Meine Fraktion stellt an diesen Senat drei zentrale Forderungen: Erstens bleiben wir dabei, dass das Land Berlin mehr Mittel bereitstellen und sein Investitionsprogramm aufstocken muss – mindestens um die erwähnten 100 Millionen Euro. Nach einem Pakt für Deutschland muss es so etwas wie einen Pakt für Berlin geben. Ansonsten rate ich Ihnen: Packen Sie ein! Wir haben Ihnen bereits einen Vorschlag dafür unterbreitet, ein Infrastrukturprogramm für die Berliner Bezirke im Umfang von
100 Millionen Euro. Wenn man sich vor Augen hält, dass Sie den Berliner Bezirken nach Ihren eigenen Aussagen, nach den Zahlen des Senats, 250 Millionen Euro vorenthalten, die an den Bezirken vorbeifließen, in dem Sinn freier Aktivitäten mit sehr viel Bürokratie, dann ist ein solches zusätzliches Programm für die Berliner Bezirke geradezu geboten. Setzen Sie die Bezirke wieder in die Lage, ihre ureigensten Aufgaben wahrzunehmen!
Bei dieser Gelegenheit könnten Sie auch etwas für die Berlinerinnen und Berliner direkt tun: Schaffen Sie einfach die Umweltzone ab, oder verschieben Sie zumindest die zweite Stufe der Umsetzung!
Es kann schließlich nicht sein, dass die Investition in Neufahrzeuge derzeit ein Unternehmen nach dem anderen ruiniert.
Zweitens: Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung ist nicht nur etwa ein reines Geldgeschenk an den rotroten Senat. Nein, es ist eine Aufforderung an ihn, Politik endlich zu gestalten.
Entschuldigung, Herr Abgeordneter Goetze! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Oberg?
Nein! – Bundeskanzlerin Merkel hat den Weg vorgegeben. Sie wollen und müssen diese Krise endlich als Chance für die Berlinerinnen und Berliner nutzen. Ihr Aussitzen der von mir geschilderten Probleme bringt die Stadt nicht voran. Es wird nicht ausreichen, einfach nur ein paar Schlaglöcher zu flicken und ein paar Schultoiletten zu sanieren. Investitionen in Infrastruktur, Bildung und energetische Gebäudesanierung, das sind die richtigen Ziele. Es ist wahrlich keine intellektuelle Transferleistung, was Sie sich hier bisher geleistet haben. Eine eigene Schwerpunktsetzung ist bisher vom Senat auch nicht zu erkennen.
Klein-klein und das Aufarbeiten des eigenen Sanierungsrückstaus, das ist bisher Ihr Programm. Das kann in einer konjunkturellen Krise nicht ausreichend sein.
Nein, dieser Senat hat keine Vision von der Stadt! Er weiß nicht, wohin die Reise mit Berlin gehen soll. Was
sind – unabhängig von der Krise – die Stärken und Chancen dieser Stadt? Worin soll man investieren? Wie will man Berlin sozial, ökonomisch und ökologisch erneuern? Das sind die Fragen, die Sie sich erst einmal stellen müssen! Wir können das derzeit nicht erkennen. – Vor allen Dingen müssen Sie diese Fragen auch endlich beantworten! Insofern könnte diese Krise auch eine Chance für den Senat sein, aber wir kennen ihn: Er wird sie nicht wahrnehmen.
Drittens: Dieser Senat muss endlich die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die zugesagten Mittel des Bundes zügig in die dringendsten Investitions- und Infrastrukturmaßnahmen investiert werden können. Dazu müssen Sie Bürokratie vereinfachen, Abläufe verschlanken und für schnelle Entscheidungswege sorgen. Was wir hier gerade vom Kollegen Zackenfels über die große zentrale Überbürokratie gehört haben, die für die Stadt wieder alles verwalten, verhandeln, jedenfalls aber nicht umsetzen soll, die lehnen wir ab. Das funktioniert nicht! In den Bezirken haben Sie Strukturen, solange sie von Ihnen noch nicht vollständig kaputtgespart sind. Nutzen Sie diese Strukturen! Die Leute vor Ort wissen am besten, wo das Geld hingehört.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Finanzsenator ist heute zu diesem Thema eingefallen, man müsse gelegentlich die Frage stellen, ob Verwaltungen überhaupt zum Bauen geboren sind. – Das kann doch nicht wahr sein! Wo ist denn Ihre Kernkompetenz auf dem Gebiet der Investition? Herr Finanzsenator! Es ist nicht Ihre Kernaufgabe die Kompetenz der Verwaltung wiederholt in Frage zu stellen, sondern endlich eine Personal- und Prozesspolitik so zu gestalten, dass ausreichend qualifizierte Fachleute vorhanden sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neben diesen Infrastrukturmaßnahmen, die in harte Güter fließen, gehört auch eine Investition in die Bildung. Dazu kommen wir heute noch an anderer Stelle, aber das muss mit dazugehören. Man kann nicht nur in die harten Essentials
investieren, sondern muss auch in die Köpfe investieren. Darüber werden wir uns nachher unterhalten. Das ist eine weitere Kernforderung, die wir an Sie richten.
Also: Berlin kann etwas von diesem Konjunkturprogramm haben, kann davon profitieren, aber dieser rot-rote Senat hat bis heute keine Vorstellung davon, –
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetze! – Für die Linksfraktion hat nun der Abgeordnete Wechselberg das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, dieses Konjunkturpaket hat auch aus dem Berliner Landesparlament heraus durchaus eine kritische Perspektive verdient, und zwar eine, die dem Grundsatz dieses Pakets gerecht wird. Da muss man zunächst einmal feststellen, dass die Bundesregierung vielfach und völlig zu Recht in den vergangenen Wochen bis in die internationale Politik hinein, aber vor allen Dingen auch hier im Land, schwer kritisiert worden ist, dass sie weitergehende konjunkturpolitische Maßnahmen des Staates grundsätzlich abgelehnt hat, entgegen dem internationalen Common Sense und im Gegensatz zur einhelligen wirtschaftspolitischen Expertise. Noch vor wenigen Wochen galten staatliche Konjunkturprogramme führenden Politikern der großen Koalition als reine Geldverschwendung. Nun kommt es mit dem Konjunkturpaket II anders, und zwar so, wie es zu befürchten war, nämlich zu spät, zu kraftlos, und im Detail mit einem kräftigen Rechtsdrall in Richtung der CSU, die sich im Übrigen als eigentlicher Gewinner des Koalitionspokers fühlen darf.
Unter dem Druck der Wirtschaftszahlen, der steigenden Arbeitslosigkeit, den beispiellos schlechten Konjunkturaussichten und den drohenden Wahlen war die Passivität gegenüber der Krise für die große Koalition offensichtlich nicht länger durchzuhalten. In diesem Sinn ist das Paket tatsächlich ein Fortschritt, weil überhaupt etwas geschieht, aber insgesamt bleibt es hinter den Anforderungen deutlich zurück.
Mit einem Volumen von 25 Milliarden Euro in den Jahren 2009 und 2010 – davon lediglich rund die Hälfte für Investitionen – entspricht das Paket knapp einem Prozentpunkt des deutschen Bruttoinlandsprodukts und liegt damit deutlich unter dem, was andere Länder international an Maßnahmen planen oder auf den Weg gebracht haben. Die Bundesregierung selbst erwartet, dass dieses zusätzliche Paket den Einbruch des Wirtschaftswachstums in Deutschland gerade einmal von 3 Prozent auf 2 Prozent zu verringern vermag. Dieser Rückgang wäre allerdings immer noch der höchste in der deutschen Nachkriegsgeschichte – mit den entsprechenden negativen Auswirkungen. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung kommt damit nicht nur zu spät, sondern es ist in seinem Umfang auch ungenügend und daher bestenfalls ein konjunkturpolitischer Zwischenschritt, mit dem es nicht gelingen wird, die tiefste Wirtschaftskrise seit 1929 erfolgreich zu bekämpfen.
Schließlich fragen wir uns, weshalb man nun ein weiteres Abschirmungspaket über 100 Milliarden Euro zur Liquiditätsversorgung der Unternehmen auf den Weg bringt, wo das doch eigentlich die originäre Aufgabe des Bankenpakets ist,
das allerdings offenkundig nicht funktioniert. Teure Zusatzpakete sollen hier die Schwächen des Bankenpakets kaschieren. Das finden wir ebenfalls falsch.
Außerordentlich kritisch bewerten wir zudem die steuerpolitischen Maßnahmen. Wir bedauern sehr und wundern uns, dass sich hier die CSU in vollem Umfang durchsetzen konnte. Mit 9,5 Milliarden Euro pro Jahr und zusätzlichen Mindereinnahmen sind diese Entlastungen für die öffentliche Hand langfristig außerordentlich teuer. Untere und mittlere Einkommen werden kaum spürbar entlastet,
und die beschlossenen Maßnahmen gehen das Gerechtigkeitsproblem, das wir in der Steuer- und Abgabenpolitik haben, nicht an. Wo bleibt die angemessene Belastung von Besserverdienenden und Vermögenden, die in den zurückliegenden Jahren vielfach von Spekulationsgeschäften profitiert haben?
Völlige Fehlanzeige! Aber weshalb man dann – im Gegenteil dazu – in dieser tiefen Krise nun auch noch die Spitzenverdiener an den Steuerentlastungen beteiligt und mit der Rechtsverschiebung – passender Name der Steuerprogression – von Zahlungspflichten befreit, das ist völlig unverständlich und politisch absolut inakzeptabel.
Ungeachtet dieser grundsätzlichen Kritik erhält Berlin aus Bundesmitteln in den kommenden beiden Jahren gut 470 Millionen Euro. Diese Mittel helfen uns, den erheblichen Investitions- und Sanierungsstau in der Folge der Haushaltslage, Herr Kollege Goetze, anzugehen, die uns im Übrigen Ihre Landesregierung hinterlassen hat,
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Alles vergessen!]
Der Investitionsstau ist zweifellos im Ergebnis dieser Haushaltsnotlage in vielen Bereichen aufgelaufen. Hier helfen uns die Mittel vom Bund, keine Frage. Das ist eine gute Nachricht für die Stadt, da bin ich in der Tat ganz der Auffassung des Kollegen Zackenfels. Mehr wäre uns immer willkommen, aber zusammen mit unseren eigenen Landesmitteln bewegen wir in den kommenden beiden Jahren rund 630 Millionen Euro an zusätzlichen Investitionen für Berlin.