Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Eichstädt-Bohlig! Ihre erste Frage suggeriert, dass wir keine realistische Planung und diese auch noch nicht vorgelegt haben. Sie ist vorgelegt worden und ist auch realistisch, sowohl im Kosten- als auch im Zeitrahmen. Es gibt keine neuen Erkenntnisse.

Wir wissen, dass die Eröffnung des BBI am 1. November des Jahres 2011 ein ambitioniertes Ziel ist. Es ist aber auch ein realistisches Ziel. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Erkenntnisse, dass dieses nicht eingehalten werden kann. Auch beim Kostenplan bewegen wir uns bei dem jetzt vorgenommenen Vergaben in diesem Kostenrahmen. Wir haben ein sehr starkes und intensives Controllingsystem installiert, damit auch jederzeit überprüft werden kann, ob dieser Kostenrahmen nicht gehalten werden kann. Wir haben in den meisten Vergaben unterhalb des geschätzten Kostenvolumens vergeben.

Ich bin bei solch großen Projekten immer auch etwas vorsichtig. Wir wissen, dass es Nachforderungen geben kann.

Abgerechnet wird am Schluss. Was aber bis heute beauftragt worden ist, bewegt sich alles im Kostenrahmen. Es kann bei dem einen oder anderen Teilbereich eine Überschreitung gegeben haben. Es hat aber in den meisten Fällen eine deutliche Unterschreitung gegeben, sodass sich das insgesamt mehr als ausgleicht.

Ich bin auch bei der bevorstehenden Vergabe der Einzellose zum Terminal – darüber wurde in der Vergangenheit debattiert – durchaus verhalten optimistisch, sodass ich glaube, auch dort in dem Kostenplan zu liegen. Das werden wir aber auch bald wissen.

Ich komme nun zur zweiten Fragestellung. Hier ging es um die Bahnanbindung. Das ist ein neuralgischer Punkt. Wir wissen, dass das Planfeststellungsverfahren zur Dresdener Bahn noch nicht abgeschlossen ist. Das bedeutet, selbst wenn dort alles gut gehen sollte und dort kein Baustopp durch zu erwartende Klagen durch Entscheidung der Gerichte eintritt, vor allem in dem Bereich Dresdener Bahn in Lichtenrade, wo Klagen zu erwarten sind, diese aber abschlägig beschieden werden, realistischerweise heute nicht damit zu rechnen ist, dass pünktlich zur Eröffnung des BBI die Dresdener Bahn fertig wird. Die Bürgerinitiative hat sich bislang vergeblich dafür eingesetzt, eine vernünftige, bürgerfreundliche Lösung mit dem Tunnel zu schaffen; Klagen sind zu erwarten. Frühestens wird die Eröffnung der Dresdener Bahn – der best case aus meiner Sicht – 2014 sein.

Das bedeutet, dass die ursprüngliche Anbindung, wie sie über die Dresdener Bahn geplant war, in dieser Form nicht durchgeführt werden kann. Deshalb sind wir seit geraumer Zeit dabei, mit den Verkehrsverwaltungen in Berlin und Brandenburg, mit dem Eisenbahnbundesamt, mit der Deutschen Bahn AG, mit der Flughafengesellschaft nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, um diese Situation im Sinne der guten Anbindung für die Passagiere des Flughafens zu verwirklichen.

Abhängig ist eine zwischenzeitlich optimale Lösung davon, ob das Planfeststellungsverfahren zur Ostanbindung rechtzeitig fertig wird. Hier sagen uns die Experten, dass das noch bis 2011 möglich ist. Das wäre eine wesentliche Entlastung und bessere Möglichkeit, mit Teilbereichen über die Anhalter Bahn und über die Ostanbindung eine vernünftige Flughafenanbindung sicherzustellen. Da dieses auch noch nicht planfestgestellt ist, sondern hoffentlich in diesem Jahr noch geschieht, kann ich Ihnen heute nicht definitiv erklären, dass die Ostanbindung zur Eröffnung des Flughafens Berlin-Brandenburg International Ende des Jahres 2011 fertiggestellt sein wird.

Dementsprechend haben die Fachleute aus allen Verwaltungen und allen Behörden mit der Bahn überprüft, welche Möglichkeiten vorhanden sind. Experten haben auch überlegt, ob man Verkehr verlagern kann. Dort gibt es aber Beschränkungen aus der Situation des internationalen Güterverkehrs, des Fernverkehrs, des Regionalverkehrs. Dementsprechend gibt es technische Limitierungen. Das

Ostkreuz wird auch ausgebaut und wird Behinderungen durch die Baumaßnahmen mit sich bringen, weil die Strecke nicht dauernd zur Verfügung steht.

Wir sind dabei – und haben uns letztens im Projektausschuss den Bericht geben lassen –, diese Fragen zu optimieren. Wenn es die Ostanbindung gibt, ist eine nicht ideale Situation vorhanden – diese gäbe es nur mit der Dresdener Bahn –, aber eine erträgliche Situation, die auch für den Übergangszeitraum bis zur Fertigstellung der Dresdener Bahn eine gute Anbindung auch des BBI ermöglicht. Sollte die Ostanbindung nicht fertig werden, ist unter den Gegebenheiten die Lage suboptimal.

Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage von Frau Eichstädt-Bohlig. – Bitte schön!

Zum ersten Teil Ihrer Antwort habe ich die Frage, ob Sie nicht meinen, dass die soeben erteilte Antwort doch sehr illusionär sein wird, wenn die Ergebnisse der neuen Ausschreibung vorliegen, sowohl die Zeit als auch die Kosten betreffend.

Zu dem wichtigsten Teil, dem zweiten, haben Sie mit sehr vielen Wenns und Abers geantwortet. Wäre es nicht sinnvoll, dass der Senat die zeitliche Verzögerung, die bei der Schienenanbindung von BBI entstehen wird, nutzte, um das Konzept des Flughafenshuttles grundsätzlich zu überarbeiten und stattdessen vor allem das IGEB-Konzept einer Durchbindung von Regionallinien zum Flughafen zu prüfen?

Bitte, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Frau Eichstädt-Bohlig! Zu Ihrer letzten Bemerkung: Mir ist nicht bekannt, dass hier eine veränderte Planung durchgeführt werden soll. Ich gehe davon aus, dass es geprüft und verworfen worden ist. Aber mit den Fachpolitikern kann sicherlich noch ein Dialog geführt werden, ob eine Optimierung möglich ist. Man sollte sich hier kein Denkverbot auferlegen. Soweit mir bekannt ist, wird das aber nicht als realistische Alternative gesehen.

Zu Ihrer ersten Bemerkung: Geben Sie mir ein bisschen Zeit, dann kann ich Ihnen sagen, wie die Vergaben der sieben Lose waren, vor allen Dingen des Rohbaus. Wir haben ausgeschrieben. Es liegen Angebote vor. Ich kann darüber jetzt noch nicht berichten, denn es ist noch nicht zu einer Vergabe gekommen. Ich habe Ihnen vorhin eine Einschätzung gegeben.

Ich bitte um eins – das gehört zur Seriosität, auch da gibt es eine Verantwortung für alle: Ich kann alles infrage stellen. Ich kann infrage stellen, dass heute Donnerstag ist und wir uns im Berliner Abgeordnetenhaus befinden. Wer will, kann immer erst einmal eine Diskussion mit mir führen und prüfen, ob ich ganz danebenliege. Aber es gibt – das kann ich Ihnen ruhigen Gewissens sagen – keine Erkenntnisse darüber, dass wir sowohl zeitlich als auch finanziell aus dem Ruder laufen. Ich sage das in dem Bewusstsein, dass alles transparent sein wird. Ich habe selbst kein Interesse, mir Illusionen zu machen. Unsere Politik wird von der Herausforderung getragen, dieses Rieseninfrastrukturprojekt in öffentlicher Trägerschaft durchzuführen, und zwar so, dass es im Kosten- und Zeitrahmen bleibt, und nicht, wie man es sonst von Großprojekten der öffentlichen Hand kennt, dass die Kosten sich verdoppeln. Es gibt aber Situationen, die auch wir nicht vorhersehen oder beherrschen können. Ich weiß nicht, ob sich noch eine Naturkatastrophe ereignet. Ich kann nicht sagen, was noch im Kostenbereich passiert – Sie haben das beim Transrapid in München gesehen. Ich kann Ihnen nur den Kenntnisstand vermitteln, den ich heute habe. Beim Controlling und bei der Wirtschaftsprüfung hat sich gezeigt, dass wir uns im Kostenrahmen befinden. Darauf bin ich stolz. Ich bitte darum, Frau Eichstädt-Bohlig, nicht in die Phalanx derjenigen einzuschwenken, die ein Interesse daran haben, dass dieses Ding nicht funktioniert. Wir haben ein Interesse daran, dass es gelingt. Und es gelingt nur dann – auch im Hinblick auf die Ansiedelung von neuen Fluglinien –, wenn wir dieses Projekt nicht dauernd selbst infrage stellen und Krisenszenarien herbeireden, die sich noch gar nicht abzeichnen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das soll nicht bedeuten, dass jemand seinen kritischen Verstand ausschalten soll, Frau Eichstädt-Bohlig!

[Zurufe von den Grünen]

Ich habe Ihnen gesagt, dass es ein ambitionierter Zeitplan ist. Aber es gibt keinen Grund, ihn heute infrage zu stellen. Wir beide sind – anders als andere – dafür, dass der Flughafen BBI gebaut wird, und wir instrumentalisieren in der aktuellen Debatte über andere Flughäfen in Berlin den BBI nicht, um ein anderes Ergebnis beim Flughafen Tempelhof herbeizuführen. Bitte bleiben Sie in dieser Solidarität, Frau Eichstädt-Bohlig!

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Kümmern Sie sich um solides Management!]

Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Goetze. Er hat das Wort.

Herr Wowereit! Zu einer soliden Planung gehört auch eine solide Finanzierung. Welches Gesamtfinanzierungsvolumen haben Sie für den Flughafen BBI vorgesehen? Sind inzwischen die notwendigen Kreditfinanzierungen unter

schrieben, bzw. haben Sie ein Konsortium ausgewählt, das die Finanzierung sicherstellen wird? Wann ist mit einem Abschluss der Verhandlungen zu rechnen?

Herr Regierender Bürgermeister – bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Die Planungen der Flughafengesellschaft sehen vor, dass die Verhandlungen mit den Banken, die ausgesucht worden sind – es ist in der Tat ein Konsortium von internationalen Banken –, in den nächsten drei Monaten abgeschlossen werden sollen. Die Überprüfungen der Kostenansätze sind bereits weitestgehend beendet. Aufgrund der internationalen Bankensituation haben sich allerdings Veränderungen bei der Geschäftspolitik von Banken ergeben. Zurzeit sind wir in der Lage, die Kosten, die verursacht werden, mit dem Zwischenkredit, den Eigenmitteln und den Gesellschaftermitteln, die pro Jahr eingespeist werden, zu decken. Ich habe ein großes Interesse daran – und die Flughafengesellschaft auch –, dass wir den Financial Close zügig durchführen und den Kreditvertrag abschließen.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Jetzt geht es weiter mit der Anfrage Nr. 5 des Kollegen Lehmann von der Fraktion der FDP zu dem Thema

Aufbruch zu einer liberalen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in Berlin?

Bitte schön, Herr Lehmann!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich frage den Senat: Lässt der Finanzsenator seinen Äußerungen in der „Wirtschaftswoche“ in Bezug auf den rigiden Kündigungsschutz oder den faktisch bestehenden Mindestlohn durch das Arbeitslosengeld II konkrete Initiativen folgen, um das Arbeits- und Sozialrecht liberaler zu gestalten?

Danke schön! – Für den Senat antwortet der Finanzsenator. – Bitte schön, Herr Dr. Sarrazin!

Vielen Dank! – Herr Abgeordneter Lehmann! Wenn jede öffentliche Äußerung – sei sie falsch oder richtig – in die eine oder andere Richtung, von wem auch immer, sofort zu Gesetzesinitiativen führte,

[Lars Oberg (SPD): Um Gottes willen!]

wäre Deutschland auf allen Ebenen handlungsunfähig,

[Beifall bei der SPD]

sowohl auf der Ebene des Abgeordnetenhauses als auch des Bayerischen Landtages als auch des Bundestages. Ich gebe ein aktuelles Beispiel: Aus der CSU kommen gegenwärtig Forderungen, bei der Rente den sogenannten Riester-Faktor abzuschaffen, immerhin von einem Bundesminister Seehofer und einem Abgeordneten Ramsauer, dem Sprecher der CSU-Landesgruppe, geäußert. Niemand fordert oder erwartet, dass die CSU jetzt eine Gesetzesinitiative startet. Es handelt sich um eine politische Äußerung im Rahmen einer weiteren Diskussion, die in diesem Sinne richtig eingeordnet wird.

Wenn Sie mein Interview in der „Wirtschaftswoche“ lesen, sehen Sie, dass es sich um Zusammenhänge auf der Bundesebene handelt. Es geht darum, weshalb der Bundeshaushalt seit vielen Jahren – unabhängig davon, wer gerade Finanzminister ist oder wer regiert – dauerhafte Probleme hat. Meine Äußerungen waren analytisch und enthielten keine Forderungen. Ich verweise dazu auf den gestern erschienenen Länderbericht der OECD, der zu einer ähnlichen Analyse kommt.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Lehmann! – Bitte schön!

Danke schön! – Dann frage ich noch dezidierter nach: Was sollte Ihrer Ansicht nach geschehen, um das von Ihnen im Interview beschriebene Kardinalproblem zu beheben, dass durch das Hartz-IV-Niveau bereits eine Art Arbeitsanreize hemmender Mindestlohn besteht?

Herr Senator Dr. Sarrazin – bitte!

Wenn Sie sich das Thema international anschauen und so unterschiedliche Staaten nehmen wie Dänemark, Schweden, Holland, die Schweiz, die USA oder Kanada, dann sehen Sie, dass sich überall die Frage stellt, wie ich ein vernünftiges soziales Mindestniveau so mit Arbeitsanreizen verbinde, dass einerseits alle Menschen menschenwürdig existieren können, auch keinen Hunger und keine Not leiden, andererseits jedoch der Arbeitsmarkt möglichst gut ausgeschöpft wird. Die OECD hat gerade in ihrem aktuellen Bericht, den ich auch erst gestern bekam, darauf hingewiesen, dass wir eine besonders niedrige Arbeitsmarktausschöpfung haben. Diese führt nicht nur zu hoher Arbeitslosigkeit, sondern auch zu dem Paradox, dass wir ein deutlich niedrigeres Sozialprodukt als zum Beispiel die Schweiz haben, obwohl man das von den Umständen her nicht vermuten sollte.

Wo weniger gearbeitet wird, werden weniger Werte geschaffen und da ist auch weniger zu verteilen. Damit muss man sich immer wieder auseinandersetzen und schauen, dass man in der Analyse nicht in Sackgassen kommt. Das Problem mit solchen Analysen ist, dass ich, wenn ich von der einen Seite her etwas angehe, zu einem Ergebnis komme, gehe ich von der anderen, komme ich zu einem ganz anderen Ergebnis, von einer dritten Seite wieder zu einem anderen. Sowohl in der Wissenschaft wie in der Politik ist es notwendig, diese Dinge abzuwägen, wobei es die Wissenschaft dabei zugegeben leichter hat als die Politik.

[Dr. Frank Steffel (CDU): Können Sie das noch einmal erklären?]

Danke schön, Herr Dr. Sarrazin! – Nachfragen haben wir nicht.

Dann kommen wir zur nächsten Frage, der Frage Nr. 6 des Kollege Lars Oberg von der SPD zum Thema

Schulhelferinnen und Schulhelfer im Regelunterricht

Bitte schön, Herr Oberg, Sie haben das Wort!