Es ist an dieser Stelle völlig überflüssig, Einzelheiten aus meinem persönlichen Leben auszubreiten. Nur so viel: Ich durfte schon als Schüler Erfahrungen mit der Stasi ma
chen. Ich wurde schon als Jugendlicher zur sog. „Klärung von Sachverhalten“ herangezogen. Und auch ich habe aus politischen Gründen Gitter von innen betrachten müssen. Die Frage an dieser Stelle ist natürlich, wie man die Emotionen unterdrücken kann und ob möglicherweise Täter und Opfer verwechselt werden. Frau Seelig, dass Ihre Fraktion Sie hier ins Rennen schickt, ist nachvollziehbar.
Ich erinnere mich gut an die Debatte zum Ersten Tätigkeitsbericht vor 15 Jahren. Da hat der Abgeordnete Peter Wolf von der SPD-Fraktion, ein Kollege aus Köpenick, wörtlich gesagt:
Ich befürchte, dass in der kommenden Legislaturperiode die Führungsoffiziere, hauptamtliche Mitarbeiter des MfS in den Reihen der PDS-Abgeordneten sitzen...
Das ist einer der Gründe, weshalb eine Zusammenarbeit mit Ihnen nicht zustande kommt. Die SPD wird in Berlin keine Koalition eingehen, die Ihrer Tolerierung bedarf.
Das ist Geschichte. Wenn man sich heute die Situation in Berlin anschaut, können einem die Haare zu Berge stehen.
Herr Doering! Wir haben oft genug erleben dürfen, wie die damalige PDS, die heutige Linksfraktion sich windet, wenn es darum geht, das Stasi-Unrechtsgefüge objektiv und offensiv aufzuarbeiten. Daran haben Sie nie mitgewirkt.
Erstens möchte ich ein Missverständnis ausräumen: Es geht mir ganz und gar nicht darum, mich mit Ihnen in Opferbiografien zu messen. Ich habe ausschließlich auf Ihren Beitrag reagiert, in dem Sie gesagt haben: Wir haben uns in der DDR eingerichtet und hatten dort ein gutes Leben. – Darauf habe ich nur erwidert, dass sich manche das nicht so einfach gemacht haben.
Zweitens: Es ist einzig und allein meine Sache, warum ich in der Linksfraktion sitze. Ich darf aber für mich, meinen Landesverband und die Fraktion in diesem Haus in
Anspruch nehmen, dass wir uns vor keiner Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gescheut haben. [Beifall bei der Linksfraktion]
Wir haben eindeutige Beschlüsse, die es nicht möglich machen, dass unerkannt Führungsoffiziere der Stasi in unseren Reihen sitzen. Sie müssten einfach einmal Namen nennen. Mir ist keiner bekannt. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Kollegin! – Herr Kollege Scholz! Ich habe Sie nicht so verstanden, dass Sie behaupten wollten, in den Reihen der Linksfraktion säßen Stasi-Offiziere.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich richte von dieser Stelle im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen herzlichen Dank an Herrn Gutzeit und seine Behörde für die wichtige Arbeit, die für Berlin, aber eben auch über diese Stadt hinaus geleistet wurde.
Herr Gutzeit bietet seit Jahren Beratung, etwa zu Rehabilitierungsfragen, auch in Brandenburg an. Es ist ein Trauerspiel, dass Brandenburg erstmals zwanzig Jahre nach der friedliche Revolution darüber nachsinnt, einen eignen Landesbeauftragten zu installieren. Das ist – ich wiederhole – ein Trauerspiel.
Wir sind in Berlin weiter, aber – deswegen diskutieren wir hier heute – auch in Berlin ist nicht alles zum Besten. Bereits im letzten Jahresbericht, dem für 2007, wurden wir auf die finanziellen Schwierigkeiten der Beratungsstelle Gegenwind, einer Einrichtung für politisch Traumatisierte der DDR-Diktatur, aufmerksam gemacht. Wir als Bündnisgrüne erwarten, dass gerade die psychosoziale Betreuung von Menschen, die Hafterlebnisse, politische Ausgrenzung oder Zersetzung durch die Staatssicherheit mit sich herumtragen müssen, vom Senat als soziale Aufgabe prioritär behandelt wird.
Wir sind im Jahr 2009, im 20. Jahr der friedlichen Revolution. Der Senat hat ein Themenjahr beschlossen. Das ist sehr löblich. Und er wird am 7. Mai eine Ausstellung
eröffnen. Darauf freuen wir uns. Der 7. Mai ist ein wichtiges Datum. An diesem Tag – am 7. Mai 1989 – wurde erstmalig nachgewiesen – gefälscht wurde immer –, dass die Wahlen in der DDR gefälscht und die Ergebnisse schöngerechnet wurden. An jenem Abend verkündete wie bei jeder Wahlfarce der oberste Wahlfälscher Egon Krenz im Fernsehen der DDR eine Zustimmung zu den Einheitslisten der Nationalen Front von über 98 Prozent. Jeder wusste, dass das nicht stimmt, und in jenem Jahr war erstmals durch Nachzählen – dadurch, dass viele Leute in die Wahllokale gegangen sind, mitgezählt haben, was dort gezählt wurde – nachgewiesen worden, dass das nicht stimmte. Es waren vielleicht nur 85 Prozent – auch noch eine Menge –, aber die SED war so schwach, dass sie sich noch nicht einmal traute, dieses Ergebnis ehrlich bekanntzugeben, obwohl die Nachzählaktion vorher bekannt war und obwohl auch Egon Krenz wusste, dass er entlarvt werden wird.
Wir hatten als Fraktion einen Entschließungsantrag in die heutige Sitzung eingebracht und ihn allen anderen Fraktionen vorher zugestellt. Ich finde es höchst bedauerlich, dass sich insbesondere die Koalition nicht zu unserem Entschließungsantrag und damit auch zum 7 Mai 1989 positionieren konnte. Ich weiß nicht, ob das politische oder organisatorische Gründe hatte. Es ist einfach bedauerlich.
Das Jahr 2009 erinnert nicht nur an schöne Ereignisse. In wenigen Tagen jährt sich der 10. Todestag des Schriftstellers Jürgen Fuchs, an den ich an dieser Stelle erinnern möchte. Jürgen Fuchs ist durch SED und Staatssicherheit in Hohenschönhausen festgesetzt und selbst später in Westberlin noch terrorisiert worden. Er erkrankte an Leukämie und starb am 9. Mai 1999. Er starb an einer Krebserkrankung, die in dem Verdacht steht, durch Bestrahlung hervorgerufen zu werden. Es ist anderen ähnlich gegangen. Bis heute konnte leider nicht nachgewiesen werden, dass das in der Haft durch die Stasi-Leute bewusst herbeigeführt wurde. Aber Anhaltspunkte dafür gibt es.
All das sind Dinge, die wir nicht vergessen dürfen und die wir der Jugend weitergeben müssen. Wenn ich in dem Bericht des Herrn Gutzeit lese, welche Schwierigkeiten es etwa bei der Lehrerweiterbildung gibt, muss ich Senator Zöllner fragen, was er in den letzten Jahren dazu getan hat. Mein Eindruck ist: Nichts!
Wer in der politischen Bildungsarbeit nichts tut, der unterstützt ein gesellschaftliches Klima der Verharmlosung. Der Slogan „Es war nicht alles schlecht!“ begegnet uns allenthalben, und der schon erwähnte Herr Sellering, Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, hat dem die Spitze aufgesetzt, indem er gesagt hat:
Sehr geehrte Damen und Herren – für einen „Schuss Willkür“ benötigten wir keinen Landesbeauftragten.
Den brauchen wir, weil Aufarbeitung, Beratung und politische Bildung auch 2009 dringend erforderlich sind. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 20 Jahre nach dem Mauerfall hat der diesjährige Bericht des StasiUnterlagenbeauftragten natürlich eine besondere Bedeutung. Ein solcher Bericht ist ein wichtiger Indikator, wie weit wir mit der Einheit wirklich sind. Bevor ich auf den aktuellen Bericht zu sprechen komme, erlaube ich mir – ich habe denselben Eindruck wie der Abgeordnete Scholz, dass bei dieser Beratung doch gewisse Erinnerungen geweckt werden –, noch einmal auf den letzten Bericht einzugehen. Im letzten Jahr begann der Bericht mit folgender Einleitung – ich zitiere – :
Nahezu 20 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur ist der Stand ihrer Aufarbeitung widersprüchlich. Einerseits bleibt das Interesse an Geschichte und Folgen der SED-Diktatur unvermindert hoch, andererseits mehren sich die Zeichen, dass gerade die heranwachsende Generation immer weniger darüber weiß. Zudem treten frühere Funktionäre des Regimes entschlossen an die Öffentlichkeit, lassen jegliches Unrechtsbewusstsein vermissen und versuchen so, den diktatorischen Charakter der DDR zu relativieren. Dem muss entschieden entgegengetreten werden.
Wenn wir uns den diesjährigen Bericht anschauen, ist diese Einleitung unverändert aktuell, sodass wir eigentlich auch all unsere Reden aus dem vergangenen Jahr wiederholen könnten. Das ist bedauerlich. Es ist schön und gut, wenn wir uns die Berichte jährlich vorlegen lassen und hier im Hause beraten. Aber, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Sie müssen endlich auch Rückschlüsse aus solchen Berichten ziehen, und Sie müssen endlich entsprechend reagieren.
Natürlich spielt die Linke hier den Bremser, aber auch die SPD hat offensichtlich jegliche Kraft verloren, eigene Akzente zu setzen. Sie sind an der Regierung, und Sie sind theoretisch auch in der Lage zu handeln statt nur zu reden. Trotzdem tun Sie es nicht.