Deshalb ist es natürlich ein aktuelles Thema. Wir glauben aber auch, dass es gut ist, nach der Härte der Auseinandersetzungen der letzten Wochen eine kurze Denkpause einkehren zu lassen und in Ruhe darüber nachzudenken, wie es weitergeht. Wir wollen auch insbesondere den Kirchen die Möglichkeit geben, sich zu überlegen, wie sie sich nach der Abstimmung in den Ethikunterricht einbringen können. Darüber können wir auch an anderer Stelle reden. Heute sollte von diesem Parlament ein Signal für einen politisch aktiven, aber friedlichen 1. Mai ausgehen. Wir rufen alle Berlinerinnen und Berliner dazu auf, sich daran zu beteiligen und dies mitzugestalten, und darüber wollen wir heute in der Aktuellen Stunde reden. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Für die CDUFraktion hat der Kollege Juhnke das Wort. – Bitte schön, Herr Juhnke!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Jahre wieder – Berlin am 1. Mai. Hat der Senat alles im Griff, wie uns der Innensenator weismachen will? Gibt es keine Anzeichen für eine steigende Gewaltbereitschaft von links? Wird es in diesem Jahr nur friedliche Demonstrationen geben? Und vor allem: Ist die Erde wirklich eine Scheibe? – Der Schönwetter-Senat beschwichtigt und hofft auf Sonnenschein, doch das Barometer weist in eine andere Richtung.
Herausragendes Alarmsignal ist die beispiellose Serie von Brandanschlägen auf Fahrzeuge, die Berlin derzeit erlebt. In diesem Jahr waren es bereits über 50, im gesamten Jahr 2008 waren es 68. Diese Zahlen belegen den dramatischen Anstieg, doch der Senat verharmlost, ja, bespöttelt gar das Problem. Ohne den immensen Druck der Öffent
lichkeit, der Presse und nicht zuletzt der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus würde der Wowereit-Senat noch heute den Besitzern von Autos der gehobenen Klasse den zynischen Rat geben, ihre Stellplätze gefälligst sorgfältiger auszuwählen. So Polizeipräsident Dieter Glietsch in der „taz“ vom 13. Juni 2008:
Gelegenheit macht Diebe, Gelegenheit macht Vandalismus, man sollte als Besitzer teurer Karossen nicht provozierend parken.
Stellt sich die Frage, wie man provozierend parkt. Ich stelle mir darunter jemanden vor, der sich z. B. vor der Grünen Woche mitten ins Halteverbot stellt, während alle anderen eine Viertelstunde lang einen Parkplatz suchen oder sich gleich in die S-Bahn drängeln. Das wäre vielleicht provozierend geparkt, gleichwohl wäre es noch lange keine Berechtigung für Dritte, dieses Auto dann in Brand zu setzen.
Was ist aber daran provozierend, wenn jemand sein Auto ordnungsgemäß vor seiner eigenen Wohnung abstellt, vermutlich glücklich, dass er endlich einen Parkplatz gefunden hat? Es handelt sich hierbei auch nicht ausschließlich um 12 Meter lange Stretchlimousinen, die den Aufkleber tragen: Eure Armut kotzt mich an, wie es die latente selbst-Schuld-Debatte mit dem Schlagwort Nobelkarosse suggerieren will. Nein, meist sind es ganz normale Pkws, deren Halter den Fehler begangen haben, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Für den Senator ist das offenbar Provokation genug, sein Dienstwagen wird nachts schließlich sicher verwahrt.
Aber auch jenseits der Brandanschläge ergeben sich eindeutige Hinweise auf ein starkes Bedürfnis nach Randale von links. Seit Wochen kommt die Stadt nicht zur Ruhe – Angriffe auf Firmensitze, gewalttätige Randale bei den sogenannten Freiraumtagen, konzertierte Aktionen eines gewalttätigen Mobs rund um den Rosenthaler Platz und an anderen Orten. Die Täter kommen wie aus dem Nichts und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Die Gewerkschaft der Polizei spricht in diesem Zusammenhang von einer modernen Form des Kiez-Terrorismus. Man muss also feststellen, dass es eine ganze Reihe von Alarmzeichen gibt. Für die CDU-Fraktion sind dies schon ausreichend Gründe, sich intensiv im Rahmen einer Aktuellen Stunde und im Interesse der Sicherheit und des Ansehens unserer Stadt mit den aktuellen Herausforderungen rund um den 1. Mai zu beschäftigen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein weiteres Thema ansprechen. Die CDU in Friedrichshain-Kreuzberg hat das selbstverständliche Recht einer jeden demokratischen Partei für sich in Anspruch genommen und wollte am Tag der Arbeit einen Informationsstand in Kreuzberg aufstellen. In einem Schreiben wird die Standgenehmigung durch den Polizeipräsidenten versammlungsrechtlich versagt, da die Fläche bereits von den Initiatoren des Myfestes belegt sei – formalrechtlich sicher nicht angreifbar. Eine Einigung über die Verlegung des Standortes um einige Meter oder andere Kompromisslösungen wurden dabei erst gar nicht erwogen. Wie gesagt, formaljuristisch ist das sicher im Rahmen des Ermessens. Der wahre Hintergrund für diese Versagung ist hingegen die Einschüchterung, die zuvor von den linken Demonstranten ausgeübt wurde.
Man kann über die Begleitumstände durchaus diskutieren, aber durch die Versagung wird doch folgende Botschaft ausgesendet: Der Staat lässt sich in die Knie zwingen, wenn nur die Drohkulisse der Chaoten groß genug ist.
Somit wird ein fatales Wertebild ausgesendet; Veranstaltungen, in deren Zusammenhang zu Straftaten aufgerufen wird und die in der Vergangenheit bereits die Plattform für Chaos und Krawalle geboten haben, stehen unter dem Schutz des Staates, friedliche Veranstaltungen demokratischer Organisationen müssen dafür weichen. Es darf keine No-go-Areas für Demokraten geben!
Wir sehen, unsere Gesellschaft, unser Rechtsstaat, unser demokratisches Gemeinwesen werden ganz aktuell massiv herausgefordert. Lassen Sie uns deshalb in einer Aktuellen Stunde über den 1. Mai 2009 diskutieren! – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Juhnke! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr der Kollege Mutlu das Wort. – Bitte schön, Herr Mutlu!
Das kommt auch einmal vor. Auch einem Mutlu passiert das. Ich brauche das einfach nur, um ab und zu einmal darauf zu gucken.
Am vergangenen Sonntag hat Berlin gewählt. 51 Prozent der Berlinerinnen und Berliner oder derjenigen, die sich am Volksentscheid beteiligt haben, haben sich für das gemeinsame Ethikfach und gegen einen Wahlpflichtunterricht bestehend aus Ethik und Religion ausgesprochen.
Damit hat Berlin gewonnen. Damit haben alle Berlinerinnen und Berliner gewonnen, egal, woher sie kommen oder welcher Religion sie angehören.
Das Berliner Modell bleibt erhalten. Das gemeinsame Ethikfach für alle bleibt auch erhalten. Darüber freue ich mich sehr. Der Religionsunterricht kann wie bisher, ohne Abstriche fortgeführt werden, und das ist auch gut so. – 2,5 Millionen Berliner Wahlberechtigte waren aufgerufen, sich an dem Volksentscheid zu beteiligen. Die hochemotionalen Kampagnen und das Ergebnis des Volksentscheids sind für uns wichtig und auch ein geeignetes Thema, heute und hier in diesem Hause darüber reden.
Dieses Haus hat nach langen kontroversen Debatten das gemeinsame Ethikfach für alle zum Schuljahr 2006 eingeführt und nicht ohne Grund. Es gab genügend gute Gründe für die Einführung dieses Faches, und diese Gründe sind nach wie vor gültig. Wir brauchen nach wie vor einen Raum für den Dialog in der Schule über Weltanschauungen, Weltdeutungssysteme, Religionen. Die Zeit für den gemeinsamen Austausch über diese verschiedenen Religionen und Weltanschauungen ist wichtig. Das Ethikfach hat sich aus meiner Sicht bewährt. Die bisherigen Erfahrungen mit diesem Fach sind überwiegend positiv, obwohl ich zugeben muss, dass da auch sicherlich Potenzial für eine Weiterentwicklung gegeben ist. Mir hat kürzlich eine Schulleiterin gesagt: Dort, wo früher die Fäuste gesprochen haben, reden heute die Jugendlichen miteinander und versuchen, Verständnis füreinander aufzubringen. – Ich finde, das ist ein Erfolg, und das sollte es weiter in der Berliner Schule geben.
[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]
Sicherlich ist dieses Fach kein Allheilmittel, und es hat auch nicht den Anspruch, ein Allheilmittel zu sein. Sicherlich kann Wertevermittlung nicht allein auf ein Fach reduziert werden. Sicherlich ist auch die Vermittlung von Werten Aufgabe der gesamten Schule und der Lehrerinnen und Lehrer und auch der Eltern, die diese vorleben müssen. Es macht aber dennoch einen Unterschied, ob Schülerinnen und Schüler in der Schule nach Konfessionen separiert werden und dadurch die Andersartigkeit dieser Jugendlichen manifestiert wird. Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob sich zum Beispiel katholische Kinder oder Schülerinnen und Schüler miteinander, unter
einander und gemeinsam und getrennt mit den muslimischen Jugendlichen über den Islam austauschen oder ob diese gemeinsam an einem Tisch sitzen und sich untereinander über den Islam, Katholizismus und alle anderen Weltanschauungsgemeinschaften austauschen, die es in dieser Stadt gibt. Im Dialog liegt die Kraft, und das ist die Erfolgsstory dieses neuen Faches.
Berlin ist eine multireligiöse und multikulturelle Stadt. Wie ich schon öfter von diesem Pult aus gesagt habe: Das friedliche Zusammenleben in unserer pluralistischen Gesellschaft ergibt sich nicht von allein. Es bedarf permanenter Information über die Weltanschauungssysteme, Religionen und Kulturen und dem Austausch darüber. Es bedarf einer aktiven Erziehung zum gegenseitigen Respekt und zur Anerkennung von Unterschiedlichkeiten und zur Bereitschaft zum Dialog. Das gewährleistet dieses Fach. Das gewährleistet das Berliner Modell. Voraussetzung für den pädagogischen Erfolg ist allerdings, dass die Schülerinnen und Schüler miteinander und voneinander lernen und nicht getrennt werden. Das ist endlich am Sonntag für die nächsten Jahrzehnte besiegelt worden.
Ich kann mich nur wiederholen: Eine Aufteilung der Schülerinnen und Schüler macht keinen Sinn, sie schadet nur. Der Sonntag hat aber auch gezeigt: In unserer Stadt gibt es ein vermehrtes Bedürfnis nach mehr Religiosität in der Schule. Dieses Bedürfnis ist ernst zu nehmen und kann nicht ignoriert werden, nur weil die CDU-Fraktion ein wiederholtes Mal versucht hat, einen Volksentscheid zu instrumentalisieren, nur weil die Kirchen Triebfeder der „Pro Ethik“-Kampagne waren.
Dieses Bedürfnis ist ernst zu nehmen. Diesem Bedürfnis muss das Ethikfach Rechnung tragen. Insbesondere müssen meiner Ansicht nach die religionskundlichen Anteile des Faches überprüft werden. Das gilt für den Rahmenplan. Das gilt vor allem auch für die Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer für das Ethik-Fach. Ich gehe sogar weiter und sage: In dieser Stadt muss es an den Universitäten auch eine adäquate Ausbildung für diese Lehrerinnen und Lehrer geben. Das ist eine Notwendigkeit. Das hat der Sonntag auch gezeigt.
Danke schön, Herr Kollege Mutlu! – Für die FDPFraktion Frau Kollegin Senftleben! – Bitte schön, Sie haben das Wort, Frau Senftleben!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich ist die Aktualität zum 1. Mai gegeben. Darauf haben meine Vorredner Herr Gaebler und insbesondere Herr Juhnke hingewiesen. Das ist auch unbestritten. Für meine Fraktion, die FDP-Fraktion, ist es wichtig, dass wir nicht erst nach dem 1. Mai Kritik üben und kritisieren, was wieder alles falsch gelaufen ist, sondern wir müssen auch vorher über Konzepte reden.