Protokoll der Sitzung vom 27.11.2008

Damit kommen wir zur Frage der Kollegin Elfi Jantzen von der Fraktion der Grünen zum Thema

Kinderlärm ist Zukunftsmusik – was tut der Senat für mehr Kinder- und Jugendfreundlichkeit?

Bitte schön, Frau Jantzen!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Wenn Sie sechs Kinder hätten, würden Sie das anders beurteilen!]

Herr Lindner! Über mir wohnen Kinder, und ich freue mich, wenn ich etwas von ihnen höre und es nicht totenstill in unserem Haus ist.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Sieht der Senat sog. „Kinderlärm“ als natürliche Lebensäußerung von Kindern und Ausdruck kindlicher Lebensfreude an, und was tut er für mehr Toleranz und Verständnis gegenüber sog. „Kinderlärm“ und ein kinder- und jugendfreundlicheres Klima in Berlin?

2. Welche rechtlichen Änderungen sind notwendig, um weitere Nachbarschaftsklagen gegen Kinderläden, die Nutzung von Spiel- und Bolzplätzen und musizierende Kinder und Jugendliche zu verhindern?

[Dr. Martin Lindner (FDP): Wie viele Kinder haben Sie denn selbst?]

Jetzt hat Frau Senatorin Lompscher das Wort zur Beantwortung. – Bitte sehr, Frau Lompscher!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Jantzen! Über mir wohnen auch Kinder, und die höre ich auch manchmal. Das ist völlig in Ordnung.

Zu Ihrer ersten Frage: Der Senat betrachtet Kinderlärm genauso wie Sie als natürlich, als Selbstverständlichkeit im Zusammenleben der Gesellschaft – nicht nur in Berlin, sondern generell – und, wie Sie es formuliert haben, als Ausdruck kindlicher Lebensfreude. Generell sind Toleranz und Verständnis gefragt. Daran appelliere ich ausdrücklich!

Der Senat setzt sich weiterhin für ein kinder- und jugendfreundliches Berlin ein. Dabei widmet er seine Aufmerksamkeit auch der Sicherung eines dauerhaften Betriebs von Kindereinrichtungen, die von Lärmbeschwerden betroffen sind. – So viel zu Ihrer ersten Frage.

Zu Ihrer zweiten Frage: Es besteht keine rechtliche Möglichkeit, Klagen von vom Lärm betroffenen Nachbarn von vornherein zu unterbinden. Die Erfolgsaussichten derartiger Klagen sind allerdings nahezu ausgeschlossen, wenn beim Kinderlärm die Vorgaben des geltenden Rechts beachtet werden. Diese Vorgaben gewährleisten weite Entfaltungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Kinderlärm, einschließlich des Lärmes von Jugendlichen, gilt allgemein als sozial adäquat, ist also angemessen von den Nachbarn zu dulden. Das ist die Rechtslage. Das sage ich hier noch einmal ganz deutlich.

Nur bei missbräuchlichen Verhaltensweisen, die anhand des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen sind, kommt im Ausnahmefall ein Anspruch der Nachbarn auf Lärmschutz in Betracht. Außerordentlich bedauerlich sind solche Vorkommnisse wie die jüngst erfolgte Schließung der Kita Milchzahn e. V. in Friedenau. Dort waren jedoch – und das war ein wichtiger Unterschied – konkrete zivilrechtliche Festlegungen zur Nutzung entscheidend und nicht Lärmbeschwerden. Diese Vorgaben sind bei der Erweiterung der Kita nicht beachtet worden. Dennoch hätte ich mir sowohl vom Kläger als auch vom Gericht mehr Toleranz und Fingerspitzengefühl gewünscht. Aber ich bin nicht das Gericht.

Zur Rechtslage: Zur Nutzung, Bestandssicherung und Förderung von Spiel- und Bolzplätzen bestehen vielfältige Rechtsgrundlagen z. B. § 8 der Bauordnung für Berlin oder das Kinderspielplatzgesetz. Für musizierende Kinder und Jugendliche möchte ich ergänzend auf die weiten Ausübungsmöglichkeiten nach dem Landesimmissionsschutzgesetz Berlin hinweisen. Grundsätzlich kann werktags während der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr musiziert werden, weil darin im Regelfall keine erhebliche Ruhestörung zu sehen ist. Der dem gegenüberstehende Schutz der Nacht-, Sonn- und Feiertagsruhe – und nur das ist Gegenstand des Landesemissionsschutzgesetzes – ist als angemessen zu betrachten. Deshalb sehen wir es nach derzeitigem Kenntnisstand nicht für erforderlich an, die Rechtslage zu ändern. – Vielen Dank!

Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt gibt es eine Nachfrage von Frau Jantzen. – Bitte schön, Frau Jantzen!

Die eventuell erforderlichen rechtlichen Regelungen wird man noch mal gesondert prüfen müssen. Zurzeit wird das Demografiekonzept erarbeitet. Wir wissen, dass in den nächsten Jahren die Jugendlichen immer mehr in die Minderheit geraten werden. Deshalb meine Frage an den Senat: Wie werden Sie in diesem Demografiekonzept die Rechte, Interessen und Bedürfnisse von Kindern nach Bewegung, sozialer Begegnung und Spiel berücksichtigen, und wie werden Sie es schaffen, für mehr Toleranz zu sorgen?

Frau Senatorin Lompscher – bitte schön!

Ich habe mit meiner Antwort deutlich gemacht, dass wir sehr sorgfältig überlegen, wie weit die derzeitig geltenden rechtlichen Regelungen dem besonderen Schutz der Interessen von Kindern und Jugendlichen gerecht werden. Nach unserem derzeitigen Erkenntnisstand ist das der Fall. Ich kann bestimmte Kläger, die vor Gericht unterliegen, nur ermutigen, dagegen Beschwerde einzulegen, denn sie haben die Rechtslage auf ihrer Seite. Wenn allerdings andere Tatbestände geltend gemacht oder wenn vom Regelfall abweichende Ausnahmen entscheidend sind, dann sind unsere Möglichkeiten begrenzt. Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen zusagen, dass wir die Rechtslage und die Urteile vor Gericht weiterhin beobachten. Nach derzeitigem Stand der Dinge gehen wir davon aus, dass wir eine Änderung nicht benötigen.

Danke schön! – Eine Nachfrage vom Kollegen Buchholz. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Sie hatten angesprochen, dass Gerichte Fingerspitzengefühl und Toleranz zeigen sollen. Aber wäre es nicht doch sinnvoll, dass in Berlin sowohl im Berliner Landesimmissionsschutzgesetz als auch bei der bundesweit gültigen Baunutzungsverordnung Klarstellungen vorgenommen werden, dass Kinderlärm privilegiert zu behandeln ist, um den Gerichten bei der Auslegung von Gesetzen behilflich zu sein?

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Frau Senatorin Lompscher – bitte sehr!

Ich bedanke mich auch für diese Nachfrage! – Ich habe versucht, deutlich zu machen, dass diese Klarstellungen bereits Bestandteil der gesetzlichen Regelungen und auch der Ausführungsbestimmungen sind. Ich gehe davon aus, dass Gerichte, Kläger und Anwälte in der Lage sind, alle diese Grundlagen angemessen zu prüfen. Deshalb habe ich gesagt, dass wir die Situation aufmerksam beobachten. Wir haben zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Erkenntnisse darüber, wie wir es anders lösen könnten. Wir werden es weiter beobachten.

Danke schön, Frau Senatorin!

Jetzt geht es weiter mit einer Anfrage der Kollegin Senftleben von der Fraktion der FDP zum Thema

Statuserhebung 2008

Bitte schön, Frau Senftleben!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Wann kann mit den Ergebnissen der vom Senat in der Antwort der Großen Anfrage – Drs 16/1781 – angekündigten Statuserhebung für den Sanierungsbedarf in Schulen für das Jahr 2008 gerechnet werden?

Danke schön, Frau Senftleben! – Das Wort hat Senator Prof. Zöllner. – Bitte sehr!

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Auswertung der Erhebung zum Sanierungsbedarf gestaltet sich schwieriger als erwartet, sodass ein exakter Zeitpunkt, wann die Ergebnisse vorliegen werden, nicht genannt werden kann.

Der derzeitige Sachstand zum Sanierungsbedarf an öffentlichen Schulen des Landes Berlin zeigt gegenüber den Erhebungen von 2006/2007 einen Anstieg um rund 50 Millionen Euro auf rund 950 Millionen Euro. Gleichzeitig ist aber die Zahl der zur Sanierung angemeldeten Liegenschaften von 865 Standorten um 111 auf 754 Standorte gesunken. Die Zunahme der Kosten konzentriert sich im Wesentlichen auf drei Bezirke. Auf Nachfrage wurde als Begründung sowohl auf gestiegene Baukosten als auch – bedingt durch die Personalsituation in den Baudienststellen – auf eine höhere Inanspruchnahme externer Planungsleistungen hingewiesen. Die zurückgehende Zahl zu sanierender Objekte ist auf die zunehmende Konzentration der verfügbaren Ressourcen auf bestimmte Standorte und deren durchgreifende Grundinstandsetzung zurückzuführen.

In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich unbefriedigend, dass trotz Inanspruchnahme verschiedenster Finanzierungsquellen der Sanierungsbedarf praktisch unverändert oder sogar leicht gestiegen ist. Sie werden verstehen, dass ich dieses zu klären versuche. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im ersten Quartal 2009 vorliegen.

Danke schön! – Eine Nachfrage von Frau Senftleben. – Bitte sehr!

Herr Senator Zöllner! Sie scheinen diesbezüglich in engem Kontakt mit Senator Sarrazin zu stehen. – Wann wird ein Konzept vorgelegt, damit der Sanierungsstau mittelfristig aufgelöst werden kann? Oder sind Sie vielleicht der Auffassung, dass Bezirke und Land das allein schaffen können bzw. sollen? Müssen wir hier nicht vielmehr zu anderen Modellen wie z. B. PPP greifen, damit es merklich vorangeht?

Gut! Die Frage ist verstanden worden, Frau Senftleben! – Bitte schön, Herr Senator!

Ich finde es ausgesprochen angenehm, dass die gute Zusammenarbeit im Senat auch von den Oppositionsparteien gewürdigt wird. – Ich versichere Ihnen, dass ein Konzept erst dann vorgelegt oder erarbeitet werden kann, wenn der Bedarf klar definiert ist.

Ich gehe davon aus, dass in der Zukunft ein Investitionsschwerpunkt sicher im Schulbereich und damit im Schulsanierungsprogramm liegen wird. Wie das aussehen wird, werden wir zu gegebener Zeit als Senat vortragen.

Danke schön! – Eine Nachfrage von Frau DemirbükenWegener!

[Sie ist nicht da! von der CDU]

Dann ist das ein Irrtum! – Dann ist Frau Pop an der Reihe mit einer Nachfrage. – Bitte, Frau Pop!

Ich frage angesichts der letzten Ausführungen, ob das noch in dieser Legislaturperiode geschehen wird, dass der Sanierungsbedarf in Gänze erhoben wird, damit er abgearbeitet werden kann. Vor dem Hintergrund, dass der Bedarf von Jahr zu Jahr ununterbrochen steigt: Schaffen Sie es noch in dieser Legislaturperiode?

[Mieke Senftleben (FDP): Danke!]

Danke schön! – Herr Senator Prof. Zöllner – bitte!

Soweit ich bezüglich des Zeitpunkts der Erhebung orientiert bin, ist das Jahr 2009 avisiert. Ich habe das erste Quartal dieses Jahres genannt, das liegt noch in dieser Legislaturperiode.

Zweitens: Auch wenn der Bedarf nicht klar definiert ist, führen die beachtlichen Anstrengungen, die der Senat mithilfe der Schulbaumittel und der Bezirksmittel mit den Bezirken unternimmt, um die Schulbausituation permanent zu verbessern und damit auch hoffentlich ständig zu einem Abbau des Sanierungsstaus – unabhängig von der Gesamterfassung und unabhängig von einem Gesamtkonzept, das letztlich den gesamten Sanierungsbedarf umfasst –, zu kommen, zu einem Erfolg. Ohne dass ich mich in diesem speziellen Fall – daran können Sie sehen, wie gut die Abstimmung innerhalb des Senats ist – mit dem Finanzsenator abgesprochen habe, gehe ich davon aus, dass nicht der gesamte Sanierungsbedarf in dieser Legislaturperiode abgearbeitet wird.

Danke schön!

Jetzt geht es weiter mit einer Frage des Abgeordneten Kohlmeier von der SPD-Fraktion zu dem Thema

NPD-Demonstration am 6. Dezember 2008 in Lichtenberg