Wir halten nichts von einer Anhebung des Abgabealters für Alkohol von 16 auf 18 Jahre, wie es die CDU fordert. Dies ist nicht der richtige Weg. Wir wollen den unmäßigen Konsum von Alkoholmissbrauch verhindern. Alles andere wäre im Umgang mit jungen Menschen unehrlich und falsch. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Scheeres! Wenn Sie jetzt konsequent gewesen wären, hätten Sie bis auf den Punkt – das Heraufsetzen des Alters von 16 auf 18 Jahre, worüber wir gern streiten können – einfach den Anträgen von FDP und CDU zustimmen müssen, denn all diese Punkte sind in diesen Anträgen benannt.
Sie haben die Zahlen genannt. Der Tod eines Berliner Gymnasiasten nach dem Konsum von 40 Tequilas im letzten Jahr hat die Öffentlichkeit aufgeschreckt und in Deutschland zu einer intensiven Debatte geführt. Das war gut. Das war richtig. Führen wir uns noch einmal vor Augen, wie viel Jugendliche heute trinken! Ein 16-Jähriger konsumiert in Deutschland in der Woche im Durchschnitt 9 Gläser Wein oder 13 Gläser Bier oder 30 Schnäpse. Die Zahl derer, die konsumieren, steigt nicht. Da haben Sie vollkommen recht. Aber was konsumiert wird, steigt in der Quantität und in der Qualität. Allein in Berlin waren dies im letzten Jahr 660 Kinder und Jugendliche, die aufgrund des Komasaufens ins Krankenhaus kamen. Sie haben recht, Frau Scheeres, wir haben kein Gesetzesdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit. Aus diesem Grund hätten Sie den Anträgen von CDU und FDP einfach nur zustimmen müssen. Sie beschränken sich auf einen Prüfauftrag, doch Prüfaufträge reichen nicht aus. Wir brauchen praktikable Schlussfolgerungen. Ich mutmaße, dass mit Ihrem Antrag keinem einzigen Jugendlichen vor übermäßigem Alkoholkonsum geholfen ist.
Das erste Stichwort: Kontrollen. Obwohl die Polizei bei den Kontrollen jeder zweiten Einrichtung in Berlin einen Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz feststellt, hat dies in Berlin zu wenig Konsequenzen geführt. Weder die Kontrolldichte noch die -tiefe reichen aus, um den Jugendschutz zu gewährleisten. Es gibt weder genügend Personal, noch ein koordiniertes Zusammenspiel. Deshalb forderten die Berliner Jugendstadträte schon im August 2007 Verbesserungen in der Kooperation der Kontrollbehörden. Sie schlugen vor, neben den Gewerbeämtern und der Polizei auch den Ordnungsämtern ein Kontrollrecht in Gaststätten einzuräumen. Das war Inhalt des FDPAntrags.
Zweitens: Flatrate-Partys. Was gibt es da noch zu prüfen, Frau Kollegin? – Es ist alles besprochen. Selbst in dem Bund-Länder-Ausschuss ist auf ein Verbot für unbegrenzte Abgabe von Alkohol zum Pauschalpreis eine Einigung getroffen worden. Schauen wir nach Bremen. In Bremen ist ein Gesetz mit sehr klaren und einfachen Worten auf den Weg gebracht worden. Da heißt es:
Es ist verboten, alkoholische Getränke in einer Art und Weise anzubieten, die darauf ausgerichtet ist, zu übermäßigem Alkoholkonsum zu verleiten. Gastwirten droht bei Nichteinhaltung eine Geldstrafe von bis zu 5 000 €.
Einfach und klar! So könnten wir es in Berlin auch beschließen, Sie müssten nur unserem Antrag folgen.
Das dritte Thema: Prävention. Ich bleibe bei meiner Auffassung, die ich auch schon im Ausschuss deutlich gemacht habe, dass die zuständige Senatsverwaltung von Frau Lompscher in der Frage Alkoholmissbrauch nicht annähernd so aktiv geworden ist wie bei der Kampagne „Berlin rauchfrei“. Hinzu kommt, dass es Einsparungen in der Präventionsarbeit gegeben hat, die eine flächendeckende Aufklärung an den Schulen behindert und verhindert hat, und dass auch die Alkoholberatungsstellen in den Bezirken ausgedünnt wurden. Erst nach intensivem Kampf im Ausschuss und intensiven Beratungen konnte das Projekt, das Sie benannt haben, wieder mit Förderung ausgestattet werden. Es ist kein neues Projekt, das Sie beschreiben, sondern es ist ein bestehendes Projekt, das zwischendurch schon einer Kürzung Ihrer Regierung zum Opfer gefallen ist.
Doch getan haben Sie reichlich wenig. Das Nichthandeln des Senats in diesen Fällen bedeutet, dass die Jugendlichen in Berlin weniger Chancen haben, gesund und munter aufzuwachsen. Sie versündigen sich an den Jugendlichen, denn jeder Fall von Alkoholmissbrauch ist ein Fall zu viel. Wir fordern deshalb den Senat auf, endlich zu handeln. Die Anträge von CDU und FDP geben dafür genügend Grundlage. Sie könnten sie auch in einzelnen Punkten abstimmen, was wir im Ausschuss bereits vorgeschlagen haben. Sie sind jedenfalls besser als der reine Prüfauftrag Ihrer Fraktion und würden bei diesem Sachverhalt entschieden besser helfen als ein Prüfauftrag. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, über das wir heute reden, ist keineswegs neu. Betrunkene Kinder und Jugendliche sind kein Phänomen unserer Zeit. Schon in den Jahresberichten der Fabrikinspektoren für das Jahr 1876, erschienen in Berlin 1877, wird über Knaben und Mädchen, die betrunken auf die Straße, ja am Montag noch betrunken zur Schule gekommen seien, berichtet, und der Berliner Oberbürgermeister Böß beklagte bereits 1923 in einer Broschüre „Die Not in Berlin“ den zunehmenden Alkoholismus unter Jugendlichen. Früher war also nicht alles besser, und es ist müßig zu streiten, ob es heute wirklich schlimmer ist.
Dass wir zurzeit vermeintlich eine Steigerung der Fälle des Alkoholmissbrauchs bei Kindern und Jugendlichen beobachten, findet seine Begründung möglicherweise auch darin, dass wir dieses Problem mit einer größeren gesellschaftlichen Aufmerksamkeit registrieren. Diese wachsende Sensibilität wäre bereits ein Erfolg und böte eine gute Ausgangsbasis, dieses tief in den sozialen Strukturen unserer Gesellschaft sitzende Problem doch noch in den Griff zu bekommen. Es ist eben nicht nur ein Vollzugsproblem. Wir brauchen dazu sicher viele Lösungsansätze und sollten deshalb unvoreingenommen alle Vorschläge prüfen.
Der heutigen Debatte liegen verschiedene solcher Vorschläge zugrunde. Zum FDP-Antrag muss ich wenig sagen. Er beschränkt sich auf die Forderung, die Kontrollen durch die Bezirke sicherzustellen. Ja, das müssen wir sicherstellen, und da müssen wir die Bezirke gegebenenfalls auch unterstützen, wo dies noch notwendig ist. Das tun wir natürlich auch, aber es reicht bei Weitem nicht aus. – Herr Gersch, Herr Lehmann! Das greift viel zu kurz, und das wissen Sie auch.
Die CDU fordert in ihrem Antrag, das Abgabealter für Alkohol im Jugendschutzgesetz von 16 auf 18 Jahre zu erhöhen. Einmal abgesehen davon, dass bereits heute nach § 9 dieses Gesetzes branntweinhaltige Getränke nicht an Jugendliche unter 18 Jahren abgegeben werden dürfen: Wenn das Abgabealter von 16 Jahren für die anderen alkoholischen Getränke – so der Gesetzestext – heute für Elfjährige kein Hinderungsgrund ist, sich zu betrinken – wie Sie in der Begründung Ihres Antrags selbst schreiben –, warum sollte es ein Abgabealter von 18 Jahren dann sein? Was erreichen Sie mit dieser Heraufsetzung?
Zudem: Wenn sich ein Achtzehnjähriger ins Koma säuft, warum ist dies weniger ein gesellschaftliches Problem, als wenn sich der Siebzehnjährige illegal dort hineinsäuft?
Verbote lösen in diesem Bereich keine Probleme. Es kommt vielmehr darauf an, die gesellschaftliche Akzeptanz für den vermeintlich so geselligen Alkoholkonsum – ein Gläschen in Ehren! – aufzubrechen. Wir müssen ja nicht unbedingt nur noch abstinente Puritaner klonen, aber genau hier liegt das Problem. Das Aufbrechen dieser stillen Akzeptanz der Umgebung schafft erst die nötige Sensibilisierung für das Problem und öffnet der Aufklärung den Weg als den ersten Schritt zur Prävention. Hier ist die gesamte Gesellschaft in der Verantwortung – keines dieser Kinder säuft allein.
Wenn wir über Prävention reden, müssen wir allerdings auch konsequenterweise über ein Werbeverbot für Alkohol reden. 510 Millionen € wurden 2006 für Alkoholwerbung ausgegeben. Haben Sie schon einmal eine Flasche in der Hand gehabt, auf der steht: Alkohol schadet möglicherweise Ihrer Gesundheit? – Solange in Werbespots Jugendlichen vorgemacht wird, wie cool es ist, wenn man irgendwo in tropischen Gefilden mit einem Kopfsprung
vom Segelboot springt, um sich eine Flasche Bier zu holen, oder Reggae tanzende weiße Rum-Truppen suggerieren, Rumsaufen sei notwendig, um „in“ zu sein, müssen wir uns nicht wundern, wenn Aufklärungskampagnen auf taube Ohren stoßen. Die taumelnde und lallende Truppe nach dem dritten oder vierten Glas filmt keiner mehr.
Gegen diese Werbung wirkt zum Beispiel der „MitmachParcours“ einfach bieder, den die Senatsverwaltung im letzten Jahr fachlich begleitet und unterstützt hat und mit dem den Jugendlichen die Auswirkungen von Alkohol simuliert werden. Das ist ein richtiger Ansatz, den wir weiter verfolgen werden. Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl von Kampagnen und Materialien sowie Projekten in dieser Stadt, die aufzuzählen die Zeit fehlt. Das ist alles vorhanden. Da ist der Antrag der CDU entbehrlich. Die Frage ist, wie wir die Kinder und Jugendlichen vor Ort und in ihren kulturellen Zusammenhängen besser erreichen, und vor allem auch die Erwachsenen. Vergessen Sie nicht, dass jede Flasche in den Händen eines Kindes oder eines Jugendlichen zuvor durch die Hände eines Erwachsenen gegangen ist. Hier hilft uns der CDU-Antrag überhaupt nicht.
Er wird sogar kontraproduktiv, wenn denn aufgefordert wird, die Eltern an den Kosten der Behandlung ihrer auffällig gewordenen Kinder zu beteiligen. Alkoholismus ist ein gesellschaftliches Problem, das wir auch gesellschaftlich lösen müssen. Die Individualisierung dieses Problems über die Kostenbeteiligung der Eltern ist genau das Gegenteil eines gesellschaftlichen Lösungsversuchs. So erzeugen Sie allenfalls Ausgrenzung und erreichen, dass Jugendliche einer notwendigen Behandlung entzogen werden.
Mit dem Modellprojekt „Hart am Limit“, das wir im Haushalt weiter abgesichert haben, tun wir bereits das, was Sie einfordern, nämlich auffällig gewordenen Kindern eine nachhaltige Betreuung zukommen zu lassen. Die Koalition geht mit ihrem Antrag den richtigen Weg: Prävention, Kooperation und konsequente Anwendung und Durchsetzung bereits geltenden Rechts. Wir sind hier auf dem richtigen Weg, aber mit Sicherheit noch lange nicht am Ende. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nüchtern betrachtet sollte in dieser etwas moralischen Debatte die Jugend nicht zum gesellschaftlichen Sündenbock oder zur Spitze des Eisberges gemacht werden. Als Sie noch jung waren, wurden bereits Partys gefeiert, und wenn man über Alkoholprobleme spricht, dann sollte man dies nicht auf eine bestimmte Altersgruppe oder auf eine bestimmte soziale Schicht fokussieren, denn es betrifft alle.
Ehrlich gesagt: Besonders Politikerinnen und Politiker, die auf jedem Empfang fast jeden Abend einen heben, sollten nicht ganz so moralisch daherreden. Denn nichts wird so heiß getrunken, wie es gebraut wird. Bis zu einem gewissen Grad ist es normal, dass gerade Jugendliche sich einmal ausprobieren. Es wird aber problematisch, wenn es darüber hinausgeht. Häufig stellt der massive Alkoholkonsum einen Hilfeschrei dar, der sich auf andere Probleme bezieht, beispielsweise auf Schulversagen oder mangelnde Freizeitalternativen. Hier anzusetzen, wäre dringend geboten.
Gesetzliche Regelungen gibt es bereits. Ich darf an keinen, der bereits alkoholisiert ist, weiter Alkohol ausschenken, und das günstigste Getränk in meinem Sortiment muss ein nicht alkoholisches sein. Gesetzliche Maßnahmen und Regelungen haben wir genug. Diese umzusetzen, muss ganz oben auf der Prioritätenliste stehen.
Es kann nicht sein, dass Leute, die in Berlin mit akuter Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert werden, bis zu ihrer Entlassung nur den Arzt zu Gesicht bekommen, der ihnen den Magen ausgepumpt hat. Es muss ein Sozialarbeiter oder Psychologe da sein, der den Patienten in solchen Schocksituationen zur Seite steht, sich mit ihnen unterhält und eine weitere Beratung anbietet. Projekte – HaLT wurde bereits erwähnt – sollten gestärkt und weiter ausgebaut werden, nicht nur für Jugendliche, sondern auch für andere Menschen.
Dass diese Debatte in der Öffentlichkeit geführt wird, ist ein erster Schritt. Ich wünsche mir aber, dass dies nicht mit dem Tenor der saufenden Jugendlichen geschieht, sondern auch einmal die Vorbildfunktion von Erwachsenen beleuchtet wird.
Diskussionen, beispielsweise zu einem Verbot des Rauchens in der Öffentlichkeit, halten wir für falsch. Es ist ein Trugschluss zu glauben, mit solchen Maßnahmen könnten Jugendliche vom Alkoholtrinken abgehalten werden. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen werden damit aus der Öffentlichkeit – nach Hause oder in andere Räume – gedrängt und das Problem verschoben, aber nicht gelöst. Kinder und Jugendliche ihrer Freizeitaktivitäten zu berauben, halten wir für falsch.
Was ist bisher passiert? – Private Aktivitäten werden derzeit teurer, das öffentliche Angebot, beispielsweise Jugendfreizeiteinrichtungen und Bolzplätze, werden knapp. Das ist der falsche Weg.
Auch die Lösungsvorschläge der CDU-Fraktion, beispielsweise die bereits angesprochene Anhebung der Altersgrenze, halten wir für falsch. Andere Länder, in denen schärfere Regelungen, beispielsweise die USA, zeigen, dass die Jugend auch dort trinkt.
Illegalisierte Drogen wie Hasch werden von Jugendlichen auf der gesamten Welt konsumiert, und es ist doch komisch, dass es den Ländern, die die weichsten Gesetze haben, die wenigsten Probleme gibt. Darüber sollte man in diesem Haus einmal nachdenken.
Mehr Menschen müssen in die Verantwortung genommen werden. Dazu zählt auch die Wirtschaft. Profitgier führt zu immer penetranterer Werbung oder dazu, dass neue Produkte kreiert werden. Hierzu müssen deutliche Worte gesprochen werden. Es gibt eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, und letztlich kann nur darum gehen, dass alle Menschen zu einem mundigen Alkoholkonsum in der Lage sind. Dafür sind Präventionsmaßnahmen wie die von Karuna e. V. sinnvoll. Sie sollten weiter ausgebaut werden.
Gegen solche verdünnte Anträge der Koalitionsfraktionen, die den Senat auffordern, Maßnahmen umzusetzen, einzuleiten oder lediglich zu prüfen, kann man nichts haben, aber etwas konkreter hätten wir es uns schon gewünscht. Wir halten es für problematisch, dass gerade in den letzten Jahren immer mehr Orte für Kinder und Jugendliche geschlossen wurden. Damit wurden ihnen ihre Freiräume entzogen. – Vielen Dank!