Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Übrigens kann man eine solche politische Ansicht vertreten, Herr Kollege Buchholz! Aber man sollte sich dann auch dazu bekennen. Dann hätten wir eben unterschiedliche politische Positionen in der Thematik. Das wäre von der Herangehensweise zumindest redlich. Unredlich dagegen ist es, die in Relation zur Dimension ihrer Novellierung unwichtigen Nebenentgelte in den Vordergrund zu spielen und so zu tun, als müsse man mal eben eine Novelle einbringen, um einen Rechtszustand herzustellen.

Entschuldigung, Herr Wilke! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Oberg?

Kann er gern machen!

Herr Oberg!

Herzlichen Dank! – Herr Kollege! Was verstehen Sie unter einer „marktprovozierenden Position“ der BSR? Ist es nicht so, dass eine marktprovozierende Position im Sinne eines Marktwirtschaftlers eine angenehme und richtige sein sollte, weil sie genau das vollendet, was ein Marktwirtschaftler möchte, nämlich den Markt und den Wettbewerb?

Herr Kollege! Die Provokation besteht darin, dass Sie, wenn Sie Wettbewerb haben wollen und der BSR eine

solche Stellung einräumten, wie Sie es vorhaben, ein störendes Element auf einen Wettbewerbsmarkt bringen. Das ist dann ein provozierendes Element. Das ist relativ einfach zu verstehen.

[Beifall bei der CDU – Lars Oberg (SPD): Nee!]

Die Koalition betreibt mit dem Versuch der Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ein heikles Spiel. Dabei ist der Versuch, dies über die Nebenentgelte zu begründen, nichts weiter als eine Nebelkerze. Lassen Sie das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz so, wie es ist! Stimmen Sie mit uns für ein ordentliches Vergabeverfahren und eine sachgerechte Abbildung der Nebenentgelte über den Landeshaushalt, damit die Transparenz über deren Verwendung auch in Zukunft gewährleistet ist! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wilke! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Platta das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde das Gefühl nicht los, dass immer alle denken, dass Berlin als Land plötzlich nicht mehr öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger sei. Aber genau das steht im Gesetz nicht drin. Deshalb sollten Sie doch langsam anfangen, es zu lesen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die vorliegenden Anträge passen trotzdem zur aktuellen Debatte. Über die in vielerlei Hinsicht aufschlussreiche Anhörung der Sachverständigen aus der Wirtschaft und den Verbänden zur Gesetzesänderungsinitiative der Koalition zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz am 1. Dezember wurde schon berichtet.

Der heutige Antrag der Koalition über einen jährlichen Bericht zur Verwendung der Nebenentgelte der Systembetreiber im Sinne der Verpackungsverordnung sowie der zur Erfassung und Verwertung der Verpackungsabfälle steht bei seiner Umsetzung für hohe Transparenz, für die nachhaltige Verwendung der finanziellen Mittel und gleichzeitig für Versorgungswege und ermöglicht nach Auswertung des Berichts auch die gegebenenfalls notwendige Steuerung durch Einleitung von Maßnahmen durch die politisch Verantwortlichen und somit auch durch die Mitglieder dieses hohen Hauses.

Der zweite Antrag, der der Opposition, zeigt schon in seinem Titel „Der Senat muss durch ein offenes und transparentes Vergabeverfahren ökologische Abfallberatung gewährleisten“ ein weit über das gesunde Maß hinausgehendes Misstrauen an der Arbeit des Senats und eines landeseigenen Unternehmens und unterstellt, dass die Or

Organisation der Abfallberatung nicht nach ökologischen Gesichtspunkten erfolgt. Bei diesem Niveau können wir nichts Konstruktives in diesem Antrag entdecken.

Werte Kollegen der Opposition! Die Vergabe der Mittel zur Abfallberatung im Verfahren eines Wettbewerbs nach öffentlicher Ausschreibung garantiert nicht automatisch eine optimale und ökologische Beratung, besonders dann nicht, wenn die spezifischen örtlichen Gegebenheiten einschließlich der Bevölkerungsstruktur den externen Abfallberatern nicht bekannt sind. Die Koalition steht in diesem Zusammenhang für eine intelligente und konzeptionelle Herangehensweise bei der Organisation der Abfallberatung, um mit den vorhandenen Mitteln und den Mitteln der Verpackungsverordnung größtmögliche Erfolge zu erreichen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Diese Erfolge müssen sich natürlich messen lassen an den Kategorien Abfallvermeidung, Abfallverminderung und Abfallverwertung. Dabei ist es nach genauer Prüfung der Kriterien durchaus denkbar, dass einzelne Aufträge zur Erarbeitung von Beratungsmaterial, das sich an bestimmte Zielgruppen richten soll, an Umwelt- und Abfallberaterinnen mit dem entsprechenden Marketingverständnis vergeben werden.

Entschuldigung, Frau Platta! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt?

Frau Kollegin Platta! Woraus schließen Sie denn, dass bei der unkritischen und unkontrollierten Vergabe an die BSR eine konzeptionelle und sinnvolle Abfallberatung erzielt wird, wenn Sie bei uns kritisieren, dass das bei einer Ausschreibung nicht erreicht wird?

Weil die BSR jetzt schon nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz Beratungen durchführt. Vielleicht haben Sie das eine oder andere Material von ihr auch schon gesehen. Ich denke, dass man auf dieser Arbeit durchaus aufbauen kann. Im Übrigen haben wir auf sie sicherlich mehr Einfluss als auf ein externes privates Unternehmen.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Mario Czaja (CDU): Frau Platta! Das war großer Unsinn, den Sie gerade erzählt haben!]

Dieses in Berlin vorhandene Erfahrungspotenzial nicht zu nutzen, wäre sträflich, und genau sträflich ist es auch, auf die Erfahrung des landeseigenen Abfallentsorgers auf dem Gebiet der Abfallberatung zu verzichten.

Die Linke steht zum landeseigenen Abfallunternehmen als Betrieb der öffentlichen Daseinsvorsorge, und wir werden die Entwicklung dieses Unternehmens zu einem echten Umweltunternehmen begleiten. Die Entwicklung der Biotonne zur Klimaschutztonne ist ein Teil davon. Hier sollen keine finanziellen Gewinne für andere aus dem System gezogen werden. Die Gewinner sollen allein die Berlinerinnen und Berliner sein.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir haben Anfang des nächsten Jahres die Aufgabe, im Ausschuss für Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherschutz weiter über den Gesetzesänderungsantrag zu beraten, und werden natürlich auch die heute vorliegenden Anträge zur Beratung heranziehen. Sie können davon ausgehen, dass wir dies mit ökologischem, sozialem und ökonomischem Augenmaß auch tun werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit, auch wenn Sie nur zum Teil aufmerksam waren!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Platta! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Kubala. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In allen Landesabfallgesetzen steht, dass die Kommune öffentlichrechtlicher Entsorgungsträger ist, das heißt, die Verantwortung für die Abfallpolitik trägt. Daraus leitet sich ganz klar ab: Der Senat trägt im Land Berlin die Verantwortung für eine ökologische Abfallpolitik.

[Beifall bei den Grünen]

Kollege Buchholz! Ich muss Sie korrigieren. In den Abfallgesetzen steht darüber hinaus auch: Die Kommunen können sich bei der Abfallentsorgung Dritter bedienen, und diese Dritten können Gesellschaften sein, die zu 100 Prozent dem Land Berlin gehören. Das können auch Private sein. Sie wissen so gut wie ich, dass 50 Prozent der Entsorger in den anderen Bundesländern, also rund 220 Entsorger, zu 100 Prozent Private sind.

Bei uns ist es die BSR. Wir haben mit der BSR gute Erfahrungen gemacht, und so soll es auch bleiben. Aber das Land Berlin darf sich nicht aus seiner Verantwortung für die Abfallpolitik stehlen. Das werden wir nicht zulassen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Das Land Berlin kann sich Dritter bedienen, und die BSR ist ein Monopol. Sie gehört zu 100 Prozent dem Land Berlin. Das ist richtig. Sie ist aber nicht unabhängig und handelt im Auftrag des Landes Berlin. Wir machen die abfallpolitischen Vorgaben, der Senat setzt sie um und trägt dafür auch die Verantwortung. Diese klare Verantwortungszuschreibung wollen wir hier auseinanderhalten.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Wir haben in der Vergangenheit viel Kritik an der Abfallbehörde und an dem Senatsmitglied gehabt, das zuständig für die Abfallpolitik ist. Daraus hat sich für uns die Konsequenz ergeben, dass wir sie an dieser Stelle nicht auch aus der Verantwortung entlassen wollen. Das hat gar nichts damit zu tun, dass wir die BSR schwächen wollen. Wir lassen uns hier nicht für die Interessen von ALBA einspannen. Wir lassen uns aber gleichermaßen auch nicht für die Interessen der BSR einspannen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Die aktuelle Diskussion um die Abfallgebühren, die wir momentan in den Medien haben, hat sehr viel damit zu tun, dass die Abfallbehörde in der Vergangenheit ihre Aufgaben nicht gemacht hat. Auf vielen Berliner Hinterhöfen stehen eben keine gelben, kostenfreien Tonnen. Der ganze Müll landet im Restmüll. Wir haben schon jahrelang Probleme mit der Getrenntsammlung des Biomülls. Wir haben Probleme mit der Getrenntsammlung des Elektronikschrotts, und wir haben auch massive Probleme damit, dass der Verpackungsabfall in der Resttonne landet.

Diesen Zustand kritisieren wir, und wir wollen ihn verändern. Deswegen wollen wir an dieser Stelle klar sagen: Der Senat ist zuständig für die Abfallpolitik. Er ist auch zuständig für den Verpackungsmüll und die Entgelte, die herauskommen. Wir lassen ihn aus dieser Verantwortung nicht heraus.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Die BSR hat primär ein ganz anderes Interesse. Sie hat Interesse an einer möglichst großen Abfallmenge. Das ist aus ihrer Logik nachvollziehbar. Sie verdient mit der Abfallentsorgung ihr Geld. Aus diesem Interesse heraus hat sie eher einen Widerstand gegen innovative Ansätze wie die Gelbe Tonne plus. Das Interesse an einer Abfallpolitik, die auf Abfallvermeidung und auf Abfallreduzierung setzt, kann nur das Land Berlin, eine Abfallbehörde, ein Unabhängiger haben.

Aufgrund dieser Logik fordern wir mit unserem Antrag, die Mittel, die aus der Verpackungsverordnung kommen, in den Landeshaushalt einzustellen. Wir Grünen haben das schon bei den Haushaltsberatungen 2008/2009 gefordert. Die Mittel sollen also in den Landeshaushalt eingestellt werden. Dann sollen sie ausgeschrieben werden, und dann können sich BSR, ALBA und insbesondere unabhängige Dritte um diese Mittel bewerben. Dann werden wir sehen, wer die beste ökologische, abfallvermeidende Abfallberatung macht.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Wir meinen, das Geld gehört nicht zu ALBA, es gehört aber auch nicht zur BSR. Es gehört in den öffentlichen Haushalt. Abfallberatung ist eine öffentliche Aufgabe. Stimmen Sie diesem Antrag zu! Wir brauchen keine Gesetzesänderung, um die Mittel der Verpackungsverordnung neu zu verteilen. Stimmen Sie diesem Antrag zu! Dann können Sie Ihr Gesetz zur Änderung des Abfallgesetzes zurückziehen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Frau Kubala! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt zu beiden Anträgen die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Wir kommen zur