Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Melzer! Es ist immer wieder erstaunlich, wie man sich die Wahrheit hindrehen kann, wenn man offensichtlich nur ganz wenige Aspekte darstellt und dann mit an der Realität vorbeigehenden Feststellungen und Behauptungen auftritt. Ich werde dies gleich noch aufzeigen.

Herr Melzer! Sie werden sich im Nachhinein entschuldigen müssen für die Rede, die Sie soeben gehalten haben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Gelächter von Michael Schäfer (Grüne): ]

Herr Schäfer! Sie sollten nicht so laut lachen, denn Ihre Fraktion hat bei diesen Anträgen alles, aber keine glückliche Figur gemacht.

[Michael Schäfer (Grüne): Mit unglücklichen Figuren kennen Sie sich ja aus!]

Sie haben sich einspannen lassen – traurig für eine Grünen-Fraktion.

Zunächst ein Satz zum Grundsätzlichen: Dass es auch uns, den Koalitionsfraktionen, um die Umwelt und mittelstandsfreundliche Vergabe geht, ist kein Lippenbekenntnis, sondern Realität. Das können Sie nachlesen – ich habe den Nahverkehrsplan 2006 bis 2009 des Landes Berlin mitgebracht. Im Gegensatz zu Ihnen und anderen Landesregierungen können Sie hier seitenweise genaue Fahrleistungen nach Schadstoffklassen nachlesen. Sie sind verbindlich aufgeführt. Suchen Sie das einmal in CDU-geführten Bundesländern – es gibt sie nicht! So etwas gibt es nur in Berlin!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der kombinierte Antrag von CDU und Grünen – man glaubt nicht, dass sich die Grünen dafür hergeben:

[Michael Schäfer (Grüne): Das sind zwei Anträge!]

„Rückkauf von Erdgasbussen eines Privatunternehmens zum Buchwert“. Zunächst zu den Erdgasbussen. Dass Erdgasbusse umweltfreundliche Busse sind, ist unbestritten. Dass Sie jedoch fordern, dass die BVG Busse zurückkaufen soll, die sie fristgemäß gekündigt hat – was den Betrieb bei der Fremdvergabequote angeht –: Hier handelt es sich um reine Marktwirtschaft.

[Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Die haben Jahresverträge!]

Bei Tempelhof darf alles vollgerußt werden, da sind Lärm und Abgase kein Problem,

[Beifall bei der SPD]

aber hier fällt Ihnen, Herr Melzer, plötzlich die Nachhaltigkeit ein. Dieses Wort haben Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben in den Mund genommen! Es ist wirklich peinlich, dass die CDU, von der FDP unterstützt, einen Antrag stellt, dass die BVG die Busse zum Buchwert zurückkaufen soll. Wir haben darüber im Ausschuss gesprochen: Wenn überhaupt, darf es nur der Zeitwert sein, das heißt, wie der Bus am Markt zu verkaufen ist.

Sie sagen immer, wir sollen mehr Marktwirtschaft auch in landeseigene Unternehmen bringen. Hier wollen Sie – die FDP mit den Grünen und der CDU – jedoch staatsdirigistisch vorschreiben. Was ist das für ein marktwirtschaftliches Verständnis? Sie haben es offensichtlich nicht verstanden. Es geht Ihnen um zwei große Dinge: Erstens geht es um die Zerschlagung des Berliner öffentlichen Nahverkehrsunternehmens BVG. Das steht dahinter. Stehen Sie doch dazu! Sie tun es nicht!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Bei der FDP ist das klar, aber bei der CDU? Dass Sie es über die Fremdvergabequote und andere Punkte machen, ist abstrus.

Nun zu den Technologievorgaben: Wieso müssen wir irgendwelchen Unternehmen, ob der BVG oder anderen, vorschreiben, ob sie erdgas-, diesel- oder solarbetriebene

Busse als neueste Technologie kaufen? Seit wann geben wir solche Dinge einem Landesverkehrsunternehmen vor? Auch Ihr Verständnis, wie es laufen soll. Wir sagen dazu: Nein!

Herr Melzer! Es bleibt letztlich eine große Frage, wieso Sie das Wort „nachhaltig“ erstmals in Ihrem Leben ein Stück vorgebracht haben, vermeintlicherweise mit diesem Antrag. Sie haben nicht begriffen: Es wird mehr Geld kosten, und wenn Sie von Arbeitsplätzen reden, frage ich: Ist Ihnen klar, dass die Leute, die bei der BVG angestellt sind, herumsitzen müssten, wenn wir nach Ihrem Antrag mit Fremdvergabequote arbeiten würden?

[Zurufe von Joachim Esser (Grüne)]

Da würden angestellte Mitarbeiter der BVG auf Antrag der CDU Däumchen drehen! Das wäre Geldverschwendung à la CDU, FDP und Grüne im Berliner Parlament.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Melzer?

Nein! – Die Zeit ist leider schon ziemlich knapp.

Herr Melzer! Eine Kardinalfrage müssen Sie sich gefallen lassen: Das erste Mal entdecken Sie die Nachhaltigkeit, formulieren hier einen Antrag, bei dem man sich fragt, wie er überhaupt entstehen konnte. Es ist schon merkwürdig, dass Sie durch Ihren Antrag mit Ihrem ehemaligen Spitzenkandidaten für einen Spandauer Wahlkreis, Herrn Schulze von Haru, offensichtlich nur ein Unternehmen begünstigen wollen. Denn dieser Antrag zielt auf ein einziges privates Unternehmen, bei dem Busse zum Buchwert zurückgekauft werden sollen. Sie wollen die Wahrheit nicht hören. Es steht in Ihrem gemeinsamen Antrag immer noch das Wort „Buchwert“.

[Michael Schäfer (Grüne): Der Antrag zielt auf CO2-Reduzierung!]

Dass Sie so etwas machen wollen, ist nicht nur gemeingefährlich, Sie versündigen sich am öffentlichen Personennahverkehr in Berlin, am öffentlichen Unternehmen BVG. Das werden wir nicht zulassen, weder jetzt, noch in Zukunft. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Melzer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Buchholz! Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob aus Ihnen ideologische Verblendung oder schlicht die Weigerung, verstehen zu wollen, spricht. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Höchstwahrscheinlich ist es bei Ihnen eine üble Kombination von beidem.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich bin einerseits sehr froh darüber, dass Sie nicht beurteilen, welches Wort ich in meinem Leben zum ersten oder wievielten Mal benutze, denn das heißt ja nur, dass ich dankenswerterweise mein Leben nicht die ganze Zeit mit Ihnen verbringen muss.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Andererseits zum Thema, welche Antriebsform ökologisch oder weniger ökologisch ist: Sie sagten, alle BVGBusse seien so toll ausgestattet. Das ist völliger Quatsch. In der Beantwortung des Senats auf eine Kleine Anfrage wurde gesagt, dass 124 BVG-Busse noch nicht einmal die Norm der Berliner Umweltzone erfüllen. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Erdgasbusse erfüllen die Norm nun einmal. Es ist doch nicht vermessen zu sagen, dass diese Technik ein wenig umweltfreundlicher und klimaschonender ist als die alten Dieselstinker, die jetzt wieder auf den Linien fahren.

Herr Buchholz! Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu. Dabei wird auch klar, was Ihre Kernmotivation ist, wenn Sie einen Antrag nicht verstehen wollen, wenn Sie der Fraktion der Grünen und den Fraktion der CDU und FDP Vorwürfe machen, weil sie so dreist gewesen seien mitzustimmen. Es geht Ihnen letztlich um die Frage, was wichtiger ist: Problemlösungsstrategien für die Stadt oder die eigene Partei.

[Daniel Buchholz (SPD): Das sagt der Richtige!]

Wenn ich mich entscheiden muss, geht der CDU-Fraktion und mir das Land vor. Bei Ihnen scheint das anders zu sein. So wie Ihr Menschenbild ein anderes ist, geht Ihnen eben auch die Partei immer vor. Jeder Unternehmer und jeder Bürger hat das Recht, Mitglied einer Partei zu sein. Das ist die eine Seite. Deswegen muss ich aber noch lange nicht mit ihm einer Meinung sein und ihm nach dem Mund reden.

Hätten Sie zugehört, dann hätten Sie verstanden, dass es nicht nur um ein Unternehmen geht, das eine Kündigung bekommen hat, und wir auch nicht nur von einem Unternehmen reden. Es geht insgesamt um vier Unternehmen mit mehr als 100 Arbeitsplätzen, die abgebaut werden müssen, weil der Auftrag nicht mehr vorhanden ist. Das tun Sie lapidar ab. Das ist Ihnen egal. Das ist Ihnen nicht so wichtig. Sie versuchen, darüber den Deckmantel der Parteienpolitik zu werfen. Damit sind Sie grandios gescheitert. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Leider muss ich abschließend auch feststellen, dass Sie das gesamte Problem nicht verstanden haben. Deswegen können Sie sich auch nicht an einer Lösung beteiligen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)]

Vielen Dank! – Das Wort zur Erwiderung hat der Abgeordnete Buchholz. – Bitte!

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Im Gegensatz zu Herrn Melzer habe ich meinen Wahlkreis direkt gewonnen, Herr Czaja. So viel Zeit muss sein. Dieser Unterschied besteht zwischen uns beiden.

[Beifall bei der SPD]

Meine Damen und Herren! Es gibt zwei große Fragen, die beantwortet werden müssen. Erstens: Was sind Verträge wert, die man mit einem landeseigenen Unternehmen, hier der BVG, geschlossen hat oder die die BVG mit einem Subunternehmer geschlossen hat? Diese Frage haben Sie nicht beantwortet, Herr Melzer. Sie sind darauf nicht eingegangen. Wie soll die BVG mit dem Personal umgehen, das dann herumsitzt? Haben Sie darauf eine Antwort? Sie bringen das Arbeitsplatzargument eines Privaten und vergessen dabei, dass die BVG genug Busfahrer hat. Was ist Ihre Antwort darauf? Wollen Sie die rauswerfen?

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Sie haben leider nichts dazu gesagt. Uns fehlt ein klares Wort der CDU, das wir den Betroffenen mitteilen können. Dazu kam von Ihrer Seite nichts. Sie haben darauf auch keine Antwort.

Was ist, wenn ein Vertrag ausläuft und fristgemäß gekündigt wird? Ist das für Sie ein Vertragsbruch? Ja oder nein? Wie stehen Sie zum Berliner Nahverkehrsvertrag, den ich eben schon einmal hochgehalten habe? Es sind über 100 Seiten, auf denen ganz detailliert festgelegt wurde, welche Routen zu befahren sind, welche Busse, Fähren und Bahnen fahren sollen und welche ökologischen Standards einzuhalten sind. Die werden immer weiter und ziemlich scharf erhöht. Das wissen Sie genauso gut wie ich, Herr Melzer. Aber als wir das im Parlament besprochen haben, waren Sie und Ihre Fraktion komischerweise gar nicht an der Diskussion beteiligt. Die Ökokriterien bei Bussen haben Sie gar nicht interessiert. Warum ist das jetzt plötzlich anders? Es soll keinen Zusammenhang dazu geben, dass Sie die eine Firma etwas besser kennen? Wem wollen Sie das erzählen? Im Parlament von Berlin sitzen erwachsene Leute, und auch die Bürgerinnen und Bürger verstehen sehr gut, warum seltsamerweise ein von Ihnen und nicht von Ihrem umweltpolitischen Sprecher unterschriebener Antrag ins Parlament kam. Sie ganz persönlich haben das zu verantworten, Herr Melzer. Stehen

Sie dazu, dass Sie sich instrumentalisieren lassen! Das tun Sie aber nicht.