Protokoll der Sitzung vom 13.03.2008

[Beifall bei der SPD]

Die Bürgerämter werden als zentrale Anlaufstellen für alle Anliegen der Bürgerinnen und Bürger entwickelt. Dort sollen in den Bezirksverwaltungen nachgefragte Dienstleistungen zusammengefasst und abschließend bearbeitet werden.

Schließlich schlägt der Gesetzentwurf vor, die Anzahl der Geschäftsbereiche – Herr Braun, Sie hatten darauf hingewiesen – von sechs auf fünf zu reduzieren. Herr Braun, Sie hatten aus der Vergangenheit aus den Fusionsbezirken gigantische Zahlen von Abteilungen genannt: 14, 21 – das waren jeweils zwei oder drei gleichlautende Abteilungen, deshalb weiß ich nicht, ob die Zahlen so ganz zutreffen. In den Bezirken, in denen es keine Fusion gab, hatten wir die Anzahl von fünf Geschäftsbereichen bereits. Ich entsinne mich an Diskussionen in meinem Heimatbezirk, dass Ratlosigkeit bestand, als diese drei Singlebezirke im Zug der Gebietsreform wieder einen sechsten Stadtrat dazubekamen, womit man den sechsten eigentlich beschäftigt. Bei dem Aufgabenkatalog, den wir inzwischen in den Bezirken haben, erscheint mir die Anzahl von fünf Stadt

räten durchaus sachgemäß. Aber ich habe am Anfang schon gesagt, dass das sicher keine absoluten Grundsatz- und Glaubensfragen sind. Das sollte man sachlich miteinander erörtern. Aus unserer Sicht spricht bisher alles dafür, die Anzahl auf fünf zu reduzieren. Ich hoffe, dass wir durch das gemeinsame Ziel, mehr Bürgerfreundlichkeit in Berlin zu entwickeln, zu einer sachlichen und dem gemeinsamen Ziel förderlichen Beratung in den Ausschüssen kommen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Kollege! – Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr der Kollege Birk. – Bitte schön, Herr Birk!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes wird es zu einer einheitlichen Ämterstruktur und einer Verkleinerung des Bezirksamts kommen. Beides sind auch programmatische Forderungen von uns, deswegen nur noch strittig in den Details der Ausführung. Dennoch haben wir Besprechungsbedarf, denn wir haben diese beiden Maßnahmen immer in einem Kontext gesehen. Wir waren bereit, den Bezirken diese beiden Forderungen abzuverlangen, dafür sollten die Bezirke aber auch etwas bekommen. Mit der einheitlichen Ämterstruktur sollte eine klare Aufgabentrennung zwischen Senat und Bezirken einhergehen und mit der Verkleinerung der Bezirksämter eine deutliche Stärkung der Bezirke. Dazu bekamen Sie aber in der rot-roten Koalition keine Einigung zustande, deswegen bleiben die Bezirke am Ende die Verlierer. Das kritisieren wir.

[Beifall bei den Grünen]

Als vor genau zehn Jahren die Bezirksfusion beschlossen wurde, gab es als Dreingabe eine Abschichtung von Aufgaben und die Abschaffung der Fachaufsicht. Dennoch ist in den letzten zehn Jahren die Entmachtung der Bezirke durch den Senat Schritt für Schritt vorangetrieben worden. Durch Auslagerungen und drastische Kürzungen stehen die Bezirke heute weit schlechter da als vor der Reform vor zehn Jahren. Mit dieser Methode haben wir im Nebeneffekt die Reformbereitschaft in den Bezirksverwaltungen systematisch zerstört. Heute müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass das neue Steuerungsmodell, vor 14 Jahren mit viel Elan gestartet, in den meisten Bezirken nicht oder nur für die Statistik umgesetzt wird. Einzig und allein die Kosten- und Leistungsrechnung wird als Vorlage für Sarrazins irreführende Vergleiche flächendeckend als Druckmittel und eben nicht als Steuerungsinstrument eingesetzt und, wenn es Sarrazin passt, doch durch kameralistische Eingriffe ausgehebelt. Als Krönung wollen Sie nun den Bezirken auch noch das versprochene politische

Bezirksamt nehmen, weil die SPD um ihre Posten fürchtet. Aber so leicht lassen wir Sie nicht davonkommen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir fordern ein neues Gesamtpaket, das nachhaltig und ohne faule Kompromisse die Bezirke stärkt. Der Aufgabenkatalog der Bezirke muss endlich gesetzlich im Anhang des AZGs festgeschrieben werden. Dazu bedarf es einer klaren Aufgabenabgrenzung zwischen Senat und Bezirken und einer Einigung darüber, wie viel gesamtstädtische Steuerung diese Stadt braucht. Der Rat der Bürgermeister muss als Gremium gestärkt werden, damit die Bezirke in die Lage versetzt werden, sich untereinander über die Qualität der zu erbringenden Leistungen zu einigen. Dann kämen wir endlich auch zu mehr Rahmenzielvereinbarungen, die über den Bereich der Bürgerdienste und Ordnungsämter hinausgehen. Das politische Bezirksamt muss kommen, damit endlich die bezirksinternen Blockaden im Allparteienkollegium ein Ende haben.

Nur noch ein paar Kritikpunkte zum vorliegenden Gesetzentwurf: Auch wenn der Rat der Bürgermeister knapp anders entschieden hat, muss doch die Frage erlaubt sein, wie sich die Verlagerung der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht zu den Ordnungsämtern mit dem Gesundheitsdienstreformgesetz vom Mai 2006 verträgt. Dort ist der gesundheitliche Verbraucherschutz als breit beschriebene Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes formuliert. Die hier vorliegenden Änderungen des Gesundheitsdienstegesetzes reichen unseres Erachtens nicht aus.

[Zuruf von Markus Pauzenberger (SPD)]

Mit dieser Regelung begräbt Frau Lompscher klammheimlich die anlässlich des Gammelfleischskandals groß angekündigten Pläne für die bezirklichen Verbraucherschutzzentren. Tja, erwischt, Frau Lompscher! Darüber sollten Sie im Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz doch noch einmal fachlich diskutieren!

Das gilt auch für die Zusammenfassung von Grünflächen, Landschaftsplanung und Tiefbau. Wir halten das nicht für eine sinnvolle Sache. Das wird nun zu Recht gemeinsam im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr und im Umweltausschuss aufgerufen.

Sie wollen die Anlauf- und Beratungsstellen der Ordnungsämter zu koordinierenden Lotsen machen und verweisen dabei im Gesetz auf die reformierte Wirtschaftsförderung. Das ist im Prinzip okay, aber ich kann hier nur wiederholen: Die bezirklichen Wirtschaftsförderungen nehmen diese Lotsenfunktion nicht wahr. Sie machen es nicht, weil sie das Personal dazu nicht haben. Wenn Sie das nicht ändern, wird es in den Anlauf- und Beratungsstellen der Ordnungsämter genauso gehen.

[Beifall bei den Grünen]

Da sind wir abschließend wieder beim Kernpunkt. Sie haben die Bezirke an den Krückstock gebracht, sodass sie nicht einmal mehr ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen

können. Stellen Sie sich endlich einer ernsthaften Diskussion über die Zukunft der Bezirke, die frei ist von Häme und Geringschätzung,

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

denn in den Bezirken werden immer noch – wenn auch erschwert – die meisten Aufgaben erbracht, über die hier auf abstrakter Ebene entschieden wird – die letzte Runde war ein gutes Beispiel dafür! In den Bezirken wird die Verwaltung für die Menschen spürbar. Die Berlinerinnen und Berliner wollen nicht nur eine einheitlich strukturierte Verwaltung, sondern auch eine gute Verwaltung. Aber bevor Sie den Slogan ausgeben können: „Sei modern, sei Service, sei Berlin!“, braucht es weit mehr als dieses Gesetz. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Birk! – Für die Linksfraktion hat jetzt Herr Dr. Zotl das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Birk! Ich denke, dass Sie völlig recht haben,

[Beifall von Jasenka Villbrandt (Grüne)]

dass das Verhältnis Landesebene und Bezirksebene einer grundsätzlichen Klärung, Debatte, Untersuchung usw. bedarf. Aber das hat mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes nur etwas zu tun, weil es hier um bestimmte Veränderungen im Bezirk geht. Über dieses Gesetz sind diese Diskussionen nicht zu führen. Die werden aber geführt, und wir werden sie auch führen müssen. Da gibt es viele Vorbereitungen und Positionen.

Wir sollten uns auf das Gesetz konzentrieren. Dieses Gesetz zerfällt, wenn man es genau betrachtet, in zwei Teile. Das ist die Festlegung über die einheitliche Ämterstruktur. Das sind einige wenige Änderungen, Präzisierungen von Regelungen im Bezirksverwaltungsgesetz, vor allen Dingen im Artikel 37, die durch das Vierte Verwaltungsreformgesetz ein Gemeinschaftsprojekt von mehreren Fraktionen aus diesem Haus in das Bezirksverwaltungsgesetz hineingekommen sind. Mit diesen beiden Teilen müssen wir meines Erachtens auch gesondert umgehen.

Zur Ämterstruktur schließe ich mich im Wesentlichen dem an, was der Kollege Kleineidam gesagt hat. Völlig unabhängig, ob wir mit dem Sinn einer einheitlichen Ämterstruktur einverstanden sind, müssen wir doch sagen, hier ist nichts, aber auch gar nichts von oben hineingetragen und erzwungen worden. Die Idee, die Ämter einheitlich zu strukturieren, wurde im Rat der Bürgermeister als Idee diskutiert, damals noch ohne jegliche Konsequenz. Ich war an vielen Diskussionen mit Bürgermeistern und Stadträten dabei. Alle haben gesagt, ja, das ist eine ganz

vernünftige Idee. So ist sie überhaupt erst einmal entwickelt worden. Hier gibt es also einen Konsens schon bei der Begründung dieser Idee.

Es gab einen weiteren Konsens, der darin bestand: Wenn wir eine einheitliche Ämterstruktur einführen – so haben wir es ja auch in die Koalitionsvereinbarungen geschrieben –, bitten wir diejenigen, die damit arbeiten müssen, mit der jetzigen wie der zukünftigen Verwaltung, einen Vorschlag zu machen. Das ist der Rat der Bürgermeister. Ich habe viele Kolleginnen und Kollegen aus den Bezirken kennengelernt, die bezweifelt haben, dass er das schafft. Aber er hat es mit einer sehr intensiven Arbeit geschafft. Viele Kolleginnen und Kollegen aus den Bezirken haben lieb gewordene Gewohnheiten überwunden und haben sich im Interesse einer stadtweiten Struktur zurückgenommen.

Das betrifft auch die beiden von Ihnen angesprochenen Konflikte – beide schwelen noch weiter –: die Frage, wohin die Veterinär- und Lebensmittelaufsicht gehört, ob sie eine Verbraucherschutzaufgabe oder eher eine ordnungspolitische Aufgabe ist.

[Beifall von Markus Pauzenberger (SPD)]

Das betrifft auch die Tiefbau- und Grünflächenämter. Jetzt sind wir an dem Punkt – das finde ich ausgesprochen demokratisch –, dass der Senat gesagt hat: Wenn sich der Rat der Bürgermeister in intensiven Debatten geeinigt hat, dann kommen nicht wir und mäkeln dazwischen und bringen noch unsere Vorstellungen hinein, dann übernehmen wir diese Entscheidung eins zu eins. Ich erkläre hier für meine Fraktion, dass das auch unser Standpunkt ist. Diejenigen, die damit arbeiten müssen, haben einen Vorschlag erarbeitet, und diesen Vorschlag sollen sie realisieren. Da steht es uns nicht an, noch irgendwelche Bedenken hinzuzufügen.

Wir sind im vergangenen Jahr in allen Bezirken gewesen, bis auf den Bezirk Reinickendorf, in dem niemand Zeit für uns hatte. Wir haben keinen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und keinen der Stadträte getroffen – auch nicht diejenigen, die z. B. zur Veterinär- und Lebensmittelaufsicht eine andere Auffassung vertraten –, die gesagt hätten: Das wollen wir noch einmal verändern. Alle haben gesagt, dass die Einigung im Rat der Bürgermeister ein solch eigenständiger Wert sei, dass er nicht durch andere Auffassungen unterlaufen werden dürfe.

Zum zweiten Teil möchte ich folgendes bemerken: Hier gibt es nicht nur an einer Stelle Beratungsbedarf. Wir sind der Auffassung, dass die irritierende Formulierung über die Bürgerämter nicht ausgeräumt ist. Aus den Bezirken gibt es dazu etliche Bemerkungen, dass die Formulierungen zu den Bürgerämtern den Eindruck erwecken würden, als würde das Bürgeramt das gesamte Bezirksamt ersetzen. Hier, bei dem Gesetz, das wir als Fraktionen erarbeitet haben, gibt es noch einmal Beratungsbedarf.

Die Formulierung schreibt fest, dass derjenige, der eine Leistung des Bürgeramts in Anspruch nehmen möchte,

zum Amt gehen muss. Das stimmt aber nicht mehr. Wir haben mobile Bürgerämter, wir haben elektronische Dienstleistungen, wir haben telefonische Dienstleistungen. Weil dahinter ein Grundsatzproblem steht, muss das reflektiert werden, auch in Gesetzesformulierungen. Wir haben eine Reihe von Bezirken, die der Auffassung sind, dass die elektronischen Dienstleistungen ein Extra, etwas Zusätzliches sind. Es ist aber eine normale Gleichberechtigung. Nur, wenn wir das in das Gesetz hineinschreiben, dann kann es möglich sein, dass ein unrentables stationäres Bürgeramt durch mobile Bürgerämter ersetzt werden kann.

Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege?

Ja, ich komme zum Schluss! – Das Letzte ist die Zuordnung und die Aufzählung der Beauftragten. Hier ist meines Erachtens ein Rückfall in das, was wir nicht wollten, zu konstatieren, weshalb wir das vierte Verwaltungsreformgesetz gemacht haben. Es werden Beauftragte genannt, dann wird hinzugefügt, dass sie bis auf zwei Ausnahmen bei den Dezernenten angesiedelt werden.

Herr Kollege! – Bitte kommen Sie zum Schluss!

Darüber wollen wir diskutieren, ob wir nicht zu der alten Regelung zurückkommen können, dass es die Bezirke selbst entscheiden. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Michael Müller (SPD)]

Danke schön, Herr Kollege! – Das Wort für die FDP Fraktion hat nun Herr Kollege Schmidt. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus Sicht der Fraktion der FDP geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung. Es ist ein notwendiger Schritt. Die FDP Fraktion hat schon lange einheitliche Ämterstrukturen gefördert, so wie die Grünen auch, denn nur so haben die Bürger und die Unternehmen einen unkomplizierten, klaren Zugang zu den Dienstleistungen der Verwaltungen.

Es kann nicht sein, dass der Bürger, der nach der Genehmigungsstelle für seinen Fahrradständer, sein Schild, seinen Parkplatz sucht, erst einmal in jedem Bezirk herausfinden muss, wie das Amt überhaupt heißt, das für ihn zuständig ist. Nein, die Ämter sollen gleich heißen, damit jeder Bürger weiß, an wen er sich wenden soll. Dass diese

unzumutbare Unübersichtlichkeit beendet wird, ist eine gute Absicht.

[Beifall bei der FDP]

Es gibt jedoch auch einige Schönheitsfehler. Bei dem ersten bin ich fast umgefallen. Da steht: Umsetzung erst in der 17. Wahlperiode. Also, wenn die Koalition so lange hält, frühestens im Jahr 2011. Das kann doch wirklich nicht Ihr Ernst sein! Der Senat hat jahrelang mit den Bürgermeistern über die Ämterstruktur gerungen. Es gibt seit Jahren einheitliche Ämterstrukturvorschläge. Dass das Ganze jetzt noch einmal über mehrere Jahre verzögert wird, das lässt an der Absicht des Senats zweifeln, es umsetzen zu wollen. Noch skeptischer bin ich, ob der Rat der Bürgermeister es umsetzen will, denn er hat Ihnen diesen Termin eingeredet. Dann ist der Senat dann bedauerlicherweise eingeknickt. Ich habe den Eindruck, dass hier die Einstellung vorherrscht: Lassen wir doch alles erst einmal so, wie es ist. Im Jahr 2011 sehen wir dann, ob wir nicht doch wieder alles zurückdrehen können.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie, lieber Senat, die Bezirksreform wirklich durchziehen wollen, dann müssen Sie das jetzt tun und können es nicht um mehrere Jahre vertagen.