Protokoll der Sitzung vom 05.03.2009

Bitte schön, Frau Baba!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie hoch ist der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmen des Landes Berlin, und welche Entwicklungen gab es?

2. Welche Strategien verfolgt der Senat, um eine paritätische Besetzung von Vorständen und Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmen zu erreichen?

[Beifall bei der Linksfraktion]

Für den Senat antwortet der Frauensenator. – Bitte schön, Herr Wolf!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Baba! Der Senat hält die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen für eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe. Es geht dabei einerseits um die gerechte Verteilung zwischen den Geschlechtern von Macht und Einfluss. Es geht zum anderen aber auch um die Effizienz und Wirksamkeit von Führungsorganen von Managementpositionen, weil modernes Management davon ausgeht, dass Teams, die gemischtgeschlechtlich zusammengesetzt sind, die die Verschiedenheit berücksichtigen, wesentlich effektiver und erfolgreicher sind. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass hier eine paritätische Besetzung in Führungspositionen erfolgt, sowohl im Bereich der privaten Wirtschaft als auch im Bereich der landeseigenen und der öffentlichen Unternehmen.

Wie Sie wissen, liegt hier im Bereich der privaten Wirtschaft sehr viel im Argen. Der Anteil der Frauen in den Managementpositionen bei den DAX-30-Untenehmen liegt bei 6 Prozent. Das ist die letzte Zahl, die ich im Kopf habe. Was die öffentlichen Unternehmen angeht, sind wir der Auffassung, dass sie hier, wie auch in anderen Bereichen, eine Vorbildfunktion einnehmen müssen und dass es eine wichtige politische Aufgabe ist, den Frauenanteil entsprechend der Verpflichtung des Landesgleichstellungsgesetzes zu steigern und zu einer paritätischen Besetzung zu kommen. Soviel zur Vorbemerkung.

Ich komme nun zu den Zahlen, nach denen Sie gefragt haben: Wir haben gegenwärtig in acht von zehn Aufsichtsräten der Anstalten öffentlichen Rechts eine paritätische Besetzung erreicht. Zum Vergleich: Im Jahr 2004 waren es nur drei Aufsichtsräte von zehn, in denen eine entsprechende paritätische Besetzung zwischen den Geschlechtern erreicht war.

Bezogen auf alle Unternehmen haben wir in den Aufsichtsräten aller öffentlichen Unternehmen des Landes einen Anteil von Frauen in Höhe von 38 Prozent. In der Vergangenheit, 2004, waren es deutlich weniger; eine aktuelle Zahl liegt mir nicht vor. Ich kann mich nur erinnern, dass wir über alle öffentlichen Unternehmen einen Anteil von 6 Prozent hatten, als ich mein Amt im Jahr 2002 angetreten habe. Also gibt es auch hier eine deutliche Steigerung. Wir werden auch bei den weiteren Besetzungen dafür Sorge tragen, dass wir eine Erhöhung des Frauenanteils haben.

Wir haben also auf der Ebene der Aufsichtsräte eine durchaus positive Entwicklung. Auf der Ebene der Vorstände sieht es weniger gut aus. Bei den Anstalten öffentlichen Rechts haben wir bei den Vorständen einen Frauenanteil von 13,5 Prozent, bezogen auf alle öffentlichen

Unternehmen einen Frauenanteil von 11,2 Prozent, wobei bei den Anstalten öffentlichen Rechts in den letzten Jahren insofern eine Verbesserung eingetreten ist, als wir bei der Investitionsbank Berlin einen paritätisch besetzten Vorstand haben und bei der Berliner Stadtreinigung eine Frau als Vorstandsvorsitzende. Allerdings liegt die Entwicklung auf der Ebene der Vorstände noch deutlich hinter der Aufsichtsratsbesetzung zurück.

Das liegt an zwei Gründen. Zum einen liegt es daran, dass bei den Vorständen der Turnus, in dem gewechselt wird, geringer als bei Aufsichtsräten ist. Hier gibt es weniger Möglichkeiten der Neubesetzung. Zum anderen ist die Auswahl bei vielen Positionen, beispielsweise bei der Besetzung eines Technikvorstandes, geringer als bei anderen. Wir versuchen aber bei den Auswahlverfahren, die in der Regel mittels Personalagenturen durchgeführt werden, zu beauftragen, dass eine gezielte Ansprache von Frauen stattfindet, sodass wir auch hier in Zukunft zu einer Erhöhung des Frauenanteils kommen können.

Danke schön! – Es gibt keine Nachfrage von Frau Baba. Dann ist Frau Kofbinger von der Fraktion der Grünen an der Reihe. – Bitte schön, Frau Kofbinger!

Herr Wolf! Ich spüre natürlich Ihre große Betroffenheit ob des geringen Anteils von Frauen in den Vorstanden und frage mich an dieser Stelle und erinnere daran, dass wir vor 14 Tagen bereits schon einmal hier saßen. Damals fragte ich Senator Sarrazin, wie er seinen Gesetzesbruch bei der Bestellung des Vorstandes bei der BVG heilen wolle. Er hat auch gesagt, dass er es unheimlich bedauert, – –

Frau Kofbinger! Jetzt müssen Sie schon eine Frage stellen!

Deshalb richte ich die Frage heute auch an Sie, Herr Wolf: Wie möchten Sie denn diesen Gesetzesbruch, den Sie begangen haben, indem Sie den § 28 des Berliner Betriebe-Gesetzes und den § 5 des LGG vernachlässigt haben, heilen? Möchten Sie jetzt den BVG-Vorstand neu ausschreiben, damit endlich Frauen in diesen Vorstand kommen?

Herr Senator Wolf, bitte!

Frau Kofbinger! Sie gehen in Ihrer Fragestellung von einem Irrtum aus, nämlich von dem Irrtum, dass ein Gesetzesbruch stattgefunden hat. Dies ist nicht der Fall. Sie haben auch dementsprechend schon eine Anfrage gestellt, die Ihnen auch demnächst mit einer detaillierten juristischen Argumentation und Ausführung beantwortet wird.

An dieser Stelle die Antwort ganz kurz mündlich. Erstens: Der § 28 Berliner Betriebe-Gesetz schafft keine neue Rechtslage, der § 28 Berliner Betriebe-Gesetz stellt nur noch einmal fest, was schon immer so war: dass das Landesgleichstellungsgesetz auch für Anstalten des öffentlichen Rechts gilt. Das war von Anfang an so. Jetzt stelle ich fest, dass das Landesgleichstellungsgesetz schon immer galt, und stelle gleichzeitig fest, dass die Besetzung der Vorstandspositionen in den Anstalten des öffentlichen Rechts in den 20 Jahren, in denen das Landesgleichstellungsgesetz mittlerweile gilt, bisher immer durch das Einschalten von Personalberatern stattgefunden hat und nicht in Form einer öffentlichen Ausschreibung. Wenn Ihre Rechtsauffassung zutreffend wäre, Frau Kofbin ger – – Ich kann mir kaum vorstellen, dass die wachsamen Frauenpolitikerinnen der Fraktion der Grünen einen systematischen Rechtsbruch über 20 Jahre hinweg nicht entdeckt haben

[Zurufe von den Grünen]

und dieser Rechtsbruch jetzt auf einmal an dieser einen Besetzung bei der BVG entdeckt wird. – Das ist erst einmal eine politische Vorbemerkung. – Aber es kann durchaus sein, dass das den wachsamen Augen der Grünen über 20 Jahre nicht aufgefallen ist.

[Christian Gaebler (SPD): Wir haben das Gesetz 2006 novelliert!]

Ich sagte ja gerade, das Berliner Betriebe-Gesetz 2006 ändert nichts an der Rechtslage, weil das Gleichstellungsgesetz schon immer für die Anstalten des öffentlichen Rechts galt.

Jetzt noch einmal im Detail zur rechtlichen Argumentation: Der § 5 des Landesgleichstellungsgesetzes stellt fest, dass Stellen oberhalb von A 9 ausgeschrieben werden müssen. Nun haben wir aber – um es in einer Analogie zu sagen – auch im öffentlichen Dienst des Landes Berlin Positionen mit der Besoldung oberhalb von A 9, die nicht ausgeschrieben werden. Zum Beispiel wird meine Position nicht öffentlich ausgeschrieben. Der Regierende Bürgermeister sagt, das kann man einführen –

[Vereinzelter Beifall]

aber das ist nicht die geltende Rechtslage, sondern die Position wird nach der Änderung der Verfassung vonseiten des Regierenden Bürgermeisters bestellt. Auch die Stellen von politischen Beamten wie Staatssekretären werden nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern die Staatssekretäre werden vom Senat berufen. Analog gilt das für Vorstände der Anstalten des öffentlichen Rechts

oder von Unternehmen, weil hier nicht analog der Begriff des Laufbahnrechts anzuwenden ist; sie fallen nicht unter das Kündigungsschutzgesetz und nicht unter das Betriebsverfassungsgesetz. Insofern gelten hier andere Kriterien.

Von der Intention her, den Frauenanteil in den Vorständen erhöhen, sind wir durchaus einer Auffassung.

[Anja Kofbinger (Grüne): Dann tun Sie’s, Herr Wolf!]

Ich bin auch der Meinung, dass bei der Beauftragung von Personalberatern – das tue ich regelmäßig – gezielt nach geeigneten Frauen gesucht wird und wir in den Verfahren – es ist auch im Berliner Betriebe-Gesetz geregelt, dass das über den Personalausschuss stattfindet – zu einer entsprechenden Auswahl kommen.

Jetzt ein pragmatisches Argument zu dem Thema: Wenn Sie derartige Positionen öffentlich ausschreiben, was bei diesen Positionen – nicht nur im Land Berlin, sondern darüber hinaus – nicht üblich ist, werden Sie den Kreis der Bewerberinnen und Bewerber nicht erweitern, sondern einschränken. Es ist sinnvoll, hier gezielt geeignete Personen – das sind in der Regel Personen, die sich in Positionen befinden und nicht arbeitssuchend sind – anzusprechen. Diese Personen bewerben sich nicht auf eine öffentliche Ausschreibung, sondern Sie bekommen sie in der Regel über die direkte Ansprache, über die Einschaltung von Personalberatern. Deshalb halte ich bei der Verfolgung unseres gemeinsamen Ziels die direkte Ansprache von Frauen auch über die Einschaltung von Personalberaterinnen und -beratern für wesentlich effektiver.

[Christian Gaebler (SPD): Hatte das bei der BVG Erfolg?]

Danke schön!

Jetzt geht es weiter mit der Anfrage von Frau Villbrandt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Wann geht es mit den Pflegestützpunkten voran?

Bitte schön, Frau Villbrandt!

Danke, Herr Präsident! –

1. Ausgehend von Informationen, dass in verschiedenen Bundesländern bereits Verträge zwischen Pflegekassen und Kommunen zur Einrichtung von Pflegestützpunkten geschlossen wurden, frage ich den Senat, wie es mit seinen Verhandlungen mit der AOK steht bzw. bei welchen Fragen es inhaltlich klemmt.

2. Seit Monaten diskutieren die Bezirke, Verbände und die breite Fachwelt mögliche und sinnvolle Strukturen für die Berliner Pflegestützpunkte. Wie bezieht der Senat diese Vorschläge bei den Verhandlungen mit den Kassen mit ein?

Danke schön! – Für den Senat antwortet das Geburtstagskind, Frau Senatorin Knake-Werner. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Villbrandt! Mit den Pflegestützpunkten geht es heftig voran. Ich will noch einmal den Hintergrund zu dieser neuen Struktur auch in Berlin beschreiben:

Mit einer weiteren Reform der Pflegeversicherung hatte die Bundesregierung festgelegt, dass es künftig eine bessere Informations- und Beratungsstruktur rund um das Alter und die Pflege geben soll. Dazu soll es Pflegestützpunkte in allen Bundesländern geben. Berlin hat sich an dieser Beratung – auch im Bundesrat – intensiv beteiligt und deshalb auch sehr zügig entschieden, dass wir in Berlin Pflegestützpunkte haben wollen – allerdings immer unter der Maßgabe des Gesetzes: keine Doppelstrukturen.

Was tun wir zurzeit? – Zurzeit verhandeln wir mit den Pflege- und Krankenkassen – als Land Berlin; jetzt ist meine Verwaltung dafür zuständig – darüber, wie die gesetzlichen Grundlagen für die Errichtung von Pflegestützpunkten aussehen sollen. Es geht vor allen Dingen darum, die Arbeitsinhalte, die Arbeitsaufgaben und die Finanzierung in diesen Verträgen festzulegen. Vertragspartner – um das auch deutlich zu sagen – sind die AOK, die Ersatzkassen, die Bundesinnungskrankenkasse, der IKK-Landesverband Berlin-Brandenburg. der BKKLandesverband Ost und die Knappschaft. Es sind ein paar mehr, die hier an einen Tisch gehören und die eigentlich insofern die Hauptakteure sind, als sie die Finanziers dieser neuen Pflegestützpunktstruktur sind.

Meine Verwaltung hat in einer Bestimmung für die Kassen deutlich gemacht, dass wir in Berlin beabsichtigen, 36 Pflegestützpunkte zu haben. Wir haben das sozusagen geteilt. Wir haben gesagt, innerhalb des ersten Halbjahrs wollen wir 24 Pflegestützpunkte einrichten und bis zum Jahr 2011 weitere 12. Spätestens bis zum 1. Mai müssen dafür die entsprechenden Rahmenverträge abgeschlossen sein. Um die Verhandlungen, die sehr kompliziert sind und auch sehr ins Detail gehen, voranzubringen, haben wir einzelne Verhandlungsbereiche auch in Arbeitsgruppen gegeben. Das läuft im Prinzip gut. Wichtig ist uns – daran hängt viel, und da ergibt sich auch die eine oder andere Schwierigkeit –, wie wir die Integration der Berliner Koordinierungsstellen rund um das Alter vertraglich sichern. Darauf kommt es an, wenn wir keine Doppelstrukturen haben wollen. Wir wollen mit den Verträgen auch die Basis dafür legen, dass wir die Pflegestützpunkte in den nächsten Jahren qualitativ weiterentwickeln können. Wir werden zum Punkt Einrichtung nicht das an Qualität und Beratungsstruktur haben, was wir uns alle wünschen.

Jetzt zu den anderen Ländern: Mit Stand vom Februar haben bisher lediglich vier Bundesländer einen entsprechenden Rahmenvertrag abgeschlossen. Das sind BadenWürttemberg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Interessanterweise gibt es drei Bundesländer – nämlich Bayern, Sachsen und Thüringen –, die noch keine Entscheidung getroffen haben, ob sie überhaupt Pflegestützpunkte in ihren jeweiligen Ländern einrichten wollen.

Nun zu Ihrer zweiten Frage: Auch unter anderem auf Betreiben Berlins ist gesetzlich festgelegt worden, dass bei der Einrichtung der Pflegestützpunkte auf vorhandene vernetzte Beratungsstrukturen zurückzugreifen ist. Es geht bei uns nicht nur um die Koordinierungsstellen Rund ums Alter, sondern auch darum, was es an Beratungsstrukturen in den Bezirken gibt. Es geht uns bei der künftigen Struktur darum, dass wir die Kompetenz und Erfahrung aus zwanzigjähriger Arbeit der Koordinierungsstellen mit einbeziehen und das, was in den Bezirken geleistet wird, selbstverständlich auch. Deshalb sind auch zwei Vertreter von Bezirken in die Verhandlungen einbezogen, sitzen also regelmäßig mit am Tisch und beraten darüber, wie die verschiedenen Beratungsnetze vertraglich mit in die künftige Struktur einbezogen werden können. Wir sind darüber hinaus im dauerhaften Dialog mit den Trägern der Koordinierungsstellen, aber auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt gibt es eine Nachfrage von Frau Villbrandt. Dazu hat Frau Villbrandt das Wort!

Danke, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Schönen Dank für diese ausführliche Antwort und alles Gute zum Geburtstag! – Jetzt aber meine Frage: Ich höre aus Fachkreisen vor allem die Meinung: Bloß nicht an dieser Zahl 36 festhalten, sondern vor allem dafür sorgen, dass die Qualität gesichert ist! – Gemeint ist das, was Sie aufgezählt haben: ausreichende Ausstattung, möglichst unabhängige Beratung und Strukturen, in denen Kassen und Bezirke und alle anderen einbezogen sind. Meine Frage: Sind Sie der Meinung, dass diese Qualität für alle 36 von Ihnen angemeldeten Pflegestützpunkte erreicht werden kann, oder haben Sie inzwischen andere Vorstellungen? Sie haben bereits Abstufungen angemeldet, aber Sind Sie der Meinung, dass mehr als 24 überhaupt zustande kommen werden?

Frau Senatorin Dr. Knake-Werner – bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Abgeordnete Villbrandt! Wir haben die Zahl 36 deshalb gewählt, weil wir einen bestimmten Schlüssel haben wollten. Sie wissen, im Gesetz steht, dass die Beratungsstruktur flächendeckend und wohnortnah sein soll. Wir haben damals den Schlüssel gewählt: ein Pflegestützpunkt auf 95 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Das hat die Zahl von 36 begründet.