Die Wartezeiten, die Sie nennen, sind in der Tat sehr unterschiedlich. Sie beziehen sich vor allen Dingen auf längerfristige Beratungen und Betreuungen. Sie beträgt durchschnittlich 5,3 Monate. Viele Ratsuchende, die sich zu Kurzberatungen anmelden und diese auch erhalten, verzichten auf weitergehende Beratung und bemühen sich, ihre Schuldenprobleme aus eigener Kraft zu lösen.
Darüber hinaus gibt es natürlich auch die Möglichkeit, sich über das Online-Beratungsportal, das wir Ende 2005 innerhalb der Landesarbeitsgemeinschaft der Schuldner- und Insolvenzberater geschaffen haben, ganz kurzfristig an eine Beratungsstelle zu wenden.
Die Lage in den Bezirken ist höchst unterschiedlich. Das hängt vom Standort, der Beratungskonzeption der jeweiligen Beratungsstelle und des Bezirks und den Vorgaben – das Bezirksamt ist Zuwendungsgeber für die Schuldner- und Insolvenzberatungen, was die Situation vor Ort beeinflusst – ab.
Wir wissen, dass in Neukölln seit vielen Jahren eine schwierige Sozialstruktur existiert, die einen erheblichen Beratungsbedarf erforderlich macht. Deshalb – das begrüße ich sehr – engagiert sich der Bezirk sehr kontinuierlich in der Präventionsarbeit in Schulen. Aber das führt auch dazu, dass die Fachberatung in den Beratungsstellen geringer wird. Ich will das an wenigen Zahlen verdeutlichen: Im zweiten Halbjahr 2007 befanden sich in Neukölln 1 340 Ratsuchende in laufender Beratung. Die Wartezeit betrug damals 3,5 Monate. Inzwischen sind es weniger Ratsuchende, nämlich Anfang 2008 1 177. Die Wartezeit lag bei 7,9 Monaten. Im 2. Halbjahr 2008 ist die Wartezeit auf die von Ihnen genannten 9,3 Monate angestiegen, und zwar bei gleich bleibender Zahl an Ratsuchenden.
Das macht deutlich: Es gibt Bezirke, in denen es keine Wartezeiten gibt, und in Neukölln sind sie sehr lang. Das hängt mit der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung der Bezirke zusammen, die in Neukölln auf der Prävention liegt. Die von vielen Bezirken vorgehaltene Beratung in den Jobcentern verändert auch die Beratungssituation vor Ort.
Zu Ihrer zweiten Frage: Wir haben uns, seit wir als RotRot Regierungsverantwortung tragen, stets für eine stabile Finanzierung der anerkannten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen eingesetzt. Wir haben uns auch – unter Rot-Rot, Herr Hoffmann – darauf eingestellt, dass nach der Einführung der neuen Sozialgesetze – populär Hartz IV genannt – eine höhere Anforderung an Schuldner- und Insolvenzberatung nötig sein wird. Wir haben die Fachberatungsstellen entsprechend ausgebaut, was zu einer Reduzierung von Wartezeiten geführt hat. Ende des Jahres 2007 standen 5,09 Millionen Euro Landesmittel zur Verfügung, zudem 1,127 Millionen Euro aus den Bezirkshaushalten. Mit Beschluss des Abgeordnetenhauses wurde der Anteil der Landesmittel um eine halbe Million Euro für den Doppelhaushalt 2008/2009 erhöht. Diese knapp 7 Millionen Euro fließen in die Globalhaushalte der Bezirke. Im Rahmen der Projektförderung verteilen die Bezirke diese Mittel entsprechend ihrer Schwerpunktsetzung. Dadurch können in den Bezirken erhebliche Verschiebungen bezüglich der Wartezeiten entstehen.
Herr Präsident! Frau Senatorin! Wieso nennen Sie keine Maßnahmen, die Sie ergreifen wollen, um den aktuellen Stau, den es nun einmal gibt und der für die Betroffenen unzumutbar ist, zu beseitigen? Ich frage das vor dem Hintergrund, dass sich die Schuldnerberater im Zweiten Deutschen Fernsehen besonders über die Situation in Berlin beklagt haben.
Herr Abgeordneter Hoffmann! Die erste wichtige Maßnahme, die wir ergriffen haben, ist die Aufstockung der Mittel für die Schuldnerberatung. Das führt allerdings in den Bezirken zu sehr unterschiedlichen Reaktionen. Wir haben mehr Landesmittel eingebracht, aber bei den Schuldnerberatungsstellen kommen weniger Mittel an. Das ist beispielsweise in Neukölln der Fall. Im Unterschied zu fast allen anderen Bezirken sind dort für die Beratungsstelle die Mittel um 130 000 Euro abgesenkt worden. Das kann damit zu tun haben, dass mehr in andere Bereiche, beispielsweise die Prävention, gesteckt worden ist, aber das ist erst einmal Fakt. Natürlich führt das zu einem Anstieg der Wartezeiten. Das ist in HellersdorfMarzahn anders. Dort gibt es kaum Wartezeiten. Dort sind die Mittel entsprechend der Landeszuwendung erhöht worden.
Danke schön! – Die Kollegin Breitenbach von der Linken hat eine Nachfrage. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Frau Senatorin! Heißt das, dass die 500 000 Euro, die der Hauptausschuss zur Verfügung gestellt hat, um Wartezeiten abzubauen, in den Bezirken nicht 1:1 für die Schuldnerberatung verwendet wurden? Können Sie darüber Auskunft geben?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Kollegin Breitenbach! Genau das heißt das. Es ist in fast allen Bezirken entsprechend der Zuweisung des Parlaments aufgestockt bzw. zum Teil aber mit bezirklichen Mitteln verrechnet worden. Es gibt zum Beispiel in Lichtenberg eine Absenkung der Mittel, und in Neukölln beträgt die Absenkung erhebliche 130 000 Euro. Ich muss demnach davon ausgehen, dass nicht alle Mittel, die vom Parlament für die Schuldner- und Insolvenzberatung zur Verfügung gestellt wurden, an der vorgesehenen Stelle angekommen sind.
Nun ist der Kollege Dr. Albers von der Linksfraktion an der Reihe. Er stellt eine Frage zu dem Thema:
1. Wie schätzt der Senat die aktuelle Gefahrenlage einer Ausbreitung der sog. Schweinegrippe für Berlin ein?
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Die Weltgesundheitsorganisation teilt die Warnstufen für eine Pandemie auf einer Skala von 1 bis 6 ein. In den letzten Jahren befanden wir uns ziemlich lange in der Stufe 3. Am Dienstag wurde die Stufe auf 4 angehoben. Seit gestern sind wir in der Stufe 5. Diese Hochstufung erfolgte aufgrund der Tatsache, dass Mensch-zu-Mensch-Übertragungen in mehr als einem Land einer WHO-Region aufgetreten sind. In Berlin werden daher – wie auch in anderen Bundesländern – die Vorsichtsmaßnahmen intensiviert und ausgebaut. Es ist insofern ein relativ automatisierter Prozess.
Nach derzeitigem Kenntnisstand können an der neuen Grippe nur Personen erkranken, die in den letzten sieben Tagen vor dem Auftreten der ersten Symptome in einem Risikogebiet waren – als solche werden momentan Mexiko und die Region New York in den USA eingestuft –, oder solche Menschen, die Kontakt mit einer erkrankten Person hatten. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind die typischen Medikamente gegen Influenza-Viren – Tamiflu und Relenza; die Namen werden Ihnen inzwischen geläufig sein – gegen dieses Virus wirksam. Es ist bisher absolut unklar, warum die Krankheit in Mexiko in mehreren Fällen und in einem Fall in den USA tödlich verlief, in allen anderen bekannten Fällen aber mildere Verlaufsformen auftraten.
Zu den Medikamenten ist Folgendes zu sagen: Wir gehen davon aus, dass eine genügend große Anzahl Tamiflu sowohl in den Apotheken, beim Großhandel und auch bei den Herstellern zur Verfügung steht. Zusätzlich wurden in Berlin von der Berliner Gesundheitsverwaltung und mit Beschlussfassung des Nachtragshaushalts 2008/2009 ca. 700 000 Therapieeinheiten bevorratet. Das entspricht einem Bevorratungsstand von 20 Prozent für die Bevölkerung und heißt dann infektiologisch, dass es im Ernstfall für alle ausreichen würde.
Da es sich bei dem Erreger um ein neues Virus handelt, gibt es bislang keinen Impfstoff. Die Grundlagen für die Entwicklung eines neuen Impfstoffs sind in den USA bereits gelegt worden. Die Produktion wird aber voraussichtlich mehrere Monate in Anspruch nehmen. Für den zu entwickelnden Impfstoff gibt es ungeachtet dessen bereits vorsorglich abgeschlossene Verträge mit den entsprechenden Produzenten, sodass auch hier eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung gesichert ist.
Zur aktuellen Lage in Berlin und Deutschland: Eine Gefährdung der Berlinerinnen und Berliner besteht momentan nicht. Es gibt derzeit auch keinen einzigen Verdachtsfall in Berlin. In Deutschland gibt es drei bestätigte Erkrankungsfälle und aktuell – Stand 13 Uhr – acht Verdachtsfälle. Generell empfohlene Hygienemaßnahmen insbesondere häufiges Händewaschen mit Wasser und Seife sollten jedoch eingehalten werden. Aber das gilt ohnehin in jeder Phase des Lebens.
Die Berliner Senatsgesundheitsverwaltung hat seit dem Wochenende ihren Arbeitsstab aktiviert, um sich auf eine mögliche Ausbreitung der Schweinegrippe vorzubereiten. Wir arbeiten auf der Grundlage des Berliner PandemieRahmenplans, der im Internet für jedermann einsehbar ist. Er baut auf dem nationalen Pandemieplan auf und enthält einen Überblick über Maßnahmen, Aufgaben und Handlungsempfehlungen auch außerhalb von Behörden. Die zu treffenden Präventionsmaßnahmen stimmen wir eng mit dem Robert-Koch-Institut und den Gesundheitsbehörden anderer Bundesländer ab. Gemeinsam mit den Gesundheitsämtern der Bezirke, die laufend über den Gang der Dinge unterrichtet werden, werden die Maßnahmen umgesetzt.
Der Flughafen Tegel hat Informationen für den Fall erhalten, dass erkrankte Menschen nach Deutschland einreisen. Ich möchte noch einmal klarstellen, dass selbstverständlich Menschen mit dem Verdacht auf dieses Virus in Tegel landen und in Berlin behandelt werden können. Auch das Kompetenzzentrum für besondere Infektionskrankheiten hat bereits unter der Leitung der Infektionsschutzbeauftragten des Landes getagt. Alle relevanten Akteure, niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser, Apothekerkammer, Ärztekammer, Berliner Behörden usw. sind von uns umfassend informiert.
Das gentechnische Labor des Landeslabors Berlin-Brandenburg ist vom nationalen Referenzzentrum als zugelassenes Untersuchungslabor für das Land Berlin bestätigt worden. Auch hier ist das Personal vorbereitet und kann bis 22 Uhr Proben entgegennehmen. Seit gestern haben wir ein Bürgertelefon geschaltet. Gestern haben dort 70 Menschen angerufen. Diese Zahl fanden wir nicht besonders groß, aber es ist offensichtlich sinnvoll gewesen. Fortlaufend wird das Internetangebot aktualisiert, worauf ich Sie ausdrücklich verweisen möchte.
Das Fazit aus meiner Sicht: Wir beobachten die Infektionsentwicklung sehr genau, gehen aber davon aus, dass wir gut gerüstet sind. Wir werden alles tun, um zu verhindern, dass sich das Virus weiter ausbreitet. Die medizinische Versorgung in Berlin ist gewährleistet – auch für den Fall möglicher Veränderungen. Die Pandemievorkehrungen werden weiter vorangetrieben, und das nicht nur in den Behörden, sondern auch in Gesundheitseinrichtungen und Unternehmen.
Gestern fand eine Telefonkonferenz des Bundes und der Länder zur Vorbereitung der heutigen EU-Ministerratssitzung zum Thema statt. Hier soll es insbesondere um Fragen der Bevorratung von Medikamenten, der Abstimmung einheitlicher Kommunikationswege und der Abstimmung von Regelungen für den Flugverkehr gehen. – Vielen Dank!
Kollege Dr. Albers! Haben Sie eine Nachfrage? – Das ist nicht der Fall. Dann hat Kollege Schäfer das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön!
Frau Senatorin! Wie lange dauert es in Berlin, bis eine Probe analysiert und ein Verdachtsfall geklärt werden kann? Wie verhält sich das im Vergleich zu anderen Ballungszentren in Deutschland?
Von unseren Experten wurde mir gesagt: Wenn man bis 16 Uhr die Probe abgibt, kann man das Ergebnis bis um 22 Uhr am gleichen Tag bekommen. Das würde bedeuten, dass die Analyse sechs Stunden dauert. In anderen Berichten habe ich gelesen, dass es anderswo 20 bis 24 Stunden dauert. Das mag mit den unterschiedlichen Labortechniken zu tun haben.
1. Wie bewertet der Senat vor dem Hintergrund milliardenschwerer Konjunkturprogramme die geplante Neufassung der Verdingungsordnung für Bauleistungen – VOB –, die gemeinnützige Unternehmen von der Vergabe von Bauleistungen ausschließt und damit Langzeiterwerbslosen gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise den Zugang zu Beschäftigung versperrt?
2. In welcher Weise hat der Senat auf Bundesebene bereits auf die Probleme und Konsequenzen dieser Neuregelung deutlich gemacht, und mit welchen landesgesetzlichen Regelungen wird der Senat zukünftig bei Auftragsvergaben die Beteiligung von gemeinnützigen Unternehmen sicherstellen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Pop! Zunächst zu Ihrer Information: Ich gehe davon aus, dass Sie die Regelung zur künftigen Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen ansprechen. Diese Regelung wird zurzeit erarbeitet. Zuständig für die Erarbeitung dieser Regelung ist der Hauptausschuss Allgemeines des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses. Dort werden zurzeit unter Beteiligung der Bundesregierung und unter Länderbeteiligung die Veränderungen diskutiert.
Die bisherigen Entwürfe sahen vor, dass von der Ausnahme von dem Zugang zur Vergabe solcher Bauleistungen nunmehr neu gemeinnützige Unternehmen betroffen – also ausgeschlossen – sein sollten – so, wie Sie das zitiert haben. Es gibt seit der Sitzung vom 23. April – also vor einer Woche – einen neuen, gemeinsamen Vorschlag von zwei Bundesministerien – des Bundesministeriums für Bauen und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. In diesem Entwurf, der in diese Arbeitsgruppe eingebracht worden ist, ist dieser Begriff „gemeinnützige Unternehmen“ als denjenigen, die herausgenommen werden sollen, wieder aus den Vorschriften entfernt worden.
Stattdessen gibt es weitere Formulierungen, die jetzt in dieser Arbeitsgruppe verfolgt und diskutiert werden sollen, und zwar geht es dabei vor allem darum, dass man sich mit den Unternehmen auseinandersetzen will, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sogenannten Mehraufwandsentschädigungen beschäftigen. Sie können sich vorstellen, dass bei der Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu einem ergänzenden Stundenlohn von 1 Euro viel geringere Preise entstehen, die zu Wettbewerbsverzerrungen in einem normalen
Wettbewerb führen würden. Deshalb müssen die Voraussetzungen geklärt werden, die für die Förderung solcher Gelegenheiten tatsächlich schon Vorschrift im SGB III sind – also die Tatsache z. B., dass solche Tätigkeiten zusätzlich sein müssen und im öffentlichen Interesse liegen müssen. Mit dieser Frage und der Klärung dieser Voraussetzungen wird man sich nunmehr auseinandersetzen.