahrradfahrerinnen und -fahrer erwarten. Auch diese verzichten an diesem Tag freiwillig auf die Autonutzung. Das muss man honorieren.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist richtig, Berlin soll und muss auch beim Verkehr ein Zeichen für den Klimaschutz setzen. Der Verkehr ist ein wichtiges Aktionsfeld, dies gilt gerade auch für den Autoverkehr. Um die Spannung herauszunehmen, die Herr Buchholz aufgebaut hat: Die FDP-Fraktion wird dem Antrag so zustimmen, wie er im Ausschuss verabschiedet worden ist.
Vielleicht können Sie mir aber noch erklären, weshalb Sie zuerst den einen Antrag, dann aber auch noch den Ände
Auch wenn Frau Matuschek behauptet, in dem Ursprungsantrag stehe nichts von Zwang, glaube ich das nicht, wenn man Herrn Ziller zuhört, der vom Fluch des Autos spricht, von dem man befreit wird. Ich höre da etwas Zwanghaftes heraus. Wenn man den Menschen zwangsweise etwas aufdrückt, wird man damit nicht erreichen, dass diese davon überzeugt werden, nicht Auto zu fahren, sondern man erreicht das genaue Gegenteil. Die Menschen fühlen sich schikaniert, sie murren, sie leisten Widerstand. Wenn man Menschen zwingt, kann man sie nicht überzeugen. Es ist so wie mit dem Kind, dem man sagt: Iss dieses gesunde Gemüse, das ist gut für dich. – Das hat sich nicht bewährt in der Kindererziehung, wenn das Kind es nicht will.
Die im Fachausschuss verabschiedete Fassung des Antrags zielt darauf, die Menschen zu motivieren, dass sie fröhlich und engagiert ein Zeichen für die Umwelt setzen, genauso wie es traditionell schon die Teilnehmer der Fahrradsternfahrt tun. Wichtig ist, dass dies noch möglichst viele andere zusätzlich tun.