Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

Das ist eine eher ignorante Antwort angesichts der Tatsache, dass dieser Senat die Verantwortung für das Gesetz trägt, das seine erste Belastungsprobe schon nicht bestanden hat. Einige meiner Vorredner haben auf das Urteil des OVG hingewiesen, wo uns Herr Hillenberg weismachen will, dass diese Einnahmenausfälle, die das zur Folge hat, gewollt waren. Da möchten wir gern die Haushaltstitel sehen, wo diese Millionen Einnahmeausfälle berücksichtigt worden sind.

[Ralf Hillenberg (SPD): Mindereinnahmen!]

Laut Pressemitteilung des VDGN vom 25. April verlangt die Senatsverwaltung von den Tiefbauämtern übrigens inzwischen, von den Anliegern der betroffenen Straßen ersatzweise Straßenausbaubeiträge zu realisieren. Zur Erinnerung: Erschließungsbeiträge fallen bei der erstmaligen Erstellung einer Straße an, Straßenausbaubeiträge dienen der Modernisierung einer bestehenden Straße. Und eine Bürgerbeteiligung, wie im Gesetz vorgesehen, kann wohl in diesen Fällen auch nicht stattgefunden haben. Der Präsident des Verbandes der Grundstücksnutzer bezeichnet deshalb die Änderung des Erschließungsbeitragsgesetzes als Beruhigungspille, um das Straßenausbaubeitragsgesetz möglich zu machen. Es war ein Kuhhandel zwischen SPD und Linkspartei, so der Präsident.

Ein weiteres Problemfeld ist die Kompatibilität des Straßenausbaubeitragsgesetzes mit den Fördermitteln der EU und des Bundes. Sie haben wohl eher sicherheitshalber beschlossen, die sogenannte GA-Förderung als Zuwendung Dritter zu behandeln und vorrangig zur Deckung des Anteils der Allgemeinheit zu verwenden, mit der Folge, dass die nichtgeförderten Ausbaukosten auf die Beitragspflichtigen umgelegt werden können. Nach wie vor nicht gelöst ist das Problem, dass das Straßenausbaubeitragsgesetz der EU-Förderung nach dem Städtebauförderungsgesetz entgegensteht.

Auf eine Kleine Anfrage des Kollegen Otto von den Grünen vom Juli 2007 zur Investitionsplanung der Bezirke für 2007 bis 2011 nennen Sie als neu gemeldet 36 kleinere Straßenbaumaßnahmen, 6 größere Straßenbaumaßnahmen mit überbezirklicher Bedeutung und 6 Straßenbaumaßnahmen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im zentralen Bereich. Bezüglich der Beitragspflicht der Straßenausbaumaßnahmen verweisen Sie dann wieder auf die Zuständigkeit der Tiefbauämter in den Bezirken. Aus derselben Antwort auf die Kleine Anfrage ist zu entnehmen: Leiterinnen und Leiter der Tiefbauämter sehen einen

Nachteil in dem „sehr aufwändigen und vielschichtigen Verfahren zur Information und Anhörung der beitragspflichtigen Anlieger“. – Typisch, das einzige Quäntchen Bürgerbeteiligung, das Sie beim Straßenausbaubeitragsgesetz eingebaut haben, denn Mitbestimmungsrechte gibt es nicht, wird auch noch als lästig empfunden. Am liebsten würden Sie doch den Anliegern die Straßenausbaubeiträge einfach vom Konto abbuchen.

[Beifall bei der FDP]

Stattdessen haben diese Anlieger wohl das vom Finanzsenator identifizierte Meckergen, z. B. die Anlieger des Kirchhainer Damms, die partout nicht einsehen wollen, warum sie für die Verbreiterung der B 96 anteilig aufkommen sollen. Welche Wertverbesserung erfahren denn ihre Grundstücke? – Keine! Das Gegenteil ist der Fall. Verkehr, Lärmpegel und Abgasbelastung steigen, die Grundstückswerte sinken. Aber auf die Wertsteigerung für die Anlieger kommt es ja laut Aussage der Senatorin für Stadtentwicklung auch nicht an. Es geht um die Wertverbesserung für die Allgemeinheit, für die die Anlieger an den Kosten beteiligt werden.

Unmut hören wir aus vielen Bezirken. Die betroffenen Bürger beginnen zu begreifen, wer sie hinters Licht geführt hat. Dass Sie dabei auch die eigene Klientel über den Tisch gezogen haben, behält diese hoffentlich bis zum nächsten Wahltermin in Erinnerung. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Bauen und Wohnen, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 b:

Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17 zügig qualifiziert abschließen – Ausbau von Havel und Spree natur- und stadtverträglich gestalten

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/1444

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Linksfraktion. Frau Matuschek hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, der sowohl eine Positionsbestimmung zum gegenwärtigen Stand des Ausbaus von Havel und Spree darstellt wie auch gleichzeitig Forderungen erhebt, wie dieses Projekt aus unserer Sicht sinnvoll zu Ende geführt werden kann und soll.

Zur Erinnerung: Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17, also der Ausbau der im Wesentlichen ostdeutschen Binnenschifffahrtswege zwischen Hannover und Berlin, beinhaltet eine Verbreiterung der Flüsse für einen Schiffsstandard, der üblicherweise auf dem Rhein angewendet wird. Ein großes Rheinschiff, das dort eine große Berechtigung hat, passt nun einmal nicht so richtig in die kleine Havel und in die noch kleinere Spree.

[Zuruf von Felicitas Kubala (Grüne)]

Deswegen ist es immer wieder zu Reduzierungen des Projekts gekommen. Wir haben auch die aktuelle Situation, dass ein weiteres Planfeststellungsverfahren gestoppt wurde. Der Grundsatz, die Flüsse den Schiffen anzupassen, ist nach wie vor falsch.

Die Entwicklung der Binnenschifffahrt hängt im Übrigen nicht allein davon ab, wie breit oder tief der Fluss ist. Die höchsten Umschläge der Binnenschifffahrt in Berlin waren Anfang der Neunzigerjahre zu verzeichnen – ohne Ausbau von Havel und Spree. Dass der damalige Trend nicht anhielt, lag nicht an dem fehlenden Ausbau oder der fehlenden Flussausbaggerung, sondern an anderen Faktoren wie z. B. der Anzahl der Umschlagplätze.

Entschuldigung, Frau Matuschek, dass ich Sie unterbreche! – Ich bitte den Kameramann da oben – so geht das hier nicht. Mit dieser Kamera so über die Brüstung, das sieht ziemlich gefährlich aus. – Okay, vielen Dank! – Frau Matuschek! Sie können jetzt fortfahrten.

Der Güterumschlag durch das Binnenschiff hat sich in Berlin – das sind die Fakten – von 1993 mit ca. 9 Millionen Tonnen auf etwa 3 Millionen Tonnen im Jahr 2003 massiv reduziert. Seither ist es wieder ein bisschen gestiegen. Aber es bleibt der Fakt bestehen, dass die Kapazität der Binnenschifffahrt immerhin dreimal so hoch ist wie die tatsächliche Auslastung.

Frau Matuschek! Ich bedauere es sehr, dass ich Sie wiederholt unterbrechen muss. – Bitte lassen Sie das, Sie können nicht die Abgeordneten und die Tische so filmen, wie Sie das jetzt machen! Wir haben Ihnen das schon wiederholt gesagt. Jetzt unterlassen Sie das bitte! – Frau Matuschek! Sie haben das Wort – bitte!

Vielen Dank! – Wir wollen uns noch einmal kurz der Frage widmen, was überhaupt mit dem Binnenschiff transportiert wird. Das sind nach wie vor in erster Linie Kohle und Brennstoffe. Da kann man absehen, dass dieser Anteil in Zukunft nicht unbedingt wachsen wird, denn die Anforderungen an moderne Heizwärme und Stromerzeugung

gehen auch auf Kohlebasis von einem höheren Wirkungsgrad aus. In Zukunft sollten wir auch den Trend verfolgen, möglichst weniger auf Kohle zu setzen. Des Weiteren werden mit dem Schiff Sand und Baustoffe transportiert. Der große Berliner Bauboom der Neunzigerjahre, der sich etwas abgeflacht hat, aber nicht abgebrochen ist, ist ohne Ausbau von Havel und Spree passiert. Trotzdem sagen wir: Baustoffe werden auch in Zukunft einen gewissen Anteil über das Schiff realisieren. Aber auch dort hat sich einiges getan, weil die Recyclingwirtschaft dazu geführt hat, dass nicht mehr jeder Bauschutt über das Schiff abtransportiert wird.

[Felicitas Kubala (Grüne): Das ist doch eine Illusion!]

Diese Strukturveränderungen des Güterumschlags können nicht dadurch beeinflusst werden, dass man die Spree zu einer Betonrinne ausbaut.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das ist der ökonomische Grund, weswegen wir sagen: Wir müssen an dieses Projekt heran.

Aber es gibt noch einen ökologischen Grund. Im Vertrauen darauf, dass dieses Projekt irgendwann kommt, ist die Unterhaltung der Wasserstraßen in den letzten Jahren nicht gerade zum Besten gewesen. Es gibt ökologische Defizite an Havel und Spree. Diese aufzuheben, z. B. die Möglichkeiten zu nutzen, Fischtreppen, also die normale Bewegungsfreiheit von Fischen in Flüssen zu gewährleisten, anzulegen, ist auch Teil dieses Projekts. Die Ufergestaltung – es gibt zwischen Pest und Cholera, zwischen Spundwand und großer Flussaufweitung auch Möglichkeiten, Lösungen zu finden, die sowohl ökologischen Ansprüchen als auch den ökonomischen Notwendigkeiten entsprechen. Wir sagen: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, dieses Projekt noch einmal gründlich vom Kopf auf die Füße zu stellen, ökonomische Forderungen und ökologische Notwendigkeiten in Übereinstimmung zu bringen.

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Deswegen: Neuanfang jetzt! Dafür bitten wir um Ihre Zustimmung.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Matuschek! – Herr Abgeordneter Heide! Darf ich Sie bitten – Ihre Vorderseite ist viel schöner, wenn Sie uns die zuwenden. – Herr Ueckert hat das Wort. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon ein Trauerspiel, Frau Matuschek, was Sie uns als Regierungsfraktion zum Thema Projekt 17 in diesem Haus bieten.

[Beifall von Felicitas Kubala (Grüne)]

Seit 2002 diskutieren wir im Plenum und in den Ausschüssen über dieses Thema, ohne zu einem Abschluss zu kommen, das letzte Mal am 8. November 2007 zu dem Antrag Drucksache 16/0933 der Fraktion der Grünen mit dem Titel „Projekt 17 Deutsche Einheit zum Ausbau der Wasserwege qualifiziert abschließen“. „Nanu?“, fragt sich da der aufmerksame Leser. Zur Überschrift Ihres heutigen Antrags hat sich nichts Wesentliches geändert,

[Daniel Buchholz (SPD): Den bringen sie immer wieder ein!]

inhaltlich auch nicht, sodass ich nun eigentlich meine Rede vom 8. November 2007 noch einmal vortragen könnte. Das mache ich natürlich nicht, denn es ist ja alles nachzulesen. Also lassen wir das! Ich erinnere aber noch einmal an die Kernaussage meines Vortrags von damals: Eine Straße jeglicher Art – und das gilt auch für eine Wasserstraße – kann ihren vorgesehenen Nutzen erst entfalten, wenn sie auf ihrer gesamten Länge auf den angestrebten Nutzungsstandard ausgebaut ist.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Quatsch!]

Dieser Ausbau hat unter größtmöglicher Berücksichtigung des Umweltschutzes zu erfolgen. Aber die Umweltverträglichkeitsprüfung ist heute zum Glück Bestandteil jedes Planfeststellungsverfahrens.

Zur Verdeutlichung erzähle ich Ihnen einmal ein Beispiel: Da gibt es eine Straße als Verbindung von vier Orten. Nennen wir sie A, B, C und D am Ende. Zwischen A und B ist die Straße 2,50 m breit, zwischen B und C 2 m und zwischen C und D wieder 2,50 m. Nun kommt ein Händler, der immer dringend benötigte Wirtschaftsgüter von A nach D mit kleinen Fahrzeugen gebracht und gleichzeitig die erzeugten Produkte abtransportiert hat, und sagt: Er könne dies künftig aber nur noch mit Fahrzeugen, die 2,50 m breit sind, wirtschaftlich weiter betreiben. Ansonsten könne er nicht mehr überleben und müsse eben dort sein Geschäft fortführen, wohin er mit seinen Fahrzeugen komme. – Was können C und D also tun, um weiter an diesem Wirtschaftskreislauf teilzunehmen? Sie werden jetzt sicher selbst darauf kommen: Sie werden sich dafür einsetzen, dass die Straße zwischen B und C auf die notwendige Breite von 2,50 m ausgebaut wird. – Was wären die Folgen, wenn das nicht geschähe? A und B werden den Handel weiter betreiben und an einem wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben können. C und D aber werden wirtschaftlich zurückgedrängt. Nun kommt der Landesvater und sagt aus seiner Fürsorgepflicht: Ich möchte, dass es auch meinen Schäfchen C und D genauso gut geht wie A und B, und baue euch eine neue Straße zwischen A und D und bezahle diese auch. – Darüber freuen sich dann alle, außer B, der sagt: Auch wenn es mich nichts kostet, aber da steht am Rand des Weges ein Mohnblümchen, das dort jedes Jahr so schön blüht, und das darf nicht weg. Ich will die breitere Straße nicht, auch wenn du, Landesvater, mir noch ein ganzes Mohnblumenfeld auf deine Kosten gleich neben die neue Straße stellst.

[Daniel Buchholz (SPD): Das ist ja peinlich!]

Auch weitere Angebote des Landesvaters, insbesondere mit dem Ziel eines Ausgleichs von Umwelt- und Wirtschaftsinteressen, können B nicht umstimmen. Diese Geschichte könnte noch mit vielen Facetten weitererzählt werden,

[Christian Gaebler (SPD): Machen Sie doch mal! Wir haben ja Zeit!]

aber ich möchte jetzt noch auf zwei Möglichkeiten eingehen, wie die Geschichte enden kann: 1. Der Landesvater sagt – Methode LMA –: Wer so störrisch und uneinsichtig ist, soll doch vor die Hunde gehen. – Oder: 2. Der Landesvater sagt: Das Wohlergehen meines ganzen Landes, insbesondere das von C und D, ist mir wichtiger. Ich muss deshalb zum Wohle aller entscheiden. – Ich bin dankbar, dass sich der Vertreter des Landesvaters in diesem Fall, nämlich der Bundesminister für Verkehr, Herr Wolfgang Tiefensee, SPD, zum Projekt 17 für den zweiten Weg entschieden und verkündet hat – ich zitiere –:

Die zügige Vollendung des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit 17 ist wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung in Berlin und Brandenburg. Nur wenn die Spree für moderne Schiffe passierbar ist und sie den Westhafen erreichen können, wird sich der volle Nutzen des Projekts entfalten. Gemeinsam mit der Entscheidung für den Neubau des Schiffshebewerks Niederfinow stellen wir eine durchgängige Verbindung bis zur Oder und damit zur Ostsee und den Seehäfen sicher.

Weiter sagte Tiefensee: