Er sucht Mehrheiten in der Mitte, und Sie suchen weiter links außen. Herr Wowereit! Die größten Erfolge auch der Sozialdemokratischen Partei sind nicht über links außen gekommen, sondern in der Mitte. Wenn die Sozialdemokraten in der Mitte regiert haben, waren sie stark – wie z. B. Herr Brandt und andere, die hier schon ins Feld geführt wurden. Daran sollten Sie sich auch an einem solchen Tag ein wenig erinnern.
Es gibt selbstverständlich auch Erfreuliches, und dazu zählt, dass Sie Herrn Minister Zöllner gefunden haben und dieser sich bereit erklärt hat, in Berlin zu wirken. Herr Minister Zöllner! Das ist eine große Herausforderung. Diese Stadt bietet Chancen. Ich fand es übrigens merkwürdig, dass in einigen Medien auf Ihr Alter angespielt wurde. Es ist völlig egal, wie alt jemand ist. In jedem Alter ist man entweder jemand, der neue Herausforderungen sucht und sich ihnen stellt, oder jemand, der hinter dem Ofen sitzt – ganz egal, ob er 25 oder 61 Jahre alt ist. Deshalb freue ich mich, dass Sie diese Herausforderung hier in Berlin suchen und annehmen.
Es ist eine große Stadt, und ich sage Ihnen das als jemand, der ebenfalls zugezogen ist: Ich habe es keinen Tag bereut, hier in Berlin zu sein.
Die Herausforderung wird allerdings von einer besonderen Art sein, denn Sie haben hier nicht mehr wie in den vergangenen Jahren die FDP an Ihrer Seite – Herrn Bauckhage, Herrn Brüderle, Herrn Mertin –, sondern Sie haben jetzt diese Leute an Ihrer Seite. Schauen Sie mal links hinter sich: Da sitzt auch ein Pfälzer, der mal hierher
Die wurden ihm nämlich in den letzten Tagen ausgeschlagen – während der Koalitionsverhandlungen. Alles, was der Mann mal vorhatte, wofür er stand und wofür er auch eine gewisse Bewunderung ererntete – auch von Seiten der Opposition –, hat man ihm ausgeschlagen. Man hat ihn in den Keller gesteckt, während die anderen Koalitionsverhandlungen geführt haben, und er soll jetzt als Feigenblatt dafür dienen, dass hier weiter Rot-Rot wurstelt. Passen Sie auf Ihre Zähne auf, Herr Zöllner!
Denn in der Koalitionsvereinbarung steht nichts von den Sachen, für die Sie stehen – Excellence-Förderung, Eigenverantwortlichkeit der Schulen und Hochschulen –, sondern da steht etwas von einer Art Kulturkampf gegen die Gymnasien, ein Studiengebührenverbot und dieser ganze Gremienquatsch, Viertelparität und Ähnliches. Schauen Sie sich mal genau an, was in diesem Vertrag steht,
überlegen Sie sich, ob die Herausforderung gut ist, und schauen Sie sich immer wieder an, wie es Herrn Sarrazin ergangen ist!
Lassen Sie mich noch kurz auf das Karlsruher Urteil eingehen, Herr Wowereit! Da standen wir zusammen. Das möchte ich an der Stelle auch festhalten. Wir haben dort zusammen verhandelt, und wir wussten, dass es um Berlin geht und nicht um die SPD oder die FDP oder die CDU oder sonst wen.
Wir haben da zusammengestanden und haben gekämpft, und wir waren genauso wie Sie enttäuscht über das Ergebnis. Ich glaube auch nach wie vor, dass es nicht richtig war, Berlin in dieser Weise zu behandeln. Ich hatte gehofft, dass es zumindest eine Öffnung und einen Hinweis gibt, auf welche Weise wir mehr Solidarität der anderen Länder und des Bundes bekommen können. Wir haben da sozusagen gemeinsam gekämpft und damit auch gemeinsam verloren. Aber wegen dieses Urteils muss man sich nicht in die Isolation begeben, beleidigt sein oder resignieren, sondern dieses Urteil bietet auch eine Chance, mit Dingen fertig zu werden und Dinge anzugreifen, die man ohne ein solches Urteil nicht machen kann. Man kann in der Folge z. B. Dinge erledigen, wo es die eigene Parteitagsmehrheit als schwierig ansieht, sie durchzusetzen. Das gilt etwa für die Verwaltungsreform. Herr Wowereit! Ich weiß doch, dass es in Ihren eigenen Reihen Leute gibt, die das mittreiben und die auch während der Koalitionsverhandlungen angetreten sind und dafür Vorschläge gebracht haben. Diese braucht die Stadt, egal wer regiert, ob ein freier Demokrat, ein Grüner oder ein Christdemokrat.
Unabhängig vom Parteibuch sind doch Aufgabenkritik und Verfahrensvereinfachungen Dinge, die jeder machen muss. Diese Chance haben Sie jedoch nicht ergriffen.
Gleiches gilt für die Privatisierungen. Es ist klar, dass ich alle verkaufen will. Jetzt würde ich aber nicht sagen, dass es zu erwarten gewesen wäre, dass Sie diese Meinung übernehmen. Es gibt – das weiß ich auch – in Ihren Reihen Leute – zu denen Sie auch gehören, davon gehe ich aus –, die wissen, dass es richtig und vernünftig wäre, wenigstens so viel Bestand zu verkaufen, dass die verbleibenden Gesellschaften saniert werden können. Vor dem Hintergrund eines solchen Urteils kann man das machen. Zu regieren und zu führen ist doch mehr, als einer aktuellen Parteitagsmehrheit hinterherzulaufen, Herr Wowereit. Sie müssen sich zusammenreißen und sagen, dass es so nicht mehr weitergeht. Es müssen für die Stadt wichtige Dinge angepackt werden, die nicht nur für das persönliche Fortkommen das Entscheidende und Einfachste sind.
Auch bei den Steuern müsste die FDP, wenn sie in der Verantwortung wäre, natürlich genauso über den Schatten springen und über Handlungsspielräume nachdenken. Wir müssten genauso unseren Anhängern und unseren Leuten erklären, dass bestimmte Maßnahmen unumgänglich sind, wenn es in einem Gesamtpaket geschieht. Das sind Chancen und Herausforderungen, denen wir uns hätten stellen müssen. Es kann nicht jeder den einfachsten Weg wählen. Hier haben Sie mehr Potenzial. Es gibt sogar Hilfe beispielsweise durch die Bertelsmann-Stiftung, ASU, die Hertie School of Governance, Netzwerke. Auch Konradi und Berger sowie andere sind beteiligt. Sie können sie nicht alle in den Winkel stellen, nur weil Sie den bequemeren, einfacheren Weg mit diesen Leuten gehen wollen. Das ist das, was Ihnen krummzunehmen ist. Darum geht es.
Sie haben einen Koalitionsvertrag geschlossen, der üblicherweise nur auf eine gewisse Bandbreite abstellt. Nun kommt die Partei, mit der Sie koalieren wollen, und benennt jede kleine Interpretation oder Abweichung. Darüber entscheiden aber nicht Sie im Senat oder in den Fraktionen, sondern ein PDS-Parteitag hat das letzte Wort.
Sie lassen sich eine unglaubliche Zumutung hier gefallen, wehrte Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion. Dem müssen Sie sich auch stellen, wenn Sie gleich den Stift in die Hand nehmen.
Sie lassen sich hier viel gefallen, nur um sie plattzumachen und durch Umarmen zu erdrücken. Das ist auch ein hässlicher Tod, auch wenn es durch Umarmen geschieht. Das kann doch alles nicht getan werden, nur um dieses parteipolitische Ziel zu erreichen. Sie müssen den Staat
vor die Partei und vor Ihre persönlichen Wünsche stellen. Dann haben Sie das Potenzial, ein Großer zu werden. Dann hat diese Stadt die Chance, hier herauszukommen. So aber wird Berlin weit unter seinen Möglichkeiten regiert. Die SPD regiert weit unter ihren Möglichkeiten. Sie, Herr Kandidat Klaus Wowereit, regieren dann auch weit unter Ihren Möglichkeiten. Es wird vielleicht weiter morgens die Kiste vorfahren, Sie werden weiter eingeladen. Es ist alles wunderschön. Aber Regieren und Gestalten und die Stadt nach vorn zu bringen ist doch etwas mehr als das, was Sie hier machen wollen. Das ist schade. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen gemäß § 74 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung zur geheimen Wahl mit verdeckten Stimmzetteln.
Von der Fraktion der SPD wird für die Wahl des Regierenden Bürgermeisters von Berlin der 16. Wahlperiode der Herr Abgeordnete Klaus Wowereit vorgeschlagen. Gemäß Artikel 56 der Verfassung von Berlin wird der Regierende Bürgermeister mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen vom Abgeordnetenhaus gewählt.
Ich möchte Ihnen das Wahlverfahren erläutern. Für die von Ihnen aus gesehen linken Kabinen erfolgt der Namensaufruf für die Buchstaben A bis K. Für die übrigen Buchstaben, also L bis Z, stehen die rechten Kabinen, von Ihnen aus gesehen, zur Verfügung. Jedem Abgeordneten wird erst vor Eintritt in die Wahlkabine nach Namensaufruf der Stimmzettel mit Umschlag ausgehändigt. Nach Ausfüllen des Stimmzettels in der Kabine ist dieser noch in der Wahlkabine in den Umschlag zu legen und unmittelbar danach in die Wahlurne zu werfen.
Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass Abgeordnete nach § 74 Abs. 2 der Geschäftsordnung zurückgewiesen werden müssen, die außerhalb der Wahlkabine ihren Stimmzettel kennzeichnen oder erst dann in den Umschlag legen.
Wer dem Wahlvorschlag der SPD – Klaus Wowereit – zustimmen will, der muss hinter dem Namen ein Kreuz in das Kästchen mit Ja setzen. Sie haben weiterhin die Möglichkeit, mit Nein zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten. Ein leerer, nicht mit einem Kreuz versehener Stimmzettel gilt als ungültiger Stimmzettel genauso wie anders gekennzeichnete Stimmzettel oder Stimmzettel mit zusätzlichen Vermerken.
Nun bitte ich die Beisitzer, an den Wahlkabinen bzw. Wahlurnen Aufstellung zu nehmen, um die Ausgabe der Stimmzettel vorzunehmen und deren Abgabe zu kontrollieren.
Frau Kollegin Grosse bitte ich, die Namen der Abgeordneten zu verlesen. Ich weise darauf hin, dass die Fernsehkameras nicht auf die Wahlkabinen ausgerichtet werden dürfen. Das betrifft beide Kameras in den „Schwalbennestern“. Sie haben das auch schon getan. Alle Plätze direkt hinter den Wahlkabinen und um die Wahlkabinen herum bitte ich freizumachen.
Frau Grosse, nun bitte ich mit dem Aufruf der Namen zu beginnen und ebenso mit der Ausgabe der Stimmzettel.
Hatten alle Kolleginnen und Kollegen die Gelegenheit, ihre Stimme ordnungsgemäß abzugeben? – Das ist offenbar der Fall. Der Wahlgang wird geschlossen. Ich bitte um Auszählung. Die Sitzung wird bis nach Beendigung der Auszählung unterbrochen.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen. Ich gebe Ihnen das Wahlergebnis bekannt:
Es wurden 149 Stimmen abgegeben, davon ist keine ungültig. Es wurden 74 Ja-Stimmen, 73 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen abgegeben. – Herr Wowereit, nehmen Sie die Wahl an?
Danke schön! – Das Amt des Regierenden Bürgermeisters beginnt mit der Annahme der Wahl. Herzlichen Glückwunsch, Herr Regierender Bürgermeister, alle Gute für Ihre Amtsführung! Das Amt darf aber erst nach der Vereidigung ausgeübt werden. Ich bitte Sie, mit mir zusammen in die Mitte des Plenarsaals an die Mikrofone zur Vereidigung zu kommen.
Ich bin gerade darüber belehrt worden, dass die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen bei 75 Stimmen liegt. Damit war die Wahl nicht erfolgreich.