Protokoll der Sitzung vom 05.03.2009

Deshalb ist der Aufbau eines Frühwarnsystems sehr wichtig. Wir wollen Hebammen, Kitas und Schulen mit einbeziehen. Dies ist ein zentraler Baustein unseres Ansatzes. Unser Anliegen ist es, Familien und Müttern frühzeitig Angebote zu machen. Wir wollen Eltern stärken, und wir wollen die Gesundheit von Kindern und Müttern fördern. Aus diesem Grund haben wir den frühen Hilfen im Gesetz einen ganz besonderen Stellenwert eingeräumt. Daneben haben wir die Weiterbildungsverordnung der Hebammen diesbezüglich weiterentwickelt, damit sie sensibilisiert werden, was den Kinderschutz und die frühen Hilfen angeht.

Uns liegt heute ein umfassendes Gesetz vor. Ich gehe davon aus, dass wir eine intensive parlamentarische Diskussion darüber haben werden und dass sich das eine oder andere auf Grund der Diskussion weiterentwickeln wird. Wir werden sicher eine Anhörung im Ausschuss durchführen. Ich freue mich auf die Anregungen der Experten, die wir intensiv diskutieren werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Kollegin Scheeres! – Nunmehr hat für die CDU-Fraktion Frau Demirbüken-Wegner das Wort. – Bitte schön, Frau Demirbüken-Wegner, ergreifen sie es!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vergleicht man den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf Berliner Gesetz zum Schutz und Wohl des Kindes mit seinen Vorgängerfassungen, muss man erkennen: Er ist übersichtlicher, verständlicher und konkreter geworden. Die Aufgabenzuweisungen und Verantwortlichkeiten für den Kinderschutz sind eindeutiger, Doppelzuständigkeiten werden weitestgehend vermieden, und die Zusammenarbeit zwischen den Diensten, Einrichtungen und Trägern wird deutlich formuliert. Mit einem Wort, ja, das Gesetz ist lesbarer geworden, auch weil Hinweise von Fachgremien und Experten aufgenommen worden sind.

Ist nun alles gut, kann man rundum zufrieden sein? Wenn ich mir meine Kollegin Frau Scheeres anhöre, müsste ich ja sagen. Ich sage aber nein und will Ihnen das speziell an drei Punkten erläutern.

Der erste Punkt betrifft die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche, den sogenannten U-Untersuchungen. Mehr als drei Jahre hat es gedauert, bis sich rot-rot den Vorschlag der CDUFraktion aus dem Jahr 2004 zu eigen gemacht hat, die U-Untersuchung für Kinder als ein Mittel der Prävention und Früherkennung von Misshandlung und Vernachlässigung verpflichtend zu gestalten. Anstatt diese Erkenntnis schnell in Entscheidungen umzusetzen, wie das beispielsweise im Saarland schon im Jahr 2006 im Rahmen des dortigen Gesundheitsdienstgesetzes geschehen ist,

lässt der Senat noch einmal Jahre verstreichen, ehe es zu einem jetzt eher mager wirkenden Ergebnis der zentralen Einladungsstelle kommt.

Rechnet man dazu die lange Beratungszeit für das Gesetz, wie von SPD und Linksfraktion bereits angekündigt, werden von der Ursprungsidee bis zur Verabschiedung der Vorlage bereits fünf lange Jahre vergangen sein. Das sind verlorene Jahre, die besser für den bitter notwendigen und nachhaltigen Auf- und Ausbau des Berliner Kinderschutzdienstes hätten aufgewendet werden sollen, wenn man die Vielzahl der Fälle bis hinein in die jüngste Vergangenheit betrachtet.

[Beifall bei der CDU]

Deshalb ist und bleibt dieser Vorgang ein Armutszeugnis für diese Regierungsfraktionen.

[Beifall bei der CDU]

Zweitens: Was bringt das Kinderschutzgesetz an wirklich Neuem und Konkretem außer der zentralen Einladungsstelle? Ich sage Ihnen: wenig bis gar nichts. Es wird nur aufgelistet, was es bereits gibt, von der Hotline Kinderschutz über die bereits seit langem gesetzliche Verpflichtung für frühe und rechtzeitige Hilfen und Leistungen bis hin zu den Verantwortungsbereichen der zuständigen Ämter. Im Kern ist und bleibt dieses Gesetz ein Zuständigkeitsregelungsgesetz für die beteiligten Verwaltungen mit möglichst wenig konkreten Feststellungen für inhaltliche und personelle Mindeststandards für die Kinderschutzarbeit vor Ort.

Ein Jahr hat man gebraucht, um sich wenigstens auf die Federführung im Kinderschutzprozess zu einigen. Es sind die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung auf Landesebene und die Jugendämter auf Bezirksebene. Wundert Sie das? Mich nicht. Bei diesen Allgemeinplätzen frage ich Sie ernsthaft, ob man dazu ein Gesetz braucht. Braucht man ein Gesetz, um festzustellen, dass die Gesundheitsämter für das medizinische Versorgungssystem zuständig sind und die Jugendämter für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern? Meinen Sie das wirklich hier in diesem Haus? Das ist das nächste Armutszeugnis. Es gibt wenig Platz für Inhalte, dafür viel Raum für Selbstverständlichkeiten.

Dritter Punkt: Das Netzwerk funktioniert. Diese Feststellung traf Frau Senatorin Lompscher am 2. Dezember 2008, als sie ihr Gesetz der Öffentlichkeit ankündigte. Dieser Feststellung will ich nicht nur unter dem Eindruck der 14 jüngsten Fälle der Kindesvernachlässigung in der letzten Woche energisch widersprechen. Es kann doch nicht alles in Ordnung sein und funktionieren, wenn die Mehrzahl der Berliner Eltern, die ihre Kinder misshandeln bzw. vernachlässigen, den Ämtern bereits bekannt sind – und das über Jahre. Das sind Kinder, die in Kita und Schule seit Monaten durch Anzeichen von Verwahrlosung und Misshandlung auffallen und die in den wenigsten Fällen die richtigen Hilfen vermittelt bekommen. Zwar gibt es hier und da gute Projekte, die frühe Hilfen anbieten. Es gibt die Hotline, über die man die Hilfe anfordern

kann. Ja, es gibt Bemühungen, aber diese reichen bei weitem nicht aus. Es fehlt an der Verstetigung der Angebote, an der Verlässlichkeit, ob und welche Hilfen wirklich gewährt werden. Es fehlt geschultes Personal, und die Ämter sind personell nicht bedarfsgerecht ausgestattet.

Ich will diese Aufzählung von Defiziten nicht weiter fortsetzen. Das Gesagte zeigt deutlich, dass von einem funktionierenden und engmaschigen Gesetz für den Kinderschutz in Berlin hier absolut nicht die Rede sein kann. Ich fürchte, dass das vorliegende Gesetz daran nichts ändern und vor allem die geweckte Hoffnung auf einen erfolgreichen und schlagkräftigen Kinderschutz nicht erfüllen wird.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Frau Demirbüken-Wegner! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Dr. Albers das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unbestritten dürfte sein, dass dem Wohl und dem Schutz unserer Kinder höchste Priorität gehört. Unbestritten dürfte sein, dass auch dieses eine gesamtgesellschaftliche, die Ressorts übergreifende Aufgabe ist, die nicht allein über Verordnungen und Gesetze zu regeln ist. Unbestritten dürfte es auch sein, dass mögliche Gefährdungen des Wohls unserer Kinder so frühzeitig wie möglich erkannt werden müssen, um rechtzeitig dort mit Hilfe und Unterstützung einzugreifen, wo es notwendig ist.

Vor fast genau zwei Jahren hat der Senat ein Konzept für das Netzwerk Kinderschutz vorgelegt und damit die Basis für die notwendige Kooperation zwischen den verschiedenen Institutionen und Einrichtungen des Kinder- und Jugendschutzes, der Jugendhilfe und des Gesundheitswesen in den Bezirken und in den Sozialräumen bereitet. Das funktioniert und hat Akzeptanz. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, Frau Demirbüken-Wegner, dass wir genau diese Kindesmisshandlungen entdecken und dass sie unter Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit viel frühzeitiger gemeldet werden.

Mit unserem Berliner Gesetz zum Schutz und Wohl des Kindes, das wir heute vorlegen, gehen wir einen weiteren Schritt in die richtige Richtung. Viele Kinder in dieser Stadt wachsen unter Bedingungen auf, die einer solchen gesunden Entwicklung entgegenstehen. Nun sind wir nicht in der Lage, die Lebensverhältnisse aller Menschen in dieser Stadt kurz- oder mittelfristig so zu verändern, dass alle Kinder unter den für sie idealen Lebensbedingungen aufwachsen können. Wir können allerdings versuchen, Risiken, die sich aus dieser Lage für das einzelne Kind möglicherweise ergeben, frühzeitig zu erkennen und aufzufangen. Dem dient dieses Gesetz.

Untersuchungen haben gezeigt, dass einige Risikofaktoren für die Gefährdung des Kindeswohls zum Beispiel in einer niedrigen Inanspruchnahme der sogenannten U1- bis U11-Früherkennungsuntersuchung einhergehen, die in geregelten Abständen durchgeführt werden sollen, um körperlichen, psychischen oder geistigen Fehlentwicklungen und Krankheiten durch Prävention vorzubeugen. Frau Demirbüken-Wegner, das ist keine Erkenntnis oder Erfindung der CDU, das ist Bestandteil des Sozialgesetzbuches V; in § 26 sind diese Untersuchungen geregelt. Diese Vorsorgeuntersuchungen sind erfolgreiche Angebote der gesetzlichen Krankenversicherung und werden von vielen Eltern und Sorgeberechtigten auch regelmäßig wahrgenommen. Allerdings ist zu beobachten, dass die Teilnahme vor allem ab der U8 bzw. am Ende des vierten Lebensjahres deutlich abnimmt. Insbesondere bei Migrantenfamilien, bei Familien in sozial schwierigen Lagen und bei kinderreichen Familien kann insgesamt eine deutliche geringere Inanspruchnahme des Untersuchungsangebotes festgestellt werden.

Die aktuellen Auswertungen der Einstellungsuntersuchung im Jahr 2007 belegen Handlungsbedarf. Nur noch 76,1 Prozent aller Kinder haben die U1 bis U8 2007 wahrgenommen. Oft sind die Gründe für die Nichtteilnahme simpel, manchmal wird es schlicht vergessen, manchmal ist auch mangelnde Information verantwortlich, manchmal einfach Nachlässigkeit. Initiativen wie: „Ich geh’ zur U! Und Du?“ versuchen, über Aufklärungsarbeit dort anzusetzen und die Teilnahme zu steigern. Mit unserem Gesetz ziehen wir die Konsequenz aus der im Sinne der Kinder unzureichenden Teilnahme und wollen – darüber ist schon gesprochen worden – ein verbindliches Einladewesen installieren, um diese Teilnahmequote wieder zu erhöhen. Weder soll hier eine Überwachung der Eltern stattfinden, noch sollen hier Elternrechte ausgehebelt oder die nicht teilnehmenden Eltern gar unter Generalverdacht der Kindesvernachlässigung gestellt werden, auch werden Hausbesuche bei Nichtteilnahme nicht angedroht, vielmehr wollen wir versuchen, zeitnah, niedrigschwellig und kultursensibel eine bessere Einbindung der Eltern und Sorgeberechtigten zu erreichen, um eine möglichst vollständige Teilnahme an dem kostenlosen Angebot der Früherkennung durchzusetzen.

Aber dazu müssen wir einfach wissen, wer zur Untersuchung kommt und wer nicht, warum er nicht kommt und wie man den, der nicht kommt, von der Sinnhaftigkeit der regelmäßigen Untersuchung überzeugen kann. Dazu kann es auf einmal notwendig werden, die Betreffenden zu Hause aufzusuchen, um ihnen das Angebot zu erklären. Wir werden im Verlauf der weiteren Diskussion Gelegenheit haben, über eventuell sinnvolle oder notwendige Änderungen oder Ergänzungen im Gesetz zu diskutieren. Wir werden vor allem auch noch einmal kritisch die aufgeworfenen datenschutzrechtlichen Fragen zu erörtern haben, die wir sehr wohl ernst nehmen. Der Datenschutzbeauftragte war einbezogen. Wir haben in diesem Zusammenhang auf das verfassungsrechtlich garantierte

Recht der Eltern und Kinder auf informationelle Selbstbestimmung hingewiesen.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Demirbüken-Wegner?

Ich bin gleich mit einem Satz fertig. Dann kann sie ihre Frage stellen. – Wir werden damit sensibel umgehen müssen, aber auch im Sinne der Kinder dafür zu sorgen haben, dass das mindestens ebenso hoch einzuschätzende Recht auf die körperliche Unversehrtheit und eine gesunde Entwicklung der Kinder Geltung bekommt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege! – Frau Demirbüken-Wegner hat nun das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte schön!

Herr Dr. Albers! Meine Kurzintervention besteht nur aus einer Frage. Sie haben zu Recht bemerkt, dass die U-Untersuchungen insbesondere im Bereich der Familien mit Migrationshintergrund und der sozial benachteiligten Familien gering ausfallen. Sie haben in Ihren Ausführungen auch über eine kulturspezifische Herangehensweise gesprochen. Welche Konzepte liegen diesbezüglich vor? Mir sind keine bekannt.

Danke schön, Frau Demirbüken-Wegner! – Herr Kollege?

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das besprechen wir im Ausschuss!]

Sie besprechen das bei einer anderen Gelegenheit. Das ist in Ordnung. – Für die Grünen rufe ich jetzt Frau Jantzen auf. – Bitte schön, Frau Jantzen, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich ergreife es auch. – Meine Damen und Herren! Das Ziel dieses Gesetzes, Kindern eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen und sie so für ihr Wohl vor Gefährdung zu schützen, wird von uns nachdrücklich unterstützt. Ich warne aber davor, in diesem verbindlichen Einladungswesen ein Allheilmittel gegen Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern zu sehen. Das ist eine Hoffnung, die – so fürchte ich – nicht erfüllt werden kann. Auch wir finden es sehr wichtig, dass mehr Kinder an allen Früherkennungsuntersuchungen teilnehmen, das allerdings in erster Linie, um sich anbahnende gesundheitliche Probleme zu erkennen

und entsprechende Gegenschritte einzuleiten. Das geplante verbindliche Einladungswesen und Rückmeldeverfahren kann dazu einen Beitrag leisten.

Auch wir sehen einen besonderen Bedarf bei den Kindern aus sozial benachteiligten Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund. Das hat die jüngst veröffentlichte Einschulungsuntersuchung noch einmal sehr deutlich gemacht. Diese Kinder sind häufiger krank und zeigen mehr Entwicklungsstörungen als die sozial besser gestellten. Und – das ist gerade schon angeklungen – sie gehen wesentlich seltener zu allen Früherkennungsuntersuchungen. Die Kinder mit arabischem Hintergrund etwa nehmen die Früherkennungsuntersuchungen nur zu ca. 50 Prozent wahr, die Kinder mit deutschem Hintergrund hingegen zu 82 Prozent. Da stellt sich mir die Frage, ob dieses Gesetz etwas dazu beträgt, dass sich die Gesundheitseinrichtungen interkulturell öffnen, zum Beispiel durch eine verstärkte Einstellung von Fachkräften im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst mit Kenntnissen in anderen Familiensprachen und kulturellen Hintergründen. Hier sehen wir bisher noch nichts. Es wäre angebracht, im Verlauf der Beratungen noch einmal nachzubessern.

Im Bereich Kinderschutz sind Früherkennungsuntersuchungen aus unserer Sicht nur ein ganz kleiner Baustein, der die anderen Maßnahmen ergänzen kann. Wichtiger als nachsorgende Kontrolle, die hier eingesetzt wird, ist aus unserer Sicht nach wie vor die Prävention, insbesondere die Organisation früher Hilfen für Risikofamilien, auch bereits vor der Geburt, wie es in § 5 und § 6 auch vorgesehen ist.

[Beifall bei den Grünen]

Für Berlin heißt das unter anderem, die bereits im Konzept Netzwerk Kinderschutz vom Februar 2006 angelegten Netzwerke rund um die Geburt in den Bezirken weiter auszubauen und personell und organisatorisch abzusichern, also die Erstbesuche bei den Neugeborenen durch den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst sicherzustellen und die Angebote aufsuchender Elternhilfe, den Einsatz von Familienhebammen und Ähnliches, zu sichern und auszuweiten. Hier muss die rot-rote Koalition erst noch ihre Hausaufgaben machen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Machen wir gerne!]

Auch in dem Bereich wäre es wichtig, Personal mit anderen Familiensprachen einstellen zu können, was den Bezirken im öffentlichen Gesundheitsdienst nur schwer möglich ist. Außeneinstellungen werden dort immer noch nicht im erforderlichen Umfang genehmigt. Ich finde, es ist ein Skandal, wenn etwa Frau Klotz in TempelhofSchöneberg eine freie Stelle und das Geld für eine Ärztin hat, sie aber trotzdem niemanden einstellen kann. So ist Kinderschutz nicht zu sichern.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Hilfeangebote für Eltern und Kinder brauchen Kontinuität und Verlässlichkeit. Das verbindliche Einladungswesen muss in die bestehenden Angebots- und Hilfenetze im Gesundheits- und im Jugendbereich eingebunden sein. Deswegen freue ich mich, dass nach dem vorliegenden Entwurf die zentrale Stelle nur noch die Einladungen verschickt und die Nachsorge, die Kontaktaufnahme zu den Eltern und eventuelle Hausbesuche, von den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten geleistet wird. Das ist aus unserer Sicht auch gut als eine Türöffnerfunktion für Kontakte, die für eventuell weiter benötigte Hilfen wichtig sind. In dem Zusammenhang ist es allerdings auch wichtig, dass nicht nur das entsprechende Personal in den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten und in den Jugendämtern gesichert ist, sondern auch ausreichende Mittel für sich eventuell anschließende Hilfen zur Erziehung in den Bezirken bereitstehen. Wir wissen, dass da noch ein großer Handlungsbedarf besteht.

Auch wir begrüßen es, dass die Schulen, Kitas, Tagespflegeeltern und Mitglieder der Gesundheitsberufe stärker auf den Kinderschutz und die Beteiligung an den lokalen Netzwerken verpflichtet werden. Aber auch hier gilt: Wenn diese bessere Kooperation vor Ort auch gelebt werden soll, brauchen die Einrichtungen und Personen für die Mitarbeit in lokalen Netzwerken entsprechende zeitliche Ressourcen. Das gilt insbesondere für die Gesundheitsberufe, weil über die Krankenkassen absolut nichts davon finanziert wird. Und wir brauchen sie in erster Linie für die gesundheitliche Versorgung der Kinder.

[Beifall bei den Grünen]

Wir sehen auch die Notwendigkeit, die datenschutzrechtlichen Regelungen noch einmal einer genauen Prüfung zu unterziehen. Dieser Prüfung wie auch den nicht berücksichtigen Anmerkungen des Rates der Bürgermeister und der Frage der notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen werden wir uns in der Ausschussberatung widmen. Ich hoffe, dass wir dort zu guten Lösungen für einen besseren Schutz unserer Kinder kommen werden. – Vielen Dank!

Danke schön, Frau Kollegin Jantzen! – Für die FDPFraktion hat nunmehr der Kollege Dragowski das Wort. – Bitte schön, Herr Dragowski!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ziel des Gesetzes ist die Stärkung des Kinderschutzes. Dieses Ziel teilen wir auch. Sie haben das Mittel der stärkeren Inanspruchnahme der Kinderfrüherkennungsuntersuchung durch ein verbindliches Einladungswesen gewählt. Wir haben mehrfach dargestellt, dass wir das als Liberale auch unterstützen. – Das verpflichtende Einladungswesen, das Sie, Frau Kollegin Demirbüken-Wegner, fordern, unterstützen wir nicht. Im Übrigen haben Sie immer noch nicht die Überlegungen der CDU zu den Sanktionen dargestellt. Was soll passieren, wenn ein Pflichtverstoß begangen

wird? – Aber das können wir alles im Ausschuss diskutieren.

Reden wir über die Umsetzung des Gesetzes! Fangen wir mit den Kosten an! Welche Berufsgruppe wird hier eingebunden, und wo wird geschrieben, dass keine nennenswerten Kosten entstehen? – Es sind die Ärzte. Die Berliner Kinderärzte sollen pro Jahr pro Praxis Portokosten in Höhe von ca. 1 300 Euro tragen. Das scheint wenig zu sein. Diese Kosten sind zumutbar und werden nicht erstattet. Aber sie belasten eine Facharztgruppe, die bei dem jetzigen Vergütungssystem ohnehin am stärksten benachteiligt wird. Auch hier muss der Senat sich überlegen, wie er damit umgeht. Wenn er Private bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben in die Pflicht nimmt, muss er auch die Kosten tragen. Er kann nicht alles auf die Ärzte abwälzen.