Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

hoffen und wünschen im Interesse Berlins, dass Sie und die rot-rote Koalition endlich einsichtig werden und lernen, sich den Aufgaben und den großen Problemen, die Berlin hat, endlich ernsthaft zu stellen. Das ist die Aufgabe der Stunde und der nächsten Jahre. Diese Aufgaben sind groß und schwierig genug, und sie haben es verdient, ernsthaft angegangen zu werden.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön, Frau Eichstädt-Bohlig! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat nunmehr der Vorsitzende Herr Dr. Lindner. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Ich hatte auch eine solche Rede vorbereitet, in der alle möglichen Themen von Tempelhof bis zur Einheitsschule und Schindhelm sowie weitere Grausamkeiten enthalten waren. Diese habe ich weggeworfen,

[Anhaltender Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

weil ich glaube, dass erst die Auseinandersetzung mit einer Regierungserklärung die richtige Gelegenheit ist, sich mit diesen scheußlichen Themen zu beschäftigen.

Heute sollten wir uns mit Ihnen persönlich, mit dem Kandidaten selbst befassen. Sie sind ja kein Unbekannter. Sie haben bereits fünf Jahre Kostproben Ihrer Schaffenskraft abgeliefert.

[Beifall bei der CDU]

Und, Herr Abgeordneter Wowereit, ich fand das nicht durchgängig schlecht. Das muss man an der Stelle ganz klar sagen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das kann jetzt wieder Ihr Parteichef für Ihren nächsten Werbespot aufzeichnen. Das ist Ihre Art.

[Heiterkeit]

Aber ich sage Ihnen noch einmal: Es war nicht durchgängig schlecht. Sie hatten positive Überraschungen.

Der Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag war anerkennenswert. Ich weiß, dass es extrem hart ist, sich mit eigener Klientel, mit eigenen Unterstützungsgruppen – noch dazu als Verdi-Mitglied – auseinanderzusetzen.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Woher wissen Sie das?]

Das ist anerkennenswert, und da haben Sie gezeigt, zu was Sie imstande sind, wenn Sie wollen und wenn Sie die richtige Unterstützung haben.

[Beifall bei der FDP]

Ich glaube übrigens auch, dass Ihre persönliche Entwicklung – jetzt im Blick auf Berlin – positiv zu bewerten ist. Berlin ist eine bunte Stadt, und da sollte auch der Bürgermeister – ich möchte jetzt nicht sagen: ein bunter Vogel – zumindest kein langweiliger Aktenfresser sein.

[Heiterkeit]

Deswegen sage ich Ihnen ganz persönlich: Das ist auch nicht schlecht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ihre anfängliche Unernsthaftigkeit haben Sie in den Griff gekriegt, und Sie sind zum Schluss – Thema Hauptstadtklausel und anderes – in einer Weise auch bei anderen Ministerpräsidenten anerkannt worden, dass sogar ein CDU-Ministerpräsident aus der Mitte Deutschlands gesagt hat: Der ist mittlerweile in dem Club angekommen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Oh!]

Das war bis zur Wahl nicht durchgängig schlecht, was Sie da veranstaltet haben. Das sage ich an einem solchen Tag auch mal als Oppositionspolitiker. Da verdienen Sie Respekt.

[Carola Bluhm (Linksfraktion): Wir wollen eigentlich nicht so viel Lob von Ihnen!]

Ich frage mich aber, was seit der Wahl passiert ist. Das hat mich erstaunt. Ich hätte meinen eher überschaubaren Weinkeller darauf verwettet, dass Sie mit allen möglichen Parteien koalieren, nur nicht mit denen.

[Heiterkeit – Klaus Wowereit (SPD): Das ist jetzt aber übertrieben! – Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion) – Weitere Zurufe]

Mit Linkspopulisten kann man keinen Staat machen, Herr Wowereit! Ich glaube nicht, Frau Bluhm, dass Ihretwegen die Russen auf den Ku’damm kommen. Die sind übrigens

da und haben ein paar Dollar und ein paar Franken in der Tasche, aber die kommen nicht Ihretwegen.

[Heiterkeit]

Die kommen wegen Gucci und Bulgari, aber nicht Ihretwegen.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Aber Sie müssen einsehen, dass diese Partei nicht wahrgenommen wird über diese eher aus den Bezirken stammenden Größen, die Sie uns hier heute präsentieren. Diese Partei wird über Lafontaine, Gysi und andere Linkspopulisten im Deutschen Bundestag wahrgenommen, und deswegen müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass Sie mit diesen Leuten hier nicht regieren können. Damit schaden Sie der Stadt, Herr Regierender Bürgermeister!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich habe gehört – wie aus Ihrer Umgebung verlautet –, dass Sie das machen, um diese Partei in Berlin endgültig plattzumachen.

[Heiterkeit]

Das ist kein schlechtes Ziel, Herr Wowereit!

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Aber Sie dürfen dabei nicht Berlin kaputt machen, Herr Wowereit!

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen – Carl Wechselberg (Linksfraktion): Berlin muss bleiben!]

Der Staat und diese Stadt kommen vor der Partei, und die Partei kommt vor den persönlichen Wünschen und Zielen. Das ist keine schlechte alte sozialdemokratische Tradition. Die sollten Sie sich einmal genauer anschauen. Bei allem Verständnis dafür, dass Sie die plattmachen wollen – das ist ja in Ordnung –, muss man doch festhalten: Berlin hat eine andere Regierung verdient, als von der PDS mitregiert zu werden.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Stefan Liebich (Linksfraktion): Für Rot-Gelb hat es aber nicht gereicht!]

Ich habe da – vielleicht etwas anders als meine Vorrednerin – überhaupt keine persönlichen Aktien. Sie könnten hier mit allen Koalitionen bilden, wenn auch nicht mit uns. Und insofern sage ich völlig ohne persönliche Ambitionen: Sie hätten mit jeder anderen Partei regieren können – mit der Union, mit den Grünen, wobei es mir nicht ganz so leicht fällt, das zu sagen –,

[Heiterkeit]

aber das wäre für dieses Land immer noch besser gewesen, als sich mit der PDS ein zweites Mal einzulassen.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen – Carl Wechselberg (Linksfraktion): Wir freuen uns!]

Sie müssen doch sehen, wohin das geführt hat. Ich sehe es nicht als witzig oder komisch oder irgendwie albern an, wie Sie in den letzten Tagen behandelt wurden. Natürlich

könnte ich mich darüber amüsieren, dass der Kulturstaatsminister Neumann – das ist nicht einer aus der ersten Unionsreihe – Sie zwei Tage vor dem Gespräch als „patzig“ und anderes abkanzelt, Ihnen aber keiner Ihrer Parteifreunde – Beck oder Müntefering, die normalerweise immer auf den Tisch springen, wenn auch nur der dritte Ortsschatzmeister aus Ennepetal von der Union angegriffen wird – zur Seite steht. Niemand ist Ihnen zur Seite gestanden. Am nächsten Tag mussten Sie sich dann auch noch von dem stellvertretenden Regierungssprecher abkanzeln lassen. Das ist eine traurige Angelegenheit. Das greift uns alle an. Sie sind unser aller Bürgermeister.

[Oh! von der SPD und der Linksfraktion – Beifall bei der SPD]

Damit wird Berlin in einer Weise abgekanzelt und in die Ecke gestellt, wie es diese Stadt nicht verdient. Das muss man Ihnen deutlich vorhalten. Sie müssen heraus aus dieser Isolation. Ich kann nicht verstehen, warum Sie täglich immer mehr in diese Richtung gehen. Ihr Vorsitzender Beck öffnet sich zur Mitte hin, öffnet sich in Richtung Freier Demokratischer Partei – schriftlich und mündlich.