Es ist keine Beratung mehr vorgesehen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Rechtssausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.
Die Nachwahl geschieht auf Grund unserer Wahl in der 6. Sitzung des Abgeordnetenhauses am 1. Februar 2007, Drucksache 16/0178. Die Fraktion der CDU nominiert für Herrn Dr. Friedbert Pflüger nunmehr als Mitglieder der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin Herrn Frank Henkel.
Wir kommen zur einfachen Wahl durch Handaufheben. Wer Herrn Frank Henkel in die DKLB-Stiftung zu wählen, wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP. Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist Herr Henkel gewählt. – Herzlichen Glückwunsch und erfolgreiche Arbeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will eine kurze Erklärung zu meinem Abstimmverhalten abgeben. Ich habe mich eben bei der Nachwahl für den Stiftungsrat enthalten, nicht, weil ich damit die Qualifikation von Herrn Henkel infrage stellen wollte, sondern weil ich – ebenso wie meine Fraktion – die Grundkonstruktion, die dieser Lottostiftung zugrunde liegt, infrage stelle und ablehne. Das haben wir auch schon so bei der Wahl zu Beginn der Legislaturperiode gehalten. Deshalb haben wir uns heute wieder so verhalten.
Eine Begründung ist nicht mehr vorgesehen. Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Herr Statzkowski hat das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Große Anfrage aufgrund der Drucksachen 15/1072 und 15/2854 aus dem Jahr 2004 gestellt. Es gibt dazu einen interessanten Schlussbericht der Senatsverwaltung, den wir in Kontext zu den Ergebnissen der jetzt schriftlich vorliegenden Beantwortung der Großen Anfrage sowie der vorliegenden Beantwortung der Kleinen Anfrage des Kollegen Mutlu zum gleichen Sachverhalt gesetzt haben.
Natürlich muss man sich zunächst die Frage stellen, wie viele Betroffene es überhaupt in Berlin gibt. In der Großen Anfrage wird von vier Prozent oder rund 130 000 Betroffenen gesprochen. Das sind jedoch reine Schätzungen, die nur auf Studien der Fachliteratur beruhen. Nach Schätzungen des Deutschen Volkshochschul-Verbandes sind es für Berlin rund 164 000, nach PISA gibt es ca. 25 Prozent Berlinerinnen und Berliner mit Schwächen in der Lese- und Rechtschreibkompetenz. Das sind Zahlen, die erschreckend sind! Viel erschreckender ist jedoch, dass wir heute, selbst im Jahr 2008, noch immer nicht genau wissen, wie viele nun eigentlich in Berlin betroffen sind. Wir wissen nur, dass es eine riesige Zahl ist, wir wissen nur, dass es dringend notwendig ist, sich diesem Problem zu stellen.
Ein mögliches Indiz für Analphabetismus ist beispielsweise das Nichterreichen von Schulabschlüssen. Berlin hat den höchsten Anteil von Jugendlichen, die keinen Schulabschluss in einem Bundesland erreichen. Rund 12 Prozent, 4 000 Schülerinnen und Schüler betrifft das jedes Jahr. Selbstverständlich ist es richtig, hier davon zu sprechen, dass ein Großteil der Betroffenen zu den Migranten gehört. Auf der anderen Seite ist die Aussage in der Beantwortung unserer Großen Anfrage schlicht falsch, wenn zu lesen ist:
Wer das schreibt, ist fern jeder Realität, der war garantiert die letzten zwanzig Jahre nicht an den Schulen und hat dort unterrichtet und Kontakt mit Schülerinnen und Schü
lern gehabt. Völlig realitätsfern ist das, charakterisiert auch die Beantwortung der Großen Anfrage insgesamt.
Bei den Kindern und Jugendlichen bleibt es abzuwarten, was Kita, was Schule, was die Anstrengungen in diesen Bereichen erbringen. Tatsache ist, dass die pädagogische Versetzung als ein früher Indikator für vorhandene schulische Probleme gerade bei der Alphabetisierung von Schülerinnen und Schülern fehlt und dass die binnendifferenzierte Förderung, von der hier wieder vollmundig die Rede ist, weitestgehend auf dem Papier stehenbleibt und in der Realität nicht existiert. Das ist bedauerlich. Für die CDU-Fraktion sind die Anstrengungen in diesem Bereich schlicht unzureichend.
Widmen wir uns dem Erwachsenenbereich, dem des sekundären Analphabetismus! Da findet sich in der Beantwortung der Großen Anfrage nicht ein einziges Wort zur Zusammenarbeit beispielsweise mit den Sozialämtern. Offensichtlich gibt es keine ressortübergreifende Zusammenarbeit in diesem Bereich, und das, obwohl klar ist, dass es ein riesiges Problem nicht nur in der Erkennung von Analphabetismus bei Erwachsenen gibt, sondern auch in der Frage, wie wir es schaffen, Analphabeten dazu zu bringen, Kurse zu besuchen und sie so zu schulen, dass sie künftig selbständig den Anforderungen des täglichen Lebens gewachsen sind. Dabei bieten sich gerade im Bereich der Sozialämter großartige Möglichkeiten an, da Analphabetismus häufig mit einer schlechten sozialen Lage einhergeht. Hier besteht die Möglichkeit anzupacken, hier besteht die Möglichkeit, Kontakt zu finden und entsprechende Verbindungen zu vermitteln.
In der Beantwortung der Großen Anfrage wird z. B. ganz lapidar davon gesprochen, dass die wissenschaftliche Begleitung bei diesem Thema fehlt. Ich zitiere:
Wieder ein Defizit, ein großer Mangel, der hier offenbar wird! Es hat sich zwischen 2004 und 2008 nichts, aber auch gar nichts getan! Da werden die Mütterkurse als einziges konkretes Mittel genannt, wie man insbesondere an Migranten herantreten will. Gleichzeitig wird aber ein Antrag der CDU-Fraktion im Bildungsausschuss abgelehnt, in dem es darum geht, Mütterkurse weiterzuentwickeln, Erfolge zu evaluieren, eine finanzielle Absicherung vorzunehmen, eine Verzahnung mit den Ämtern herbeizuführen und auch weitere Angebote in diesem Bereich zu entwickeln. Da wird mal wieder aus Parteidisziplin heraus etwas abgelehnt, was dringend notwendig wäre.
Ich möchte zum Abschluss sagen, dass ich die Anstrengungen gerade der Volkshochschulen und der privaten Vereine außerordentlich lobe, aber es bleibt zu konstatieren: Es gibt keine konkreten Zahlen, es gibt keine ressortübergreifende Zusammenarbeit, es gibt keine Weiterentwicklung von Angeboten, und es gibt keine wissenschaftliche Untersuchung. Daran sollte sich im Land Berlin etwas ändern!
Vielen Dank, Herr Statzkowski! – Das Wort hat jetzt Frau Harant von der Fraktion der SPD. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es richtig und notwendig, das Thema Analphabetismus aufzugreifen. Allerdings ist es wohl müßig, über Zahlen zu reden, es geht um Schätzungen, es geht um Dunkelziffern. Das Problem ist auf jeden Fall größer, als es sein sollte. Wir sollten hier also nicht über Zahlen streiten, sondern darüber reden, wie wir das große Bildungsproblem, dieses Defizit, das wir auch in Berlin haben, in den Griff bekommen.
Dass wir in dieser Stadt, in diesem Land, in diesem Jahrhundert über Analphabetismus reden, ist zumindest merkwürdig. Man müsste eigentlich davon ausgehen, dass wir dieses Thema längst hinter uns gelassen haben. Aber offenbar verhält es sich mit Analphabetismus ähnlich wie mit Tuberkulose: Man kann sie wirksam bekämpfen, es werden vorbeugende Maßnahmen ergriffen, und doch, es gibt sie immer noch. 130 000 erwachsene Berlinerinnen und Berliner sind Analphabeten. Das ist die Zahl, die wir aus der Antwort auf die Große Anfrage erhalten haben. Wie gesagt, wir brauchen uns nicht weiter über diese Zahl zu streiten, aber wir müssen uns doch fragen, ob wir in diesem Land, in Deutschland, damit zufrieden sein können. Wir können es nicht sein.
Da sind wir uns einig! – Die PISA-Studie hat in der Tat auch festgestellt, dass fast ein Viertel der 15-jährigen Testschülerinnen und Testschüler nicht ausreichend lesen und schreiben kann. Das sind die künftigen Analphabeten, die 10 oder 20 Jahre später auch das bisschen, was sie in der Schule gelernt haben, vergessen haben.
Leider bleiben bei den Schülerinnen und Schülern häufig zu wenig Grundkenntnisse haften. Wir haben in der Tat zu viele Jugendliche, die die Schule verlassen, ohne sicher lesen und schreiben zu können. Damit sind sie nicht in der Lage, einen Text inhaltlich zu erfassen. Diese Schulabgänger – da gebe ich Herrn Statzkowski völlig recht –, die nicht einmal die Mindeststandards erfüllen, finden natür
lich auch keine Lehrstelle und keinen Job. Ihnen fehlen die einfachsten Grundvoraussetzungen dafür. Das darf so nicht bleiben. Das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten.
Deshalb sollten wir zwei Dinge beachten: Schulpflicht gibt es im doppelten Sinn: Einerseits müssen die Schülerinnen und Schüler in Berlin zehn Jahre die Schule besuchen. Die Schulen haben eine Pflicht, der sie nachzukommen haben, nämlich in diesen zehn Jahren, in denen ihnen die Kinder anvertraut sind, dafür zu sorgen, dass diese wenigstens die grundlegenden Kenntnisse erwerben. Wir müssen unsere Schulen verpflichten, das zu leisten. Dafür müssen wir sie entsprechend ausstatten – in personeller und finanzieller Hinsicht.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Dann fangt mal an damit! Schließlich seid ihr an der Regierung!]
Was heißt das konkret? – Wir sind dabei, durch die Frühfördermaßnahmen rechtzeitig einzusteigen. Wir müssen aber da, wo es nicht geklappt hat – speziell in den Sonder- und Hauptschulen –, gezielte Maßnahmen einrichten, um Defizite auch später noch auszugleichen. Ich formuliere es einfach: Es geht darum, dass die Jugendlichen üben, zu schreiben und zu lesen. Das ist gar nicht so schwer, aber man muss es zusätzlich anbieten und sie verpflichten. Zudem muss man die Lehrkräfte in die Lage versetzen, den Bedarf zu erkennen.
Es ist wenig nachvollziehbar, dass es offensichtlich einen zu großen Anteil an Lehrkräften gibt, der nicht merkt, dass seine Schüler ein Problem haben. – Das zu den Jugendlichen.
Für Erwachsene gibt es viele Angebote, aber zu wenig Bereitschaft, diese anzunehmen. Von 130 000 möglichen Analphabeten nehmen gerade einmal 2 000 jährlich an einer Fördermaßnahme teil.