Protokoll der Sitzung vom 05.03.2009

Die SPD-Innenminister teilten mit, für ihre Länder könnten sie garantieren, dass derzeit keine V-Leute in der Vorstandsebene der NPD eingesetzt würden.

Das haben wir 2007 schon erklärt, insofern ist die Aktualität nicht ganz so doll,

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

außer, dass ich es auch im „Neuen Deutschland“ gesagt habe. Ich gebe Ihnen gerne zu, dass der Kollege Hay offensichtlich von seinem Amtsvorgänger nicht unterrichtet worden ist, was er im Jahr 2007 für uns alle dort erklärt hat.

Mit dieser meiner Haltung, die ich äußere, dass nach meiner Auffassung im Landes- oder im Bundesvorstand der NPD keiner sitzen sollte, der für seine Tätigkeit in der NPD vom Staat bezahlt wird, verrate ich kein Dienstge

heimnis, sondern halte mich an das, was das Bundesverfassungsgericht uns ins Stammbuch geschrieben hat.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der eigentliche Konflikt ist aber ein völlig anderer. Das zeigt auch die hektische Reaktion einiger Kollegen von der CDU auf meine Äußerungen. Der eigentliche Konflikt, um den diskutiert wird, ist: Wie halten wir es mit dem NPD-Verbot? Jetzt können Sie sagen, darüber darf man nicht diskutieren, das muss man nur im Hinterzimmer oder nur im Geheimen machen. Das halte ich übrigens in der Demokratie auch nicht für so toll, wenn man das nur in internen Kreisen diskutiert, sondern ich halte es für ein Thema, das die Menschen bewegt. Ich halte die NPD mit ihrer ausländerfeindlichen, antisemitischen, antidemokratischen Ausrichtung für eine verfassungsfeindliche Partei, übrigens nicht nur ich allein.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Andreas Gram (CDU) und Michael Schäfer (Grüne)]

Ich bekenne mich auch dazu, alles zu nutzen, um diese verfassungsfeindliche Partei mit den Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen. Ich bin auch bereit, alle Mittel konsequent dafür einzusetzen, wie viele andere Leute auch, nicht Jeanne d’Arc oder wer immer, viele Leute tun das. Aber ich bekenne mich auch dazu.

Der Kampf gegen diesen Ungeist findet in der Bildungspolitik, in der Aufklärung, aber eben auch mit administrativen Mitteln statt, repressiv mit der Strafverfolgung von Volksverhetzung, repressiv mit der Auflösung volksverhetzender Musikkonzerte rechtsextremistischer Bands, wie wir das in Berlin praktizieren. Auf allen Ebenen muss versucht werden, diesen Ungeist zu bekämpfen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Bilkay Öney (Grüne)]

Ich gestehe allen zu, andere Meinungen zu haben, auch zu der Frage Parteienverbot oder nicht. Da kann man viele Argumente dafür und dagegen wälzen. Ich sage immer: Das Parteienverbot ist nur eine Facette im Kampf gegen Rechtsextremismus.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Man sollte sich davor hüten, darin ein Allheilmittel zu sehen. Das ist eine Möglichkeit, die mithelfen kann,

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

indem man die Organisation zerstört. Aber ich bekenne mich zur wehrhaften Demokratie und auch dazu, ein Parteiverbot einzusetzen,

[Beifall von Evrim Baba (Linksfraktion)]

um das, was an Klima teilweise von der NPD – teilweise in wirren Köpfen – verbreitet wird, was wir bei Straftaten gegen Ausländer sehen, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben oder Ähnliches, zu bekämpfen. Ich bekenne mich dazu.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Damit ist die Aktuelle Stunde erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5 a:

a) Beschlussempfehlung

Ausweitung der Berichtspflicht des Senats über die Praxis der Telefonüberwachung

Beschlussempfehlung VerwRefKIT Drs 16/2075 Antrag der FDP Drs 16/0534

b) Beschlussempfehlungen

Untersuchungsbericht über die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme von Eilkompetenzen durch Berliner Strafverfolgungsorgane

Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 16/2151 Antrag der FDP Drs 16/0611

Das ist die Priorität der Fraktion der FDP unter dem Tagesordnungspunkt 17. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP. – Herr Kollege Kluckert, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Unsere beiden Anträge befassen sich mit staatlichen Maßnahmen, die besonders mit sehr intensiven Grundrechtseingriffen verbunden sind. Das sind Maßnahmen wie Telefonüberwachung, Wohnungsdurchsuchung und Freiheitsentzug. Gerichte sind sicherlich dazu berufen, im Einzelfall die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen zu überprüfen. Sie haben auch die Möglichkeit, im Einzelfall eine solche Überprüfung durchzuführen. Aber die Volksvertretung ist berufen, zum Schutz der Bürger im Ganzen zu überprüfen, ob gesetzliche Befugnisse noch notwendig sind, ob sie weiterbestehen sollen. Eine Volksvertretung ist auch dazu berufen, zum Schutz der Bürger Transparenz zu schaffen, wie und in welcher Weise die Exekutive von ihren Befugnissen Gebrauch macht.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben dieses Thema, diese Anträge zur Priorität gemacht, weil eben der Schutz der Bürger vor unverhältnismäßiger und unrechtmäßiger Telefonüberwachung, Wohnungsdurchsuchung und Freiheitsentziehung für die Liberalen, für die FDP Priorität hat. Das ist ein wichtiges Anliegen für uns.

[Beifall bei der FDP]

Enttäuschend ist in diesem Zusammenhang das Verhalten der Linksfraktion, ihr Desinteresse an Bürgerrechtsthemen letztendlich.

[Beifall von Andreas Gram (CDU)]

Meine Damen und Herren von der Linksfraktion! Sie müssen, wenn Ihnen die Bürgerrechte am Herzen liegen, dafür nicht einmal einen Finger krumm machen. Sie müssten einfach nur Ihre Hand an der richtigen Stellen heben. Sie könnten mit Nein zum ASOG oder mit Ja zu unseren Anträgen stimmen, dann hätten Sie sehr viel mehr für die Bürgerrechte getan, als in den vergangenen Jahren von Ihnen hier verwirklicht worden ist.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Unser erster Antrag fordert den Senat dazu auf, eine rechtswissenschaftliche Forschungseinrichtung damit zu beauftragen, die von Berliner Strafverfolgungsbehörden wegen Gefahr im Verzug ohne Einschaltung eines Richters ergriffenen Maßnahmen zu überprüfen. Dafür gibt es einen konkreten Hintergrund, nämlich eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom April 2007. Was der Bundesgerichtshof dort hinsichtlich der Berliner Strafermittlungsbehörden festgestellt hat, muss uns alle alarmieren. Das ist kein Ruhmesblatt für unser Land. Er hat dort festgestellt, dass es hier zu heimlichem Erschleichen von DNA-Proben gekommen ist, zu Durchsuchungen und Festnahmen ohne richterliche Anordnung aus Selbstherrlichkeit von Staatsanwälten oder Polizeibeamten und Versagung anwaltlichen Beistands für Beschuldigte.

Darauf gab es Reaktionen, auf der einen Seite des Staates, wo gesagt wird, das seien alles Einzelfälle, das sei alles Fehlverhalten im Einzelfall. Dann sagen uns Strafverteidiger auf der anderen Seite: Das erleben wir aber sehr oft in unserer Praxis, das sind keine Einzelfälle. – Gerade weil wir es nicht wissen, sind wir als Parlament dazu aufgerufen, die tatsächliche Klärung herbeizuführen. Deswegen haben wir diese rechtswissenschaftliche Untersuchung vorgeschlagen, wie es auch bei der Telekommunikationsüberwachung vom Bundesministerium der Justiz gemacht wird.

Wenn man sieht, was Sie uns anbieten werden, Herr Felgentreu, mit den Universitäten Promotionsverfahren zu begleiten und dort mitzugehen, dann sieht man, die Ablehnung dieses Antrags ist Ihnen selbst peinlich, aber Sie müssen ihn eben ablehnen, weil er von der FDP kommt.

[Beifall bei der FDP]

Der zweite Antrag befasst sich damit, dass in Berlin im Jahr 2007 eine Million Telefongespräche durch Strafverfolgungsbehörden abgehört worden sind. Wenn eine Million Telefongespräche abgehört werden, dann ist das Parlament dazu berufen, hier etwas zu kontrollieren. Gerade deswegen wollen wir einen Bericht haben, in den einfließt, welchen Nutzen die Telefonüberwachung für die Strafverfolgung gebracht hat. Sie sind da im Bundestag als Linkspartei schon sehr viel weiter. Dort sagt

nämlich Ihre innenpolitische Sprecherin – das möchte ich Ihnen zum Schluss einfach nur mitgeben –:

Dagegen enthält der FDP-Antrag einige wichtige Punkte. Sie sagen z. B., man könne nicht immer neue Überwachungsmethoden austüfteln, ohne die alten wenigstens auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Dem stimmen wir voll zu. Auch die Forderung nach einer gründlichen Auswertung der Telefonüberwachung und einer Berichtspflicht teilen wir voll.

Meine Damen und Herren von der Linkspartei! Überall da, wo Sie nichts zu sagen haben, da haben Sie eine große Klappe. Und hier machen Sie nichts für die Bürgerrechte. Dafür sollten Sie sich schämen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Dr. Felgentreu.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich mal mit den Kraftausdrücken und den Provokationen, die gegen andere Parteien gerichtet sind, zurückhalten und versuchen, die beiden FDP-Anträge in ihrer Substanz zu würdigen, und zwar so, dass auch außerhalb der fachspezifischen Debatte im Ausschuss verständlich wird, worum es hier eigentlich geht.

Die beiden von der FDP vorgeschlagenen Berichtsaufträge nehmen auf ernst zu nehmende bürgerrechtliche Fragestellungen Bezug. Wer wollte denn bestreiten, dass zur Strafverfolgung bei schweren Straftaten jedes Jahr eine große Zahl von Telefongesprächen abgehört wird, und zwar durchaus auch von unbescholtenen Personen, die nichts anderes ausgefressen haben, als mit einem Straftäter zu telefonieren. Natürlich ist der Staat verpflichtet, darauf zu achten, dass ein so schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte nicht unnötig vollzogen wird. Und natürlich liegt dem FDP-Antrag zum möglichen Missbrauch von Eilzuständigkeiten ein sehr ärgerlicher Vorfall zugrunde. Nur noch mal zur Geschichte: Da ist ein Drogenhändler. Der konnte vom Landgericht in Berlin, das das bereits festgestellt hat, nicht verurteilt werden, weil seine Vorräte an Handelsware bei einer Hausdurchsuchung entdeckt wurden, für die es ohne Not keine richterliche Anordnung gab.