Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

Dieses Handeln von Senat und Koalition ist nicht akzeptabel. Es ist eine schwere Hypothek für das Ansehen und den zukünftigen Erfolg des ICC, und es setzt das internationale Renommee aufs Spiel. Ich erinnere daran, dass das ICC noch regelmäßig Preise einsammelt und als bestes internationales Kongresszentrum gilt. Bündnis 90/Die Grünen setzen sich deshalb stattdessen für eine zukunftsfähige Sanierung des ICC ein. Zukunftsfähig bedeutet für uns, dass moderne Medientechnik und ein modernes Raumkonzept realisiert werden. Gerade durch die Lektüre der neuesten Gutachten sehen wir uns in unserer Einschätzung bestätigt, dass ein modernes Raumkonzept keinen Anbau erfordert, sondern in dem bisherigen Gebäude zu realisieren ist. Das wäre auch ein wichtiger Eckpfeiler zur Senkung der Betriebskosten durch eine bessere Raumnutzung.

[Beifall bei den Grünen]

Zukunftsfähig bedeutet für uns insbesondere, dass das ICC ein Energiekonzept erhält, das den Klimaschutzerfordernissen der nächsten 30 Jahre Rechnung trägt und damit einen weiteren zentralen Beitrag zur Senkung der Betriebskosten leistet. Diese Entscheidung konnte man bereits aufgrund des GMP-Gutachtens treffen. Die neuen Gutachten haben keine davon abweichenden Ergebnisse gebracht. Deshalb gilt damals wie heute: Die relativen Mehrkosten der Sanierung sind abzuwägen gegenüber der Unmöglichkeit der Nachnutzung des Gebäudes und den schwer kalkulierbaren Abrisskosten, aber vor allem auch gegenüber dem internationalen Renommee des bestehenden Gebäudes. Das gilt damals wie heute, Herr Liebich! Deshalb wollen wir jedenfalls die nun vorliegenden Gutachten für die Entwicklung einer sachgerechten und zukunftsfähigen Lösung nutzen.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Ihr wollt den teuren Weg, das muss man sagen!]

Sie von der Koalition sind offensichtlich immer noch nicht dazu bereit und beschließen deswegen Unsinn. Das ist schade. Beeilen Sie sich, das zu ändern! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Linksfraktion hat nunmehr der Kollege Liebich das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege Liebich!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freuen sich schon einige Kollegen, dass ich jetzt die Geschichte des ICC erzähle. Das mache ich aber nicht. In diesem Fall ist es spannender, die Geschichte unserer Entscheidungsfindung zu erzählen.

[Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)]

Die CDU scheint das Thema, das sie hier beantragt hat, nicht so brennend zu interessieren. Aber sei es, wie es sei, ich werde trotzdem dazu reden. Es hilft ja nichts.

Sonst sage ich immer, was der Senat alles richtig macht, und unterstütze, lobe und preise ihn – meistens auch zu Recht.

[Gelächter von Elisabeth Paus (Grüne)]

Heute werde ich das nicht tun, weil ich finde, dass die Entscheidung, die der Senat hier getroffen hat, falsch ist. Das ist vorhin schon enthüllt worden. Das habe ich in diversen Ausschüssen gesagt. Warum sollte ich heute etwas anderes sagen? Ich finde, dass die Entscheidungsfindung des Senats zu lange gedauert hat. Da gebe ich Herrn Dietmann recht. Das Ergebnis ist meiner Ansicht nach auch falsch.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Anja Kofbinger (Grüne)]

Ich kritisiere da nicht nur den Senat, ich kritisiere die drei Oppositionsfraktionen und, damit es sich gleich richtig lohnt, auch die meisten Medien unserer Stadt.

[Michael Schäfer (Grüne): Und sich selbst!]

Ich glaube, die Entscheidung, den teureren Weg zu gehen, war falsch. Die Entscheidung, Frau Paus, ist auch nicht dadurch schönzureden, dass Sie das Problem auf die Raumnutzung im ICC verengen. Sie müssen dann schon klar sagen, dass eine vernünftige Betriebskostenabsenkung viel besser möglich gewesen wäre, wenn man sich für ein modernes Kongresszentrum entschieden hätte.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Diesen Weg sind Sie nicht gegangen.

[Zuruf von Elisabeth Paus (Grüne)]

Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, alle wollen gern den Weg gehen, der teurer ist. Das kann man so entscheiden, das hat der Senat so entschieden, das nehme ich auch zur Kenntnis, aber ich muss es nicht im Nachhinein noch schönreden.

[Zuruf von Elisabeth Paus (Grüne)]

Herr Dietmann! Das Problem sind nicht die 500 000 Euro für das eine oder andere Gutachten. Das Problem ist auch nicht, dass die Zahlen noch geschätzt sind, sondern das

Problem ist – das ist allen egal, ich werde es Ihnen deshalb noch einmal vortragen, selbst die Sparfüchse von Bündnis 90/Die Grünen haben dabei geklatscht –, dass der Neubau eines modernen und effektiven Kongresszentrums 126 bis 171 Millionen Euro gekostet hätte, und die Sanierung des guten alten ICC 209 bis 368 Millionen Euro kosten wird. Das heißt unterm Strich: Im schlimmsten Fall geben wir bewusst 242 Millionen Euro zu viel aus, im günstigsten Fall immerhin noch 38 Millionen Euro. Da relativieren sich Ihre 500 000 Euro für das Gutachten doch ein bisschen, Herr Dietmann!

[Elisabeth Paus (Grüne): Wo ist das Nachrüstungskonzept?]

Die Betriebskosten, die der Anlass des Ganzen waren, würden sich im Worst Case – von dem ich nicht hoffe, dass er eintritt – fast überhaupt nicht verringern. Das heißt, der Anlass des Ganzen wird nicht einmal mehr erfüllt werden. Wer jetzt einwirft, dass auch ein Abriss eingerechnet werden sollte – das ist diskutiert worden –, der hat recht. Aber selbst mit einem Abriss des ICC – den wir übrigens gar nicht wollten, weil wir für ein Interessenbekundungsverfahren waren –, wäre dieser Weg noch günstiger.

Es ist nicht schlimm, wenn ich das alles sage – auch wenn manch einer das nicht hören mag –, denn der Senat sagt das selbst. Der Senat hat es uns allen in seiner Vorlage an den Hauptausschuss mitgeteilt und gesagt, die Entscheidung sei nicht des Geldes wegen, sondern wegen nicht in Geld messbarer Faktoren getroffen worden.

[Zuruf von Elisabeth Paus (Grüne)]

Es gibt eine Menge Entscheidungen in der Stadt, die gern diese nicht in Geld messbaren Faktoren einbezogen hätten. Ich nehme beispielhaft das Thema Schauspielschule Ernst Busch. Mit dem schönen Geld, das wir hier zu viel ausgeben, könnten wir die Schauspielschule Ernst Busch sowohl in Treptow-Köpenick sanieren als auch in Mitte und in Pankow neu bauen – was die vielen Wahlkreisabgeordneten freuen würde.

[Elisabeth Paus (Grüne): Da haben Sie auch keine vernünftige Lösung. Das macht es nicht besser!]

Das machen wir nicht, weil wir das Geld für die Sanierung des ICC ausgeben.

Jetzt fragen Sie sich: Warum sagt der Liebich das, wo doch der Senat so eine Entscheidung getroffen hat? – Die Koalitionskollegen schütteln schon ganz entnervt den Kopf. Aber ich muss es doch nicht schönreden. Es ist so: Die Entscheidung haben wir nicht getroffen, weil wir sie richtig fanden, sondern wir mussten uns am Ende Mehrheiten fügen. Alle wollen das, die Medien wollen das,

[Oh! von der SPD]

die Mehrheit des Senats will das, alle Parteien im Abgeordnetenhaus wollen das. Wir hätten diese Entscheidung weiter blockieren können. Das wollten wir wiederum nicht, denn es ist auch wirtschaftspolitisch richtig, dass der Messe- und Kongressstandort Berlin jetzt eine

scheidung braucht. Die ist gefallen, die tragen wir mit, Herr Dietmann! Keine Sorge, wir werden sie nicht blockieren! Wir werden sie auch nicht verlangsamen, sondern wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass die Entscheidung in der nächsten Zeit so schnell und so gut wie möglich umgesetzt wird.

[Daniel Buchholz (SPD): Aha!]

Und wenn die Entscheidungen umgesetzt worden sind, dann werden wir auch eine Schlussrechnung machen können und dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin von Marzahn bis Spandau mitteilen, was das Ganze gekostet hat.

Um zu einem versöhnlichen Ausklang zu kommen – ich werde es danach nie wieder sagen, denn jetzt habe ich es in großer Runde gesagt –: Ich freue mich, dass Berlin bald ein modernes Kongresszentrum im ICC bekommen wird, und bedanke mich recht herzlich für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion – Daniel Buchholz (SPD): Geht doch! Das war eine sehr dialektische Rede!]

Danke schön, Herr Kollege Liebich! – Für die Fraktion der FDP hat nun der Kollege Weingartner das Wort. – Bitte schön, Herr Weingartner!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Wolf! Grundsätzlich begrüßen auch die Liberalen die Entscheidung, das ICC nicht abzureißen, sondern es, dem Stellenwert als Wahrzeichen dieser Stadt entsprechend, zu erhalten und es auch in Zukunft zu erhalten und in einen optimalen Zustand zu versetzen.

Dies ist allerdings mit der Hoffnung verbunden, dadurch nachhaltig die jährlichen Zuschüsse in Höhe von derzeit 11, 12 oder 14 Millionen Euro aus der Landeskasse einsparen zu können, denn mindestens diese Summen werden wir künftig für den Unterhalt des Flughafengeländes Tempelhof benötigen. Die müssen irgendwoher kommen. Die Antwort auf die Große Anfrage lässt jedoch schon jetzt vermuten, dass diese Hoffnung vergeblich gewesen sein wird. Leider ist der Senat bei seiner Entscheidung nicht den Vorschlägen der FDP gefolgt, sich bei der Sanierung des ÖPP-Modells zu bedienen oder sich um Unterstützung aus der Privatwirtschaft, sprich Ausschreibung, zu bemühen.

Auch hier ist der Senat offensichtlich einmal mehr der Auffassung, öffentliche Unternehmungen könnten es besser als die Privatwirtschaft, weswegen wir Ihre Sanierungsschritte mit unserer ungeteilten Aufmerksamkeit begleiten werden.

[Beifall bei der FDP]

Entscheidung braucht. Die ist gefallen, die tragen wir mit,

Nun zur Beantwortung der Großen Anfrage: Unter 1. und 2. antworten Sie interessanterweise, dass man für die Sanierung im laufenden Betrieb Ausweichflächen benötige, leider nicht, wo diese in welcher Form geschaffen werden sollten, könnten oder müssten. In der Antwort ist die Rede vom idealtypischen Raumprogramm, das noch gefunden werden solle. Hier schließt sich nach unserer Auffassung sofort die Frage an: Was ist nach Auffassung der Messe idealtypisch bei welchem Raumprogramm? – In dieser Form ist die Antwort ohne wirklichen Inhalt.

Kommen wir zu den Sanierungskosten, die seitens der Senatsverwaltung mit 182 Millionen Euro veranschlagt werden. Wie man zu diesem Ergebnis kommt, lässt sich aus der Senatsvorlage leider nicht erkennen, insbesondere dann nicht, wenn man weiß, dass die Bundesregierung bei ihren Bauvorhaben bereits mit Kostensteigerungen von über 100 Prozent rechnet und belastbare Planungen seitens der Senatsverwaltung oder der Messe nicht im Ansatz vorliegen. Aber eine diesbezügliche Baupreisüberschreitung wäre in Berlin kein Novum. Sie legen bezüglich der Finanzierung Zahlen vor, die man schlicht als Allgemeinplätze bezeichnen kann. So werden in diesem Jahr 1 000 Euro als Platzhalter genannt, für die Erstellung von Planungsunterlagen ab 2009 15 Millionen Euro, teilweise als außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bzw. schlicht Fortschreibung der Finanzierungsplanung. Eine belastbare Finanzierungsplanung ist das wohl nicht.

[Beifall bei der FDP]

Damit hätten Sie wohl nie einen Baukredit z. B. von der IKB erhalten. Das ist zu dünn, nebulös, meilenweit von Transparenz und Nachvollziehbarkeit entfernt. Stattdessen schreiben Sie schlicht, der Ausgleich solle jeweils über den Gesamthaushalt erfolgen. Man kann sich da nur wundern und fragen, wie lange das so noch gut gehen kann. Es gibt keine Rücklagen für derartige oder ähnliche Vorhaben wegen Substanzverlusts in Berlin. Das ist jahrelang verschlampt und damit verursacht worden. Stattdessen ist der Substanzverlust permanent. Allein diese Sanierung kann und wird Berlin in den Jahren 2010 bis 2015 wahrscheinlich 200 bis 400 Millionen Euro kosten, die aus dem normalen Haushalt kommen sollen. Zusätzlich stehen aber noch andere Vorhaben an: der Bau des Humboldt-Forums, die Sanierung der Staatsoper, die Sanierung der BVG und andere Dinge. Eine seriöse Haushalts- und Planungspolitik sieht anders aus. Allgemeinplätze wohin man blickt! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Große Anfrage der Fraktion der CDU und die Antwort des Senats sind damit besprochen.