Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich gehöre zu denjenigen, die den Rat der Bürgermeister kritisiert haben, Herr Dr. Zotl hat es angesprochen. Ich finde, dass sich das Abgeordnetenhaus lächerlich macht, wenn es Dinge nicht beraten will, nur weil der Rat der Bürgermeister es so besprochen hat. Genau so hat die Koalition in den Ausschüssen argumentiert: Wir wollen nicht darüber reden, der Rat der Bürgermeister hat es so beschlossen. – Der Rat der Bürgermeister ist ein Gremium mit fragwürdiger Legitimation. Er ist indirekt gewählt und hat ausschließlich beratende Funktion. Wer zulässt, dass der Rat der Bürgermeister eine Art Nebenregierung wird, der misst ihm eine Bedeutung bei,

[Kirsten Flesch (SPD): Es sind nicht die CDU-Kreisfürsten!]

die ihm nach der Verfassung überhaupt nicht zukommt.

[Beifall bei der FDP]

Bei einem Thema wird ganz deutlich, dass der Rat der Bürgermeister falsch liegt – Herr Birk hat es angesprochen: Naturschutz, Umweltschutz, Landschaftsschutzplanung, Grünflächen. – Dieser Verbund soll getrennt werden, die Grünflächen sollen jetzt zum Straßenbau. Das

widerspricht der Stellungnahme der Umweltverbände, das widerspricht der Meinung der Gartenamtsleiter sowie fast aller Experten. Es widerspricht der Organisationsempfehlung des Deutschen Städtetages und dem Ansatz des Berliner Naturschutzgesetzes. Mit solch einer Zuordnung sind politische Blockaden und Doppelarbeit von vornherein angelegt. Es ist vollkommen unverständlich, weshalb die Koalition dem Rat der Bürgermeister folgt und nicht der Mehrheit der Experten. Die Ergänzung des Gesetzentwurfs sieht vor, dass der Senat das per Rechtsverordnung ändern kann. Weshalb dann nicht gleich? Weshalb führt man Naturschutz und Grünflächen nicht gleich zusammen, anstatt es später per Verordnung zu regeln, wo zudem der Rat der Bürgermeister nur noch angehört wird und nicht mehr zustimmen muss.

Dieser Gesetzentwurf hat einige massive Schönheitsfehler, geht im Großen und Ganzen aber aus unserer Sicht in die richtige Richtung. Die FDP-Fraktion wird sich deshalb bei der Abstimmung der Stimme enthalten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schmidt! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Beide Ausschüsse empfehlen mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU und bei Enthaltung der Grünen sowie der FDP die Annahme der Vorlage mit Änderungen.

Wer der Gesetzesvorlage mit der Drucksachennummer 16/1235 unter Berücksichtigung der Änderungen mit der Drucksachennummer 16/1769 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das ist die CDU-Fraktion. Enthaltungen? – Das sind Bündnis 90/Grüne und die FDP-Fraktion. Das Erste war die Mehrheit. Damit ist das Achte Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 b:

Antrag und dringliche Beschlussempfehlung

Verbraucherschutz sicherstellen – Hotline bei der Verbraucherzentrale finanziell unterstützen!

Antrag der Grünen Drs 16/1807 Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/1826

Das ist die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter dem Tagesordnungspunkt 43.

Ich habe den Antrag auf der Drucksache 16/1807 vorab an den Hauptausschuss überwiesen. – Ihre nachträgliche Zustimmung stelle ich fest. Wird der Dringlichkeit der Beschlussempfehlung widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Für die Beratungen steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Schäfer hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie alle kennen Menschen, die in Banken arbeiten und sich Kundenberater nennen. Diese sogenannten Kundenberater haben diesen Namen nicht verdient. Sie beraten nicht im Interesse der Kunden, sondern im Interesse ihrer Bank, ihres Arbeitgebers. Die Banken haben mit Zielvereinbarungen und Provisionsvereinbarungen auch ehrbare Berater systematisch dazu gebracht, unabhängig vom Kundenwunsch bestimmte Produkte zu verkaufen. Selbst Kunden, die in die Bank gegangen sind, um ihre Altersvorsorge sicher anzulegen, Kunden, die in der Bank explizit deutlich gemacht haben, dass sie keine Risiken eingehen wollen, sind teilweise mit hochriskanten Papieren aus der Bank herausgekommen. Viele Menschen auch in Berlin stehen heute vor einem Scherbenhaufen und haben zum Teil existenzielle Nöte.

Wir brauchen eine Stärkung der Verbraucherrechte gegenüber den Finanzinstituten.

[Beifall bei den Grünen]

Sie ist jetzt für viele Menschen eine Frage der Nothilfe. Sie ist nötig, um verlorengegangenes Vertrauen auch in seriöse Anlagen zurückzugewinnen, und sie kann dazu beitragen, künftige Finanzkrisen zu verhindern, wenn die Risiken endlich transparent werden.

Wir stehen heute vor drei Aufgaben: Erstens brauchen wir eine unabhängige Finanzberatung für alle Verbraucherinnen und Verbraucher. Jeder soll einen Gutschein für einen finanziellen Vorsorge-Check bekommen, und zwar bei einer unabhängigen Einrichtung wie einer Verbraucherzentrale. Mit dem Gutschein kann jeder insbesondere seine Altersvorsorge von einem unabhängigen Gutachter prüfen lassen. Die Kosten für dieses System müssen die Banken übernehmen. Sie sind die Verursacher dieser Vertrauenskrise, und sie haben vitales finanzielles Eigeninteresse daran, dass nicht auch das Vertrauen in sinnvolle Anlageformen verlorengeht. Es wäre fatal, wenn sich immer mehr Menschen jetzt grundsätzlich aus der Investition in Aktien zurückzögen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir fordern deshalb den Senat dazu auf: Versuchen Sie die Banken dafür zu gewinnen, eine unabhängige Finanzberatung für alle Berlinerinnen und Berliner mit einem solchen Gutscheinsystem zu finanzieren. Es geht hier um Kosten von etwa 50 Millionen Euro. Das wird vielen als sehr hoch erscheinen, ist aber eines der kostengünstigsten Instrumente, um das verlorengegangene Vertrauen zurückzugewinnen, und das liegt im vitalen Eigeninteresse der Banken. Die Verbraucherberatung jetzt weiter den Bankberatern zu überlassen, ist so unsinnig wie die Re

Reform der Finanzmarktregulierung an Herrn Tietmeyer zu übergeben.

[Beifall bei den Grünen]

Die zweite Aufgabe besteht darin, dass wir die anstehende Regulierung der Finanzmärkte auch dafür nutzen, die Rechte der Verbraucher auszubauen. Es geht beispielsweise darum, die Transparenzregeln zu stärken, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu stärken und ihr gesetzlich Verbraucherschutzaufgaben vorzuschreiben. Und es geht darum, Schadenersatzansprüche aus Fehlinformationen bei Wertpapierverkäufen besser abzusichern. Zurzeit haben wir dafür eine verkürzte Verjährungsfrist. Das ist absurd, die Verkürzung dieser Verjährungsfrist gehört abgeschafft. – Dafür soll sich der Senat bundespolitisch einsetzen.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Drittens geht es um die Hilfe in der Not. Der Senat muss jetzt schnell und umfassend sicherstellen, dass die geschädigten Berliner Anleger von der Verbraucherzentrale Berlin über ihre Rechte informiert werden und eventuelle Entschädigungsforderungen auch geltend machen können. Wer heute eine solche Beratung bei der Verbraucherzentrale sucht, der wird eher verrückt als beraten, weil die Hotline schlichtweg überfordert ist. Es gibt dreimal mehr Anrufe als vorher. Es gibt anderthalb Beraterstellen. Das wird der Nachfrage nicht gerecht. Wir erwarten – ich denke, ich spreche für alle Fraktionen –, dass der Senat dieses Problem schnell zusammen mit der Verbraucherzentrale löst.

Es geht um 75 000 Euro, die die Verbraucherzentrale braucht, um die Hilfesuchenden zu beraten. Ich bitte den Senat, hier nicht kleinmütig zu sein. Dieses Geld muss schnell zur Verfügung gestellt werden, damit den Hilfesuchenden schnell geholfen wird.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Die 75 000 Euro entsprechen etwa dem sechswöchigen Ruhegehalt von Herrn Funke, dem ausgeschiedenen Vorstandsvorsitzenden – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Lindner?

Ja, sehr gerne!

Herr Schäfer! Glauben Sie wirklich, dass 75 000 Euro ausreichen, um eine Verbraucherzentrale, die dafür gedacht ist, beim Umgang mit verdorbenen Lebensmitteln und Ähnlichem zu helfen, in die Lage zu versetzen, Bürgern beim komplizierten Umgang mit Finanzprodukten kompetent zu beraten?

[Beifall bei der FDP – Zurufe von der Linksfraktion und den Grünen]

Herr Dr. Lindner! Die Verbraucherzentrale Berlin hat eine jahrelange Tradition in der Finanzberatung.

[Beifall bei den Grünen]

Tun Sie nicht so überheblich! Die deutschen Verbraucherzentralen waren unter den wenigen Institutionen, die vor den Anlageprodukten, die die Finanzmarktkrise ausgelöst haben, gewarnt haben. Dort ist vielleicht mehr Fachverstand vorhanden als in Ihrer Fraktion.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Bravo!]

Unsere Bitte an den Senat ist – ich glaube, da sind viele unter Ihnen an meiner Seite –, jetzt nicht kleinmütig zu sein, sondern diese Hilfen für die Menschen, die existenzielle Nöte haben, schnell zur Verfügung zu stellen, damit sie zumindest eine ordentliche Rechtsberatung über ihre eventuellen Schadenersatzansprüche bekommen.

Diese Nothilfe kann aber nur ein erster Schritt sein. Es geht darüber hinaus darum, ein System einer unabhängigen Finanzberatung in Berlin aufzubauen. Wir fordern Sie auf, dazu schnell in Gespräche mit den Banken einzutreten, um sie für ein Gutscheinsystem zu gewinnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schäfer! – Für die SPDFraktion hat jetzt die Abgeordnete Monteiro das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Schäfer! Ich habe noch einmal die Anträge herausgesucht. Von dem sicher sehr interessanten Gutscheinsystem ist weder im Antrag der Fraktion der Grünen noch in dem mithilfe der Grünen im Hauptausschuss beschlossenen Antrag die Rede. Nichtsdestotrotz ist es eine interessante Idee. Wir sollten aber zu den vorliegenden Anträgen reden bzw. das vorlegen, worüber wir sprechen wollen.

[Beifall bei der SPD und der FDP – Dr. Martin Lindner (FDP): Absoluter Schwachsinn von den Grünen!]

Die Finanzkrise hat uns heute bereits im Plenum beschäftigt. Vielfältige Fragen und Probleme, die sich aus ihr ergeben, wurden angesprochen, andere noch nicht. Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf die Wirtschaft? Was bedeutet sie für die Arbeitslosenzahlen in Berlin? Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf private Spareinlagen und Guthaben der Verbraucherinnen und Verbraucher bei deutschen und internationalen Banken?