Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

Zum ersten: Wir haben bereits die Kriterien zur Aufnahme in die Grundschule dahin gehend geändert, dass Geschwisterkinder einen Vorrang genießen.

[Özcan Mutlu (Grüne): Das haben wir beantragt!]

Ich weiß, Herr Mutlu, dass das eine Initiative der Grünen war. Dazu stehe ich auch. Wir haben das gerne aufgegriffen. Auch Sie machen nicht nur Murks.

[Beifall von Özcan Mutlu (Grüne)]

Wir sind auch der Meinung, dass die Bezirksämter ermächtigt werden müssen, im Sinn sogenannter Sprengel gemeinsame Einschulungsbereiche zu ermöglichen. Damit wäre Argumenten, beispielsweise dass man nur auf der falschen Straßenseite wohne, die Grundlage entzogen, und vorgetäuschte Umzüge wären nicht mehr erforderlich.

Allerdings ist der Wettbewerb der Qualitäten, den Sie vorhin ansprachen, Herr Mutlu, bereits möglich. Der Bezirk Mitte ist dafür allerdings ein schlechtes Beispiel, weil dort die Umsetzung nicht so geklappt hat, wie wir – und wahrscheinlich auch Sie – gehofft haben. Wir werden deshalb Ihre Vorschläge bei einer erneuten Gesetzesänderung aufgreifen.

Anders sieht es bezüglich des zweiten Antrags aus. Wir wollen einer vollständigen Streichung des Kriteriums der Erreichbarkeit nicht zustimmen.

[Mieke Senftleben (FDP): Warum denn nicht?]

Das kommt gleich. Warten Sie doch ab, Frau Senftleben! Sie wissen, dass Sie von mir immer gut fundierte Begründungen erhalten. Ich stelle nicht nur etwas in den

Raum. – Ein Verzicht auf die Erreichbarkeit bei der Auswahl von Schulen könnte dazu führen, dass bei Schulen mit sehr großer Nachfrage eine große Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern gelost werden. Die Verlierer müssten dann auf weiter entfernte Schulen gehen. Dies wäre in der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln, vor allem, wenn in der Nähe Schulen mit einem ähnlichen Profil vorhanden sind. Außerdem ist es bereits so, dass Profile wie Sprachenfolge oder das Vorhandensein von musik- oder sportbetonten Zügen Vorrang vor der Erreichbarkeit haben.

Letztlich geht es also nur noch um die Fälle, in denen es mehr Bewerber als Plätze gibt. Das Los finde ich in solchen Fällen ungerechter – nicht „gleicher“, wie Sie sagten, Herr Mutlu. Außerdem setzt sich im Augenblick auch eine Arbeitsgruppe der Senatsverwaltung mit möglichen Änderungen auseinander. Ich bitte Sie aber dennoch um die Überweisung beider Anträge an den Ausschuss, damit wir noch einmal darüber diskutieren können. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Das war eine überraschende Zeiteinsparung. Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Steuer das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es mit einem Paradoxon zu tun. Auf der einen Seite verlangen wir von jeder Schule, dass sie sich ein nachprüfbares Schulprofil gibt und sich attraktiv macht. Auf der anderen Seite sagen wir den Eltern und Schülern: Schaut euch die unterschiedlichen Schulen an, aber auf welche Schule euer Kind geht, entscheidet der Staat. – Es kann doch nicht sein, dass banale Entfernungen – rechte oder linke Straßenseite – ein Guillotine in Form der BVG-Internetseite darstellen. Das darf nicht darüber entscheiden, auf welche Schule jemand gehen muss.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)]

Wie kann eine Fahrplan-Internetseite darüber entscheiden, auf welche Oberschule mit welchem Profil ein Kind gehen darf oder nicht? Das ist völlig absurd.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)]

Wer Schulprofile, Wettbewerb und Leistungsanreize will, braucht auch die Möglichkeit, dass Schulen und Schüler zusammenfinden, die gut zusammenpassen.

Auch im Grundschulbereich brauchen wir mehr Flexibilität. Selbstverständlich muss es eine Wahlmöglichkeit geben, aber gleichzeitig muss auch sichergestellt sein, dass ein Kind in Wohnortnähe eine Schule findet. Das führt letztlich zu der Sprengellösung, die bereits angesprochen

wurde. Es ist ein guter Kompromiss, wenn mehrere Grundschulen in einem Sprengel zusammengelegt werden.

Die Opposition – und jetzt auch Frau Dr. Tesch – hat das erkannt. Die Grünen beantragen das heute nicht zum ersten Mal. Auch die anderen Oppositionsfraktionen haben schon entsprechende Anträge gestellt. Deshalb unterstützen wir das. Jetzt muss sich nur noch die Koalition bewegen, damit wir den Eltern und Kindern mehr Wahlfreiheit bieten können. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Zillich. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Manchmal versteht man die Aufregung nicht. Die Grünen haben zwei Gesetzesanträge vorgelegt – die man im Verfahren vielleicht noch zu einem zusammenfassen kann, um das zu vereinfachen –, die Regelungen für Dinge vorschlagen, die einer Neuregelung bedürfen. Ich kann deshalb vorwegnehmen, dass wir sie im Ausschussverfahren wohlwollend prüfen werden. Sie greifen Punkte auf, die auch aus unserer Sicht änderungsbedürftig sind.

[Beifall von Özcan Mutlu (Grüne)]

Im Einzelnen: Zum ersten Antrag, der die Zugangsmöglichkeiten zur Grundschule behandelt, hatten wir umfangreiche und teilweise auch sehr ideologische Diskussionen – die jetzt teilweise nachgespielt werden – um die Frage, ob es Einzugsbereiche geben darf oder nicht. Für uns hat diese Debatte einen ganz wichtigen inhaltlichen Kern, nämlich die Frage, ob man aus der Wohnortnähe zu einer Schule bzw. der Länge des Schulwegs einen Vorrang in der Schulwahl ableiten darf. Soll dieses Kriterium bei der Schulwahl vorrangig vor anderen Kriterien sein? – Wir beantworten diese Frage mit Ja. Das ist derzeit auch im Schulgesetz so geregelt. Nach einer langen Debatte haben wir – so war mein Eindruck –, zumindest was den inhaltlichen Kern betrifft, fraktionsübergreifend diesen Vorrang festgestellt.

Dieser Punkt wird von der Regelung, die die Grünen angesprochen haben, gar nicht berührt. Es geht um eine andere Frage, nämlich darum, ob mehrere Schulen einen gemeinsamen Einzugsbereich haben sollen. Das wurde bislang bejaht. Die zuständige Verordnung enthielt eine entsprechende Ermächtigung der Bezirke. Nun kam ein Gericht, das festgestellt hat, das eine Regelung in der Verordnung nicht reicht. Vielmehr müsse eine gesetzliche Regung geschaffen werden. – Dann sollten wir das tun.

Es gibt zwei kleinere Punkte, die wir in diesem Zusammenhang besprechen sollten: Das ist erstens die Frage,

wie groß ein solcher gemeinsamer Einzugsbereich mehrer Schulen sein soll.

[Mieke Senftleben (FDP): Einen Quadratkilometer!]

Wollen wir dafür eine Regelung treffen? Wir sollten zumindest darüber nachdenken. Zum zweiten interessiert mich, was der Zweck eines solchen Einzugsbereichs ist. Geht es in der Tat darum, zwischen unterschiedlichen Schulprofilen wählen zu dürfen oder geht es darum, die Konkurrenz zwischen Schulen stattfinden zu lassen? Darüber sollten wir reden.

Ich komme zum zweiten Antrag. Auch hier gibt es in der Tat einen Regelungsbedarf, der aber nicht so sehr die Frage betrifft, die hier diskutiert wird. Alle sind sich einig – so ist auch die Gesetzeslage, das wird auch durch den Antrag nicht geändert –, bei der Schulwahl in der Sekundärstufe sollen der Elternwille und das Profil der Schule wichtig sein. Das steht am Anfang. Es steht auch immer noch am Anfang, wenn das, was die Grünen vorgeschlagen haben, beschlossen wird.

Es gibt ein Problem bei der Frage, wie das Kriterium der Wohnortnähe, das im Schulgesetz steht, von den Bezirken ausgelegt wird. Es wird nicht nur unterschiedlich ausgelegt. sondern wird auch in einer Weise ausgelegt – BVGFahrpläne sind schon genannt worden –, bei der Merkwürdigkeiten in der Steuerung herauskommen. Wir müssen eine transparentere Regelung finden. Es muss erlaubt sein, darüber nachzudenken, inwieweit ein Kriterium der Wohnortnähe, bei Schulen, die in der Regel mit der 7. Klasse anfangen, überhaupt vonnöten sein soll.

Die Konsequenz der Grünen ist eine mutige. Ich gestehe freimütig, dass ich der viel abgewinnen kann. Ich bin mir nur nicht sicher, ob die Grünen sie auch noch so formulieren würden, wenn sie diese Konsequenz immer vor sich her tragen müssten. Das bedeutet nämlich, dass in all den Fällen, die jetzt durch die Presse gegangen sind und in denen es darum ging, dass sich Eltern beklagt haben, dass sie neben der S-Bahn wohnen und das Kind deswegen nicht auf die Schule kommt, dann das Los entscheiden soll. Das ist in der Tat ein gerechtes Verfahren. Das finde ich richtig. Wir müssen uns aber noch einmal tief in die Augen schauen und überlegen, ob wir das gemeinsam politisch durchsetzen. Ich werde darüber nachdenken.

Ich will aber noch über einen weiteren Punkt nachdenken, den ich bei der Frage des Übergangs in die Sekundarstufe für wichtig halte. Wir sollten im Schulgesetz eine Regelung dafür finden, die es Lerngruppen, Klassen ermöglicht – wenn sie es denn wollen –, gemeinsam in die Sekundarstufe überzugehen. Das ist derzeit im Schulgesetz erschwert. Wenn es Kinder gemeinsam wollen, sollten wir es ihnen im Sinne des längeren gemeinsamen Lernens ermöglichen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Senftleben.

Herr Zillich! Das sind ja ganz neue Ideen, die Sie da haben. Das kollektive Wechseln auf die Sekundarstufe I ist eine super Idee. Ich fürchte, Sie bekommen aber Probleme mit den Eltern, aber auch mit den Schülern.

Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Es liegen uns zwei Änderungsanträge für das Schulgesetz vor. Ich beginne einmal ausnahmsweise mit dem zweiten. Da geht es um die Neuregelung der Aufnahme für die Sekundarstufe I. Ich kann es kurz machen. Die FDP-Fraktion hat genau das, was in diesem Antrag gefordert ist, bereits am 1. Juli 2008 als Antrag eingebracht. Sie haben das Problem erkannt. Das finden wir gut und richtig. Wir stimmen zu.

[Beifall bei der FDP – Beifall der Frau Dr. Felicitas Tesch (SPD]

Es ist natürlich ein Unding – ich sage es ganz deutlich, es geht um die Sekundarstufe I, die Schüler sind 13 Jahre –, dass die Erreichbarkeit der Schule als Kriterium für die Aufnahme in der Sek I herangezogen wird. Im Ergebnis heißt das, verehrte Frau Dr. Tesch, die BVG bestimmt, wer in welche Schule kommt. Das ist ignorant, das ist arrogant und nur schwer zu verantworten. Es sind zum wiederholten Mal die Bezirke, die sich hier wahrlich nicht mit Ruhm bekleckern. Das muss man hier ganz deutlich sagen. Schön, dass die Grünen hier auf unserer Seite sind. Das sage ich ausdrücklich.

Nun komme ich zum Antrag 1, der die Einschulungsbereiche ändern soll. Auch hier handelt es sich nicht um eine Idee der Grünen. Es geht ihnen darum, die momentane Praxis bezüglich der Ausweitung der Einschulungsgebiete, wie Mitte es momentan regelt, gesetzlich festzuzurren, denn wir hatten das Verwaltungsgerichtsurteil. Allerdings vergessen Sie etwas Wesentliches. Sie vergessen das ureigene Anliegen der Eltern, das zu dieser Klage geführt hat. Die Eltern sind generell mit den vorgegebenen Einschulungsgebieten nicht einverstanden. Sie wollen die Entscheidung treffen. Sie wollen keine Vorschriften, und das zu recht. Ihr Ansatz entspricht nicht dem Wunsch der Eltern nach einer Wahlfreiheit. Ihr Ansatz ist vielleicht rechtlich korrekt. Das mag auch auf den ersten Blick ein Schritt in die richtige Richtung sein, aber nur auf den ersten Blick. Eigentlich halten Sie es auch mit Rot-Rot. Sie sorgen dafür, dass auch weiterhin gegen den Willen der Eltern gehandelt wird. Auch mit Ihrem Vorschlag werden die Eltern, die bestimmte Schulen vermeiden wollen oder ein bestimmtes Profil wählen wollen, Scheinanmeldungen vornehmen oder ihre Kinder auf die Privatschule schicken. – Nein, ich lasse jetzt keine Frage zu.

Frau Kollegin! Trotz Ihres Neins möchte ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen.

Nein, ich habe hier noch etwas zu sagen. – Unser Vorschlag, Herr Kollege Mutlu, ist und war, die Einschulungsbereiche aufzuheben. Nur das führt zu einer echten Wahlfreiheit. Ich muss mein Kind nicht weiter weg schicken, ich kann es auch in meine Schule direkt nebenan schicken.

[Beifall bei der FDP]

Es ist selbstverständlich – das sage ich jetzt in die Richtung der SPD und PDS –, wir brauchen Kriterien, die die Aufnahme regeln, diskriminierungsfrei und von der Schulaufsicht auch genehmigt. Es wird, kann und darf nicht passieren, dass die Schule Kinder ablehnt, weil ihnen die Nase nicht passt. Dann träte genau der Fall ein, dass die Aufnahmeregelung diskriminiert. Das will ich nicht, verehrte Frau Dr. Tesch. – Es wäre schön, wenn Sie mir zuhören würden. – Die Aufnahmeregel muss diskriminierungsfrei und von der Schulaufsicht genehmigt sein. Das Fazit ist: Diesen Antrag müssen wir ablehnen. Beim ersten Lesen, insbesondere beim Lesen der Begründung mag man denken, es sei ein richtiger Schritt in die richtige Richtung; die Einzugsgebiete sollen vergrößert werden. Die Eltern können zumindest unter den Schulen im Einzugsbereich wählen. Das wäre in der Tat ein Fortschritt und geht ein wenig in Richtung des FDP-Antrags.

Aber auf den zweiten Blick muss man doch feststellen, dass die vorgeschlagene Regelung in vielen Situationen auch zu einer Verschlechterung führt. Das ist eine ganz entscheidende Kritik, die ich jetzt übe. Sie vergessen, eine klare Regelung zu treffen, nach welchen Voraussetzungen und nach welchen Kriterien Schulplätze vergeben werden sollen. Darum drücken Sie sich nämlich. Wir sind uns einig, erst wenn Eltern die Schulen auswählen können, kann man von einer Wahlfreiheit sprechen. Erst dann wird Wettbewerb zwischen den Schulen entstehen. Solange die Schulbehörde zuteilt. stärkt man allein den Einfluss der Schulbehörden.

Auch wenn die Grünen zumindest in der Begründung auf dem richtigen Weg sind, müssen wir den Antrag in dieser Form ablehnen.

Sie müssen leider auch zum Schluss kommen.

Die Gesetzesänderung weist einen völlig anderen Weg als den in der Begründung beschriebenen. Mit Ihrem Antrag ändern Sie nichts. Sie manifestieren das Vorhandene, benutzen in der Begründung Begriffe wie Wettbewerb und Wahlfreiheit. Wir sagen dazu, nein danke. Dieses in mei

nen Augen taktische Spielchen machen wir nicht mit. – Danke schön!