Es ist mir daran gelegen, dass wir vorsichtig sind, und ich hoffe da wirklich auf eine große Mehrheit in diesem Hause, dass wir es nicht zulassen, dass auf diese Weise ein
schleichend beschönigender Blick auf die DDR erfolgt. Das sollte unser aller Interesse sein, besonders derjenigen, die über die Aufarbeitung dieses Systems noch besonders reden sollten, weil sie die Verantwortung tragen.
Da Sie so engagiert zum Gesetzentwurf sprechen – der lag ja vorher da. Warum haben Sie eigentlich keinen Änderungsantrag am Tag des Kulturausschusses beispielsweise eingebracht? Die beiden anderen Oppositionsfraktionen, CDU und FDP, haben das ja gemacht, und Sie hätten durchaus die Chance gehabt, das in die normale Beratung miteinzubeziehen.
Darf ich die Gegenfrage stellen, Frau Dr. Hiller? Warum haben Sie eigentlich selbst keinen Änderungsentwurf gemacht zu diesem Textteil, wo wir Ihnen klar gesagt haben, es liege ein Antrag von CDU und FDP vor? Dem hätten Sie sich schon anschließen können. Sie haben es dramatisch abgelehnt, und gerade Sie haben doch begründet, warum dieser Antrag abzulehnen sei. Ich kann Ihnen sagen: Wir haben für gestern im Hauptausschuss einen Antrag gemacht. Den hätten Sie annehmen können. Das haben Sie nicht getan. Also ich finde, die Schuld liegt bei Ihnen, nicht bei uns.
Es ist so: Ich bin froh, dass es am Ende – offensichtlich durch Druck von der Opposition und der Öffentlichkeit und auch vom Bund – ein Einlenken vonseiten SPD und Linksfraktion gibt und dass der umstrittene Passus aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden ist. Wir werden dem Gesetz deswegen auch zustimmen. Wir wollen nicht, dass es hinterher heißt: Nur Rot-Rot kümmert sich um das Mauergedenken und die Teilung der Stadt. Wir haben von Anfang an, auch schon mit Herrn Senator Flierl, intensiv an dieser Frage gearbeitet.
Es wäre gut gewesen, wir hätten das fortgesetzt. Es ist sehr schade, dass nun die späte Einsicht der rot-roten Koalition kommt und dies nur unter Druck passiert. Immerhin ist es gut, dass sich die Linkspartei mit ihrer ideologischen Schwerpunktsetzung nicht durchsetzen konnte.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Man merkt, das Thema Mauer ruft immer wieder aufs Neue Emotionen hervor.
Das heute vorgelegte Gesetz über die Errichtung der Stiftung Berliner Mauer ist eines der wichtigsten Projekte für Rot-Rot. Es geht um die Zusammenführung der beiden wichtigen Einrichtungen Dokumentationszentrum Bernauer Straße und Notaufnahmelager Marienfelde, es geht um die Aufarbeitung deutsch-deutscher Fluchtgeschichten, aber auch um den Alltag, die Grenze, den Widerstand. Die Stiftung Berliner Mauer wird in das Gedenkstättenkonzept des Bundes aufgenommen. Der Bund fördert zu 50 Prozent institutionell. Andere Einrichtungen können sich ebenfalls in die Stiftung einfügen.
Es bedurfte des rot-roten Senats, dieses Konzept endlich auf den Weg zu bringen. Es wurde intensiv mit allen Beteiligten diskutiert, auch der Stiftungszweck wurde mit dem Staatsministerium Kultur im Bundeskanzleramt abgesprochen. Es ist ein großer Wurf, und wir begrüßen, dass der Bund sich derart stark engagiert.
Nun zum Stiftungszweck! Rund 4 Millionen Menschen verließen zwischen 1949 und 1989 die DDR. Klar ist deshalb, dass die Priorität der Stiftungsarbeit auf den Fluchtbewegungen aus der DDR liegt und liegen muss. Es muss erforscht werden, wie Unfreiheit und Unterdrückung aussahen, das Leid von getrennten Familien, der menschenverachtende Umgang mit politisch nicht opportunen Menschen.
Demgegenüber siedelten bis Ende der 60er Jahre ca. 600 000 Menschen in die DDR hinüber, aus unterschiedlichen Gründen. Sehr viele, fast die meisten von ihnen, hatten private, persönliche, familiäre Gründe. Bei zwei Dritteln von ihnen handelte es sich um rückkehrende Republikflüchtlinge, bei einem Drittel um Bürger, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten. Wir finden, dass auch die Aufarbeitung dieser Wanderungen in die DDR stattfinden muss. Es ist nicht nur die RAF, das war eine Marginalie. Es ist auch Aufgabe der Stiftung, die Übersiedlungen in die DDR ebenfalls als Teil der deutsch-deutschen Teilung zu begreifen. Auch sie gehören zur deutsch-deutschen Beziehungsgeschichte.
Wie wurden die Übersiedler aufgenommen? Welchen Repressalien waren sie am Arbeitsplatz, im Alltag ausgesetzt? Es ist darum gerade keine historische Marginalie.
Hören Sie einfach zu, ich habe Ihnen auch zugehört! – Die Aufarbeitung ist auch wichtig, um die Propagandaformen der SED wirksam zu entkräften. Erinnern wir uns, wie oft die SED die Übersiedler dazu benutzte, sich als das wahre soziale Deutschland darzustellen! Darum ist es wichtig, die wirklichen Motive der Übersiedlung herauszuarbeiten und öffentlich zu machen. Uns zu unterstellen, wir wollten eine Gleichstellung, ist Unfug. Dass auch die West-Ost-Migration erforscht werden soll, bedeutet keinesfalls eine Gleichsetzung zwischen Flucht aus der DDR und Übersiedlung in die DDR.
Es ist ganz klar, dass es keine Gleichsetzung sein kann. Schon allein, wenn man die verschiedenen politischen Hintergründe berücksichtigt, kann es keine Gleichsetzung sein.
Hören Sie einfach zu! – Wir haben den Stiftungszweck geändert, weil wir einen breiten öffentlichen Konsens für die Stiftungsarbeit wollen. Wir wollen keinen kleinkarierten parteipolitischen Hickhack. Jeder Streit über die Arbeit der Stiftung beschädigt die Stiftung. Uns geht es um die Sache, die Inhalte und die objektive Aufarbeitung. – Ihnen geht es nicht um die Sache, wie der Beitrag heute kurz nach 13 Uhr gezeigt hat!
Sie beschädigen damit die Stiftung. Wir haben auch den Stiftungszweck nicht aus Furcht vor Ihrer tollen Oppositionsarbeit geändert. Da haben wir schon ganz andere Dinge ausgehalten.
Letzte Woche konnte ich in verschiedenen Medien lesen, dass Rot-Rot ohne Opposition dastehe. Wir hätten ja gern eine große, tolle Opposition. Aber vielleicht lesen Sie sich die Zeitungen schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lange! Nur ein Satz zu Ihrer Bemerkung, der Senat sei ohne Opposition: Im Hinblick auf die Zustände in der BundesSPD kann ich nur sagen: Willkommen im Club!
Doch nun zum Stiftungsgesetz! Die Fraktion der CDU begrüßt ausdrücklich die Errichtung dieser selbstständigen Stiftung des öffentlichen Rechts, in der die Gedenkstätte Berliner Mauer und die Erinnerungsstätte des ehemaligen Notaufnahmelagers Marienfelde zusammengefasst werden. Es war politisch richtig und rechtlich notwendig, dieses in einem Stiftungsgesetz festzulegen. Wir finden es auch ausdrücklich richtig, dass die Stiftung ihre Arbeit zum 19. Jahrestag des Mauerfalls, also am 9. November dieses Jahres, aufnehmen wird.
Doch damit genug der Gemeinsamkeit! Wir hatten und haben einen heftigen Streit über den Stiftungszweck. Im Kern – weil nicht alle daran beteiligt waren – will ich ihn noch einmal vortragen. Es ging um die Gleichsetzung von Flucht aus Unfreiheit in Freiheit und in umgekehrter Richtung. Das war der eine Aspekt.
Der zweite Aspekt, über den wir gestritten haben, war der Grund für den Mauerbau. Die Frage war: Wer war eigentlich dafür verantwortlich, der Ost-West-Konflikt? Oder war es nicht auch und vor allem ein Siedlungswall für die SED-Bonzen? – Frau Ströver hat dazu deutliche Worte gefunden, und ich finde, sie hat recht: Es geht darum, wie wir die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bewerten. Es geht um die Deutungshoheit. Das Interesse der Linken hier im Hause ist völlig klar: Es geht um die Vertuschung der Verantwortung Ihrer SED-Gründungsväter für Unfreiheit, Unterdrückung und für das Beharren Ihrer Bonzen.
Sie wollen heute nicht mehr damit konfrontiert werden. Dafür habe ich ein gewisses Verständnis. Das ist einem manchmal ein bisschen unangenehm.
Wo liegt eigentlich das Interesse der SPD? – Die SPD will vertuschen, dass sie in den 80er Jahren eine Abkehr von der Entspannungspolitik gemacht hat, hin zu einer Anbiederungspolitik an die SED.