Protokoll der Sitzung vom 19.02.2009

Das ist der Stil, wie Sie mit Investoren in unserer Stadt umgehen!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Jetzt stehen wir alle, Sie besonders, vor der Situation, dass ein Nachnutzungskonzept gefunden werden muss, das zu Ihrer einsamen Entscheidung passt, von der niemand weiß, wie sie konkret aussieht, weil Sie mauern und weil Sie keine relevanten Informationen über die getroffenen Vereinbarungen preisgeben. Das ist es, Herr Regierender Bürgermeister, was wir kritisieren!

Ich sage das ganz klar für mich und meine Fraktion: Wir freuen uns über die Rückkehr von „Bread and Butter“ im gleichen Maße, wie wir ihren Weggang damals bedauert haben.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Christian Gaebler (SPD): Sie hätten lieber die Filmbetriebe gehabt?]

Ich habe zusammen mit einigen Kollegen vor zwei Wochen mit dem Geschäftsführer von „Bread and Butter“, Herrn Karl-Heinz Müller, ein gutes Gespräch geführt. Auch wir haben die Modemesse lieber hier als in Mailand oder Madrid. Gerade weil uns am Erfolg von „Bread and Butter“ gelegen ist, sehen wir es mit Sorge, dass die Mes

se durch Ihr Verhalten, Herr Regierender Bürgermeister, und die damit verbundenen Diskussionen Schaden nimmt.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Das ist doch Zeug!]

Es geht hier nicht um eine Ansiedlungsentscheidung. Es geht um die Frage, welche Auswirkungen diese Ansiedlungsentscheidung für die Entwicklung dieses riesigen Areals hat.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Gute!]

Was bedeutet Ihre Entscheidung jetzt, Herr Regierender Bürgermeister? Soll Tempelhof ein Mode-Cluster werden, ein Event-Zentrum mit angeschlossener Polizeizentrale? Oder soll hier gar eine Konkurrenz für die Messe Berlin herangezüchtet werden?

Die Befürchtung, dass hier eine Vorfestlegung stattgefunden hat, haben IHK- und Handwerkskammer sehr eindringlich in einem Brandbrief geäußert. Ich habe in diesem Zusammenhang gehört, dass Herr Wolf geschäumt haben soll. Er ist heute nicht anwesend. Vielleicht schäumt er immer noch. Dieses Schäumen – wir haben ihm vorhin schon gute Besserung gewünscht – ist wenigstens einmal eine Emotion in Sachen Wirtschaftspolitik. So oft erleben wir das bei ihm auch nicht.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Beide Kammern sprechen davon, dass ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden für die Stadt entstanden ist. Die Art und Weise der Vergabe ist dazu angetan, auch dem Image des Wirtschaftsstandorts Berlin großen Schaden zuzufügen. Herr Regierender Bürgermeister, ich sage hier noch einmal und immer wieder: Das ist eine schallende Ohrfeige für Sie und für Ihre Art, Politik zu machen!

[Beifall bei der FDP]

Wie so oft perlt das aber von Ihnen ab. Sie entgegnen Ihren Kritikern, es sei eine großartige Entscheidung. Sie solle doch bitte entsprechend gewürdigt werden. Wenn das aber so eine großartige Entscheidung ist, so großartig, dass Sie dafür andere Betreiber wie beispielsweise Hangar 2 vor die Tür setzen und Arbeitsplätze vernichten, könnten Sie doch wenigstens selbstbewusst nach vorn treten. Sie könnten wenigstens hier im Parlament alle Fakten auf den Tisch legen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Michael Schäfer (Grüne)]

Ihre Verweigerungshaltung und die Geschäftsordnungstricks der Koalitionsfraktionen, Ihr beredtes Schweigen in den Ausschüssen spricht doch eher dafür, dass die jetzige Lösung doch nicht so astrein ist, wie Sie vorgeben, Herr Regierender Bürgermeister. Deshalb nutzen Sie heute endlich die Gelegenheit, Licht ins Dunkel zu bringen! Wir wollen wissen, in welcher Größenordnung sich die Mietzahlungen bewegen und wie sich das auf das gewaltige Defizit des leerstehenden Flughafens auswirkt.

[Dr. Frank Steffel (CDU): Ob es Spenden gibt, wollen wir wissen!]

Sie haben vor eineinhalb Jahren – das ist vorhin schon einmal gesagt worden, aber auch das möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen – mit einem Brandenburger Bauarbeiter geworben, der grimmig von den Plakaten raunzte: „Ick zahl doch nicht für einen VIP-Flughafen.“ Jetzt zahlen die Berliner viel mehr für fast gar nichts. Der Geschäftsführer der BIM spricht von einem jährlichen Defizit von fast bis zu 14 Millionen Euro. Die Steuerzahler sollten wissen, wofür ihr Geld ausgegeben wird.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das ist aber nicht alles. Eine weitere spannende Frage ist, welchen Einfluss „Bread and Butter“ auf die weitere Entwicklung des Areals nehmen kann. In den Medien werden vertrauliche Unterlagen zitiert, wonach es eine strategische Partnerschaft – so heißt es dort – zwischen Ihnen bzw. der BIM und der Modemesse gibt. Der Chef von „Bread and Butter“ hat dem heute im „Tagesspiegel“ widersprochen. Ich bin ganz sicher, dass es nicht nur mich interessiert, was davon nun stimmt. Deshalb bleiben meine Fraktion und ich dabei, dass die wesentlichen Bestimmungen der Vereinbarung endlich offengelegt werden müssen. Wenn Sie das heute nicht tun, werden wir darauf drängen, die Akten einzusehen.

Herr Henkel, darf ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit beendet ist!

Ich bin sofort fertig. – Wir werden darauf drängen, die Akten einzusehen, wenn Sie heute nicht entsprechend reagieren. – Eines ist klar: Ihre Mauertaktik werden wir Ihnen im öffentlichen Interesse nicht durchgehen lassen, genauso wenig, dass Sie die strategische Entscheidung über die Zukunft Tempelhofs an der Öffentlichkeit vorbei treffen. Diese Stadt gehört nicht allein einem Mann, auch wenn er sich so aufführt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Henkel! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Lederer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Graf hat vorhin mit einer Träne im Knopfloch geradezu bedauert, dass wir heute über das Thema reden müssen – wie er sich ausdrückt. Es wurde schon ein bisschen gesprochen: Das war vergangenen Donnerstag im Vermögensausschuss, am Montag im Stadtentwicklungsausschuss, gestern im Hauptausschuss, heute im Plenum. Offenbar kann sich die Opposition nicht satthören, warum die Ansiedlung von „Bread and Butter“ eine für Berlin sehr lohnende Entscheidung war. Von mir aus können wir das gern so

weitermachen. Wir tragen die Botschaft dieser Standortentscheidung gern noch länger durch die Stadt.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielleicht können wir es aber auch einfach einmal andersherum machen. Ich frage jetzt einfach einmal den so üppig vorhandenen wirtschaftlichen Sachverstand der Opposition ab. Was hätten Sie denn getan, wenn „Bread and Butter“ bei Ihnen angefragt hätte? – Auf diese Frage sind Sie bisher jede seriöse Antwort schuldig geblieben. Sie schwelgen lieber ein bisschen in bequemer und genauso langweiliger Ja-aber-Rhetorik. Ja, wir begrüßen die Ansiedlung von „Bread and Butter“, zumindest ein kleines bisschen, aber andererseits hätten wir gern auch noch die Filmstudios Babelsberg auf dem Gelände untergebracht und das Ganze in ein Fixfertiges-Gesamtkonzept mit Spielplatz, Scheichklinik und Flugbetrieb eingebettet. – Wo ist eigentlich Herr Pflüger?

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das ist eine sehr kindische Argumentation, weil sie von dem Glauben lebt, die Welt richte sich danach, welche Vorstellungen und Wünsche Frau Eichstädt-Bohlig, Herr Henkel oder Herr Lindner so gerade von ihr hat. Das richtige Leben ist aber anders. Da muss zuweilen schnell und pragmatisch entschieden werden. Entweder kommt „Bread and Butter“ nach Berlin, oder „Bread and Butter“ geht nach Mailand.

Herr Abgeordneter! Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie unterbreche, aber gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Lüdeke?

Nein! – Entweder kommt „Bread and Butter“ schnell oder gar nicht. Entweder vermietet man alle Hangars zu einem guten Preis an „Bread and Butter“ oder zwei davon an die Filmstudios. So war die Entscheidungssituation, Herr Kollege Schäfer, so war die Entscheidungssituation in Wirklichkeit. Auf dieser Basis wurde entschieden, nach unserer Überzeugung vollkommen richtig.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu den ganzen Späßen um die Frage machen, wer wann was wusste und wann nicht, wer wen wann entmachtet haben soll etc. Ein wenig seltsam ist das schon. Auf der einen Seite mahnt die Opposition dreimal am Tag an, der Regierende Bürgermeister müsse seine Richtlinienkompetenz wahrnehmen und so ziemlich jeden klappernden Gullydeckel auf den Straßen Berlins zur Chefsache machen. Fällt er dann mal eine Entscheidung, ist völlig klar, dass es sich um einen – um nicht andere Superlative zu bemühen – Fall von Selbstherrlichkeit handelt. Es gibt bekanntlich nichts, was Herr Lindner so sehr verabscheut wie Selbstherrlichkeit.

[Gelächter – Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Dr. Frank Steffel (CDU): Du sollst keine Götter haben neben mir!]

Seine eigene Rolle in diesem Prozess wird der Regierende Bürgermeister, so denke ich, im Anschluss selbst beschreiben. Das allgemeine Prozedere ist aber durchaus nachvollziehbar und auch vernünftig. Der Senat setzt eine Steuerungsgruppe ein, die ressortübergreifend Modelle für die Tempelhofnachnutzung entwickeln sollte. Aspekte dabei sind Wirtschaft, Finanzen, Stadtentwicklung. Das ist abzuwägen. Die Steuerungsgruppe hat in ihrem Geschäftsbesorgungsvertrag die BIM mit der Vermarktung und Vermietung beauftragt. Das Ergebnis ist: Für 38 000 m², also für 23 Prozent der vermietbaren Fläche, ist „Bread and Butter“ geworben worden. Herr Meyer hat sich vorhin auch hingestellt und gesagt, es sei ein gutes Ergebnis. Was will die Opposition dann eigentlich noch?

[Christoph Meyer (FDP): Transparenz!]

Der „Call for Ideas“ hat 56 Vorschläge ergeben, 19 davon zur Hangarnutzung. 8 sind sogar kompatibel mit der Entscheidung für „Bread and Butter“. Das Ziel war, Tempelhof als internationales Zentrum für Kultur, Medien und Kreativwirtschaft zu entwickeln. Das entspricht sogar dem Willen des Abgeordnetenhauses. Das haben wir beschlossen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Joachim Esser (Grüne): Wir haben die Vorlage. Das müs- sen Sie nicht vorlesen!]

Der Hauptausschuss hat am 26. November von SenFin und der BIM die Information bekommen, dass die BIM verhandelt, auch über Verhandlungen mit mehreren Interessenten zu Mietverträgen für Events und Veranstaltungen, auch für ein- bis zweimal im Jahr. Es wurden keine Namen genannt. Das ist wahr. Das Prinzip wurde jedoch vorgestellt. Es gab keine Einwände der Opposition. Die Mitglieder der Steuerungsgruppe waren informiert, sodass Ihre Vorwürfe auch hier ins Leere gehen. Das Einzige, das Sie wirklich stört, ist, dass der Senat den Ansiedlungserfolg erzielt hat und – da sind Sie einfach bedribbelt und beleidigt – das ist nichts anderes, als Ärger, dass Sie es aus der Zeitung erfahren haben.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ihr Theater zeigt, dass es eine absolut vernünftige und richtige Entscheidung war. Solche Geschäfte funktionieren nur unter der Beachtung bestimmter Mindeststandards von Verantwortungsbewusstsein und Vertraulichkeit. Diese Vertraulichkeit schließt den Mietzins ein. Das liegt im Mieter- wie im Vermieterinteresse. Man hätte auch einen anderen Vertrag abschließen können. Wenn man aber den Mietzins offen legt, dann teilt man gleichzeitig allen Interessenten mit, wie die Obergrenze für künftige Mietpreise ist. Das ist wirtschaftlich einfach Unfug. Wie können Sie von wirtschaftlichem Sachverstand reden und solchen Unsinn fordern?

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das kann nicht ernsthaft unser Interesse sein.

[Zuruf von Jochen Esser (Grüne)]

Es lässt sich festhalten. – Schreien Sie nicht so herum, Herr Esser! Wir können nachher im Casino noch einmal darüber reden. – Bekomme ich das von der Redezeit abgezogen, was der Mann da lärmt?

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

„Bread and Butter“ ist einer von vielen verschiedenen Nutzern. „Bread and Butter“ wollte nur in Tempelhof unterkommen. Auch die Laufmesse „Vital“ war vorher nicht auf dem Messegelände. Beide sind eine Bereicherung für Berlin und keine ruinöse Konkurrenz zur Messe. Da haben Sie Unsinn erzählt, Herr Henkel.

Das Bewirtschaftungsdefizit für das flächengrößte Gebäude der Welt wird deutlich geringer werden. 120 Millionen Euro Umsatz pro Jahr bringen wirtschaftliche Effekte, die Berlin gut tun. Für zehn Jahre ist die Nutzung gebucht. Auch das ist kein Drama, denn die Erfindung des Neuen braucht Zeit, und ein Gelände wie Tempelhof wird nicht am grünen Tisch entwickelt. Das ist „Work in Progress“. Was in zehn Jahren in Sachen Event passiert, wissen wir noch nicht. Wir stehen gerade am Beginn einer Weltwirtschaftskrise. Tempelhof ist und bleibt eine große Chance, und zwar ohne Flugbetrieb, Herr Henkel. Zwischen Trend und Event auf der einen und Alliiertenmuseum auf der anderen Seite ist viel Raum, der eigentliche Raum der Stadtentwicklung und der öffentlichen Nutzung. – Es gilt, die Zeit, die wir haben, zu nutzen. „Kommt Zeit, kommt Rat“ ist manchmal gar keine schlechte Parole.