Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Wenn wir zu diesen Fragen, was denn nun eigentlich gilt, kommen, würde ich gern noch einmal das Thema Wohnungsbaugesellschaften ansprechen.

[Ah! von der SPD und der Linksfraktion]

Da haben wir eine Studie „Fakten und Legenden“ – Senatsverwaltung für Finanzen, 10. Oktober 2006. Das ist nicht irgendein Referatsleiter, der das geschrieben hat, sondern ein offizielles Dokument der Regierung Berlins. Herr Sarrazin! Sie werden das gut kennen. Da steht nun in aller Deutlichkeit drin, welcher Auffassung Sie sind – ich zitiere:

Eine mietpreisdämpfende Wirkung öffentlicher Wohnungsunternehmen kann nicht beobachtet werden. Eine mietpreistreibende Wirkung privati

sierter Wohnungsunternehmen kann auf entspannten Wohnungsmärkten ebenfalls nicht beobachtet werden.

Das ganze Papier ist ein deutliches Plädoyer für die Privatisierung. Was gilt aber jetzt – das offizielle Dokument Ihrer Senatsverwaltung oder das, was Herr Wowereit soeben gesagt hat?

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Was gilt denn in der CDU? Sie haben sich selbst noch nicht entschieden!]

Wir möchten gern wissen, was gilt, und wir möchten gern wissen, ob Herr Sarrazin ein Finanzsenator ist, der auch in der zweiten Legislaturperiode an den guten Ansätzen der ersten anknüpft,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Oh!]

oder ob er als Frühstückssenator in diesem Senat endet. Ich befürchte, Letzteres wird der Fall sein.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der FDP – Stefan Liebich (Linksfraktion): Nach fünf Jahren!]

Herr Wowereit! Auch im Hinblick auf die Finanzen ist es ein fataler Irrtum, es so zu machen, wie Sie das tun. Sie haben eben gesagt: Drei Opern wollen wir haben. – Und im gleichen Atemzug sagen Sie: Aber der Bund muss die eine übernehmen. – Ich habe gar nichts dagegen, sondern fände es ganz im Gegenteil sehr gut, wenn wir den Bund davon überzeugen könnten. Ich und auch andere von uns arbeiten daran mit. Aber, Herr Wowereit, verraten Sie uns doch bitte, was passiert, wenn sich der Bund auf diese öffentliche Erpressung von Ihnen nicht einlässt! Schließen Sie dann die Staatsoper? Ist es nicht der falsche Weg, solche öffentlichen Forderungen in die Welt zu donnern, andere zu erpressen und damit zur Entsolidarisierung mit Berlin beizutragen?

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP – Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Glauben Sie bitte nicht, dass Herr Neumann oder Frau Merkel sich öffentlich erpressen lassen würden! Wie man es klug machen kann, hat Herr Lehmann, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, gezeigt. Er hat bei der Einweihung des Bode-Museums – Herr Müller und ich sind dort gewesen – gesagt: Dank an die Bundesregierung für diese fabelhafte Unterstützung der Museumsinsel! Herr Neumann und Frau Merkel, wenn Sie uns jetzt noch ein ganz kleines bisschen mehr helfen würden und noch 70 Millionen € zusätzlich für das Besucherzentrum übrig hätten, dann wären wir Ihnen sehr zu Dank verpflichtet. –

[Zurufe von der Linksfraktion]

Dazu hat Herr Neumann dann spontan gesagt, das werde er ernsthaft prüfen, und drei Wochen später war die Sache unter Dach und Fach. So macht man das. Man dankt erst einmal denjenigen, die bei den kulturellen Aufgaben helfen, und sagt dann: „Aber wir brauchen mehr, und lasst uns gemeinsam daran arbeiten!“, anstatt mit Herrn Barenboim und der Staatsoper so herumzuzocken. Das ist der

falsche Weg, und der wird nicht zum Erfolg für unsere Stadt führen.

[Beifall bei der CDU und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wir haben so viel in unserer Stadt, was wir machen können. Wir sollten nach vorn schauen und ihr eine Vision geben. Hauptstadt der Ökologie! Kinderfreundlichste Stadt in Deutschland! Europäische Wissenschaftsstadt!

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Es gab hier schon eine Menge!]

Wir haben so viele riesige Chancen als Kulturmetropole in der Welt. Wir könnten so viel schaffen, wenn wir den Ehrgeiz entwickelten, die wirtschaftsfreundlichste Stadt, die Stadt mit der wenigsten Bürokratie oder die Stadt zu sein, die am offensten für Investoren ist. Wir haben eine so unglaubliche Forschungs- und Wissenschaftslandschaft in Berlin. Es ist ein Trauerspiel, dass sie von Rot-Rot und von Ihnen, Herr Wowereit, regiert wird. Berlin kann viel mehr aus seinen Möglichkeiten machen, als es dieser Senat und als es diese traurige Regierungserklärung von heute erhoffen lassen.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Danke schön, Herr Dr. Pflüger! – Das Wort für die SPDFraktion hat nunmehr Kollege Müller. – Bitte schön!

[Michael Schäfer (Grüne): Welche Entschuldigung kommt denn jetzt?]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 17. September hat die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler der SPD erneut den Auftrag zur Regierungsbildung in Berlin erteilt. Das ist nach fünf Jahren gemeinsamer Arbeit für unsere Stadt eine eindeutige Bestätigung des Weges, den wir bisher gegangen sind. Das Vertrauen, das uns damit ausgesprochen wurde, werden wir auch in dieser Legislaturperiode nicht enttäuschen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die Bildungs-, Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturpolitik, die Fragen der sozialen Gerechtigkeit sind und bleiben die Schwerpunkte dieser Koalition. Dafür steht Rot-Rot. Daran werden wir gemeinsam in den nächsten fünf Jahren arbeiten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich will aber nicht verhehlen, dass der Start der Koalition im November bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters nicht gerade glanzvoll war. Das muss man ohne Umschweife einräumen. Zwei Punkte, meine Damen und Herren von der Opposition, werden in diesem Zusammenhang von Ihnen immer wieder genannt. Zum einen geht es um das Agieren des Präsidenten. Der Parlamentspräsident hat sich inzwischen mehrfach öffentlich zu sei

nem Fehler bekannt und sich dafür öffentlich entschuldigt – auch heute hier im Parlament. Ich finde diese Entschuldigung richtig und angemessen angesichts der schwierigen Situation, in der das Parlament war. Ich finde aber auch, dass wir alle diese Entschuldigung anerkennen und respektieren sollten. Sie schießen mit Ihrer Kritik inzwischen in den Gremien und anderswo weit über das Ziel hinaus.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich verwahre mich entschieden gegen die infame Unterstellung, die es in den letzen Tagen gab, nämlich dass der ehemalige Regierende Bürgermeister Momper mithilfe eines Verfassungsbruchs Klaus Wowereit illegal zum Regierenden Bürgermeister machen wollte. Ich fordere Sie auf, mit diesen Unterstellungen aufzuhören und zu einer vernünftigen Sacharbeit im Interesse des Parlaments zurückzukehren!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Zudem sprachen Sie – auch eben wieder – die Äußerung von Frau Nehring-Venus in den letzten Tagen an. Ich will dazu unmissverständlich in alle Richtungen dieses Hauses Folgendes sagen: Das, was 1946 stattgefunden hat, war eine Zwangsvereinigung. Sozialdemokraten sind für ihre politische Gesinnung verfolgt, drangsaliert und inhaftiert worden. Daran gibt es nichts zu beschönigen, relativieren oder umzudeuten. Darauf, dass das Unrecht war, haben sich SPD und PDS im Koalitionsvertrag 2002 eindeutig verständigt. Das ist für mich die Grundlage der Zusammenarbeit. Daran gibt es nichts zu ändern.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Noch etwas sage ich eindeutig, Herr Pflüger: Wir Sozialdemokraten, Mitglieder der ältesten deutschen Partei, haben es mit unserer Geschichte nicht nötig, uns von Ihnen oder anderen Belehrungen und Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie geben zu lassen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie haben ohne Skrupel das Geld und die Mitglieder der ehemaligen Blockparteien aufgenommen. Das gehört zur Wahrheit.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Damit nicht genug der Heuchelei,

[Frank Henkel (CDU): Lüge!]

Sie stellen sich hier hin und sagen mit Tränen in den Augen: Wie kann man nur mit der PDS zusammenarbeiten? – Haben Sie Herrn Czaja schon einmal gefragt, wie er das in Marzahn machen kann? Haben Sie gefragt, wie Ihre Kollegen in Cottbus das machen können oder wie Herr Zeller Bürgermeister werden konnte? Hören Sie mit dieser Heuchelei auf!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich verspreche Ihnen, dass das einfache Kalkül der Opposition – schwieriger Start der Regierung gleich Schwäche der Koalition über fünf Jahre – nicht aufgehen wird. Wir werden zeigen, dass diese Koalition auch in der vor uns

liegenden Legislaturperiode eine erfolgreiche Politik für Berlin machen wird, eine Politik, die Perspektiven über die nächsten fünf Jahre hinaus aufzeigt.

Im Jahr 2001 haben wir gemeinsam mit Klaus Wowereit gesagt, dass wir einen Mentalitätswechsel wollen – raus aus dem Bankenskandal, aus dem Image der Subventionitis und dem langen Schatten der Mauer, der bis heute eine zentrale Ursache für die schwierige Lage Berlins ist. Heute können wir sagen, dass der Mentalitätswechsel gelungen ist. Es gibt dafür zwei konkrete Belege. Das ist einerseits die Haushalts- und Finanzpolitik: Uns ist es in den letzten Jahren gemeinsam gelungen umzusteuern, wichtige Strukturentscheidungen zu treffen und ab dem Jahr 2007 ausgeglichene, verfassungskonforme Haushalte vorzulegen. Wir haben es geschafft, dass der harte Sparkurs in der Stadt akzeptiert wird und dass Mehreinnahmen nicht ausgegeben werden, sondern komplett in die Reduzierung der Kreditaufnahme fließen. Das ist ein Beleg für einen Mentalitätswechsel, für den diese Regierung und insbesondere Klaus Wowereit und Thilo Sarrazin stehen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es gibt einen zweiten konkreten Beleg für einen Mentalitätswechsel, nämlich alles, was mit der Bankgesellschaft zu tun hat. Alles wurde schnell abgehakt und vergessen, aber so lange ist es noch gar nicht her. Wie war die Situation in den Jahren 2001 und 2002? – Niemand wollte uns einen einzigen Euro für die Bankgesellschaft geben. Das Institut stand für den größten Bankenskandal der Nachkriegsgeschichte. Wie sieht die Situation vier Jahre später aus? – Inhaltlich ist der Bankenskandal aufgearbeitet. Vorstände und Aufsichtsräte wurden ausgewechselt. Das Institut wurde geräuschlos saniert. Wir schreiben inzwischen wieder Gewinne. Viele Immobilienrisiken konnten abgearbeitet werden. Wir können im Jahr 2007 endlich die Bank zu einem ordentlichen Milliardenbetrag privatisieren und damit einen Großteil der verbliebenen Immobilienrisiken abdecken. Es ist ein konkreter Beleg für einen Mentalitätswechsel, wenn man nicht wegschaut und alles laufen lässt, sondern die Verantwortung annimmt und umsteuert. So kann man in dieser Stadt etwas erreichen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Bild von Berlin nach innen und außen ist heute völlig anders als vor fünf Jahren.

[Dr. Frank Steffel (CDU): Das stimmt!]