Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele nennen, in welchem Maße es möglich ist, gute Planung sowohl im Investorensinn als auch im Sinn der Schaffung von mehr Grün und städtebaulicher Qualität vor Ort und an der Spree zu machen. Konkretes Beispiel: Der Investor Herr Kilian hat eine gute Verknüpfung zwischen mehr Grün an der Spree und städtebaulich sinnvoller Investition für Büro- und Dienstleistung an der Schillingbrücke und der Straße gegenüber vom Ostbahnhof vorgeschlagen. Das ist machbar, wir alle vom Ausschuss haben es uns zeigen lassen. Insofern habe ich die dringende Bitte: Unterstützen Sie so einen Vorschlag! Das ist konkrete Konsenssuche.

[Beifall bei den Grünen]

Ein zweites Beispiel will ich noch anführen: Der Bezirk hat vorgeschlagen, im Osthafenbereich die Erschließungsmaßnahmen um 10 Meter schmaler zu machen – was möglich ist und sogar Kosten spart – und dafür 10 Meter an der Spree für Grün und städtebauliche Qualität zu gewinnen. Auch hier kann ich nur sagen: Unterstützen Sie so etwas! In diesem Sinne werbe ich bei allen Beteiligten dafür, endlich abzurüsten und den Weg, den der Bezirk zurzeit geht, konstruktiv zu unterstützen. – Ich danke Ihnen!

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Eichstädt-Bohlig! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Flierl das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU schlägt vor, die alleinige planungsrechtliche Zuständigkeit für diesen städtebaulichen Entwicklungsraum entlang der Spree dem Senat zu übertragen. Das lehnen wir ab, weil es nämlich keines der aufgeworfenen Probleme löst. Dass der Senat die Zuständigkeit an sich zieht, kann immer nur die Ultima Ratio in diesem Verfahren sein.

Ich teile die Auffassung von Frau Eichstädt-Bohlig: Wenn wir heute Ihrem Antrag nachkämen, wäre das eine Entscheidung gegen den Bürgerentscheid, denn unabhängig davon, wie wir den Bürgerentscheid selbst vom Inhalt her beurteilen, muss er abgewogen und ernst genommen werden und in die Planung eingehen. Ich teile auch die Auffassung, dass der Spreeraum ein gesamtstädtischer Entwicklungsraum ist. Das Zusammenwachsen der Stadt am ehemaligen Grenzstreifen der Spree, die Hinwendung zum Wasser, der postindustrielle Strukturwandel – all dies sind gesamtstädtische Themen. Wir haben aber eine jahrelange – übrigens unter Rot-Schwarz entwickelte – Vorlaufplanung. Wir haben sektorale Planungen des Senats. Wir haben bezirkliche Planungen. All dies muss berücksichtigt werden. Wir haben übrigens auch Senatspläne, die sich mit Arealen dort befassen. Hier einfach umzuschwenken, wäre nicht die richtige Antwort.

Das Problem ist, dass wir nach dem Bürgerentscheid eine sehr verfahren erscheinende Situation haben. Der Bezirk, der genau jenes Planungsrecht herbeigeführt hat, gegen das sich der Bürgerentscheid gerichtet hat, erwartet nun, dass die Umsteuerung vor allem auf jenen Grundstücken erfolgt, die von landeseigenen Betrieben gehalten werden bzw. für die das Planungsrecht beim Senat liegt. Umgekehrt steht der Senat wohl einer Veränderung der Planung positiv gegenüber, wenn von den Investoren keine Schadenersatzforderungen kommen und den Landesbetrieben keine Nachteile entstehen. Gleichzeitig behält er sich die Übernahme der Planungshoheit vor.

Eine solche Situation hat Potenzial für einen parteitaktischen Stellungskrieg. Wir wären alle gut beraten, wenn wir diesen nicht zuließen. Wenn ich die aktuellen Debatten verfolge und auch die Verständigung in den Regierungsparteien richtig wahrnehme –, wächst die Einsicht, dass wir aus der verfahrenen Situation herauskommen müssen und sie nicht verschärfen dürfen.

Zum Beispiel lese ich in einem SPD-Papier über die Entwicklung des Spreeraums in Friedrichshain-Kreuzberg:

Ziel dieser Umsteuerung sollte es sein, großzügige, anspruchsvolle, öffentliche Räume am Ufer, einen gelungenen Städtebau und eine urbane Nutzungs

mischung, mehr Wohnungen am Wasser, eine Vermeidung zusätzlicher Verkehrsbelastungen und eine positive Wirkung des Spreeraums auf die Wohn- und Lebensqualität benachbarten Stadtteile zu erreichen. Es soll ein Stadtquartier geplant und gebaut werden, das von den Menschen im Bezirk und ganz Berlin nicht abgelehnt, sondern angenommen und mit Leben erfüllt wird.

Völlig richtig wird formuliert:

SPD und Linke verfolgen dabei zugleich die Ziele einer positiven Arbeitsplatzentwicklung mit Effekten für die Beschäftigungslage im Land und Bezirk sowie eine Vermeidung von Schadenersatzforderungen. Diese

gemeint sind die Investoren und Grundstückseigentümer im Spreeraum –

müssen bei der Umsteuerung stärker einbezogen werden.

Das ist eine Konsensstrategie, die außerordentlich sinnvoll und richtig ist.

Ich denke, der Sonderausschuss der BVV hat begonnen, Möglichkeiten einer Planungsänderung zu sondieren. – Die Kollegin Haußdörfer erwähnte schon den Spaziergang des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr, auf dem wir uns ein Bild machen konnten. – Der Bezirksbürgermeister hat uns inzwischen einen Brief geschrieben. Wir können uns mit diesen Anregungen auseinandersetzen.

Ich plädiere also für einen konsensualen Prozess. Die Abwägung, wie die Anliegen des Bürgerentscheids in die künftige Entwicklung eingebracht werden können, kann weder allein vom Bezirk noch durch Übernahme der Planungshoheit durch den Senat vorgenommen werden. Das gegenwärtige Dilemma wird wohl nur durch Reaktivierung von Planungskultur, einer Kooperation von Bezirk und Senat und im Gespräch mit Bürgerinitiative und Investoren gelingen. Den Senat sehen wir dabei eher in der Rolle des Moderators und weniger in der des Plangebers. Wenn diese Richtung verfolgt wird, bin ich sicher, dass wir auch zu einer adäquaten, abwägenden Reaktion auf die Inhalte des Bürgerentscheids kommen und Mediaspree als gesamtstädtisches Projekt entwickeln können, ohne notwendigerweise die Planungshoheit an den Senat zu geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! [Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Vielen Dank, Herr Dr. Flierl! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Lindner das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ich könnte es relativ kurz machen, weil zum Thema Mediaspree eigentlich schon alles ausgeführt wurde.

[Özcan Mutlu (Grüne): Sie können ja auf Ihren Beitrag verzichten!]

Zwei, drei Sätze zum Antrag der CDU, will ich schon sagen. – Im ersten Teil geht der Antrag vernünftig los, denn es ist tatsächlich ein Treppenwitz dieser Stadt, dass über ein dermaßen gigantisches Bebauungsverfahren vom Bezirk und nicht vom Senat entschieden wird. Ich hatte es bereits in der letzten Debatte ausgeführt: Dafür, dass das so ist, gibt es keinen vernünftigen, logischen Grund.

Der einzige Grund ist politischer Natur: Auf bezirklicher Ebene ist die Linkspartei für dieses Projekt und die SPD dagegen. Auf Senatsebene ist es umgekehrt. Da denkt man sich: Warum sollte sich Frau Junge-Reyer dieses Monstrum an Land ziehen, mit dem sie nichts als Streit im Senat hat? Da ist es doch viel netter, wenn die Sache beim Bezirk liegt. Soll sich doch der Bezirksbürgermeister daran verschlucken. Das kostet den Ströbele nächstes Jahr ein paar Erststimmen, vielleicht auch den Wahlkreis.

[Özcan Mutlu (Grüne): Abwarten!]

Da freut sich Frau Pau. Auf diese Weise ist die Sache dann geritzt.

Dieses Verhalten schadet aber der Stadt. Es mag alles seine parteipolitische Berechtigung haben, aber wir müssen dafür sorgen, dass Investoren ihr Geld in diese wirtschaftsarme, arbeitslosenreiche Stadt, in die Hauptstadt der Hartz IV-Empfänger, bringen können. Dazu sind wir alle verpflichtet.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir können uns nicht mit Mätzchen aufhalten.

Das heißt für meine Fraktion nicht, dass diejenigen, die jetzt auf dem Gelände sind, vertrieben werden müssen, bevor echtes Geld investiert wird. Wenn da im Moment nette Bars sind und andere Aktivitäten stattfinden, dann sollen die bleiben, bis der Bagger kommt.

Wir lehnen Ihren Antrag ab, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

[Andreas Gram (CDU): Was?]

Dass wir unter Berücksichtigung des Bürgerbegehrens einen Gestaltungskompromiss finden sollen, ist doch schon wieder ein Aufweichen. Wir brauchen Rechts- und Planungssicherheit und keine faulen Kompromisse.

[Beifall bei der FDP]

Es gibt Bebauungspläne, und an die müssen wir uns halten. Wir können nicht rumwackeln und ein Bürgerbegehren, das auf dieser Ebene gar nichts zu suchen hatte, zum Maßstab künftiger Planungen machen. Ich wiederhole mich ungern: Wir müssen künftig darauf achten – das ist

die zweite Lehre aus Mediaspree, wobei die erste Lehre ist, dass die Dinge auf der richtigen Ebene entschieden werden müssen –, dass auch Bürger- und Volksentscheide auf der richtigen Ebene stattfinden. Wir dürfen den Leute nichts vormachen. Wir können ihnen nicht suggerieren, sie könnten mitentscheiden, obwohl sie gar nicht die zuständige Ebene sind. Genauso verrückt wäre es gewesen, in Tempelhof-Schöneberg einen Bürgerentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof zuzulassen. Ich kann Ihnen sagen, wie der ausgegangen wäre: Sie brauchen sich nur die regionalisierten Daten von TempelhofSchöneberg beim Volksentscheid anzuschauen. Dort lag die Zustimmung bei über 70 Prozent, und 49 Prozent haben sich beteiligt. Da wäre ein Ergebnis erzielt worden. Es wäre aber Quatsch gewesen, weil es nicht die richtige Ebene gewesen wäre. Genauso wie ein Bürgerentscheid in Tempelhof-Schöneberg zum Flughafen Tempelhof nicht statthaft gewesen wäre, ist es auch im vorliegenden Fall. Die Dinge müssen auf der richtigen Ebene entschieden werden. Dass sie entschieden werden, sind wir der Stadt und den Leuten schuldig. Insbesondere in der schwierigen Phase, die auf die Stadt und das Land durch die Weltwirtschaftskrise, durch die Rezession zukommt, müssen wir alles dafür tun, dass die Menschen eine vernünftige wirtschaftliche Perspektive haben. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lindner! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich – gegen die Stimmen der CDU – die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/1704. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDUFraktion. Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Enthaltungen gibt es somit nicht. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 e:

Schlussfolgerungen aus dem Bericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ für die Berliner Kulturpolitik

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/1841

Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion die Linke. Der Abgeordnete Brauer hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Als am 11. September 2007 die Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages ihren Abschlussbericht vorlegte, war der Beifall einhellig, fast je

jedenfalls. Der Bericht und die ihm zugrunde liegenden Fachgutachten bieten eine beeindruckende Bilanz des kulturellen Lebens in Deutschland, und er lässt es nicht dabei bewenden. Der Bericht unterbreitet ca. 500 Handlungsempfehlungen an die kulturpolitischen Akteure aller politischen Ebenen.

Kulturpolitik im föderalen System der Bundesrepublik ist aus guten Gründen hauptsächlich Ländersache, auch wenn wir der Meinung sind, dass ein eigenständiges Bundeskulturministerium mehr als sinnvoll wäre ebenso wie – ich räume es gern ein – ein eigenständiges Ressort „kulturelle Angelegenheiten“ im Senat von Berlin. Aber sogleich an die Adresse der Opposition: Dies bedeutet nicht, dass ich einen Wechsel des Pferdes im laufenden Rennen für sinnvoll hielte.

Kulturpolitik ist zuvörderst Ländersache, und deshalb wollen wir heute den Senat beauftragen, den Enquetebericht hinsichtlich der Sinnhaltigkeit von Handlungsempfehlungen für das Land Berlin auszuloten und im Sinne einer Prioritätenliste – man kann auch sagen: einer kulturpolitischen Handlungsstrategie – die für Berlin wesentlichen Handlungsfelder zu identifizieren.

Angesichts der Haushaltslage des Landes wissen wir, dass das Wünschbare mitnichten das Machbare sein kann. Hinsichtlich einiger empfohlener Handlungsfelder ist Berlin übrigens kulturpolitischer Vorreiter in der Bundesrepublik. Ich nenne nur die ressortübergreifenden Ansätze zum Thema „Kultur als Wirtschaftsfaktor“, die kulturelle Bildung und den ÖBS Kulturarbeit. Hier können wir auf Ansätze verweisen, die es auszubauen gilt. Desto notwendiger scheint mir aber eine nach inhaltlichen Schwerpunkten abgestufte Maßnahmeliste zu sein. Das ist mehr als das neuerdings von Oppositionspolitikern beklagte angebliche Fehlen einer persönlichen Handschrift des Kultursenators. Diese pseudomonarchischen Sehnsüchte von CDU und Grünen halte ich zudem für ziemlich albern.

Selbstverständlich ist es eine enorme Leistung rot-roter Kulturpolitik der letzten sechs Jahre, die kulturelle Landschaft Berlins zumindest auf Landesebene stabilisiert zu haben. Andererseits kann es nicht im Interesse der Stadt liegen, immer dann, wenn wieder einmal die Säge irgendwo klemmt, nach dem Bund als rettendem Deus ex Machina zu rufen – nach dem Motto: Das gehört jetzt aber in die Bundeszuständigkeit. – Manches schon, das gebe ich zu. Aber das sollte man endlich stärker von inhaltlichen, denn von fiskalischen Kriterien abhängig machen.

[Alice Ströver (Grüne): Genau!]