Protokoll der Sitzung vom 30.04.2009

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir sollten insbesondere dabei – heute in der Debatte – zwei Dinge zum Ausdruck bringen. Erstens, das Abgeordnetenhaus lehnt geschlossen die sinnlosen Gewalttaten ab. – Zweitens, das Abgeordnetenhaus steht an der Seite der Polizei, die die Aufgabe hat, die Bürger Berlins vor den linken Chaoten zu schützen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die Grünen beantragen nun eine Aktuelle Stunde zum Ausgang des Volksentscheids „Pro Reli“. Selbstverständlich, liebe Grüne, ist das ein aktuelles Thema. Wir sind allerdings der Auffassung, dass es dem Thema gut tut, wenn wir nicht gleich vier Tage nach dem Volksentscheid mit einer Analyse fortfahren, denn die Auseinandersetzung war teils hitzig, teils ideologisch aufgeladen, und wir sollten ruhig noch ein wenig damit warten.

Das Thema Religionsunterricht bleibt in dieser Stadt aktuell. Das ist nämlich die Konsequenz, wenn sich 346 000 Menschen zu diesem Wahlpflichtfach bekennen. „Pro Reli“ hat die Stadt wachgerüttelt. Wir haben Wochen über Wertehaltungen, Religion und Religionsgemeinschaften geredet und diskutiert. Dennoch ist die Initiative gescheitert. Es wurde das Quorum nicht erreicht. Es waren mehr Nein- als Ja-Stimmen. Meine Fraktion bedauert das Ergebnis. Meine Fraktion akzeptiert das Ergebnis. Der Erfolg dieser Initiative liegt nicht allein darin, dass wir Wochen über dieses Thema diskutiert haben. Der Erfolg geht darüber hinaus. Der vom rot-roten Senat eingeschlagene Weg ist nicht das Nonplusultra.

Kritik am Ethikunterricht ist durchaus berechtigt, und ich habe aufgrund der Äußerungen in den letzten Tagen den Eindruck, das Rot-Rot das auch verstanden hat. Wie sonst erklärt sich die Äußerung des Bildungssenators, die im Schulgesetz verankerte Möglichkeit einer Kooperation von Ethik- und Religionsunterricht verstärkt weiterzuentwickeln? Wie sonst erklärt sich die Äußerung der Fraktionsvorsitzenden Frau Bluhm, dass Berlin prüfen soll, einen Lehrstuhl für islamische Theologie einzurichten? Schön, Frau Bluhm, dass Sie unsere Idee aufgenommen

haben. Wie sonst erklärt sich das Zitat des Fraktionsvorsitzenden Müller:

Im Ethikunterricht läuft offensichtlich noch nicht alles rund. Da muss man über Inhalte, über den Lehrplan, über die Ausbildung der Lehrer mit Sicherheit noch einmal reden.

Herr Müller! Recht haben Sie! Ich habe den Eindruck, Sie haben wenigstens etwas verstanden.

Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg spricht sich nach dem Volksentscheid sogar für strengere Kontrollen des Religionsunterrichts aus. Zudem fordert er die Einführung eines freiwilligen Faches für Islamkunde. Es geht doch, meine Damen und Herren! Hier wird deutlich, die Debatte zeigt Wirkung. Die Diskussion ist noch nicht am Ende. Sie bleibt aktuell. Ich bin sicher, wir werden sie fortführen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin Senftleben!

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, und ich lasse über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, und zwar über das Thema von der SPD und der Linksfraktion, weil das die Mehrheit bekommen könnte. Das Thema lautet also: „Gegen Gewalt – Berlinerinnen und Berliner für einen friedlichen 1. Mai“. Wer diesem Thema seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die beiden Regierungsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das ist Bündnis 90/Die Grünen. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. Enthaltungen? – Von der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP.

Dann möchte ich Sie auf die vorliegende Konsensliste und auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. – Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte das im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Mir wurden folgende Entschuldigungen bezüglich der Abwesenheit von Senatsmitgliedern mitgeteilt: Frau Senatorin Junge-Reyer wird zwischen 15.30 Uhr und 18 Uhr abwesend sein, um ein Grußwort beim diesjährigen „Tag der Bauindustrie Berlin-Brandenburg“ zu sprechen. Frau Senatorin Dr. Knake-Werner wird zwischen 17.30 Uhr und 19.30 Uhr wegen der Jubiläumsveranstaltung des Bundesverbandes für Körper- und Mehrfachbehinderte abwesend sein. Frau Dr. Knake-Werner hat aber zugesagt, dass sie zur Beantwortung der Großen Anfrage unter Tagesordnungspunkt 12 anwesend sein wird, wie immer sich die Tagesordnung gestaltet. Senator Dr. Sarrazin ist ganztägig aus Urlaubsgründen abwesend.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage Nummer 1 über das Thema

Arbeitsmarktpolitisches Rahmenprogramm – ARP –: Zukunft der Fraueninfrastrukturstellen

hat Frau Abgeordnete Canan Bayram von der Fraktion der SPD. – Bitte, Sie haben das Wort!

Ich frage den Senat:

1. Wann beabsichtigt der Senat, die sogenannten Fraueninfrastrukturstellen öffentlich auszuschreiben, und welche Kriterien werden der Ausschreibung zugrunde gelegt?

2. Auf welcher Grundlage wurde die Entscheidung, eine Ausschreibung für die Fraueninfrastrukturstellen vorzunehmen, getroffen, und wurde hierzu eine Evaluation vorgenommen, wenn ja, wann?

Zur Beantwortung hat der Frauensenator Herr Wolf das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Bayram! Der Senat beabsichtigt, das neue Programm zur Stärkung der Fraueninfrastruktur Berlins nach der Abstimmung mit den bezirklichen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten zu Anfang Juni 2009 auszuschreiben. Die Umsetzung des neuen Programms wird zum Januar 2010 erfolgen. Die bestehenden Stellen werden bis dahin weiter gefördert. Die Schwerpunktsetzung für das neue Förderprogramm folgt dem für die laufende Legislaturperiode vom Berliner Senat in Abstimmung mit dem von den Bezirken verabschiedeten gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm.

Zu Ihrer zweiten Frage: Maßgebliche Grundlage für eine Neugestaltung des Programms war ein Abgleich der bisherigen Förderinhalte mit den aus Gesamtberliner Sicht unbedingt erforderlichen, ergänzenden Förderungen und gleichstellungspolitischen Aufgaben, die nicht im Rahmen der dauerhaften Projektförderung vonseiten des Senats oder der Bezirke möglich sind. Mit dem Programm zur Stärkung der Fraueninfrastruktur Berlins sollen wichtige Stellen in bestehenden Projekten weiter gefördert werden können. Gleichzeitig soll aber die Möglichkeit eröffnet werden, wichtige Angebotslücken zu schließen, die sich in den letzten Jahren ergeben haben.

Auf die Ausschreibung des neuen Programms können sich selbstverständlich die bisher geförderten Projekte bewerben – ich gehe davon aus, dass sie das auch tun werden – und auch solche, die bislang keine Förderung über das ARP-Programm erhalten haben.

In der nächsten Woche wird der Entwurf des Programms mit den bezirklichen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten abgestimmt werden, damit sie Gelegenheit haben, Vorschläge für aus ihrer Sicht dringend erforderliche bezirkliche Aufgaben zu machen, soweit sie nicht schon im Entwurf enthalten sind. In den Auswahlkriterien wird auch der Aspekt der regionalen Verteilung der Stellen eine angemessene Berücksichtigung finden.

Danke schön! – Eine Nachfrage von Frau Kollegin Bayram. – Bitte schön!

Inwieweit ist Ihnen bekannt, und wie gehen Sie damit um, dass in einigen Bezirken die Ausschreibungen und die Neuverteilung der Stellen Unmut auslöst und befürchtet wird, dass eine bestehende Fraueninfrastruktur insbesondere im Osten der Stadt zerschlagen werden könnte?

Herr Senator Wolf – bitte schön!

Frau Bayram, mir sind solche Befürchtungen bekannt! Das liegt in der Natur der Sache. Bei jeder Veränderung bestehender Strukturen werden damit bei denjenigen, die bisher in den geförderten Projekten aktiv waren, oder bei Bezirken Sorgen und Befürchtungen ausgelöst. Deshalb versuchen wir, die Strukturveränderung in enger Abstimmung mit den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in den Bezirken zu diskutieren und abzustimmen mit dem, was wir gemeinsam im gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm verabredet haben.

Es ist notwendig, durchaus auch Veränderungen vorzunehmen, weil wir mit dem gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm neues Terrain betreten. Im Übrigen haben sich auch neue Aufgaben herausgebildet. Es wird deshalb erforderlich, das Programm anzupassen. Ich gehe allerdings davon aus, dass es am Ende – das ist die Zielsetzung – zu einer Stärkung der Fraueninfrastruktur und zu einer Verbesserung der Angebotspalette kommt. Wir werden das in sehr enger Abstimmung mit den Bezirken und den Projekten diskutieren.

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage von Frau Kollegin Kofbinger von Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön, Frau Kofbinger!

Danke, Herr Präsident! – Herr Senator Wolf! Ist Ihnen bewusst, dass in der Trägerstruktur, die teilweise in den Ostbezirken zerschlagen wird, Stelleninhaberinnen sind, alles ältere Frauen über 50 Jahre, über 55 Jahre oder über 60 Jahre? Ist Ihnen bewusst, dass Sie sie in die dauerhafte Erwerbslosigkeit schicken? Nehmen Sie das als Kollateralschaden in Kauf, weil Sie nicht in der Lage sind, den gesamten Senat von der Notwendigkeit der Umsetzung des gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms zu überzeugen und dafür die erforderlichen finanziellen Mittel einzufordern?

Herr Senator Wolf – bitte schön!

Sehr geehrte Frau Kofbinger! Ich wende mich erst einmal dagegen, dass hier das Fraueninfrastrukturprogramm zerschlagen wird. Das Gegenteil ist der Fall! Fraueninfrastruktur wird insofern gestärkt werden, als die Ressourcen, die vorhanden sind, für die Themen und die Aufgaben eingesetzt werden, die wir gemeinsam, auch in Übereinstimmung mit Ihrer Fraktion – wenn ich das richtig sehe –, was die Schwerpunkte des gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms angeht, beschlossen haben. Das heißt keine Zerschlagung, sondern eine Stärkung der Fraueninfrastruktur mit einer Ausrichtung auf die gemeinsam verabredeten Ziele.

Wir werden im Rahmen der Ausschreibung und im Rahmen der Vergabe die von Ihnen angesprochenen sozialen und arbeitsmarktpolitischen Aspekte berücksichtigen. Das ist uns durchaus bewusst. Wir werden da, wo es notwendig ist, daran arbeiten, dass in Einzelfällen auch Lösungen gefunden werden.

Danke schön, Herr Senator!

Dann geht es weiter mit der Mündlichen Anfrage Nummer 2 des Kollegen Hoffmann von der Fraktion der CDU zum Thema

Berlin, hohe Schulden – keine zeitgerechte Beratung

Bitte, Herr Hoffmann, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wieso kommt es unter Rot-Rot in Berlin zum Beratungsstau bei der Schuldnerberatung mit Wartezeiten von z. B. zehn Monaten in Neukölln für die Insolvenzberatung?

2. Welche Maßnahmen sind bzw. werden ergriffen, um diesen Stau sofort aufzulösen und der Verpflichtung nach Artikel 28 GG nachzukommen?

Danke, Herr Kollege Hoffmann! – Für den Senat antwortet Frau Senatorin Dr. Knake-Werner. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Hoffmann! Lassen Sie mich vorab eine Bemerkung machen und feststellen, dass es in Berlin in den letzten Jahren gelungen ist, ein Berlinweites Netz an Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen zu schaffen und vor allem zu erhalten. Derzeit gibt es 22 anerkannte Schuldner- und Insolvenzberatungen in allen Bezirken des Landes Berlin. Überall können Ratsuchende kostenfrei Informationen und Beratung erhalten.

Zur Entwicklung dieser Schuldner- und Insolvenzberatung ist im März in meinem Haus ein Bericht vorgelegt worden. Er ist auf unserer Website abzurufen. Sie erhalten dort noch eine Menge Zusatzinformationen.

Zu Ihrer Frage nach den Wartezeiten: Zunächst ist es notwendig festzustellen, dass jeder, der sich in einer Krisensituation befindet, der aktuellen Beratungsbedarf hat, kurzfristig Beratung bekommt. Das ist in allen Stellen der Schuldner- und Insolvenzberatungen gewährleistet, und zwar binnen weniger Tage.

Die Wartezeiten, die Sie nennen, sind in der Tat sehr unterschiedlich. Sie beziehen sich vor allen Dingen auf längerfristige Beratungen und Betreuungen. Sie beträgt durchschnittlich 5,3 Monate. Viele Ratsuchende, die sich zu Kurzberatungen anmelden und diese auch erhalten, verzichten auf weitergehende Beratung und bemühen sich, ihre Schuldenprobleme aus eigener Kraft zu lösen.